In der Nähe so fern

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Damon Hawke

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880 Tage habe ich dieser Stadt bisher geschenkt. 880 Tage, die nicht zurückkommen. Und noch immer bin ich ein Fremder. Warum? Ich habe mich exakt 165 Kilometer von meiner alten Heimat entfernt. An guten Tagen schafft man diese Strecke in einer Stunde. Man sollte meinen, dass diese Entfernung keinen Unterschied macht...
Weit gefehlt.
Die U-Bahn riecht anders. Die Brötchen heißen anders. Der Verkehr klingt anders. Die Menschen reden anders. Im Krapfen ist Aprikosenmarmelade anstatt Hagebuttenkonfitüre. Frauen ziehen sich anders an, Männer sprechen Frauen anders an.
Doch warum ist eigentlich alles verschieden? Es sind doch die gleichen Häuser, der gleiche Baustil, auch bei den Farben ist den Menschen hier nichts neues eingefallen. Es sind die gleichen Supermärkte, man bekommt hier genau die gleichen Tütensuppen. Ich sehe aus dem Fenster. Kinder auf dem Spielplatz gegenüber liefern sich ein heißes Fußballmatch. Ich verstehe nicht, was sie sich gegenseitig zurufen, weil es Griechen sind.

Und da wird es mir klar!

Der Grund, warum ich hier bin. Die Sache, die mich von meinem Status als Fremder unter Fremden entbindet.
Es ist nicht die Tatsache, dass es Griechen sind.
Es ist nicht die Tatsache, dass sie Fußball spielen.
Es ist die Tatsache, dass sie Freunde sind.
Ich lächle ein wenig vor mich hin und greife zum Hörer. Ich habe auf einmal das Bedürfnis, einen Freund anzurufen. Einfach so. Und plötzlich erscheinen mir 880 Tage eine viel zu kurze Zeit...
 



 
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