In dem Raum steht eine Kiste

4,00 Stern(e) 1 Stimme

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
In dem Raum steht eine Kiste
In dem Raum steht eine Kiste,
in dem rauchgefüllten Raum,
und ich fühle auf der Kiste
mich fast wie im Traum.
Und mein Glas, das ist so leer,
leer, leer, leer,
ich schreibe mehr
ich schreibe mehr
Musik
der Füller streikt,
mein Kopf ist hier allein,
die Welt ist so, wie sie sich zeigt,
allein der Wein, der sich verneigt,
ich trinke keinen mehr,
die Geige schwingt auf diesen Schemel,
die Augen schwingen um den Bauch,
das Streichholz zeigt den Weg durch Nebel,
der Geiger geigt, das Nashorn schweigt.
Die dumpfe Schürze blickt so krumm,
ich biege meine Nase um.
Die Tinte fließt auf das Papier.
(Ich käme weiter - ...)
Doch ich schweige still -
weil ich nicht will.
Das ist die allgemeine Verweigerung auf den Kisten, auf den Bierkisten ohne geeignete Deckel, die Verweigerung vom Tabak umqualmt, und von der Zeit gefangen, von der endlosen Zeit ohne Schlaf. Aber das Bett ist leer und hier sitze ich und trotze der endlassenen Zeit zwischen den Zeilen hier und morgen. Aber da schweigt der dröhnende Lautsprecher voller Musik. Die Bilder verschwinden von der Wand und ich sehe die brennenden Streichhölzer im Wein. Da dringt durch den vergessenen Fußboden die blaue Hose, da dringt durch den vergessenen Fußboden die Zeit. Da dringt durch den vergessenen Fußboden ein Schuh, ein vergessener verlorener Schuh.
Kaffeehaus.
Kaffeehausduft.
Kaffeehausduft.
Ich versinke im Nebel.
Da breche ich schweigend das Schweigen nieder und schweige.
Da brülle ich schweigend das Schweigen nieder und schweige.
Bronxx.
Da sitze ich halt auf der Kiste
und lausche schweigend der Musik und brülle halt schweigend das Schweigen nieder und brülle schweigend sehr laut.
Und brülle halt schweigend das Schweigen nieder und brülle sehr laut.
Ich laufe ich laufe ich laufe.

Anhang

Quelle: https://web.archive.org/web/2008051...tschi/leinen.htm#In dem Raum steht eine Kiste

Bei AOL hatte ich
meine Gedichte gespeichert.
Zum Glück
blieben sie
im Internetarchiv erhalten.

Das Gedicht schrieb ich
bei einem Ost-Westlichen Dichtertreffen
in der Bronxx,
Anfang 1990
in Dresden-Neustadt
auf einem Bierfass sitzend

Monate später wurde diese Gaststätte
von Rechtsextremen abgebrannt.
Die anwesende Polizei konnte nichts tun.
 
Zuletzt bearbeitet:

Tula

Mitglied
Hallo Bernd
Sehr unterhaltsam. Wie man sieht, inspiriert Bier das Dichterhaupt sogar von unten, durch Fassdeckel und das ganze Gedärm hindurch, Magen, Speiseröhre, Rachen (Kling's "Sprachraum") bis endlich hinter die Stirn. Wirklich erstaunlich ;)

Man hätte statt der stets zu spät kommenden Polizei wohl besser die Feuerwehr gerufen ... Nun ja, ich hoffe, die Gaststätte wurde wieder neu errichtet und geöffnet.

Hinweis: der Link scheint nicht zu funktionieren, kein gültiger URL.

LG
Tula
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke, Tula, ich habe den Link korrigiert. Die AOL-Adresse funktioniert nur noch im Archiv.

Die Gaststätte war dann tot.
Es war eine neue Privatgaststätte der Nachwendezeit, nicht mit irgendeiner zu vergleichen, die es sonst so gab.
Die SZ-online-Adresse ist auch tot.
 



 
Oben Unten