Im freien Fall
Manchmal wird aus einem gebrauchten Tag ein verlorener Tag, den Du am liebsten aus deinem Gedächtnis streichen würdest…
Der Typ neben mir bestellte zwei weitere Drinks. Eigentlich hatte ich schon genug, aber das eine Glas machte jetzt auch nichts mehr aus. Der Barkeeper gab Eis in zwei Gläser und füllte mit Whiskey auf.
Mein Thekennachbar trug Maßanzug, Hemd, Schlips und teure Schuhe. Typischer Geschäftsfuzzi auf Dienstreise, dachte ich.
»Ich denke mal, du kannst das gebrauchen, Kumpel. Siehst ziemlich fertig aus.«, sagte er und schob mir ein Glas zu.
»Davon kannst du ausgehen. Heute war der schwärzeste Tag in meinem Leben.« Der Whiskey war gut, einer dieser rauchigen Sorte mit dem holzigen Geschmack eines uralten Eichenfasses. Den trinkt man sonst nur zu besonderen Gelegenheiten. Aber irgendwie war das heute auch etwas Besonderes.
»Begonnen hat der Tag mit geklauten Rädern an meinem Auto. Ergebnis war, dass ich zu spät zur Arbeit kam. Chef sauer, ich sauer, Scheißtag, direkt schon am Morgen.«
Der Typ nickte mir zu. »Kenn ich. Das sind Tage, die möchte man am liebsten wieder zurückgeben.« Er grinste. »Andererseits gibt´s solche Tage doch immer wieder, hat jeder mal.«
»Na ja«, sagte ich. «Wenn das alles wäre. Mein bester Freund hat heute versucht, mich umzubringen. Das einzige Positive ist, dass ich noch lebe.« Der Whiskey brannte in meiner Kehle.
»Oh, fiese Sache. Dann hat es sich wohl erledigt mit »Bester Freund« und so...«
»Na ja, so könnte man es auch nennen. Er hat seinen Mordversuch nicht überlebt.« Ich wusste nicht, wie weit ich gehen konnte mit meiner Erzählung, aber irgendwie war mir das egal. Ich würde den Typen eh nie mehr wiedersehen, sobald ich nachher die Bar verlassen würde.
»Was? Wie das denn?« Er nickte dem Barkeeper zu und bestellte zwei weitere Whiskey.
»Na gut. Dann die ganze verdammte Story ... Weißt du, wir zwei sind Fallschirmspringer. Wir sind so oft wie möglich zusammen gesprungen. Überhaupt haben wir fast alles zusammen unternommen.«
Langsam spürte ich die Wirkung des Whiskeys.
»Seit unserer Kindheit waren Jan und ich unzertrennlich. Sogar unsere Frauen mochten sich auf Anhieb. Jans Eve und meine Carolin wurden beste Freundinnen.«
In diesem Zustand werde ich immer redselig. Mein Zuhörer steckte sich eine Zigarette an.
»Und dann passierte etwas. Jan brach sich den Knöchel – und dass ausgerechnet zwei Tage vor dem Tandemsprung mit seiner Eve. Eve hatte sich endlich dazu überreden lassen. Also bin ich eingesprungen.«
Ich holte tief Luft. »Lange Rede, kurzer Sinn. Eve und ich verliebten uns nach dem Sprung ineinander und hatten ziemlich viel Spaß miteinander. Jan hat nichts gemerkt. Jedenfalls dachten wir das. Bis gestern Abend.«
Der nächste Schluck Whiskey brannte schon gar nicht mehr.
»Zufällig musste ich abends noch einmal zurück in die Springerhalle, weil ich etwas vergessen hatte. Ich komme also in die Halle und sehe, wie Jan an meinem gepackten Schirm rummacht. Kaum zu glauben, ich war echt sprachlos. Keine Ahnung, wo er den Schlüssel zu meinem Spind herhatte. Erst wollte ich ihn zur Rede stellen, aber dann überlegte ich es mir anders. «
Der Typ blickte fragend.
»Ich habe einfach seinen und meinen Schirm vertauscht. Jan wusste nicht, dass auch ich einen Schlüssel von seinem Spind hatte nachmachen lassen. Wir waren uns schon ziemlich ähnlich, was solche Ideen angeht.«
Ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. »Jetzt wollte ich sehen, was passieren würde; ich wollte wissen, was er vorhatte.«
Ich blickte meinem Thekennachbar direkt ins Gesicht. »Und weißt du was? Der Sack hat tatsächlich meinen Schirm so manipuliert, dass ich in den Tod gestürzt wäre. Am Nachmittag sind wir dann gesprungen.«
»Aber du hast die Schirme vertauscht! Das bedeutet doch, du hast ihn umgebracht ...«
»Was willst du? Ich habe nur korrigierend eingegriffen. Er hat nichts Besseres verdient. Außerdem ist Eve nun endlich frei für mich. Das war doch die Gelegenheit. Und jetzt lass mich in Ruhe!« Ich wandte mich zum Gehen.
Der Geschäftsfuzzi griff in die Jackettasche und holte etwas heraus.
»Das hier, das ist eine Polizeimarke. Mein Name ist Peterson, ich bin Hauptkommissar der Kripo in Blankenheim und ermittle in der Mordsache Jan Winter. Wegen dringendem Mordverdacht nehme ich dich hiermit fest.«
Die Handschellen klickten. Dieser Tag endete noch viel schlechter, als er begonnen hatte.
Manchmal wird aus einem gebrauchten Tag ein verlorener Tag, den Du am liebsten aus deinem Gedächtnis streichen würdest…
Der Typ neben mir bestellte zwei weitere Drinks. Eigentlich hatte ich schon genug, aber das eine Glas machte jetzt auch nichts mehr aus. Der Barkeeper gab Eis in zwei Gläser und füllte mit Whiskey auf.
Mein Thekennachbar trug Maßanzug, Hemd, Schlips und teure Schuhe. Typischer Geschäftsfuzzi auf Dienstreise, dachte ich.
»Ich denke mal, du kannst das gebrauchen, Kumpel. Siehst ziemlich fertig aus.«, sagte er und schob mir ein Glas zu.
»Davon kannst du ausgehen. Heute war der schwärzeste Tag in meinem Leben.« Der Whiskey war gut, einer dieser rauchigen Sorte mit dem holzigen Geschmack eines uralten Eichenfasses. Den trinkt man sonst nur zu besonderen Gelegenheiten. Aber irgendwie war das heute auch etwas Besonderes.
»Begonnen hat der Tag mit geklauten Rädern an meinem Auto. Ergebnis war, dass ich zu spät zur Arbeit kam. Chef sauer, ich sauer, Scheißtag, direkt schon am Morgen.«
Der Typ nickte mir zu. »Kenn ich. Das sind Tage, die möchte man am liebsten wieder zurückgeben.« Er grinste. »Andererseits gibt´s solche Tage doch immer wieder, hat jeder mal.«
»Na ja«, sagte ich. «Wenn das alles wäre. Mein bester Freund hat heute versucht, mich umzubringen. Das einzige Positive ist, dass ich noch lebe.« Der Whiskey brannte in meiner Kehle.
»Oh, fiese Sache. Dann hat es sich wohl erledigt mit »Bester Freund« und so...«
»Na ja, so könnte man es auch nennen. Er hat seinen Mordversuch nicht überlebt.« Ich wusste nicht, wie weit ich gehen konnte mit meiner Erzählung, aber irgendwie war mir das egal. Ich würde den Typen eh nie mehr wiedersehen, sobald ich nachher die Bar verlassen würde.
»Was? Wie das denn?« Er nickte dem Barkeeper zu und bestellte zwei weitere Whiskey.
»Na gut. Dann die ganze verdammte Story ... Weißt du, wir zwei sind Fallschirmspringer. Wir sind so oft wie möglich zusammen gesprungen. Überhaupt haben wir fast alles zusammen unternommen.«
Langsam spürte ich die Wirkung des Whiskeys.
»Seit unserer Kindheit waren Jan und ich unzertrennlich. Sogar unsere Frauen mochten sich auf Anhieb. Jans Eve und meine Carolin wurden beste Freundinnen.«
In diesem Zustand werde ich immer redselig. Mein Zuhörer steckte sich eine Zigarette an.
»Und dann passierte etwas. Jan brach sich den Knöchel – und dass ausgerechnet zwei Tage vor dem Tandemsprung mit seiner Eve. Eve hatte sich endlich dazu überreden lassen. Also bin ich eingesprungen.«
Ich holte tief Luft. »Lange Rede, kurzer Sinn. Eve und ich verliebten uns nach dem Sprung ineinander und hatten ziemlich viel Spaß miteinander. Jan hat nichts gemerkt. Jedenfalls dachten wir das. Bis gestern Abend.«
Der nächste Schluck Whiskey brannte schon gar nicht mehr.
»Zufällig musste ich abends noch einmal zurück in die Springerhalle, weil ich etwas vergessen hatte. Ich komme also in die Halle und sehe, wie Jan an meinem gepackten Schirm rummacht. Kaum zu glauben, ich war echt sprachlos. Keine Ahnung, wo er den Schlüssel zu meinem Spind herhatte. Erst wollte ich ihn zur Rede stellen, aber dann überlegte ich es mir anders. «
Der Typ blickte fragend.
»Ich habe einfach seinen und meinen Schirm vertauscht. Jan wusste nicht, dass auch ich einen Schlüssel von seinem Spind hatte nachmachen lassen. Wir waren uns schon ziemlich ähnlich, was solche Ideen angeht.«
Ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. »Jetzt wollte ich sehen, was passieren würde; ich wollte wissen, was er vorhatte.«
Ich blickte meinem Thekennachbar direkt ins Gesicht. »Und weißt du was? Der Sack hat tatsächlich meinen Schirm so manipuliert, dass ich in den Tod gestürzt wäre. Am Nachmittag sind wir dann gesprungen.«
»Aber du hast die Schirme vertauscht! Das bedeutet doch, du hast ihn umgebracht ...«
»Was willst du? Ich habe nur korrigierend eingegriffen. Er hat nichts Besseres verdient. Außerdem ist Eve nun endlich frei für mich. Das war doch die Gelegenheit. Und jetzt lass mich in Ruhe!« Ich wandte mich zum Gehen.
Der Geschäftsfuzzi griff in die Jackettasche und holte etwas heraus.
»Das hier, das ist eine Polizeimarke. Mein Name ist Peterson, ich bin Hauptkommissar der Kripo in Blankenheim und ermittle in der Mordsache Jan Winter. Wegen dringendem Mordverdacht nehme ich dich hiermit fest.«
Die Handschellen klickten. Dieser Tag endete noch viel schlechter, als er begonnen hatte.