pol shebbel
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Als Bernie Bender wenig später, den Weltraumhelm auf dem Kopf, den Ausgang der Höhle mit den Wohneinheiten passierte und auf die Oberfläche des Asteroiden hinaustrat, ging gerade die Sonne auf. Bender war, dank der unverhofft aufgetauchten Entschuldigung, nicht mehr in Eile, jedoch weiterhin schlechter Laune und verschwendete keinen Blick auf das Schauspiel. Es war allerdings auch, an irdischen Massstäben gemessen, ein etwas enttäuschendes Schauspiel: hundert Millionen Kilometer zusätzliche Distanz liessen die Sonne nur gut halb so gross erscheinen wie von der Erde aus, und selbst wenn sie senkrecht über den Felsenwüsten von Juno stand, wirkte ihr Licht immer irgendwie dämmrig.
Bender blieb dennoch einen Augenblick stehen, wobei sein Blick unwillkürlich nach links wanderte - auch das, was er dort sah, war nicht dazu angetan, seine Laune zu heben. Dort, in einer kahlen Ebene, standen fünf lange Reihen von Gerüsten, auf denen grosse, spiegelnde Metallflächen montiert waren: das halbfertige Sonnenkraftwerk der Kolonie. Von weitem war deutlich zu sehen, dass die meisten der Aufbauten mehr oder weniger schief standen, so dass das Ganze Ähnlichkeit mit einer Armee von Betrunkenen hatte - keine gute Arbeit war das, und die Vorstellung, dass Gedeih und Verderb der Station vom Funktionieren dieser Anlage abhing, erzeugte deutliches Unbehagen, bei Bernie zumal, der mehr als eines dieser Gerüste selbst mitaufgebaut hatte... Das einzige Gute war, dass es sich um Sonnenzellen handelte, die weder explodieren noch radioaktiv strahlen konnten - im Gegensatz etwa zu den Atomreaktoren, wie sie die Kolonisten auf den Jupitermonden verwenden mussten. Hier, im Asteroidengürtel, reichte die Sonnenstrahlung für die Energiegewinnung gerade noch aus.
Der Parkplatz der Kolonie, der rechter Hand lag, wurde dominiert von zwei riesigen, bauchigen Raumschiffen - den Transportern, mit denen sie alle von der Erde hierher gereist waren. Fünf Gestalten in Raumanzügen standen dort müssig herum und betrachteten den Sonnenaufgang. Bender war mindestens sieben Minuten zu spät - aber von dem Instruktor, der ihn und die anderen in ihren neuen Job einführen sollte, war noch nichts zu sehen. Entweder war dieser ebenfalls von einer Panne aufgehalten worden, oder er hatte es nicht eilig - es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Leiter der Kolonie an ihre eigenen Regeln nicht hielten...
Na gut, in jedem Fall hatte sich Bernie also einmal Anbrüllen erspart. Er kontrollierte kurz, ob sein Übersetzungsgerät, das simultan aus und in zwanzig Sprachen übersetzen konnte, korrekt funktionierte, dann begrüsste er die anderen Wartenden flüchtig - er kannte keinen von ihnen näher - und stellte sich dann etwas abseits hin. Ihm war, gleich in welcher Sprache, nicht nach Reden zumute - war es eigentlich nie. Weg von Gruppendruck und Gehirnwäsche, weg von den überfüllten Städten... Bescheuerter Werbetext war das gewesen - aber er hatte Bernie voll aus dem Herzen gesprochen. Wobei er eigentlich hätte wissen müssen, dass keine noch so überfüllte Stadt so viel Gruppendruck erzeugte wie eine einsame Raumstation, aus der man nicht fliehen konnte...
Da der Instruktor weiter auf sich warten liess, begann Bender die parkierten Fahrzeuge zu studieren - insbesondere diejenigen zur Erkundung der Oberfläche, die von aussen wie plumpe Planierraupen aussahen. Sie wirkten überaus winzig gegen die hochragenden Umrisse der beiden Raumtransporter, und es erschien kaum zu glauben, was Bender den Tag zuvor bei der Vorbereitung auf heute in seinen Unterlagen gelesen hatte: dass jedes ein vollständiges Überlebenssystem enthielt, mit welchem eine zweiköpfige Mannschaft bis zu zwei Wochen ohne Kontakt zur Basis unterwegs sein konnte. Sogar Schlafkojen sollte es geben...
Der Gedanke daran, dass er bald selbst in einem dieser Gefährte sitzen würde, erzeugte in Bernie ein ähnlich mulmiges Gefühl wie der Anblick des Kraftwerks vorhin. Angeblich waren die Dinger kinderleicht zu bedienen, und darin Herumfahren dürfte definitiv bequemer sein als die Plackerei bei der Montage - doch andererseits: wenn man da draussen eine Panne hatte, war die Hilfe weit weg... Und Pannen gab es sehr oft - deswegen war er ja hier aufgeboten worden: weil offenbar wieder eine der Erkundungsmannschaften nicht mehr über Funk erreichbar war...
Eine Bewegung in seinem Augenwinkel liess Bernie den Kopf wenden. In die Gruppe der Wartenden war Bewegung gekommen, das träge Herumstehen hatte nervöser Spannung Platz gemacht. Und der Grund dafür war schnell ersichtlich: von der Ebene mit dem Kraftwerk her näherte sich eine Gestalt im Raumanzug, in den der hiesigen Schwerkraft angepassten seltsam hüpfenden Sprüngen. An der Art der Bewegungen war auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich um jemanden mit Weltraumerfahrung handelte, und das hiess: es war keiner der Kolonisten. Und richtig konnte der Ankömmling wenig später, anhand des Firmenlogos und des Namenszugs auf der Brust seines Anzugs, als Captain Brantner identifiziert werden.
Niemand wusste, in welcher Armee oder ob überhaupt Brantner sich den Titel eines Captains verdient hatte - es hatte eigentlich auch keinerlei Bedeutung, denn die Kolonie war durch und durch zivil. Brantner war hier strenggenommen nichts weiter als ein Angestellter der Firma Belt Colony Enterprises - was weder ihn noch die anderen Angestellten der Firma daran hinderte, einen forschen militärischen Umgangston zu pflegen. In den Genuss dieses Tons kamen die sechs Wartenden jetzt. Nachdem sie in einer Reihe strammgestanden und die behandschuhten Hände schneidig an die Helme gerissen hatten, stellte sich Captain Brantner breitbeinig vor sie hin und begann mit der Instruktion.
"OK, willkommen also zu eurem neuen Job hier. Es ist 'n verdammt wichtiger Job, das sei gleich mal gesagt. Und ich erwarte selbstverständlich von jedem hundertzehnprozentigen Einsatz. Nicht dass ich das extra betonen müsste; es liegt ja in euerem eigenen Interesse, möglichst viele Bodenschätze zu finden. Dann seid ihr nämlich reich! Stellt euch nur mal vor, es gibt Gold hier - oder sogar Uran..."
Bei allen grünen Marsmännchen, bloss kein Uran! In Gedanken schnitt Bender eine Grimasse. Wo er sich vorhin gerade gefreut hatte, keine radioaktive Strahlung in der Nähe zu haben... Den Enthusiasmus des Captains, dessen Bulldoggengesicht hinter der Scheibe sich beim Wort Gold zu einem geradezu seligen Lächeln verformt hatte, vermochte Bernie ohnehin kaum zu teilen - nicht zuletzt deshalb, weil seine Aussichten, reich zu werden, nicht halb so gut waren wie die des Captains selbst. Ganz gleich, wie viele Bodenschätze sie fanden, den Löwenanteil davon würde sowieso die Firma einsacken... Was natürlich erklärte, warum sich Brantner, der nun in markigen Worten die zweihundertfünzig Jahre zurückliegende amerikanische Goldgräberzeit in Erinnerung rief, so ins Zeug legte, während die angehenden Goldgräber kaum Reaktion zeigten.
Nach einigen Minuten Motivationsrhetorik kam Brantner dann doch noch zur eigentlichen Instruktion. "Also, die Fahrzeuge für euch stehen bereit, wie ihr seht. Echt stinkeinfach zu bedienen, wie ich gestern schon gesagt habe. Wenn ihr die Unterlagen studiert habt, könnt ihr echt nicht viel falsch machen. Die Unterlagen habt ihr studiert, nehme ich an?"
Die sechs nickten. Und einen der sechs, nämlich Bender, durchfuhr ein siedender Schreck, weil ihm in diesem Moment einfiel, dass er eben diese Unterlagen heute hatte mitnehmen wollen, dies in der Hetze aber vergessen hatte... Bender ärgerte sich so, dass er einige Sekunden von Brantners Rede verpasste, und als er sich gefangen hatte, war dieser bereits zum Organisatorischen übergegangen.
"Die Raupen sind gebaut für eine Besatzung von zwei Mann, wir werden also drei Gruppen bilden. Ich nehme jetzt die Einteilung vor. Wen ich aufrufe, der schiebt seinen Arsch zackig rüber zu dem Fahrzeug, auf das ich zeige. Gruppe 15: Bender, Bernard, und Dupond, Charles. Gruppe 16: Ghali, Magit, und Jorgensen, Ian. Gruppe 17: Ruiz Guzman, Maria, und Ye, Tianbai." Die Aufgerufenen bemühten sich, ihre Bewegungen zackig genug erscheinen zu lassen, während sie die ihnen zugewiesenen Plätze einnahmen. Schliesslich griff Captain Brantner an seinen Gürtel, hakte von dort ein etwa handgrosses Kästchen los und ging auf die erste Gruppe zu.
Für den Bruchteil einer Sekunde geriet Bender in Panik - der Captain streckte ihnen mit einer entschiedenen Bewegung das Kästchen entgegen; aber wem jetzt?! Ein gehetzter Blick Benders schoss zu seinen designierten Besatzungskollegen hinüber; dann aber, als in Brantners Blick Ungeduld aufzublitzen begann, stürzte Bender hastig vor und ergriff das Kästchen.
"Eure Unterlagen", sagte der Captain, auf das Kästchen deutend. "Eure Mission ist zuerst eine Hilfsmission: die Bodenerkundungsgruppe 9 meldet sich nicht mehr über Funk. Auf der Karte in den Unterlagen ist die letzte bekannte Position eingezeichnet. Euer erster Auftrag: Kontakt zu Gruppe 9 wiederherstellen und Hilfe leisten, so weit möglich. Gleichzeitig ist eure Mission, wie jede, eine Forschungsexpedition zur Erkundung der Bodenschätze auf Juno. Das heisst, auf dem ganzen Weg habt ihr auf die Anzeigen des Metalldetektors zu achten, und wenn er piept, zeichnet ihr das erstens auf der Karte ein und steigt zweitens aus und sammelt ein paar Gesteinsproben. Klar?"
Die beiden nickten.
"Wenn ihr jetzt einsteigt, meldet euch sofort über Funk bei der Zentrale. Die wird euch weiter instruieren, was beim Unfallort von Gruppe 9 zu tun ist. In jedem Fall sind Gesteinsproben und Aufzeichnungen zu retten - gegebenenfalls der Auftrag von Gruppe 9 weiterzuführen. Noch Fragen?"
Bender und Dupond schüttelten den Kopf.
"OK." Die Instruktion war beendet, und nach einem weiteren zackigen militärischen Grussritual wandte sich der Captain der nächsten Gruppe zu.
Die beiden jungen Männer massen sich mit Blicken. Bender überlegte kurz, wo und wann er mit Charles Dupond bisher schon zusammengetroffen war. Da er mit ihm noch nie direkt zu tun gehabt hatte, war es etwas länger her - bei der ersten Versammlung aller Kolonisten noch auf der Erde, später im Raumschiff. Er erinnerte sich vage an einen kleinen, schlaksigen Franzosen - von Schlaksigkeit war im Moment allerdings nicht viel zu sehen. Die Raumanzüge liessen nicht viel mehr erkennen als die Augen - die von Dupond waren dunkel, die von Bender hell und farblos.
"OK", brach Dupond schliesslich das Schweigen. "Soll ich fahren - und du bedienst Funkgerät, Metallsucher und Radar?" Bender hörte in seinem Kopfhörer nicht Duponds Stimme, sondern die Simaltanübersetzung in seine Muttersprache, die der tragbare Dolmetscher in seinem Anzug automatisch lieferte.
"Gut", antwortete Bernie Bender, seinerseits simultan übersetzt von Duponds Übersetzungsgerät. "Passt mir gut - ich bin so ein Ding noch nie gefahren..."
Ein Knacken in Benders Kopfhörer. Dupond musste etwas Unübersetzbares gesagt haben. "Ich weiss doch auch nicht mehr als du! Hast du denn eine Ahnung vom Metallsucher?"
Den Bruchteil einer Sekunde lang schaute Bender verdutzt - was für eine Reaktion war das denn?! "Äh - nein, natürlich nicht! Den seh ich heute auch zum erstenmal..." Scheissdreck. Na toll, wieder mal zwei Leute ohne blassen Schimmer - das mulmige Gefühl in Benders Magen wurde deutlich stärker. Wobei, wenn die Bedienung wirklich so stinkeinfach war, wie behauptet... "Na los, gehn wir..." Bender machte eine kurze Kopfbewegung zu dem ihnen zugewiesenen Raupenfahrzeug hin.
Dupond zögerte einen Augenblick, als ob er darauf wartete, dass Bender die Initiative übernähme - was dieser aber ignorierte. Wo er vorhin schon das Kästchen mit den Unterlagen hatte nehmen müssen, konnte sich jetzt der Kollege mal zuerst bewegen... Schliesslich wandte sich Dupond um, schritt auf das Raupenfahrzeug zu und betätigte den Türverschluss.
Der erste Blick in das Innere des Fahrzeugs überraschte Bender etwas, denn dieses wirkte deutlich geräumiger als erwartet. Doch dieser Eindruck verflog schon beim mühsamen Einsteigen in Windeseile - und als schliesslich die Luke wieder geschlossen war, hatte sich der vermeintlich geräumige Eingangsbereich in einen engen Mittelgang verwandelt, in dem man kaum aufrecht stehen konnte und der gerade für eine Person knapp breit genug war. Nach hinten zu den Schlafkojen zu gelangen, versprach eine geradezu akrobatische Angelegenheit zu werden - die Platzverhältnisse in den Schlafkojen selbst traute sich Bender im Moment kaum vorzustellen... Rechts des Mittelgangs reihten sich die einzelnen Komponenten des sogenannten Überlebenssystems aneinander, also diejenigen Installationen, die die Funktionen von Küche, Waschraum, Klo und Ähnlichem zu übernehmen hatten - alles stark miniaturisiert, was eine beachtliche technische Leistung war, wenn man sich für so was interessierte - während auf der linken Seite die beiden Bedienplätze für die Besatzung angeordnet waren. Der vordere Sitz, mit Aussicht durch die Frontscheibe nach draussen, war der Fahrersitz, in dem sich also Dupond zu installieren begann, während Bender sich in den hinteren hineinzwängte.
Das Kästchen, das Bender von Brantner erhalten hatte, enthielt ein etwa ein Zoll langes Metallstäbchen - ein Speichermodul, das in einen entsprechenden Kontakt am Schaltpult eingesteckt werden konnte. Das ging einfach; anschliessend betätigte Bender eine Taste, worauf der in die Rückseite des vorderen Sitzes eingebaute Bildschirm zum Leben erwachte und den Speicherinhalt darstellte. Die Lernstationen in der Wohneinheit funktionierten nach demselben Prinzip - die Bedienung war in der Tat, wie Brantner sagen würde, "stinkeinfach". Bender blätterte kurz die einzelnen Seiten durch - Informationen zur Mission der vermissten Gruppe 9, Ausrüstung und Besatzung, der Weg, den deren Fahrzeug genommen hatte, diverse weitere Karten von Juno in verschiedenen Detailliertheitsgraden, je nachdem, wo die Erkundungsmissionen schon gewesen waren. Erklärungen zur Bedienung des Fahrzeugs fehlten - die befanden sich auf einem anderen Speicherstäbchen, das Bender eben vergessen hatte mitzunehmen... Bender verfluchte in Gedanken seine Vergesslichkeit und versuchte verdrossen, sich die gestern gelesenen Informationen in Erinnerung zu rufen. Dringlich war im Moment die Funkanlage, denn er sollte sich ja sofort bei der Zentrale anmelden. Die einzelnen Teile des Funkgeräts - Einschaltknopf, Frequenzwähler, Rauschunterdrückung, Hörer, Sprechgarnitur - waren ihm einigermassen bekannt; der erste Knackpunkt jedoch war bereits der Kanal, den er einstellen sollte: der wollte und wollte ihm nicht einfallen! Hektisch wanderten Benders Augen in der Kabine hin und her, als ob er von irgendwo Hilfe zu erwarten hätte...
Er gestand es sich nicht gleich ein, aber es gab nur eine Richtung, aus der Hilfe kommen konnte.
Ein vorsichtiges Linsen nach vorne zeigte, dass der Kollege genau jenes Speichermodul, das Bender vergessen hatte, bereits an seinem Arbeitsplatz installiert hatte und ebenfalls am Durchblättern war. Bender biss sich auf die Lippen. Es widerstrebte ihm entschieden, sich schon jetzt eine Blösse zu geben, aber er hatte keine andere Wahl. "He, äh... Dupond", rief er, "weisst du noch die Nummer des Kanals, auf der die Zentrale anzufunken ist?"
Dupond hob etwas unwillig den Kopf. "Kanal? Weiss ich nicht. Ist auch nicht meine Sache; du bist der Funker. Steht das nicht bei den Missionsdaten?"
"Eben nicht, nein!" Bender unterdrückte ein Seufzen. "Könntest du... Also du hast da gerade das Lernprogramm auf dem Bildschirm - könntest du vielleicht da schnell nachgucken?"
"Was?!" Duponds Kopf fuhr ruckartig herum. "Du hast das Lernprogramm nicht mitgenommen?! Arsch und Marsmännchen! Was denkst du dir, was das hier ist - eine Vergnügungsfahrt oder was? Wenn du einen Fehler machst, bin ich auch im Arsch!"
Bender versuchte krampfhaft, sich zu beherrschen. Verdammt, verdammt - es war alles schon mühsam genug, wieso musste der Kerl dazu noch gleich einen Streit anfangen?! Und mit dem würde er stundenlang auf engstem Raum zusammensein... Toll, toll, wirklich. "Hör zu... hör zu, ich komm schon zurecht", sagte er laut, "ich hab das Zeug gestern gelesen, das ist schon OK. Nur den Kanal hab ich vergessen - kannst du den bitte nachschauen? Ich brauch ihn wirklich!" Bender war im Moment in der schwächeren Position, und der Blick, mit dem Dupond ihn bedachte, zeigte, dass dieser das genau wusste... Mit einem kurzen indignierten Kopfschütteln wandte sich Dupond um und hieb auf eine Taste an seinem Armaturenbrett. "Kanal 42", verkündete er wenig später mürrisch und fuhr dann fort, sich mit den verschiedenen Schalthebeln vertraut zu machen.
Bender schaltete das Funkgerät ein, wählte die Frequenz und drückte die Sprechtaste. "Äh..." sagte er - und dann schaltete er wieder ab. Verflixt, was musste er überhaupt sagen?
Zum Nachdenken kam er nicht, denn schon kam eine wütende Schimpfkanonade aus dem Gerät heraus. "Bei allen lausigen Mondratten! Idiot, verdammter, denken Sie gefälligst nach, bevor Sie die Taste drücken! Kennen Sie keine Sprechregeln?!"
"Selber Idiot", brummte Bender (aber ohne die Taste zu drücken). Sprechregeln -was für Sprechregeln? Er runzelte die Stirn und versuchte, die einzelnen Bruchstücke der Kurzausbildung aus seiner Erinnerung zusammenzuklauben. Schliesslich drückte er die Taste wieder und sagte: "Erkundungsgruppe 15 an Zentrale, antworten!"
"Gruppe 15 von Zentrale, verstanden", bellte es zurück. "Aber es heisst nicht 'Gruppe 15 an Zentrale', sondern 'Zentrale von Gruppe 15', und ausserdem müssen Sie die Taste gedrückt halten, bis Sie fertig gesprochen haben! Verstanden, Sie Mondkalb?!"
Bender verkniff sich eine neue Beleidigung. "Verstanden, over." "Verstanden. Nun also Meldung? Over." "Verstanden. Haben gerade Raupe bestiegen. Sind bereit zum..."
In diesem Augenblick machte der Raupenschlepper plötzlich einen Ruck nach vorne, so dass Bender fast aus dem Sitz flog und mit dem Helm gegen die Wand stiess. "He, verdammt, pass doch auf!" rief er aus, zu Dupond gerichtet. "Von wegen Vergnügungsfahrt oder was, ja?!"
Von Dupond hörte man wieder bloss ein Knacken im Kopfhörer.
Bender blieb dennoch einen Augenblick stehen, wobei sein Blick unwillkürlich nach links wanderte - auch das, was er dort sah, war nicht dazu angetan, seine Laune zu heben. Dort, in einer kahlen Ebene, standen fünf lange Reihen von Gerüsten, auf denen grosse, spiegelnde Metallflächen montiert waren: das halbfertige Sonnenkraftwerk der Kolonie. Von weitem war deutlich zu sehen, dass die meisten der Aufbauten mehr oder weniger schief standen, so dass das Ganze Ähnlichkeit mit einer Armee von Betrunkenen hatte - keine gute Arbeit war das, und die Vorstellung, dass Gedeih und Verderb der Station vom Funktionieren dieser Anlage abhing, erzeugte deutliches Unbehagen, bei Bernie zumal, der mehr als eines dieser Gerüste selbst mitaufgebaut hatte... Das einzige Gute war, dass es sich um Sonnenzellen handelte, die weder explodieren noch radioaktiv strahlen konnten - im Gegensatz etwa zu den Atomreaktoren, wie sie die Kolonisten auf den Jupitermonden verwenden mussten. Hier, im Asteroidengürtel, reichte die Sonnenstrahlung für die Energiegewinnung gerade noch aus.
Der Parkplatz der Kolonie, der rechter Hand lag, wurde dominiert von zwei riesigen, bauchigen Raumschiffen - den Transportern, mit denen sie alle von der Erde hierher gereist waren. Fünf Gestalten in Raumanzügen standen dort müssig herum und betrachteten den Sonnenaufgang. Bender war mindestens sieben Minuten zu spät - aber von dem Instruktor, der ihn und die anderen in ihren neuen Job einführen sollte, war noch nichts zu sehen. Entweder war dieser ebenfalls von einer Panne aufgehalten worden, oder er hatte es nicht eilig - es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Leiter der Kolonie an ihre eigenen Regeln nicht hielten...
Na gut, in jedem Fall hatte sich Bernie also einmal Anbrüllen erspart. Er kontrollierte kurz, ob sein Übersetzungsgerät, das simultan aus und in zwanzig Sprachen übersetzen konnte, korrekt funktionierte, dann begrüsste er die anderen Wartenden flüchtig - er kannte keinen von ihnen näher - und stellte sich dann etwas abseits hin. Ihm war, gleich in welcher Sprache, nicht nach Reden zumute - war es eigentlich nie. Weg von Gruppendruck und Gehirnwäsche, weg von den überfüllten Städten... Bescheuerter Werbetext war das gewesen - aber er hatte Bernie voll aus dem Herzen gesprochen. Wobei er eigentlich hätte wissen müssen, dass keine noch so überfüllte Stadt so viel Gruppendruck erzeugte wie eine einsame Raumstation, aus der man nicht fliehen konnte...
Da der Instruktor weiter auf sich warten liess, begann Bender die parkierten Fahrzeuge zu studieren - insbesondere diejenigen zur Erkundung der Oberfläche, die von aussen wie plumpe Planierraupen aussahen. Sie wirkten überaus winzig gegen die hochragenden Umrisse der beiden Raumtransporter, und es erschien kaum zu glauben, was Bender den Tag zuvor bei der Vorbereitung auf heute in seinen Unterlagen gelesen hatte: dass jedes ein vollständiges Überlebenssystem enthielt, mit welchem eine zweiköpfige Mannschaft bis zu zwei Wochen ohne Kontakt zur Basis unterwegs sein konnte. Sogar Schlafkojen sollte es geben...
Der Gedanke daran, dass er bald selbst in einem dieser Gefährte sitzen würde, erzeugte in Bernie ein ähnlich mulmiges Gefühl wie der Anblick des Kraftwerks vorhin. Angeblich waren die Dinger kinderleicht zu bedienen, und darin Herumfahren dürfte definitiv bequemer sein als die Plackerei bei der Montage - doch andererseits: wenn man da draussen eine Panne hatte, war die Hilfe weit weg... Und Pannen gab es sehr oft - deswegen war er ja hier aufgeboten worden: weil offenbar wieder eine der Erkundungsmannschaften nicht mehr über Funk erreichbar war...
Eine Bewegung in seinem Augenwinkel liess Bernie den Kopf wenden. In die Gruppe der Wartenden war Bewegung gekommen, das träge Herumstehen hatte nervöser Spannung Platz gemacht. Und der Grund dafür war schnell ersichtlich: von der Ebene mit dem Kraftwerk her näherte sich eine Gestalt im Raumanzug, in den der hiesigen Schwerkraft angepassten seltsam hüpfenden Sprüngen. An der Art der Bewegungen war auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich um jemanden mit Weltraumerfahrung handelte, und das hiess: es war keiner der Kolonisten. Und richtig konnte der Ankömmling wenig später, anhand des Firmenlogos und des Namenszugs auf der Brust seines Anzugs, als Captain Brantner identifiziert werden.
Niemand wusste, in welcher Armee oder ob überhaupt Brantner sich den Titel eines Captains verdient hatte - es hatte eigentlich auch keinerlei Bedeutung, denn die Kolonie war durch und durch zivil. Brantner war hier strenggenommen nichts weiter als ein Angestellter der Firma Belt Colony Enterprises - was weder ihn noch die anderen Angestellten der Firma daran hinderte, einen forschen militärischen Umgangston zu pflegen. In den Genuss dieses Tons kamen die sechs Wartenden jetzt. Nachdem sie in einer Reihe strammgestanden und die behandschuhten Hände schneidig an die Helme gerissen hatten, stellte sich Captain Brantner breitbeinig vor sie hin und begann mit der Instruktion.
"OK, willkommen also zu eurem neuen Job hier. Es ist 'n verdammt wichtiger Job, das sei gleich mal gesagt. Und ich erwarte selbstverständlich von jedem hundertzehnprozentigen Einsatz. Nicht dass ich das extra betonen müsste; es liegt ja in euerem eigenen Interesse, möglichst viele Bodenschätze zu finden. Dann seid ihr nämlich reich! Stellt euch nur mal vor, es gibt Gold hier - oder sogar Uran..."
Bei allen grünen Marsmännchen, bloss kein Uran! In Gedanken schnitt Bender eine Grimasse. Wo er sich vorhin gerade gefreut hatte, keine radioaktive Strahlung in der Nähe zu haben... Den Enthusiasmus des Captains, dessen Bulldoggengesicht hinter der Scheibe sich beim Wort Gold zu einem geradezu seligen Lächeln verformt hatte, vermochte Bernie ohnehin kaum zu teilen - nicht zuletzt deshalb, weil seine Aussichten, reich zu werden, nicht halb so gut waren wie die des Captains selbst. Ganz gleich, wie viele Bodenschätze sie fanden, den Löwenanteil davon würde sowieso die Firma einsacken... Was natürlich erklärte, warum sich Brantner, der nun in markigen Worten die zweihundertfünzig Jahre zurückliegende amerikanische Goldgräberzeit in Erinnerung rief, so ins Zeug legte, während die angehenden Goldgräber kaum Reaktion zeigten.
Nach einigen Minuten Motivationsrhetorik kam Brantner dann doch noch zur eigentlichen Instruktion. "Also, die Fahrzeuge für euch stehen bereit, wie ihr seht. Echt stinkeinfach zu bedienen, wie ich gestern schon gesagt habe. Wenn ihr die Unterlagen studiert habt, könnt ihr echt nicht viel falsch machen. Die Unterlagen habt ihr studiert, nehme ich an?"
Die sechs nickten. Und einen der sechs, nämlich Bender, durchfuhr ein siedender Schreck, weil ihm in diesem Moment einfiel, dass er eben diese Unterlagen heute hatte mitnehmen wollen, dies in der Hetze aber vergessen hatte... Bender ärgerte sich so, dass er einige Sekunden von Brantners Rede verpasste, und als er sich gefangen hatte, war dieser bereits zum Organisatorischen übergegangen.
"Die Raupen sind gebaut für eine Besatzung von zwei Mann, wir werden also drei Gruppen bilden. Ich nehme jetzt die Einteilung vor. Wen ich aufrufe, der schiebt seinen Arsch zackig rüber zu dem Fahrzeug, auf das ich zeige. Gruppe 15: Bender, Bernard, und Dupond, Charles. Gruppe 16: Ghali, Magit, und Jorgensen, Ian. Gruppe 17: Ruiz Guzman, Maria, und Ye, Tianbai." Die Aufgerufenen bemühten sich, ihre Bewegungen zackig genug erscheinen zu lassen, während sie die ihnen zugewiesenen Plätze einnahmen. Schliesslich griff Captain Brantner an seinen Gürtel, hakte von dort ein etwa handgrosses Kästchen los und ging auf die erste Gruppe zu.
Für den Bruchteil einer Sekunde geriet Bender in Panik - der Captain streckte ihnen mit einer entschiedenen Bewegung das Kästchen entgegen; aber wem jetzt?! Ein gehetzter Blick Benders schoss zu seinen designierten Besatzungskollegen hinüber; dann aber, als in Brantners Blick Ungeduld aufzublitzen begann, stürzte Bender hastig vor und ergriff das Kästchen.
"Eure Unterlagen", sagte der Captain, auf das Kästchen deutend. "Eure Mission ist zuerst eine Hilfsmission: die Bodenerkundungsgruppe 9 meldet sich nicht mehr über Funk. Auf der Karte in den Unterlagen ist die letzte bekannte Position eingezeichnet. Euer erster Auftrag: Kontakt zu Gruppe 9 wiederherstellen und Hilfe leisten, so weit möglich. Gleichzeitig ist eure Mission, wie jede, eine Forschungsexpedition zur Erkundung der Bodenschätze auf Juno. Das heisst, auf dem ganzen Weg habt ihr auf die Anzeigen des Metalldetektors zu achten, und wenn er piept, zeichnet ihr das erstens auf der Karte ein und steigt zweitens aus und sammelt ein paar Gesteinsproben. Klar?"
Die beiden nickten.
"Wenn ihr jetzt einsteigt, meldet euch sofort über Funk bei der Zentrale. Die wird euch weiter instruieren, was beim Unfallort von Gruppe 9 zu tun ist. In jedem Fall sind Gesteinsproben und Aufzeichnungen zu retten - gegebenenfalls der Auftrag von Gruppe 9 weiterzuführen. Noch Fragen?"
Bender und Dupond schüttelten den Kopf.
"OK." Die Instruktion war beendet, und nach einem weiteren zackigen militärischen Grussritual wandte sich der Captain der nächsten Gruppe zu.
Die beiden jungen Männer massen sich mit Blicken. Bender überlegte kurz, wo und wann er mit Charles Dupond bisher schon zusammengetroffen war. Da er mit ihm noch nie direkt zu tun gehabt hatte, war es etwas länger her - bei der ersten Versammlung aller Kolonisten noch auf der Erde, später im Raumschiff. Er erinnerte sich vage an einen kleinen, schlaksigen Franzosen - von Schlaksigkeit war im Moment allerdings nicht viel zu sehen. Die Raumanzüge liessen nicht viel mehr erkennen als die Augen - die von Dupond waren dunkel, die von Bender hell und farblos.
"OK", brach Dupond schliesslich das Schweigen. "Soll ich fahren - und du bedienst Funkgerät, Metallsucher und Radar?" Bender hörte in seinem Kopfhörer nicht Duponds Stimme, sondern die Simaltanübersetzung in seine Muttersprache, die der tragbare Dolmetscher in seinem Anzug automatisch lieferte.
"Gut", antwortete Bernie Bender, seinerseits simultan übersetzt von Duponds Übersetzungsgerät. "Passt mir gut - ich bin so ein Ding noch nie gefahren..."
Ein Knacken in Benders Kopfhörer. Dupond musste etwas Unübersetzbares gesagt haben. "Ich weiss doch auch nicht mehr als du! Hast du denn eine Ahnung vom Metallsucher?"
Den Bruchteil einer Sekunde lang schaute Bender verdutzt - was für eine Reaktion war das denn?! "Äh - nein, natürlich nicht! Den seh ich heute auch zum erstenmal..." Scheissdreck. Na toll, wieder mal zwei Leute ohne blassen Schimmer - das mulmige Gefühl in Benders Magen wurde deutlich stärker. Wobei, wenn die Bedienung wirklich so stinkeinfach war, wie behauptet... "Na los, gehn wir..." Bender machte eine kurze Kopfbewegung zu dem ihnen zugewiesenen Raupenfahrzeug hin.
Dupond zögerte einen Augenblick, als ob er darauf wartete, dass Bender die Initiative übernähme - was dieser aber ignorierte. Wo er vorhin schon das Kästchen mit den Unterlagen hatte nehmen müssen, konnte sich jetzt der Kollege mal zuerst bewegen... Schliesslich wandte sich Dupond um, schritt auf das Raupenfahrzeug zu und betätigte den Türverschluss.
Der erste Blick in das Innere des Fahrzeugs überraschte Bender etwas, denn dieses wirkte deutlich geräumiger als erwartet. Doch dieser Eindruck verflog schon beim mühsamen Einsteigen in Windeseile - und als schliesslich die Luke wieder geschlossen war, hatte sich der vermeintlich geräumige Eingangsbereich in einen engen Mittelgang verwandelt, in dem man kaum aufrecht stehen konnte und der gerade für eine Person knapp breit genug war. Nach hinten zu den Schlafkojen zu gelangen, versprach eine geradezu akrobatische Angelegenheit zu werden - die Platzverhältnisse in den Schlafkojen selbst traute sich Bender im Moment kaum vorzustellen... Rechts des Mittelgangs reihten sich die einzelnen Komponenten des sogenannten Überlebenssystems aneinander, also diejenigen Installationen, die die Funktionen von Küche, Waschraum, Klo und Ähnlichem zu übernehmen hatten - alles stark miniaturisiert, was eine beachtliche technische Leistung war, wenn man sich für so was interessierte - während auf der linken Seite die beiden Bedienplätze für die Besatzung angeordnet waren. Der vordere Sitz, mit Aussicht durch die Frontscheibe nach draussen, war der Fahrersitz, in dem sich also Dupond zu installieren begann, während Bender sich in den hinteren hineinzwängte.
Das Kästchen, das Bender von Brantner erhalten hatte, enthielt ein etwa ein Zoll langes Metallstäbchen - ein Speichermodul, das in einen entsprechenden Kontakt am Schaltpult eingesteckt werden konnte. Das ging einfach; anschliessend betätigte Bender eine Taste, worauf der in die Rückseite des vorderen Sitzes eingebaute Bildschirm zum Leben erwachte und den Speicherinhalt darstellte. Die Lernstationen in der Wohneinheit funktionierten nach demselben Prinzip - die Bedienung war in der Tat, wie Brantner sagen würde, "stinkeinfach". Bender blätterte kurz die einzelnen Seiten durch - Informationen zur Mission der vermissten Gruppe 9, Ausrüstung und Besatzung, der Weg, den deren Fahrzeug genommen hatte, diverse weitere Karten von Juno in verschiedenen Detailliertheitsgraden, je nachdem, wo die Erkundungsmissionen schon gewesen waren. Erklärungen zur Bedienung des Fahrzeugs fehlten - die befanden sich auf einem anderen Speicherstäbchen, das Bender eben vergessen hatte mitzunehmen... Bender verfluchte in Gedanken seine Vergesslichkeit und versuchte verdrossen, sich die gestern gelesenen Informationen in Erinnerung zu rufen. Dringlich war im Moment die Funkanlage, denn er sollte sich ja sofort bei der Zentrale anmelden. Die einzelnen Teile des Funkgeräts - Einschaltknopf, Frequenzwähler, Rauschunterdrückung, Hörer, Sprechgarnitur - waren ihm einigermassen bekannt; der erste Knackpunkt jedoch war bereits der Kanal, den er einstellen sollte: der wollte und wollte ihm nicht einfallen! Hektisch wanderten Benders Augen in der Kabine hin und her, als ob er von irgendwo Hilfe zu erwarten hätte...
Er gestand es sich nicht gleich ein, aber es gab nur eine Richtung, aus der Hilfe kommen konnte.
Ein vorsichtiges Linsen nach vorne zeigte, dass der Kollege genau jenes Speichermodul, das Bender vergessen hatte, bereits an seinem Arbeitsplatz installiert hatte und ebenfalls am Durchblättern war. Bender biss sich auf die Lippen. Es widerstrebte ihm entschieden, sich schon jetzt eine Blösse zu geben, aber er hatte keine andere Wahl. "He, äh... Dupond", rief er, "weisst du noch die Nummer des Kanals, auf der die Zentrale anzufunken ist?"
Dupond hob etwas unwillig den Kopf. "Kanal? Weiss ich nicht. Ist auch nicht meine Sache; du bist der Funker. Steht das nicht bei den Missionsdaten?"
"Eben nicht, nein!" Bender unterdrückte ein Seufzen. "Könntest du... Also du hast da gerade das Lernprogramm auf dem Bildschirm - könntest du vielleicht da schnell nachgucken?"
"Was?!" Duponds Kopf fuhr ruckartig herum. "Du hast das Lernprogramm nicht mitgenommen?! Arsch und Marsmännchen! Was denkst du dir, was das hier ist - eine Vergnügungsfahrt oder was? Wenn du einen Fehler machst, bin ich auch im Arsch!"
Bender versuchte krampfhaft, sich zu beherrschen. Verdammt, verdammt - es war alles schon mühsam genug, wieso musste der Kerl dazu noch gleich einen Streit anfangen?! Und mit dem würde er stundenlang auf engstem Raum zusammensein... Toll, toll, wirklich. "Hör zu... hör zu, ich komm schon zurecht", sagte er laut, "ich hab das Zeug gestern gelesen, das ist schon OK. Nur den Kanal hab ich vergessen - kannst du den bitte nachschauen? Ich brauch ihn wirklich!" Bender war im Moment in der schwächeren Position, und der Blick, mit dem Dupond ihn bedachte, zeigte, dass dieser das genau wusste... Mit einem kurzen indignierten Kopfschütteln wandte sich Dupond um und hieb auf eine Taste an seinem Armaturenbrett. "Kanal 42", verkündete er wenig später mürrisch und fuhr dann fort, sich mit den verschiedenen Schalthebeln vertraut zu machen.
Bender schaltete das Funkgerät ein, wählte die Frequenz und drückte die Sprechtaste. "Äh..." sagte er - und dann schaltete er wieder ab. Verflixt, was musste er überhaupt sagen?
Zum Nachdenken kam er nicht, denn schon kam eine wütende Schimpfkanonade aus dem Gerät heraus. "Bei allen lausigen Mondratten! Idiot, verdammter, denken Sie gefälligst nach, bevor Sie die Taste drücken! Kennen Sie keine Sprechregeln?!"
"Selber Idiot", brummte Bender (aber ohne die Taste zu drücken). Sprechregeln -was für Sprechregeln? Er runzelte die Stirn und versuchte, die einzelnen Bruchstücke der Kurzausbildung aus seiner Erinnerung zusammenzuklauben. Schliesslich drückte er die Taste wieder und sagte: "Erkundungsgruppe 15 an Zentrale, antworten!"
"Gruppe 15 von Zentrale, verstanden", bellte es zurück. "Aber es heisst nicht 'Gruppe 15 an Zentrale', sondern 'Zentrale von Gruppe 15', und ausserdem müssen Sie die Taste gedrückt halten, bis Sie fertig gesprochen haben! Verstanden, Sie Mondkalb?!"
Bender verkniff sich eine neue Beleidigung. "Verstanden, over." "Verstanden. Nun also Meldung? Over." "Verstanden. Haben gerade Raupe bestiegen. Sind bereit zum..."
In diesem Augenblick machte der Raupenschlepper plötzlich einen Ruck nach vorne, so dass Bender fast aus dem Sitz flog und mit dem Helm gegen die Wand stiess. "He, verdammt, pass doch auf!" rief er aus, zu Dupond gerichtet. "Von wegen Vergnügungsfahrt oder was, ja?!"
Von Dupond hörte man wieder bloss ein Knacken im Kopfhörer.