Im Gefängnis

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Arcos

Mitglied
Im Gefängnis,
da entdeckst du deine andere Seite, Mann.
Die Wut findet keinen Platz im winzigen Zimmer.
Deine Gedanken prallen an das Gitter.
Manche dringen in den Raum zwischen den Stäben
und werden vom Metall hin und her geworfen,
bis sie erschöpft zu Boden fallen.

Blicke niemals in ihre Augen, Mann.
Du wirst dort den Abgrund sehen,
die nackte Angst oder den tiefschwarzen Hass.
Sie steigen nachts aus den Pupillen
und jagen die Träume der Armseligen.
Sogar im Schlaf finden sie keine Ruhe.
Der Blick in den Spiegel
wird dich das Fürchten lehren.

Dort spielt die Zeit keine Rolle, Mann.
Ohne Zukunft und ohne Wünsche.
Du lebst einfach in den Moment hinein.
Im Hier und Jetzt ist das Sein.
Beobachte aufmerksam jeden Tropfen,
wie er sich aus dem Wasserhahn quält,
um sich in den Schlund zu stürzen.
So finden manche den wahren Frieden.
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
was soll denn das heißen?
klingt bedenklich unkorrekt
Man soll ja keine Kommentare kommentieren - und bei Dir mache ich das schon zum zweiten Mal - sorry, aber ich habe es schade gefunden, dass Arcos daraufhin diesen Vers abgeändert hat in 'andere Seite'.
Es geht bei diesem Bild doch nicht um political correctness oder Gender Identitäten, sondern ein archaisches Bild von den zwei Seiten des Menschseins, die weiblich und männlich sind, nach dem Frauen eine männliche Seite und Männer eine weibliche - immer vor dem Hintergrund einer Komplettierung. Was soll denn daran bedenklich oder unkorrekt sein? Diverse Personen erleben diese Phänomen in anderen Schattierungen und 'keine' gar nicht. Sind deshalb diese Gedanken bedenklich?

Um beim Gedicht zu bleiben: Der Mann erlebt sich als etwas, das mit den üblichen Verhaltensweisen nicht klar kommt, und der durch die besondere Situation seiner Inhaftierung quasi 'aufgebrochen' wird und etwas an sich entdeckt, das er für weiblich hält, also seine weibliche Seite entdeckt, und komplettiert wird.
Wenn wenigstens das dabei herauskommt, könnte ja etwas Sinnvolles entstehen.

Liebe Grüße
Petra
 

mondnein

Mitglied
War eigentlich nur eine Frage, aber

ich finde es nicht schlecht, daß Arcos den merkwürdigen Vers abgeändert hat. Der Vers hätte ganz gut das ewige Dauerklischee insbesonderer amerikanischer Fernsehserien und Filme bedient, wo nach jeder halbunschuldigen Knastnacht der arme Täter als Opfer einer Vergewaltigung verhöhnt oder bemitleidigt wird, wo seine "weibliche Seite" genutzt wird.

Das wäre political incorrect bezüglich dreier Gruppen:
1. der Frauen, wenn die "weibliche Seite" eines Knastis so etikettiert wird;
2. sodann der Knastis, denen man solche Ersatzbefriedigungen unterstellt,
3. sodann der Homosexuellen, die mit den Ersatzbefriedigern ver-glichen werden.

Um den Verdacht solch einer political incorrectness auszuschließen, war es wohl gut, den Vers zu ändern, Oder, als Rechtfertigungs-Möglichkeit, darauf hinzuweisen, daß es natürlich, wie immer, Sache des Lesers sei, so einem dummen Klischee nachzugeben.

grusz, hansz
 

Arcos

Mitglied
Hallo Hans und Petra,

danke euch beiden für die Rückmeldungen, es freut mich, dass das Gedicht solche Diskussionen angestoßen hat. Ich verstehe beide Sichtweisen und möchte kurz erläutern, warum ich den Vers geändert habe.

Ursprünglich wollte ich mit „weibliche Seite“ genau das ausdrücken, was Petra beschrieben hat: die Idee, dass extreme Situationen wie Gefangenschaft verborgene oder weniger dominante Facetten des Menschseins an die Oberfläche bringen, die man vielleicht als „weiblich“ im Sinne von emotional, verletzlich oder introspektiv empfinden könnte – nicht im Sinne von Gender, sondern von Dualität und Ganzheitlichkeit.

Hans' Punkt verstehe ich aber auch: In einem anderen Kontext könnte dieser Ausdruck tatsächlich missverstanden werden und mit Klischees assoziiert werden, die ich vermeiden wollte. Deshalb habe ich den Vers in „andere Seite“ geändert, weil es offener und weniger interpretationsanfällig ist. Es sollte der Fokus auf den inneren Konflikt und die Selbstentdeckung liegen, nicht auf gesellschaftlichen Rollenbildern oder Identitäten.

Nochmals danke für euer Feedback! Es hilft mir, meine Gedanken klarer zu formulieren.

Liebe Grüße
Arcos
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Arcos,
ich finde dein Gedicht großartig
Punkt
.
Ergänzung:
Jetzt möchte ich tatsächlich nochmal antworten, da ich dein Gedicht so begreife (ganz allein aus meiner Warte, die keine große Rolle spielt im Universum) jedoch stellt meine Sichtweise fest: ich sehe hier ein Gefängnis. Ob Mann und Wut oder Frau und Wut oder Klischee? Darum geht es doch nicht. Wie fühlt es sich an?
Du beschreibst es:

Im Hier und Jetzt ist das Sein.
Beobachte aufmerksam jeden Tropfen,
wie er sich aus dem Wasserhahn quält,
um sich in den Schlund zu stürzen.

Der ist für jeden gleich.

Lieben Gruß, ubertas.
 

Arcos

Mitglied
Natürlich ist das auch eine völlig berechtigte und mögliche Sichtweise auf das Gedicht, ubertas, das stimmt.
Und sie ist völlig neutral und unabhängig.
Besten Dank nochmal.
Grüße
Arcos
 

petrasmiles

Mitglied
War eigentlich nur eine Frage, aber

ich finde es nicht schlecht, daß Arcos den merkwürdigen Vers abgeändert hat. Der Vers hätte ganz gut das ewige Dauerklischee insbesonderer amerikanischer Fernsehserien und Filme bedient, wo nach jeder halbunschuldigen Knastnacht der arme Täter als Opfer einer Vergewaltigung verhöhnt oder bemitleidigt wird, wo seine "weibliche Seite" genutzt wird.

Das wäre political incorrect bezüglich dreier Gruppen:
1. der Frauen, wenn die "weibliche Seite" eines Knastis so etikettiert wird;
2. sodann der Knastis, denen man solche Ersatzbefriedigungen unterstellt,
3. sodann der Homosexuellen, die mit den Ersatzbefriedigern ver-glichen werden.

Um den Verdacht solch einer political incorrectness auszuschließen, war es wohl gut, den Vers zu ändern, Oder, als Rechtfertigungs-Möglichkeit, darauf hinzuweisen, daß es natürlich, wie immer, Sache des Lesers sei, so einem dummen Klischee nachzugeben.

grusz, hansz
Ich kann diese Assoziation nicht nachvollziehen - wer bei der 'weiblichen Seite' gleich an Vergewaltigung 'denkt' - und damit dieses Klischee erst in den Kontext bringt, missversteht das Gedicht - so einfach ist das für mich.
In keiner Form hat dieses Gedicht 1, 2 oder 3 politisch unkorrekt berührt.

Ich kann aber Arcos verstehen, wenn er - um diesen unterstellten Anklang zu vermeiden - die Textstelle geändert hat.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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