Im Dunkel der Nacht. Künstlerische Annährung an einen realen Kriminalfall (experimentelles Pantun)

Schreibfan

Mitglied
Im Dunkel der Nacht

(künstlerische Annährung an einen realen Kriminalfall)

letztes Opfer (männlich 14 Jahre, 18.06.1966, abends am Tatort im Bunker)


Im fahlen Schein der Kerze sieht er wieder Ratten.
Jetzt weiß er, dass der Tod nach Süße riecht.
Noch gestern Nacht da fürchtete er nur den Schatten,
der Abends stets die Zimmerwand erkriecht


Täter, nach seinem ersten Mord 1962 (16 Jahre alt)

Jetzt weiß er dass der Tod nach Süße riecht.
Der Bunker füllt sich mit der hoffnungslosen Leere,
die abends stets die Zimmerwand erkriecht.
„vielleicht hörts auf, wenn ich mich nicht dagegen wehre“.

Letztes Opfer (männlich 14 Jahre, 18.06.1966, abends am Tatort im Bunker)

Der Bunker füllt sich mit der hoffnungslosen Leere,
die Schläge prasseln wild auf ihn herab
„vielleicht hörts auf, wenn ich mich nicht dagegen wehre“.
Und plötzlich lässt der Mann dort von ihm ab.

Täter (1958 im katholischen Jungeninternat, etwa 12 Jahre alt)

die Schläge prasseln wild auf ihn herab.
Die Wände schweigen und verschlucken alle Schreie.
Und plötzlich lässt der Mann dort von ihm ab.
Er soll sich ausziehn. Nun ist er wohl an der Reihe

Letztes Opfer (männlich 14 Jahre, 18.06.1966, abends am Tatort im Bunker)

Die Wände schweigen und verschlucken alle Schreie.
Dort draußen weht ein leichter Abendwind
Er soll sich ausziehn. Nun ist er wohl an der Reihe.
Er riecht, dass hier noch andre Kinder sind

Täter (Vorschulalter Kinderzimmer)

Dort draußen weht ein leichter Abendwind
Alleine sitzt er fest in dieser noblen Zelle.
Er merkt, dass hier noch andre Kinder sind.
Doch er darf nicht hinaus, nicht über diese Schwelle.

Letztes Opfer (männlich 14 Jahre, 18.06.1966, abends am Tatort im Bunker)

Alleine sitzt er fest, in dieser kalten Zelle.
Der Mann ging kurz nach Haus, zum Abendbrot.
Doch er darf nicht hinaus, nicht über diese Schwelle.
Der Junge soll hier warten. Auf den Tod.

Täter (19 Jahre, 18.06.1966 innerer Monolog auf dem Weg zum Abendessen)

„Ich geh nur kurz nach Haus, zum Abendbrot.
Nun schnell – das Abend-blau wird sicher schon zur Schwärze.
Der Junge soll hier warten. Auf den Tod.
Ihm bleibt nur noch die Flamme dieser kleinen Kerze“.

Letztes Opfer (18.06.1966 innerer Monolog kurz vor der Flucht)

Nun schnell– das Abend-blau wird sicher schon zur Schwärze
und helfen kann mir nur die Polizei.
Mir bleibt ja noch die Flamme dieser kleinen Kerze.
Und damit mach ich mich von Fesseln frei.

Täter (Nach seiner Verhaftung am 21. Juni 1966)

Und helfen kann ihm nur die Polizei
Sie führn ihn aus dem dunkel seiner innren Nächte
und machen ihn damit von Fesseln frei.
Im Knast erfährt er endlich einmal seine Rechte

Täter (Reaktion auf die Fragen der Analytiker und Journalisten)

Sie führn ihn aus dem dunkel seiner innren Nächte.
Sie zeigen jede Ecke seines Ich.
Im Knast erfährt er endlich einmal seine Rechte.
Doch immer wieder greift die Angst um sich…


Angstzustände des letzten (überlebenden) Opfers (wahrscheinlich noch heute)

Sie zeigen jede Ecke seines Ich.
(Auch gestern Nacht: Da fürchtete er schon die Schatten…)
und immer wieder greift die Angst um sich…
Im fahlen Schein der Kerze sieht er wieder Ratten….



Hannah May, 11.10.2022

Wer im übrigen herausfindet, um welche Kriminalfall es sich handelt, bekommt einen extra Applaus...
 

Mimi

Mitglied
Hallo Schreibfan,
sehr schöne Idee, Dein experimentelles Pantoum ...

Weshalb wählst Du die Schreibweise "das Abend-blau" und nicht "das Abendblau" ...?

Zum Kriminalfall:
Der Fall klingt sehr nach Jürgen Bartsch ...

Gruß
Mimi
 

Schreibfan

Mitglied
Liebe Mimi. Danke für deinen Kommentar.
Und klar geht der Sonderapplaus an dich: Jürgen Bartsch ist gemeint und sein letztes überlebendes Opfer, dass ich hier mal anonym lasse. Dass ich die Bindestrich Variante gewählt habe, liegt schlicht daran, dass mir mein Schreibprogramm meldete, dies sei korrekt .
LG Schreibfan
 



 
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