Im wilden Westen, Kapitel 4

4,00 Stern(e) 1 Stimme

pol shebbel

Mitglied
Charles Dupond lag zusammengesunken in seinem Sitz, und Bernard Bender lag schräg über ihm, die Füsse noch in den Gurten vom hinteren Sitz und den Kopf unter dem Steuerknüppel. Ein paar Sekunden lagen sie benommen da; dann brüllte Bender los: "Du Affenkopp, du pangalaktischer Gurkenhammel!! Was hast du jetzt wieder gemacht?!"
Dupond gab keinen Laut von sich. Als Bender mit Mühe den Kopf drehte, sah er ihm genau ins Gesicht - eine eigenartige Haut hatte er, milchig-blass mit vielen Sommersprossen und Flecken. Die hinter der getönten Scheibe kohlschwarz aussehenden Augen waren geöffnet und sahen ihn eiskalt an. "Das", ertönte die monotone Stimme des Übersetzers, "macht du nicht noch mal."
"Was, nicht noch mal?!" brüllte Bender. "Du elender Mondmacker, du hast angefangen!" Und er rüttelte mit den Füssen, aber die waren in den Gurten gefangen.
Du steckst fest", stellte Dupond sachlich fest. "Na, dann hilf mir doch!" schrie Bender.
Duponds blasses, fleckiges Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Er tat keinen Wank.
"Du Aas, dich mach ich fertig!" schnaubte Bender. Wie wild schlug er mit Armen und Beinen aus und versuchte sich zu befreien; aber in seiner gegenwärtigen Position in der engen Kabine, noch dazu mit dem sperrigen Anzug, war er hilflos. Schliesslich gab er auf, keuchend und nach Luft schnappend.
Dupond beobachtete ihn. Schliesslich gab er ihm einen kleinen Puff, worauf Bender elegant wieder in seinen Sitz zurückschwebte. Erschöpft sank er zusammen. "So", sagte Dupond, "und jetzt schraub deinen Helm fest."
Bender fuhr hoch. "Was zum T..." "Ich sagte: schraub deinen Helm fest!" wiederholte Dupond. "Jetzt, wo die Karre kaputt ist, müssen wir ja sowieso aussteigen."
Bernie Bender schnappte nach Luft. "Bist du bekloppt? Willst du etwa sagen, du kannst es reparieren?! Kapier doch endlich: es hat uns erwischt! Die von Gruppe 9 waren die letzten, und wir sind die nächsten!"
Dupond machte eine ungeduldige Kopfbewegung. "Los, mach schon", sagte er, "wir könnens uns ja wenigstens mal ansehen."
"Du Schwachkopf!" japste Bender. "Wozu sich noch anstrengen? Wir werden sowieso krepieren! Wenn nicht jetzt, dann später. Die ganze Kolonie wird krepieren! Die Chefs sind Schufte, die Mannschaft ist unfähig. Seit zwei Monaten warte ich jeden Tag darauf, dass es passiert! Ich kann nicht mehr!"
"Mach, was du willst", sagte Dupond. "Wenn du nicht gehst, dann geh ich eben allein. Ich werde nicht hier hockenbleiben und warten, bis uns die Luft ausgeht!"
Bender liess sich in den Sitz zurückfallen und kniff die Lippen zusammen. Dupond starrte ihn an. "Bist du verletzt?" fragte er.
"Nein", knurrte Bender.
"Na also", sagte Dupond, "ich auch nicht. Die Druckkabine scheint auch kein Leck zu haben. So schlimm kann doch der Schaden gar nicht sein. Kommst du jetzt oder kommst du nicht?"
Bender schwieg eine Weile, dann fasste er sich wortlos an den Hals und zog die Helmschrauben an.
Dupond sagte nichts. Wortlos schraubte er seinerseits seinen Helm fest und begann dann, Knöpfe zu drücken und zu schalten. Ein leises Zischen verriet, dass die Luft abgesaugt wurde; die Raumfahrer, die nun aus ihren eigenen Geräten atmeten, merkten nichts davon. Schliesslich öffnete Dupond langsam die Ausstiegsluke und zwängte sich durch sie hindurch.
Bernie Bender blieb, wo er war. Junge Junge, es hat dich erwischt! schoss ihm wieder und wieder durch den Kopf. Himmel noch mal, worauf hast du dich da bloss eingelassen. Du bist jetzt 24 Jahre alt. Unten auf der Erde - gings dir nicht gut da? Du hattest einen Job, einen gut bezahlten sogar bei der Datenbank, du hattest eine bequeme Wohnung und die ganzen Möglichkeiten zu Konsum, Unterhaltung und so... Wie zum Teufel konntest du so blöd sein, hierherzukommen? In diese... diese Hölle... Plötzlich fühlte sich sein Gesicht heiss und feucht an, die Scheibe seines Helms beschlug sich. Was nützt das alles? Er schluckte und presste die behandschuhten Hände gegen den harten Helm. Auf gehts. Melde dich. Für Leute, die das echte Leben suchen. Das echte Leben. Ganze zwei Monate hab ich es ausgehalten, das echte Leben. Im­merhin - wenn ich jetzt dann krepiere, in diesem Metallkasten inmitten einer luftleeren Felsenwüste, werde ich zwei Monate lang echt gelebt haben. Mehr, als viele auf der Erde, und sogar mehr als eine Reihe Leute hier...
Von aussen hörte man ein leichtes Kratzen. Kurz darauf kam Dupond wieder hereingeklettert, schloss die Tür und begann, die Luft wieder in die Kabine zu lassen. "Na, was ist?" fragte Bender matt, den Kopf zur Seite gedreht, damit der andere die beschlagene Scheibe nicht sah.
Dupond antwortete nicht.
Bender fuhr in die Höhe. "Na los, sag schon!" schrie er. "Ist viel kaputt?"
"Weiss nicht", antwortete Dupond. "Konnte nichts sehen. Die Scheinwerfer sind kaputt, und die Sonne ist weg..." Ein Seitenblick streifte Bender. "Dir kann es doch egal sein; oder hast du deine Meinung geändert?"
"Leck mich am Arsch", brummte Bender.
"Wie du willst", erwiderte der andere. "Aber wie wärs, wenn du jetzt die Zentrale anrufst, damit sie uns zu Hilfe kommen können?"
Ja, richtig - darauf hätten sie beide eigentlich schon längst kommen können. Was für Idioten waren sie doch... Aber das durfte er sich nicht anmerken lassen. Na gut... "Zentrale von Erkundungsgruppe 15, antworten!"
Die Sekunden verstrichen, während beide regungslos warteten. Keine Antwort kam. Nach einer Weile wiederholte Bender den Ruf und wartete wieder - doch die Zentrale blieb stumm.
"Scheisse, Scheisse, was soll das..." Erbittert versetzte Bender dem Funkgerät einen Faustschlag und liess sich in den Sitz zurückfallen. "Das Ding muss einen Knacks abgekriegt haben!"
"Oder du hast wieder eine falsche Taste gedrückt..." Dupond machte eine heftige Bewegung, sein Gesicht verzerrte sich - doch nur kurz, dann sank auch er zusammen. "OK, OK, ich bin einverstanden: es hat uns erwischt! Du kannst dich jetzt also umbringen, wenn du willst..."
"Lass die blöden Witze!" schrie Bender. "Was sollen wir jetzt machen?!"
Dupond starrte einen Moment ins Leere, dann zuckte er die Schultern. "Es gibt nichts zu machen - ausser vielleicht weiter die Zentrale anzufunken, falls die vorhin bloss geschlafen hat. Ansonsten halt warten, bis die Sonne aufgeht, damit wir draussen sehen können, was los ist. Macht etwa drei Stunden Schlafpause..."
"Schlaf?! Du hast Nerven..." Bender blieb unbeweglich sitzen und stierte unverwandt vor sich hin. Du kannst dich jetzt also umbringen, wenn du willst... Verdammt.

Er war tatsächlich schon ziemlich nah dran.
 



 
Oben Unten