In der Zoohandlung

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„Der Käfig ist groß genug!" Madame Liberte-Bronne drehte sich zu ihrem Mann um.
„Ich weiß nicht, Madeleine". Monsieur Liberte-Bronne kratzte sich am Kopf. „Es heißt ja, man solle sie nicht einzeln halten. Wenn wir noch einen kaufen, ist der Käfig zu klein." Er kratzte sich noch einmal.
„Hör auf, dich zu kratzen!", wies Madame Liberte-Bronne ihn zurecht. „Nachher heißt es vom Doktor wieder, ich sei das gewesen."
„Ich höre ja schon auf." Verschämt versteckte Monsieur Liberte-Bronne seinen Fuß unter dem Gefieder.
„Also ich will kein Pärchen", fuhr Madame Liberte-Bronne zu dem Zoohändler gewandt fort, der sich bis jetzt aus der Diskussion herausgehalten hatte, nun aber dienstbeflissen hinter der Ladentheke hervor und an den Käfig trat.
„Warum sitzt er eigentlich die ganze Zeit auf der Treppe?", fragte Madame Liberte-Bronne. „Und er singt nicht und er spricht nicht. Ist er krank?" Sie klopfte mit dem Schnabel gegen den Käfig, woraufhin sich die darin sitzende Gestalt furchtbar erschreckte, aufgeregt im Käfig herum lief und ein paar unverständliche Worte in Menschensprache von sich gab. „Diese Sorte kann doch unsere Sprache lernen, oder nicht?"
„Richtig, gnädige Frau." Der Zoohändler nickte. „Sie sind ausgesprochen sprachbegabt. Aber wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, ich würde sie auch nicht einzeln halten. Morgen bekomme ich ein Weibchen. Möchten Sie es sich ansehen?"
„Nein", antwortete Madame Liberte-Bronne nach kurzem Überlegen. „Ich denke, wir holen nur den einen und auch diesen Käfig."
„Wie Madame wünschen. Möchten Sie ihn gleich mitnehmen?"
„Ja, das machen wir."
„Dazu ist er viel zu groß", meldete sich Monsieur Liberte-Bronne zu Wort. „Könnten Sie ihn liefern?"
„Naturellement, Monsieur."
„Gut", sagte Madame Liberte-Bronne zufrieden. „Ich werde die Rechnung nach der Lieferung bezahlen."
„Eine kleine Anzahlung müssten Sie leisten, Madame. 100 Euro, s'il vous plait."
„Einverstanden".

Auf dem Nachhauseweg ließ Monsieur Liberte-Bronne eine Bemerkung fallen, die Madame Liberte-Bronne merkwürdig fand.
„Ob er sich nicht einsam fühlen wird? So ganz ohne Artgenossen?"
„Ich bitte dich, Alphonse. Er hat doch uns. Wir werden uns gut um ihn kümmern."
 

Didi Costaire

Mitglied
So herum wird richtig deutlich, wie krankhaft das ist, und dabei gilt es doch heutzutage als völlig normal.

Gut erzählt!

Schöne Grüße,
Dirk
 

Mimi

Mitglied
Hallo SilberneDelfine,
ich denke der Knackpunkt des Textes ist, dass der Leser schon im ersten Drittel der Geschichte bemerkt, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt.
Das hättest Du sicherlich leicht umgehen können, in dem Du die " vertauschten Rollenbilder" , um die es hier geht, erst kurz vor dem Ende pointiert auflöst.
Die Dialoge sind für mein Empfinden etwas platt geraten, sie sagen im Wesentlichen nicht viel über die Charaktere der beiden Vögel aus.
Vielleicht liegt im Teil des Nachnamens (Liberte) ein kleiner Richtungsweiser zum Thema ...?
Aber warum die französischen Einsprengsel in der Geschichte? Ich sehe da keinen Bezug zu der eigentlichen Handlung.
Obwohl ich die Namen, zugegebenermaßen, recht amüsant finde.


Gruß
Mimi
 
Vielen Dank euch allen für die Kommentare und Didi für die Sterne!

ich denke der Knackpunkt des Textes ist, dass der Leser schon im ersten Drittel der Geschichte bemerkt, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt.
Das hättest Du sicherlich leicht umgehen können
Hallo Mimi,

das wollte ich nicht umgehen. Ich wollte, dass der Leser von Anfang an Bescheid weiß, um was es sich handelt.

Die französischen Namen und Einsprengsel kamen beim Schreiben aus einer Laune heraus, ganz spontan. Gefiel mir irgendwie und daher habe ich es dann so belassen. Du hast recht, einen wirklichen Bezug zur Handlung hat das nicht, bis auf Liberte (Freiheit).
(Ehe hier ein Rechtschreibfanatiker :) um die Ecke kommt: Ich weiß, dass auf dem letzten e ein Accon de irgendwas fehlt, aber das lässt sich mit meinem Handy nicht setzen.)

Schöne Grüße an euch alle
SilberneDelfine
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich mag die Namen, sie vermitteln etwas erhabenes, wie so ziemlich alles auf Französisch. :D Das arbeitet gut mit der Geschichte zusammen. Noch besser, wären vielleicht englische Namen gewesen. Sir William Butler oder so ähnlich. Aber es passt schon. Solange sie nicht Deutsch sind, das wäre albern. Ich kenne eine ähnliche Geschichte; in dem Fantasy Spiel "the Witcher 3" gibt es eine Questreihe, wo man eine alte Vampirhöhle mit Käfigen findet und darin Aufzeichnungen, wie Menschen mit ihrer mittelmäßigen Intelligenz und ihren Gemeinschaftsbedürfnissen gehalten werden müssen.

LG
Patrick
 
Ich kenne eine ähnliche Geschichte; in dem Fantasy Spiel "the Witcher 3" gibt es eine Questreihe, wo man eine alte Vampirhöhle mit Käfigen findet und darin Aufzeichnungen, wie Menschen mit ihrer mittelmäßigen Intelligenz und ihren Gemeinschaftsbedürfnissen gehalten werden
Hallo Patrick,

das ist interessant. Das Fantasy-Spiel kenne ich leider nicht.
Englische Namen wären auch eine Idee gewesen. Mrs. Freedom hätte sich ebenfalls gut angehört. Obwohl, wenn ich mir das vorstelle, wirken die Vögel dann auf mich ganz anders als mit den französischen Namen, das wäre ein Experiment.

Danke für deinen Kommentar und die Sterne!

LG SilberneDelfine
 
Hallo SilberneDelfine,

ich fand die Geschichte amüsant und interessant im Sinne von Perspektive, Erwartungshaltungen, Fabel.
Die französischen Namen passen m.E. sehr gut.

Klar, es wird recht schnell klar – und ich war fast schon überrascht über den Fuß im Gefieder, weil ich in dem Augenblick nicht damit gerechnet habe. Es gab bis dahin keine Anzeichen, und das gefällt mir.

Schönen Sonntag.
LG, Franklyn
 
Hallo Franklyn,

Klar, es wird recht schnell klar – und ich war fast schon überrascht über den Fuß im Gefieder, weil ich in dem Augenblick nicht damit gerechnet habe. Es gab bis dahin keine Anzeichen, und das gefällt mir.
vielen Dank! :)

Wie schon geschrieben, ich hatte gar nicht vor, den Leser bis zuletzt im Unklaren zu lassen, um was es geht. Es sollte ein Text aus der Sparte „Total verrückte Geschichten" sein. Oder vielleicht kann man sie auch surreal nennen.

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 
Hallo SilberneDelfine,

Wie schon geschrieben, ich hatte gar nicht vor, den Leser bis zuletzt im Unklaren zu lassen, um was es geht. Es sollte ein Text aus der Sparte „Total verrückte Geschichten" sein.
Ja, hier passt das sehr gut mit der frühen "Auflösung".

Ich habe es in meiner Geschichte "24/7" hier anders getrieben. Da war es verlockend, den Anschein so lange wie möglich aufrecht zu halten. Kommt auch immer darauf an, inwieweit notwendige Parallelen überhaupt vorhanden sind und dass dann der Wechsel nicht zu hart oder gar unglaubwürdig wird.
Hoffe, jetzt nicht so viel Kauderwelsch gesprochen zu haben. :)

Schönen Tag und
LG, Franklyn
 



 
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