Im Sturm

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sufnus

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Hey S. H.! :)
Was mir in Deinem Gedicht sehr gut gefällt ist, dass Du Dir die sehr altmodische Tradition des "Andichtens" verkniffen hat. :)
Mit diesem Begriff bezeichnete Gottfried Benn in seinem längst schon historisch (in mehrfachem Wortsinn ;) ) zu nennenden Vortrag über Probleme der (modernen) Lyrik die Neigung, bei Naturgedichten eine Strophe hinzuzufügen, in der die Naturschilderung allegorisch ausgedeutet wird: "So wie der Wind diesen Baum schüttelte, o Mensch, so wirst auch Du vom Wind des Schicksals erfasst!". Für Benn war diese von der Barockzeit bis in die bürgerliche Dichtung des 19. Jh. rauf-und-runter geübte Praxis unmodern, ja geradezu "primitiv" (Benn). Und tatsächlich, man studiere mal die "Naturgedichte" von Jan Wagner, hat der alte Benn mit seinem Donnerwort den Profidichtern diese Vorgehensweise gründlich ausgetrieben.
Bei Dir bleibt der windgezauste Baum vor abblendlichtbeleuchteter Pfützenszenerie ganz bei sich, keine Dichter*innen-Stimme aus dem off hebt den Vorgang ins Bedeutungsvolle (und nimmt ihm hierbei die Offenheit im Lesezugang). Also ich bin da tatsächlich weitgehend bei Benn und mag das wie gesagt. :)
Was mir dann noch auffällt, und da bin ich noch nicht so ganz abgeholt, ist dass einige Wendungen ein bisschen rhythmusgeschuldet sind. Das "ganze" in Z.2 ist m. E. eher ein Metrum-angleichendes Füllwort und bleibt m. E. etwas blass und noch etwas eindrücklicher klingt dies bei der ungewöhnlichen Formulierung vom "erzeugten Licht" an. Das ist ein fast schon surreal klingender Ausdruck, den ich wunderbar fände, wenn er in einen hiermit korrespondierenden Gesamthabitus des Gedichts eingebettet wäre. Mir scheint aber, dass hier kein surreales Verfremdungsprogramm zugrunde lag, sondern die Suche nach einem Adjektiv, das metrisch "passt".
Und noch ein kleiner Typo in S2Z1, "greifend". Hier müsste es entweder heißen"und greifend tanzend usw." mit einem dann später nachgereichten Subjekt in der entsprechend umzubauenden S2Z3 oder aber einfacher "sie greifen tanzend usw.", ohne dass dann weitere Umbauprozesse nötig wären. :)
Was ich übrigens außer der fehlenden "Andichtung" noch schön finde, ist der Verzicht auf Interpunktion. Das passt gut zu der Szenerie, wie ich finde. :)
LG!
S.
 

Mimi

Mitglied
Hallo @Sonkl Hanja ,
nun, Dein Gedicht passt meiner Meinung nach stimmungsmäßig prima in die kommende Jahreszeit ...
Als klassisches Naturgedicht orientiert sich Dein Gedicht an Sprachbildern, die dem Leser bekannt und vertraut erscheinen, ohne dabei ins Naive oder süßlich Kitschige zu kippen.
Obwohl ich ja tendenziell eher der Meinung bin, dass es vielleicht interessanter wäre, diese bekannten dichterischen Pfade zu verlassen, um sozusagen dem eigenen Werk mehr schöpferische Originalität/Kreativität zu verleihen ...
Auch wenn ich die 2. Strophe sprachlich etwas besser (oder meinetwegen gelungener) finde, wirkt das Ganze insgesamt harmonisch.



Sufnus hat die zitierte Stelle bereits erwähnt ...
Am einfachsten wäre es, "greifen tanzend" zu schreiben.


Gruß
Mimi
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe(r) Sonkl Hanja,

hat mir sehr gut gefallen - ich nehme an, das "greifend tanzend" ist einfach ein Tippfehler.
Mir wäre das 'erzeugte' Licht nicht aufgefallen, weil ich bei der bildhaften Vorstellung war - auf der Naturebene sind die Autoschweinwerfer wie von einer anderen Welt, auf jeden Fall nichts, was mit dem 'Körper' korrespondiert.
Ich finde das Gedicht sogar sehr gelungen, vielleicht, weil ich eher auf der emotionalen Ebene 'mitschwinge' - oder eben nicht.

Liebe Grüße
Petra
 

Sonkl Hanja

Mitglied
Hallo,

vielen Dank, für die vielen positiven Rückmeldungen! Und danke auch für den Hinweis auf den Schreibfehler. Es sollte „greifen“ heißen. Jetzt habe ich es ausgebessert.
Es freut mich sehr, dass euch das Gedicht gefallen hat!
Liebe Petra, das erzeugte Licht hatte ich tatsächlich als Straßenlaterne im Kopf, da das Gedicht an einem dunklen, stürmischen Morgen in der Straßenbahn entstanden ist. Es war nur ein Stückchen Natur inmitten der Stadt.

Liebe Grüße!
 

Sidgrani

Mitglied
Hallo S.H.,

du hast einem ziemlich alltäglichen Vorgang durch deine poetische Sichtweise etwas Besonderes, gleichsam Mystisches verliehen. Ich könnte mir vorstellen, dass die frühe Morgenstunde, in der man die Schwelle vom Schlaf zum Wachsein noch nicht ganz überwunden hat, deine Fantasie ein wenig beeinflusst hat.

Eine kleine Anmerkung sei mir dennoch gestattet:

Sie greifen tanzend mit den Spitzen
In Kegel aus erzeugtem Licht
"erzeugtes Licht" klingt für mich irgendwie unpoetisch, wie gefällt dir mein Vorschlag?

Sie greifen tanzend mit den Spitzen
In kegeliges Lampenlicht

Lieben Gruß
Sid
 



 
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