Im Freibad
Das niedrige Gartentor, der Weg über die aufgeworfenen
Waschbetonfliesen und das vergilbte Thermometer am Küchenfenster hatten mir ein längst vergessenes Gefühl des Nach-Hause-Kommens gegeben.
Ich stieß die Tür auf und betrat die Marmorfliesen im Flur.
Schon am Morgen war klar, dass es ein heißer Tag werden würde, und später, als alles erledigt war (zwei Handwerksfirmen wegen eines Kostenvoranschlages kontaktieren), beschlossen wir, ins Freibad zu fahren.
Damals hatte man auch "Badeanstalt" gesagt.
Das Auto ließen wir auf dem Parkplatz des Schulzentrums und schon weit vor dem Eingang erreichten uns der Lärm der kreischenden Badegäste und der Geruch von Sonnenmilch.
Früher war ich mit dem Rad gekommen und hatte den spiralförmigen Metallständer an der Hecke benutzt, den es nicht mehr gab. Auch das Kassenhäuschen, in dem die Frau mit den toupierten Haaren für fünfzig Pfennig die Karten abgerissen hatte, war verschwunden.
An gleicher Stelle spuckte ein Automat nach passendem Münzeinwurf unsere Eintrittskarten aus.
Das hufeisenförmige Schwimmbecken, das man von der Terrasse vor dem Kiosk aus sehen konnte, wenn man das Drehkreuz passiert hatte, war ein unveränderter Anblick.
Es roch nach Chlor.
Wo früher Tischfußballkästen gestanden hatten, gab es jetzt weiße Plastikmöbel, an denen man Kaffee trinken und Pommes frites essen konnte.
Die Frage, ob sie die Umkleidekabinen aufsuchen wollten, verneinten meine Kinder. Sie trugen die Badesachen unter ihrer Kleidung. Ich hatte es auch immer so gemacht.
Ohne zu überlegen, steuerte ich eine der Pappeln an, die die Liegewiese und den Bolzplatz voneinander trennten. Hier wählten wir unseren Platz.
Meine Kinder streiften ihre Kleidung ab, bliesen einen Ball auf und verschwanden im Wasser.
Ich hatte ein Buch dabei und bemerkte die Sonnenliegen, die um das Schwimmbecken herum aufgestellt waren. Einige schienen unbesetzt zu sein.
In Shorts und Bikinioberteil, mit Schmöker und Sonnenölflasche, durchschritt ich das flache Duschbecken, breitete ein Handtuch über eine der Liegen und setzte mich. Ich schloss die Augen ließ und den Stress der vergangenen Wochen und Monate von mir abfallen.
- Endlich Urlaub.
Unter dem ein wenig ironischen Beifall meiner Tochter absolvierte mein Sohn einige waghalsige Sprünge von Drei-Meter-Brett.
Ich wäre gern einfach weggedämmert, hinein in diesen blauen Sommernachmittag, hätte die Augen geschlossen und die Geräusche von federndem Sprungbrett, platschendem Wasser und kreischenden Stimmen ausgeblendet, um nach dem Aufwachen dem Geruch aus der Pommesbude für "dreimal mit Ketchup und Mayo" zu erliegen.
Mein Telefon klingelte und eine der Handwerksfirmen versprach, noch heute jemanden vorbeischicken zu können - ab achtzehn Uhr?
Prima.
Mit Dösen war es vorbei, als ein Mann in gebückter Haltung direkt vor meiner Liege auf und ab zu watscheln, und seinem gummibeflügelten, im Becken dümpelnden Nachwuchs Schwimmunterricht zu erteilen begann.
"Armkreis, Beinkreis, groooßer Armkreis, groooßer Beinkreis, grooooßer Beinkreis, Jonas, und Arme, Beine, Armkreis, groooßer...".
Dem gestikulierenden Mann war dabei entweder nicht bewusst oder völlig gleichgültig, welchen Anblick er den Anwesenden mit seinem beginnendem Speckgürtel um die Hüften bot, der ihm über den Rand der Badehose schwappte, die zudem um ein paar entscheidende Zentimeter zu knapp ausfiel, sodass ich von meiner Position aus das zweifelhafte Vergnügen hatte, ein gutes Stück seiner Pofalte sehen zu können, wenn er sich zum Becken hinab beugte.
Wie gut, dachte ich, dass meine Beiden schon schwimmen können.
Und eigentlich war es ein kleines Wunder, dass sie bereit gewesen waren, ihre Mutter auf einem nostalgischen Trip ins Freibad ihrer Jugend zu begleiten.
Nachdem ich meine Oberschenkel auf Cellulitis untersucht hatte, zückte ich meinen Roman: eine blutrünstige Schauergeschichte mit tiefen Einblicken in das Berufsbild des Pathologen, die Leihgabe einer Kollegin, die es ausgelesen, und zuvor von einer anderen Kollegin erhalten hatte. Zwei ähnliche Titel stecken in meinem Koffer für unseren bevorstehenden Aufenthalt in meinem Elternhaus, das ich vor dem Verkauf renovieren zu lassen beschlossen hatte.
Amüsiert beobachtete ich, dass sich zu meiner Tochter ein pummeliger Junge gesellte, der ihr mit ernstem Gesichtsausdruck irgend etwas zu erzählen schien, was sie zum Lachen fand.
Ein tropfnasses Mädchen stemmte sich aus dem Schwimmbecken und flüchtete kreischend vor zwei Jungs zwischen den Sonnenliegen hindurch, wobei ich mit Wasser bespritzt wurde.
In diesem Freibad hatte ich bis zum Alter von siebzehn Jahren meine Sommer verbracht;
mit achtzehn Jahren war man zum Baggersee gefahren, dessen Ufer von "Baden verboten"-Schildern umstellt gewesen war.
Petra hatte immer eine "Bravo" in ihrer Tasche gehabt, und wir hatten bäuchlings auf unseren Handtüchern unter einer der Pappeln gelegen, lachende Weingummi-Taler gegessen und die "Fotolovestory" der Bravo gelesen. Petra begann ein Damenbart auf der Oberlippe zu wachsen, der zu Anfang des Sommers besonders auffiel.
Meine Mathe-Hausaufgaben blieben unerledigt und ich schrieb sie am nächsten Morgen in der Schule von ihr ab.
Irgendwann hatte statt Petra ein Junge neben mir gelegen, von dem ich dachte, wir würden von jetzt an immer und überall zusammen sein, weil wir zueinander passen würden wie zwei Hälften eines Brötchens.
Unsere Freundschaft hielt drei Wochen lang, dann war er bis zum Ende des Sommers mit Petra ins Freibad gekommen...
Als wir genug hatten vom Baden, Faulenzen und Pommes frites-Essen, und aufbrechen wollten, begegnete mir in dem Duschbecken der Mann mit den speckigen Hüften, der den Tag damit zugebracht hatte, seinem Sohn das Schwimmen beizubringen, und ich erkannte ihn als denjenigen, der damals auf dem Handtuch neben mir gelegen hatte. Im gleichen Moment wurde mir meine Dummheit bewusst, bis zu diesem Tag geglaubt zu haben, seine Hüften könnten niemals Speck ansetzten, und dass er mir eines Tages vom Titelblatt der Zeitung als Nobelpreisträger entgegengrinsen würde.
Auch seiner Frau begegneten wir, die letzte Zweifel beseitigte, als sie ihn mit seinem Vornamen ansprach.
Und sie war längst nicht so hübsch, wie ich sie mir vorgestellt hatte.
Das niedrige Gartentor, der Weg über die aufgeworfenen
Waschbetonfliesen und das vergilbte Thermometer am Küchenfenster hatten mir ein längst vergessenes Gefühl des Nach-Hause-Kommens gegeben.
Ich stieß die Tür auf und betrat die Marmorfliesen im Flur.
Schon am Morgen war klar, dass es ein heißer Tag werden würde, und später, als alles erledigt war (zwei Handwerksfirmen wegen eines Kostenvoranschlages kontaktieren), beschlossen wir, ins Freibad zu fahren.
Damals hatte man auch "Badeanstalt" gesagt.
Das Auto ließen wir auf dem Parkplatz des Schulzentrums und schon weit vor dem Eingang erreichten uns der Lärm der kreischenden Badegäste und der Geruch von Sonnenmilch.
Früher war ich mit dem Rad gekommen und hatte den spiralförmigen Metallständer an der Hecke benutzt, den es nicht mehr gab. Auch das Kassenhäuschen, in dem die Frau mit den toupierten Haaren für fünfzig Pfennig die Karten abgerissen hatte, war verschwunden.
An gleicher Stelle spuckte ein Automat nach passendem Münzeinwurf unsere Eintrittskarten aus.
Das hufeisenförmige Schwimmbecken, das man von der Terrasse vor dem Kiosk aus sehen konnte, wenn man das Drehkreuz passiert hatte, war ein unveränderter Anblick.
Es roch nach Chlor.
Wo früher Tischfußballkästen gestanden hatten, gab es jetzt weiße Plastikmöbel, an denen man Kaffee trinken und Pommes frites essen konnte.
Die Frage, ob sie die Umkleidekabinen aufsuchen wollten, verneinten meine Kinder. Sie trugen die Badesachen unter ihrer Kleidung. Ich hatte es auch immer so gemacht.
Ohne zu überlegen, steuerte ich eine der Pappeln an, die die Liegewiese und den Bolzplatz voneinander trennten. Hier wählten wir unseren Platz.
Meine Kinder streiften ihre Kleidung ab, bliesen einen Ball auf und verschwanden im Wasser.
Ich hatte ein Buch dabei und bemerkte die Sonnenliegen, die um das Schwimmbecken herum aufgestellt waren. Einige schienen unbesetzt zu sein.
In Shorts und Bikinioberteil, mit Schmöker und Sonnenölflasche, durchschritt ich das flache Duschbecken, breitete ein Handtuch über eine der Liegen und setzte mich. Ich schloss die Augen ließ und den Stress der vergangenen Wochen und Monate von mir abfallen.
- Endlich Urlaub.
Unter dem ein wenig ironischen Beifall meiner Tochter absolvierte mein Sohn einige waghalsige Sprünge von Drei-Meter-Brett.
Ich wäre gern einfach weggedämmert, hinein in diesen blauen Sommernachmittag, hätte die Augen geschlossen und die Geräusche von federndem Sprungbrett, platschendem Wasser und kreischenden Stimmen ausgeblendet, um nach dem Aufwachen dem Geruch aus der Pommesbude für "dreimal mit Ketchup und Mayo" zu erliegen.
Mein Telefon klingelte und eine der Handwerksfirmen versprach, noch heute jemanden vorbeischicken zu können - ab achtzehn Uhr?
Prima.
Mit Dösen war es vorbei, als ein Mann in gebückter Haltung direkt vor meiner Liege auf und ab zu watscheln, und seinem gummibeflügelten, im Becken dümpelnden Nachwuchs Schwimmunterricht zu erteilen begann.
"Armkreis, Beinkreis, groooßer Armkreis, groooßer Beinkreis, grooooßer Beinkreis, Jonas, und Arme, Beine, Armkreis, groooßer...".
Dem gestikulierenden Mann war dabei entweder nicht bewusst oder völlig gleichgültig, welchen Anblick er den Anwesenden mit seinem beginnendem Speckgürtel um die Hüften bot, der ihm über den Rand der Badehose schwappte, die zudem um ein paar entscheidende Zentimeter zu knapp ausfiel, sodass ich von meiner Position aus das zweifelhafte Vergnügen hatte, ein gutes Stück seiner Pofalte sehen zu können, wenn er sich zum Becken hinab beugte.
Wie gut, dachte ich, dass meine Beiden schon schwimmen können.
Und eigentlich war es ein kleines Wunder, dass sie bereit gewesen waren, ihre Mutter auf einem nostalgischen Trip ins Freibad ihrer Jugend zu begleiten.
Nachdem ich meine Oberschenkel auf Cellulitis untersucht hatte, zückte ich meinen Roman: eine blutrünstige Schauergeschichte mit tiefen Einblicken in das Berufsbild des Pathologen, die Leihgabe einer Kollegin, die es ausgelesen, und zuvor von einer anderen Kollegin erhalten hatte. Zwei ähnliche Titel stecken in meinem Koffer für unseren bevorstehenden Aufenthalt in meinem Elternhaus, das ich vor dem Verkauf renovieren zu lassen beschlossen hatte.
Amüsiert beobachtete ich, dass sich zu meiner Tochter ein pummeliger Junge gesellte, der ihr mit ernstem Gesichtsausdruck irgend etwas zu erzählen schien, was sie zum Lachen fand.
Ein tropfnasses Mädchen stemmte sich aus dem Schwimmbecken und flüchtete kreischend vor zwei Jungs zwischen den Sonnenliegen hindurch, wobei ich mit Wasser bespritzt wurde.
In diesem Freibad hatte ich bis zum Alter von siebzehn Jahren meine Sommer verbracht;
mit achtzehn Jahren war man zum Baggersee gefahren, dessen Ufer von "Baden verboten"-Schildern umstellt gewesen war.
Petra hatte immer eine "Bravo" in ihrer Tasche gehabt, und wir hatten bäuchlings auf unseren Handtüchern unter einer der Pappeln gelegen, lachende Weingummi-Taler gegessen und die "Fotolovestory" der Bravo gelesen. Petra begann ein Damenbart auf der Oberlippe zu wachsen, der zu Anfang des Sommers besonders auffiel.
Meine Mathe-Hausaufgaben blieben unerledigt und ich schrieb sie am nächsten Morgen in der Schule von ihr ab.
Irgendwann hatte statt Petra ein Junge neben mir gelegen, von dem ich dachte, wir würden von jetzt an immer und überall zusammen sein, weil wir zueinander passen würden wie zwei Hälften eines Brötchens.
Unsere Freundschaft hielt drei Wochen lang, dann war er bis zum Ende des Sommers mit Petra ins Freibad gekommen...
Als wir genug hatten vom Baden, Faulenzen und Pommes frites-Essen, und aufbrechen wollten, begegnete mir in dem Duschbecken der Mann mit den speckigen Hüften, der den Tag damit zugebracht hatte, seinem Sohn das Schwimmen beizubringen, und ich erkannte ihn als denjenigen, der damals auf dem Handtuch neben mir gelegen hatte. Im gleichen Moment wurde mir meine Dummheit bewusst, bis zu diesem Tag geglaubt zu haben, seine Hüften könnten niemals Speck ansetzten, und dass er mir eines Tages vom Titelblatt der Zeitung als Nobelpreisträger entgegengrinsen würde.
Auch seiner Frau begegneten wir, die letzte Zweifel beseitigte, als sie ihn mit seinem Vornamen ansprach.
Und sie war längst nicht so hübsch, wie ich sie mir vorgestellt hatte.