In den Gassen von Al'Anfa

Shihaya

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Talandia DelMonti wusste schon, wer da vor ihrer Tür stand bevor sie das leise Kratzen hörte. Juanita war eins der Straßenkinder, die es hier in Al'Anfa zu Tausenden gab. Sie hatte sich einmal das Bein gebrochen und der Bruch war schlecht verheilt. Für geübte Ohren war der Rhythmus ihrer Bewegungen leicht zu erkennen.
Sie ging zur Tür und entriegelte sie. Aufmerksam spähte sie nach draußen, obwohl das Kratzen eigentlich bedeutete, dass alles in Ordnung war. Hätte Juanita allerdings geklopft...
„Komm rein, Mädchen.“, sagte sie.
Durch die Tür schlüpfte ein vielleicht neunjähriges, hageres Mädchen, das nur in eine zerschlissene Tunika gekleidet war. Unter dem wirren Haarschopf schauten unschuldige Kinderaugen hervor, die für das kleine Gesicht viel zu groß zu sein schienen.
Talandia lächelte still in sich hinein. Hinter diesen Augen verbarg sich ein messerscharfer Verstand, der ihrem Alter weit voraus war. Sie überlegte schon lange, ob sie sie nicht einmal der Madame vorstellen sollte. Juanita war eine ihrer besten Informantinnen. Sie wäre sicherlich eine gute Ergänzung für die Familie.
Sorgfältig verschloss Talandia die Tür wieder.
„Was gibt es, Nita?“, fragte sie.
Die Kleine zappelte vor Ungeduld.
„Er ist unterwegs.“, sagte sie. „Vor 10 Minuten ist er zu Pablo gegangen.“
Talandia spürte, wie Erregung in ihr hochstieg.
„Er“ war Ralador Stiepenbruch-Zornbrecht aus der Grandenfamilie der Zornbrechts. Ralador war zwar ein Bastard, aber von der Familie voll anerkannt worden. Normalerweise lebte er in Mengbilla, aber seit ein paar Monaten war er hier in Al'Anfa um von seinem „Onkel“ Razzan ausgebildet zu werden. Hin und wieder zog es ihn in die Gassen Al'Anfas um mit dem Pöbel seinen Spaß zu haben.
Und so ein Tag war wohl auch heute wieder.
Talandia überlegte kurz. Pablo betrieb einen noch halbwegs ehrlichen Spielsalon. Die Würfel waren nur geringfügig gezinkt und die Begleiterinnen sauber, aber nicht umwerfend. Wenn sie ihn noch dort erwischte, hatte sie leichtes Spiel.
„Nita, ich brauche deine Hilfe.“, sagte sie. „Lauf zu Arve. Ich brauche einen Leibwächter, der mich zu Pablo bringt. In einer halben Stunde hier. Zurück komme ich alleine.“
Sie griff in Ihren Beutel und warf ihr ein paar Münzen zu.
„Das dürfte reichen. Der Rest ist für dich.“ Sie fuhr der Kleinen noch einmal durch die Haare. „Danke, Mädchen!“
Als Juanita durch die Tür huschte, starrte sie ihr noch kurz, gedankenverloren hinterher. Sie hoffte, dass ihre eigene Tochter einmal genauso würde.
Dann wandte sie sich ihren Vorbereitungen zu. Um seine Aufmerksamkeit zu erregen musste sie exotisch sein und das hieß hier in Al'Anfa: nordisch. Routiniert mischte sie das Mittel an, dass ihre eigentlich dunklen Haare bleichen würde. Einmal davon abgesehen, dass das nicht sein Typ war, war sie für eine Thorwalerin zu klein und das Horasreich war zu nah. Also mittelreichisch.
Sie überlegte kurz. Ja, Albernia. Bürgerlich, aber gutbürgerlich. Händlerstochter. Schminke nach neustem al'anfanischem Stil, aber ein bisschen zu viel, wie gewollt und nicht gekonnt. Das machte sie jünger und naiver. Das Kleid ein wenig altbacken. Das brandmarkte sie als Neuling.
Während das Bleichmittel einwirkte, nahm sie zur Sicherheit noch eine Portion Rahjalieb, obwohl sie eigentlich noch geschützt sein müsste. Ein Kind musste jetzt wirklich noch nicht sein.
Dann kontrollierte sie noch einmal ihre Ringe. Sie liebte diese Ringe, die über den ganzen Finger gingen. Heute würden vier reichen, jeweils über den Daumen und auch noch über Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand.
Sie wusch sich das Mittel aus den Haaren und schaute in die polierte Metallplatte, die ihr den Spiegel ersetzte. Noch nicht ganz. Die Haare würde sie nicht mehr trocken bekommen. Also flocht sie sich einen Zopf. Der sah so schön provinziell aus.
Wieder der Blick in den Spiegel.
Jetzt war es gut. Da sie sich auch die Augenbrauen gebleicht hatte, wirkten die hellen Härchen fast wie nicht vorhanden, was wiederum den Blick von ihren eigentlich zu dunklen Augen ablenkte.
Wieder kratzte es an der Tür.
„Einen Moment, Nita.“, rief sie und griff nach ihrem schwarzen Umhang. Der war noch neu genug um als gutbürgerlich durchzugehen.
Juanita wich ein wenig zurück, als sie die Tür öffnete. Es dauerte einen Moment bis sie in der hellblonden Frau ihre Freundin wiedererkannte.
„Toll!“, staunte sie. „Wie hast du das gemacht?“
„Ich werde es dir einmal beibringen.“, sagte Talandia und zog sich die Kapuze über. „Aber nicht jetzt. Ich habe es eilig.“
Sie eilte die Treppen hinunter und schlüpfte mit dem Durchschreiten der Haustür in die Rolle, die sie sich zurecht gelegt hatte: Ein naives Töchterchen aus reichem Haus, das aus seinem goldenen Käfig ausgebrochen war und in den Gassen der Altstadt Abenteuer suchte.
Sie erreichten Pablos „Haus der phexschen Freuden“ ohne Probleme. Ein Straßenkind an der einen und ein grimmig aussehender Schlagetot an der anderen Seite machten sie für die üblichen Halsabschneider uninteressant.
Talandia hatte Glück. Ihr Ziel befand sich noch dort.
Zum ersten Mal sah sie ihn in Natura. Bislang kannte sie nur seine Beschreibung.#
Es überraschte sie, wie jung er noch wirkte. Sie wusste zwar, dass er schon zweiundzwanzig Tsatage hinter sich gebracht hatte, aber er sah nicht älter aus wie achtzehn. Ein typischer Grandenspross – eitel, überheblich und auf sich bezogen. Immerhin sah er recht gut aus. Vielleicht würde der heutige Abend doch Spaß machen.
Ralador hatte sich einer Boltanrunde angeschlossen und war vollkommen ins Spiel vertieft.
Während sie durch den Raum schlenderte und dabei nicht vergaß hin und wieder ein backfischhaftes Kichern auszustoßen, versuchte sie die Situation einzuschätzen.
Ralador spielte mit zwei Männern und einer Frau. Die Münzhaufen auf dem Tisch waren ziemlich gleich verteilt. Es schien keiner besonders oft zu gewinnen oder zu verlieren.
Talandia seufzte innerlich. Wenn sie Pech hatte, konnte das noch Stunden dauern.
Sie positionierte sich ihm gegenüber an einem Würfeltisch. Die Würfel waren sauber und es gelang ihr ein paar Mal zu gewinnen. Jedes Mal brach sie in großen Jubel aus und fiel sogar einmal ihrem Nebenmann um den Hals, nur um ihn dann abrupt loszulassen und verlegen zu Boden zu starren.
Selbst wenn sie ihr eigentliches Ziel nicht beachtete, war sie doch sicher Raladors Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben.
Nach ein paar Hellern Gewinn stieg sie aus und begab sich zu der Boltanrunde. Sie stellte sich direkt hinter Ralador um zu kiebitzen.
Talandia spürte, wie er unruhig wurde, auch wenn er versuchte es nach außen nicht zu zeigen. Sie drehte sich um, streifte wie unabsichtlich mit ihrem Ärmel seinen Nacken und begab sich zur Theke. Sie sah sich nicht um, aber sie war sich sicher, dass er ihr hinterher blickte.
Sie bestellte sich einen Wein und lächelte. Der Köder war ausgeworfen. Nun musste nur noch der Fisch anbeißen.
Es dauerte kaum fünf Minuten, da hing er an der Angel.
„Hättet Ihr etwas dagegen, wenn ich Euch aus der Nähe anstarre, statt dies über den ganzen Raum hinweg zu tun, Grandessa?“
Talandia musste sich zusammen reißen um nicht aus der Rolle zu fallen und in Gelächter auszubrechen. Sie rettete sich in ein Kichern und hielt sich Hand verlegen vor den Mund.
„Aber mein Herr, Ihr könnt doch nicht mich meinen.“
„Wen den sonst? Ich kann Euch kaum anschauen, so weh tut Eure Schönheit meinen Augen.“
Äußerlich gab sie weiter den schüchternen Backfisch, innerlich rollte sie genervt mit den Augen. Sie musste den Schein noch eine Weile lang wahren und den Fisch an der Angel zappeln lassen. Wenn sie ihn zu schnell heraus zog, würde er vielleicht vom Haken rutschen.
Also hörte sie ihm fasziniert zu und ließ sich von ihm einige weitere Weine ausgeben. Sie zogen sich in eine Nische des Speiseraumes zurück und nach anfänglichem Händchenhalten lehnte sie sich schließlich entspannt an ihn.
„Ach“, seufzte sie schließlich. „Es ist so schön hier mit dir, aber es ist schon spät. Ich muss gehen.“
Dabei schmiegte sie sich noch fester in seine Arme um deutlich zu machen, dass sie das eigentlich gar nicht wollte.
Dann ergänzte sie : „Ich lasse den Wirt einen Mietling rufen, der mich sicher geleitet.“
Er reagierte, wie erwartet.
„Ich werde dich nach Hause bringen.“
Jetzt kamen die großen, treuen Kinderaugen zum Einsatz. Den Trick hatte sie sich von Juanita abgeschaut.
„Aber Al'Anfa ist in der Nacht gefährlich, sagt mein Vater.“
„Mit mir brauchst du keine Angst haben. Ich werde dich beschützen.“
Stürmisch umarmte sie ihn, wich seinem Kuss aber noch geschickt aus.
„Danke!“
Gemeinsam gingen sie nach vorne, wo er großzügig die Zeche übernahm.
Pablo kratzbuckelte, ob des großen Trinkgeldes.
„Ich rufe den Haussklaven.“, sagte er. „Er wird Euch sicher nach Hause bringen.“
Talandia spürte wie Ralador zögerte. Unsicher tastete seine Hand nach dem Dolch an seiner Seite. Mit der genau richtigen Mischung aus Frage und Bewunderung schaute sie ihn an. Das gab den Ausschlag.
„Das ist nicht nötig.“, sagte er fest. „Wir gehen allein.“
Er legte ihr den Mantel um und sie verließen das „Haus der phexschen Freude“.
Zu dieser späten Stunde war in den Gassen nicht mehr viel los und den Gestalten, die sich jetzt noch hier herumdrückten, sollte man besser aus dem Weg gehen.
Auch Talandia wusste das und so sah sich nicht nur ihr Begleiter ständig nervös um. Zum Glück mussten sie nicht weit, den jetzt startete die nächste Phase ihres Planes. Der Fisch musste in den Käscher.
Auf einmal zuckte Talandia zusammen, stieß einen leisen Schrei aus und warf sich in Raladors Arme. Mit schreckgeweiteten Augen deutete sie auf eine Stelle im Dunkeln.
„Da... da...“, stammelte sie.
Sie hatte sich eine Stelle ausgesucht, wo keine Gefahr drohte und so konnte er sich nach einem kurzen Blick vollkommen auf sie konzentrieren. Sie lag in seinen Armen und ließ bewusst die Anspannung langsam aus ihrem Körper gleiten.
Diesmal wich sie seinem Kuss nicht aus. Er zögernd und dann immer leidenschaftlicher erwiderte sie ihn, als wäre sie auf den Geschmack gekommen. Seine Hände wanderten über ihren Körper und sie spürte wie sein Gemächt sich regte. Die dünne Seidenhose konnte das nicht verbergen.
Als er begann an ihren Kleidern zu nesteln wehrte sie ab.
„Nein,“ keuchte sie atemlos. „Nicht hier! Da vorne ist ein Stall.“
Sie zerrte ihn über die Straße in eine Seitengasse. Das Stalltor war zwar mit einer Kette gesichert, aber die war lang genug, dass sich die beiden hindurch quetschen konnten.
Unter dem Licht einer einsamen Stalllaterne riss er sie wieder an sich. Erneut gingen seine Hände auf Wanderschaft und entlockten ihr ein Stöhnen.
Der Fisch war im Käscher. Jetzt konnte sie vielleicht noch etwas Spaß haben.
Während er ihren Körper aus den Kleidern befreite, tat sie das gleiche mit ihm. Sie dirigierte ihn zu einem Bereich mit frischem Stroh und ließ sich rücklings darauf fallen. Sofort stürzte er hinterher. Seine Zunge fuhr über ihren Hals, ihre Brüste und wanderte dann noch tiefer. Als er ihre Rahjaknospe bearbeitete zuckte sie zusammen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Der Junge war gut. Sie lehnte sich zurück und gab sich ganz der jungen Göttin hin. Sie würde noch früh genug im Namen ihres schwarzen Bruders handeln müssen.
Als er sich schließlich auf sie legte und in sie hinein stieß, wusste sie das es bald soweit war. Sie stöhnte laut im Rhythmus seiner Stöße. Während sie ihm entgegen bockte, schob sie vorsichtig die in den Ringen versteckten Klingen nach vorne und ließ sie einrasten.
Sie tastete mit der rechten Hand nach seinem Hodensack und legte die Linke an seinen Hals. Am Höhepunkt seiner Lust, als er sich in sie verströmte umklammerte sie mit den Beinen seine Hüften. Ruckartig schloss sie die Rechte und trennte mit geübten Fingerbewegungen das Skrotum ab. Den fassungslosen Schmerzensschrei erstickte sie, indem sie die Klinge ihres linken Daumens in seine Luftröhre trieb.
Als er schwächer wurde, rollte sie ihn von sich herunter. Noch lebte er, aber nicht mehr lange. Sie ging zu seinem Gürtel und nahm sich den Dolch. Eins war noch zu tun, dann war der Auftrag erfüllt.
„Ich soll dich von Jocelynn grüßen.“, sagte sie und griff nach seinem Gemächt. „Du hättest aufhören sollen, als sie es dir sagte.“
Ein rascher Schnitt beendete ihr Werk.
 

SanneZwei

Mitglied
Während der ersten Hälfte deiner Geschichte wusste ich nicht, was ich davon halten soll, war ein wenig verwirrt (vielleicht aufgrund der vielen Namen), und wollte schon aufhören zu lesen, doch dann hattest du mein Interesse und ich habe sie zu Ende gelesen. Sehr kraftvolle Fantasie. Brutales Ende, aber gut beschrieben. Vielleicht magst du die erste Hälfte noch etwas straffen, sodass die Spannung, die du irgendwo nach der Hälfte erzeugst, früher zustande kommt.
Liebe Grüße
Susanne
 

Shihaya

Mitglied
Erst einmal: Danke für die Kritik!

Die Geschichte spielt in Aventurien, der Welt von Das Schwarze Auge. Das ist ein Pen & Paper Rollenspiel. Die Städte- und Ländernamen, aber auch die Götter sind dort jedem Rollenspieler bekannt und ich muss gestehen, dass ich beim Schreiben überhaupt nicht daran gedacht habe, wie verwirrend es für nicht DSAler sein kann.
Meinst du, es liegt nur an den Namen, oder hat es noch andere Gründe?

Gruß

Shihaya
 

SanneZwei

Mitglied
Verstehe! Danke für die Aufklärung. Daher also die vielen mir fremden Namen. Ich kannte dieses Rollenspiel in der Tat nicht. Sicherlich kommt deine Geschichte bei Eingeweihten anders an, als bei mir.
Liebe Grüße
Susanne
 



 
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