In deinem Kopf

Markus Veith

Mitglied
In deinem Kopf
(aus "Der Poet und das Wörtermeer")

Wenn in deinem Kopf ein Garten wär ...
Wo kämen wohl Bewund'rer her?
Eine hohe Mauer würde ihn umspannen,
durch die man durch nur kleine Löcher schlupft.
Irre Gärtner würden rosa Karnickel fangen
und das hohe Unkraut würde niemals gerupft.
Wenn in deinem Kopf ein Garten wär ...
Niemand brächte neue Blumen hinein.
Du bliebest immer mit deinen Stiefmuttchen allein.

Wenn in deinem Kopf ein Königreich wär ...
wär es umkreist von Feinden und Meer.
Dein Gemahl wäre unmündig und zugleich dein Sohne.
Kinder säßen hungrig vorm kalten Herd.
Ein Narr trüge die zentnerschwere Krone.
Und der Henker führe ein scharfes Schwert.
Wenn in deinem Kopf ein Königreich wär ...
Wer käme schon gerne in ein solches Land,
dessen Schloß erbaut ist auf treibenden Sand?

Wenn in deinem Kopf ein Gasthaus wär ...
blieben die Zimmer unbesucht und leer.
Denn die Betten wären hart und doch durchgelegen.
Die Wasserhähne würden ständig trieftropfen.
Und niemand würde in den Ecken fegen,
denn in den Ecken verliert man sein Malz und Hopfen.
Wenn in deinem Kopf ein Gasthaus wär ...
würdest du dich selbst nicht wundern, daß niemand bleibt,
und jeder nur Beschwerden in das Gästebuch schreibt.

Wenn in deinem Kopf ein Leuchtturm wär ...
hätte das Meer keine ruhige Minute mehr.
Mal ehrlich, wer würde hier schon wohnen wollen?
Wenn die Sterne die nächsten Nachbarn sind.
Wenn Schiffe führungslos gegen die Riffe grollen.
Wenn nicht einmal ich in diesen Weiten Ruhe find.
Wenn in deinem Kopf ein Leuchtturm wär ...
wäre ich sein Wärter und unterbelichtet,
und die Zeit wär zu Unendlichkeit verdichtet.

Wenn dein Kopf ein Auto wär ...
Stell's dir nur mal vor, das ist nicht so schwer.
Solange er rollte macht er nichts als Mätzchen.
Und wer dich anhupte, der wäre es bald satt.
Dein Motor scnurrte zwar wie ein Raubtierkätzchen,
aber alle paar Meilen laufen sich die Reifen platt.
Wenn dein Kopf ein Auto wär ...
Auch wenn er nicht ist, ihr führe immer wieder mit dir
denn am Innenspiegel hängt dein weinendes Tier.

Doch da dein Kopf dein Kopf halt ist,
wo die Fülle jeden Raum auffrißt
und nichts in ihm eine Silbe vergißt,
ist dieses Gedicht eine Tintenleiche.
Denn da dein Kopf alles anders bemißt,
ist's unrecht, daß ich ihn mit irgendetwas vergleiche.
Da dein Kopf nichts als dein Kopf halt ist,
schweige ich weiter und bin mäuschenstill.
Und liebe dich weiter, obwohl ich's nicht will.
 



 
Oben Unten