Im Schattenspiel des Boten

Frederick

Mitglied
Irland im Jahre 1870. Der kühle Sommer verabschiedete sich mit immer kürzeren Tagen. Böiger Wind fegte über das idyllische Flachland, die mit weiten Torfmooren an steinige Felsküsten grenzte.
Weit abgelegen vom dicht besiedelten Dublin, erstreckte sich das Anwesen der frisch vermählten Familie Clark.
Nahe den sagenreichen Klippen und steilen Felswänden duckte sich das reetgedeckte Cottage von Anna und Clark. Anna war Engländerin. Sie besaß eine zierlichen Figur und ihre knochigen Schultern bedeckten sich mit flammend rotem Haar. Wenn sie lächelte, huschten tiefe Grübchen über ihre zarte Wangen und ihre Augen funkelten so grün wie ein Smaragd. John dagegen war muskelbepackt und sein wallend brauner Bart überdeckte seine wulstige Unterlippe.
Seit Jahresanfang bewohnten sie dieses traditionelle Landhaus. Es gehörte einst dem zum Tode verurteilten Rebellen Ewen MCLarren. Obwohl MCLarren sein mysteriöses Anwesen bis zu seinem letzten Atemzug verteidigte, schwor er jedem Rache, der es unbefugt beträte. Nach der Urteilsvollstreckung wurde sein Hab und Gut auf einer Auktion versteigert. John Clark bekam als Alleinbietender den Zuschlag des Anwesens.

Erlebnisreiche Stunden prägten seither das Familienglück. Doch als eine Geldentwertung ihr komplettes Leben aus der gewohnten Bahn warf, befanden sie sich vor dem aus, ihrer mühsam aufgebauten Existenz.
Die Außenwelt hüllte sich in ein farbenprächtiges Kleid. Atemberaubende Schattierungen grüner Wiesen faszinierten im Anblick der Morgenröte. Es glich einer malerische Kulisse, die mit feinen Pinselsrichen geschwungen worden war. Doch für Anna war dies alles nebensächlich. Grüstet mit dem Willen, Arbeit zu finden, hatte sich John vor Tagen auf den Weg nach Dublin begeben.
Seit dem sind acht Monde vergangen - fünf mehr als erwartet.
Mit jedem Ticken der Wanduhr schwand Annas Glauben an eine Rückkehr ihres Geliebten. Der mühsame Gang vom Stuhl zum schmalen Küchenfenster nahm sie bereits nicht mehr war.
Ihr starrer, hoffender Blick stieß immer wieder gegen aufkommende grauen Nebelfelder, die sich wie Unkraut ausbreiteten.
Endlos schienen die Tage. Anna starrte wie so oft aus dem Fenster in Ungewisse. Ihr schwacher Atem ließ die dünne Glasscheibe anlaufen und ihre trüben Augen verloren im Laufe der Zeit ihren kräftigen, hoffenden Ausdruck. Das Umfeld nahm sie bereits nicht mehr wahr - nur die Gewohnheit verhalf ihr zu sehen.
Ein dumpfes Pochen an der Tür riss Anna aus ihrem Trott. Ihr Herz bebte vor Aufregung. Allein die Hoffnung auf Johns Rückkehr verlieh ihr ein Lächeln, das ihre aufgebauten Sorgenfalten die durch ihr Gesicht zogen flüchten ließ.
"John ich bin gleich bei dir", rief Anna beglückt.
Sie riss die Pforte auf und erstarrte in aller Vorfreude. Ihr Blick prallte auf einen mysteriösen fremden Mann mit gesenktem Kopf. In beängstigender Nähe trat er ihr im dunklen Gewand gegenüber. So nah, dass Anna seinen kalten Atem auf ihrer blassen Haut spürten konnte.
Seine Kapuze war tief ins Gesicht gezogen, sodass die Hälfte sienes Gesichts hinter Leinenstoff unterging.
Tiefschwarze Gewitterwolken ließen Finsterniss erkehren und so nahm Anna von der Schattenseite des Fremden nur einen unergründbaren Blick wahr. Ein Räuspeln eröffnete sein Anliegen.
"Sind Sie Misses Clark?"
Gelähmt vor Angst erwiederte sie: "Ja - aber wer möchte das Wissen?"
"Ich bin ein Bote. Ich muss Ihnen leider vom Tode ihres Gatten Mitteilung machen."
"Vom Tode - mein geliebter John ist tot!", stotterte sie mit zittriger Stimme. "Er wurde bei einem Bürgeraufstand getötet." Anna brach weinend in sich zusammen. Vor ihren gläsernden Augen rasselte ihr Leben ab, ohne jemals den Sinn des Lebens gefunden zu haben. Langsam hob sie ihren Kopf, um den Boten sein kühles Angesicht zu blicken, doch er schien bereits in Dickicht des Nebels verschwunden zu sein. Nur Johns seidenes Taschentuch, das Anna ihm als Liebesbeweis mit auf dem Weg gegeben hatte, ließ er still-schweigend zurück. Zitternd nahm sie es an sich. Dort, wo sie einst liebevoll seine Initialen eingestickt hatte, war es nun mit unschuldigen Blut befleckt. Ein kreischender Aufschrei setzte ihren Lebensmut ein Ende.
Einsam, jedoch zielstrebig irrte sie vom Landhaus den steilen Klippen entgegen. Willenlos riss sie ihr torfbeschmiertes Kleid auf und drückte ihre kalte Handfläche fest auf ihr gebrochenes Herz. Die dunkle Wolken begannen sich zu entladen. Ein Blitz erhellte zuckend den Landstrich. Grollen des Donners und das Plätschern des Regens verhinderte eisige Stille. Trunken vor Leid stand sie vor dem Abgrund und blickte hinab auf die tobenden Wellen, die in die Bucht schlugen. Wieder zuckte ein Blitz, gefolgt vom Donner. Alles drum herum ging in bebenden Grollen unter - jedoch nicht Annas letzter Schrei.

Zwei weiter Tage vergingen. Niemand bemerkte das traurigen Geschehen. Bis zu dem Zeitpunkt, als sich ein junger Mann mit langen Schritten dem Landhaus näherte. Seine Kleidung, sein Gang, seine Figur, alles ähnelte Johns Typus - es war John Clark! Aus der Entfernung erkannte er die neue Situation nicht. Jedoch beunruhigte es ihm, dass seine Haustür angelweit geöffnet war. Eilig schritt er ins Haus.
"Anna,ich bin zurück! Wo bist du?" Stille. Nur das Rauschen des Meeres nahm er wahr. "Antworte mir doch bitte!" In panischer Angst lief er hinaus auf die feuchte Wiese und starrte in alle Himmelsrichtungen. Schnell gestand er sich ein, dass es unmöglich sein würde, eine Fährte zu entdecken, denn heftiger Regen und tobender Sturm hatten bereits alle Spuren auf dem weichen Boden verwischt.
John sank in die Knie und rieb sich bei gesenktem Kopf die Tränen aus seinen verquollene Augen. Ein kühler Windstoss ließ ihn verwundert aufblicken. Erstaunt sah er an, wie sein Seidentuch mit dem Aufwind vor seinen Füssen dahinglitt. Er riß die Augen weit auf undt stieß hervor: "Das ist ja mein ... - aber woher? O Gott - blutbefleckt! Was geht hier nur vor sich?" Mit schlackernden Knien schlurfte er der Klippe entgegen. Er sah an den Steilwänden hinunter; es bot sich ihm ein Bild des Grauens. Er sah Annas leblosen Körper zerschmettert zwischen den spitzen Felsen liegen. Johns verzweifelter Aufschrei hallte durch die Bucht. Jedoch umgab Anna noch eine spürbare Aura. Kurzentschlossen ließ John das Seidentuch aus seinen Fingern gleiten, faltete seine feuchten Hände zu einem Gebet und stürzte sich aus dem Schwur der Treue hinab in den Abgrund des Todes.

Ein Hallendes Gelächter erklang an diesem düsteren Tage über den Dächern Irlands. Niemand konnte es sich erklären, doch jedermann wusste, es war des Teufels Handwerk.

Noch heute, nach so vielen Jahren, steht das Landhaus verwahrlost und verlassen auf dem sagenumbobenenen Anwesen des MCLarren. An jenem Ort, wo ein Fremder damals das blutverschmierte Seidentuch auffand, errichteten Bauern eine bronzene Gedenktafel, geprägt mit der alt irischen Weisheit: Fordere niemals die Rache der Verurteilten heraus!
Einheimische munkeln vom Zorn des MCLarren, der als Bote des Teufels sein Anwesen auf alle Zeiten verteidigt.
Mit einem Abriss des Hauses wollte sich niemand belasten - aus Angst um sein Leben!
 

Frederick

Mitglied
Hey Daijin

Hab Dank für Deine Kritik!
Okay - wenn du meinst dass ich mit Adjektiven
zu stark aufgetragen habe,dann muss ich mir eingestehen,
dass Du recht hast.
Warscheinlich hatte ich damals, als ich die
Geschichte verfasst habe, dass Bedürfnis gehabt mich
regelrecht im Phatos zu wühlen.
Ich werden es mir von Geschicht zu Geschichte abgewöhnen.
Danke.

Gruß,

Frederick
 

ingridmaus

Mitglied
Hi Frederik,

ich finde die blumige Sprache eigentlich gar nciht so unpassend - nur ein bisschen unheilvoller sollte sie noch sein. ;) Du koenntest aber aus dem Hintergrund der Geschichte durchaus etwas machen - das gute alte Romeo/Julia-Motiv ist schon ein bisschen abgedroschen. Die ganze Geschichte laeuft ja nur darauf hinaus, dass SIE zu Unrecht glaubt, dass ER tot ist, und daraufhin in totalen Kurzschluss verfaellt. (das fand ich schon an Julia doof und die war 14 ;)) Vielleicht koennte man den Fluch einfach noch ein bisschen ausbauen? Kleinere Missgeschicke, die geschehen, oder eine seltsame Missstimmung zwischen den sich eigentlich heiss liebenden Partnern? Dorfbewohner, die sie meiden, oder Schutzzeichen machen, wenn sie sie sehen? Irgendetwas, das anzeigt, dass sich etwas anbahnt, ein Spannungsbogen also. Und Du koenntest die Dramatik dadurch erhoehen, dass du die Szene zwischen ihr und dem Boten weglaesst und der Leser sozusagen nur mit ihm erfaehrt, was waehrend seiner Abwesenheit geschehen ist.
Ich hoffe, die Kritik war konstruktiv.
Gruss
Ingrid
 



 
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