Im Klabautereck

4,60 Stern(e) 17 Bewertungen

Pennywise77

Mitglied
Im Aschenbecher vor mir stirbt noch eine Zigarette.
Durchs Butzenfenster seh ich, wie der Tag die Nacht verscheucht.
Die letzte Runde naht und unser Wirt wünscht sich zu Bette,
sein blauer Lappen in der Hand ist nur vom Bier noch feucht.

Der Deckenventilator läuft, die Luft wirkt trotzdem ranzig.
Die Bleistiftstriche meines Deckels bleiben ungezählt.
Ein roter Dartpfeil fliegt vorbei, er trifft die Triple Zwanzig
und in Gedanken hab ich deine Nummer längst gewählt.

Die bunte Jukebox präsentiert für heut die letzten Platten,
es scheint als spielt sie voller Hohn manch schwere Sinfonie
für leere Herzen, Kummervolle und die Kneipenratten.
Und ganz zum Schluß wohl nur für mich... Natürlich „Let it be!“
 

Schreibfan

Mitglied
Liebe Pennywise (ist das Pronomen eigentlich richtig? Sonst schreib mir bitte, wie du angesprochen werden willst). Das ist wieder ein ganz großartiges Gedicht von dir. Du hast die Sprachmelodie super mit den beschriebenen Bildern verknüpft.

Die von dir beschriebene in scheinbare Fröhlichkeit verpackte schmerzhafte Hoffnungslosigkeit vieler Kneipenbesucher ist fast schon körperlich spürbar.

Ich fühle mich direkt an den Film (bzw. das Buch) "der goldene Handschuh erinnert...

LG Schreibfan
 

Pennywise77

Mitglied
Hallo Schreibfan,

lieber Pennywise wäre mir recht. Stephen King´s "Es" war hier der Namensgeber. Du darfst mich aber auch gern Marcus nennen.
Vielen Dank für dein tolles Lob. Freut mich sehr. Ich kenne diese tragischen Nächte noch aus meinen jungen Jahren, wenn man sich in der Disco sooo viel vorgenommen hat und der neue Morgen einem zeigt, dass man als der Selbe nach Hause geht, als der man gekommen ist.

Gruß

Pennywise
 
G

Gelöschtes Mitglied 24428

Gast
Mir fällt auf, Marcus, wie vor allem die männliche Lyrik beim Absumpfen zumeist eine Rechtfertigung vorgibt, die häufig aus Liebeskummer besteht.

Es ist selten, ein Gedicht zu lesen, welches den Rausch an sich zur Prämisse erhebt. Schade.
 

rainer Genuss

Mitglied
Hallo Pennywise
Oscar Wilde schrieb einmal: Wir liegen alle in der Gosse - aber Einige von uns sehen die Sterne. Zu den Einigen gehörst meiner Meinung nach du.
Ich las dieses Gedicht und hatte das Gefühl, als hätte mir jemand ein kostbares Fluidum geschenkt.
danke
 

Hagen

Mitglied
Hallo Marcus,
obwohl ich sonst mit Gedichten nichts 'am Hut' habe, fand ich das Ding doch sehr toll!

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleibt schön fröhlich, guter Dinge, gesund und munter, weiterhin positiv motiviert, negativ getestet und stets heiteren Gemütes!
Herzlichst
Yours Hagen
________________________________________________
Bedenke: Stimme niemals ein Klavier in nassem Zustand!
 

Klaus K.

Mitglied
Marcus,

bin mehr durch Zufall und durch den vermeintlichen "Klabautermann" hier gelandet. Der Unterschied zwischen deiner Lyrik
und Mitstreitern im Wortgefecht ist schon sehr deutlich. Realitätsbezug versus - sagen wir mal - "Philosophie" .-
Und zumindest ich muss dabei hier nicht erst in höhere Sphären abdrehen. Nun, die Geschmäcker sind halt verschieden. De gustibus non....
Auf den Punkt: Mir gefällts. Sehr, sehr gut. Treffer, versenkt. Mit Gruß, Klaus K.
 
G

Gelöschtes Mitglied 24428

Gast
Hier fehlt die Auflösung, die letzte Antwort, die Abgrenzung zum kommerziellen Kneipengesang.

Heine hatte diesen Gedanken bei seiner Niederschrift zu den Nachtgedanken. Er baute eine Ode an die Mutter ein, die verlogen, doch erfolgreich war.

Leider.
 
G

Gelöschtes Mitglied 24194

Gast
Mir fällt auf, Marcus, wie vor allem die männliche Lyrik beim Absumpfen zumeist eine Rechtfertigung vorgibt, die häufig aus Liebeskummer besteht.

Es ist selten, ein Gedicht zu lesen, welches den Rausch an sich zur Prämisse erhebt. Schade.
als nichtbinär, fällt mir auf, dass alle menschen erden sumpfen
 



 
Oben Unten