In eigener Mission auf See
7. Teil
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Am späten Nachmittag trafen sich die Freunde, wie abgemacht, im Besprechungsraum wieder. Alle hatten etwas Schlaf bekommen und fühlten sich halbwegs fit. Inmitten der langen Tafel brannten drei Kerzen, die auf einem Kranz aus künstlichen Tannenzweigen steckten. Es war Sonntag, der dritte Advent. 7. Teil
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Etwas verspätet betraten Ralf und Romana den Raum und wurden von ihren Freunden mit freudigem Beifall empfangen.
„Na, endlich habt ihr euch gefunden. Das wurde aber auch Zeit. Und? … Können wir heute eure Verlobung feiern?“, rief Thomas ihnen euphorisch entgegen, was allen auf der Seele brannte.
Ralf und Romana sahen sich mit leuchtenden Augen an. „Klar, Jungs, warum nicht?“ In ihrem Gesicht las er deutlich ihre Zustimmung. „Ja, hiermit geben wir feierlich unsere Verlobung bekannt“, sagte Ralf selbstbewusst, voller Stolz.
Die Kameraden jubelten den beiden zu.
„Mann Junge, da hast du gerade noch so die Kurve gekriegt“, meinte Uwe, erhob sich, trat auf Romana zu, gab ihr einen Handkuss und führte sie zu ihrem Platz, „sonst hätte ich mir nämlich die scharfe Braut geschnappt.“
„Oder ich“, gab Steffen zu. „Halte dieses Mädel ja gut fest. Sie ist nämlich das Beste, was dir je passieren konnte.“
Gerade als sie das Paar lautstark aufforderten, sich zu küssen, kam der erste Offizier in den Raum gestürmt. „Die Leute von der Jacht sind dran. Die wollen wissen, was mit den Sprengladungen los ist, sie hätten kein Signal mehr auf ihrem Display.“
„Scheiße!“, entfuhr es Pitt verärgert.
Sofort sprangen Steffen und Claus auf und eilten gemeinsam mit Peter auf die Brücke.
Claus nahm den Funkspruch entgegen. Er antwortete und versuchte, seine Stimme bestmöglich zu verstellen, um die des Mannes, der sich Boss nannte, zu imitieren.
Nach und nach kamen die anderen der Gruppe mit dazu, um zu erfahren, was los sei.
Knapp erklärte ihnen Claus, dass die Kerle keinen Verdacht geschöpft hätten. Er hatte ihnen glaubhaft machen können, dass er, der Boss, eine leichte Erkältung vom kalten Nordwind habe. Aber dass sie sich etwas einfallen lassen müssten, um den Schein zu wahren, dass die Sprengladungen noch immer scharf seien. Er hatte versprochen, seine Taucher ins Wasser zu schicken, damit die vermeintliche Störung schnellstmöglich behoben würde.
Pitt überlegte einen Moment.
„Okay. Kein allzu großes Problem. Die Sprengkapseln haben wir bereits entfernt. Also setzten wir die Zünder nacheinander wieder ein und ich schalte sie so, dass die Sprengladungen nicht vermisst werden. Dann dürften sie da drüben wieder das Signal auf ihrem Display haben, ohne uns zu schaden. Vorsichtshalber würde ich vorschlagen, die leeren Gehäuse mit ihren Zündern, aber ohne den Sprengstoff wieder am Schiffsrumpf anzubringen. Das Ganze im Falle, dass sie die Zünder auch anpeilen und so kontrollieren können. Oder die vielleicht einen ihrer Taucher zur Kontrolle der Haftminen rüberschicken sollten“, erklärte er seinen Plan.
„Habt ihr hier Tauchzeug für uns an Bord? Unseres hängt nämlich noch an der Ankerkette backbords und die Flaschen sind leergenuckelt“, wandte sich Steffen an den Kapitän.
„Klar doch. Ralf zeigt euch gern, wo alles ist“, antwortete Dirk.
„Gut Jungs, dann machen wir uns lieber sofort an die Arbeit, damit die da drüben keinen Verdacht schöpfen“, entschied Steffen und stellte das Tauchteam zusammen, woraufhin sich alle auf den Weg machten.
„Zwei von uns sollten, sichtbar für die Hanseln, von der Taucherplattform aus starten, um kein Misstrauen zu erwecken. Die anderen drei gehen aber vorsichtshalber über das Fallreep an Backbord ins Wasser“, schlug Jens vor, als sich fünf Männer die Anzüge überstreiften und die anderen ihnen dabei behilflich waren.
„Claus, du bleibst mit am Funk auf der Brücke, sollten sich die Kerle noch mal melden. Immerhin haben sie dir ja die Erkältung abgekauft“, schlug Steffen vor.
„Geht klar. Ich wünsche euch viel Glück!“ Nach diesen Worten kehrte Claus zur Brücke zurück.
Noch einmal erklärte Pitt seinem Team, wie und wo sie die Haftminen genau anbringen und worauf sie dabei achten müssen. Dass sie sich danach erst noch einmal bei ihm am Heck treffen sollten, um sicherzugehen, dass er erst die Hauptminen in seinem Gerät zusammenschaltet, wenn sich die anderen alle wieder an Ort und Stelle befanden. Sie machten sich die genaue Zeit aus, wann die Zünder wieder zeitgleich eingesteckt werden sollten, um einen Kurzschluss am Hauptzünder vorzutäuschen, der leicht zu erklären wäre. Den fünf Männern war klar, dass es dabei auf jede Sekunde ankam. Sie stimmten ein letztes Mal ihre Taucheruhren aufeinander ab. Dann gingen drei von ihnen über die Reling und zwei über die viel niedrigere Taucherplattform ins Wasser. Die Blicke der anderen Freunde begleiteten sie noch ein Stück von Backbord aus.
„Peter, wie sieht es aus?“, wandte sich Ralf an den Ersten Offizier. „Haben die Mechaniker den Hubschrauber aufgetankt und mir die MGs am Rumpf von meinem Liebling befestigt und mit der Steuerung ausgerüstet?“
„Sie sind noch dabei, Ralf. Außerdem hat mir Max gesagt, dass er dir als zusätzliches Spielzeug auch eine der Panzerfäuste provisorisch dran basteln will.“
„Wow, klasse“, gab Ralf zufrieden zurück. Er kannte Peter nun seit einigen Jahren recht gut und wusste, dass dieser bereits als Erster Offizier bei der Marine gedient hatte, bevor er bei der Blue Sea angeheuert hatte. Er konnte sich hundertprozentig auf ihn verlassen, ebenso wie auf seine anderen Freunde auch.
Max, der Mechaniker der Blue Sea war ein absoluter Technikfreak und würde gute Arbeit leisten, dessen war Ralf sich sicher. Trotzdem ging er unter Deck, wo der Hubschrauber auf einer hydraulischen Plattform stand.
„Hallo Max, du alter Haudegen. Ich hoffe, dir geht es schon wieder etwas besser. Ich bin neugierig. Was hast du dem Baby denn so alles angebaut und wie kann ich es bedienen?“
Freudig begrüßte Max den Kollegen und guten Freund. Dabei wischte er sich die öligen Hände an einem alten Lappen ab. „Ich danke dir, dass du mit deinen Männern gekommen bist. Viel länger hätte keiner von uns das Martyrium ausgehalten. Wir waren am Ende“, sagte der Mechaniker leise und drückte ihm dabei fest die Hand. Dann zeigte er voller Stolz die Waffen, die er aus der Sammlung der Kerle genommen und in aller Eile an den Hubschrauber montiert hatte. Im Cockpit erklärte er ihm, wie diese mit der zusätzlich provisorisch eingebauten Steuerkonsole zu bedienen seien.
Immer wieder nickte Ralf, wenn er verstanden hatte, und hinterfragte dann noch einiges.
„Allerdings kann ich dir nicht versprechen, dass die Dinger auch zielgenau schießen und treffen. In der Kürze der Zeit konnte ich nur improvisieren. Na ja, und einen Test, ob es funktioniert, konnte ich ja hier auch nicht machen. Zudem ist das eigentlich nicht gerade mein Spezialgebiet. Ich habe getan, was ich konnte“, entschuldigte sich der Mann. „Aber vielleicht kannst du die ja auch mit wildem Rumgeballer ordentlich verschrecken“, meinte er dann noch kleinlaut und grinste Ralf verlegen an.
„Genauso machen wir es, Max.“ Ralf klopfte dem Mann anerkennend auf die Schulter. „Wirklich gute Arbeit. Könntest glatt ins Rüstungsgeschäft einsteigen. Wird schon schiefgehen.“ Zufrieden mit dem, was er gesehen hatte, verließ er den tiefergelegten kleinen Hangar im Bug des Schiffes.
Als er zurück auf die Brücke kam, fragte er den Kapitän: „Sagt mal Dirk, wissen die Kerle was von dem Hubschrauber?“
„Nein, ich glaube nicht. Die haben sich nie für diesen Bereich des Schiffes interessiert und wir haben die Schotts dazu auch extra schön dichtgehalten.“ Dabei sog der Kapitän müde an seiner Pfeife und blies den nach Vanille riechenden Qualm aus, der sich schnell auf der gesamten Brücke verteilte.
„Die Jungs kommen wieder hoch“, meldete Romana über ihr Headset. „Sie haben unsere Ausrüstung mitgebracht. Ich brauche euch an der Bordwand, um das Zeug mit hochzuziehen.“
Sofort eilten die Männer Romana zu Hilfe. Nur Claus blieb auf der Brücke, um, falls erforderlich, wieder den Funkverkehr mit dem feindlichen Schiff aufnehmen zu können. Von dem auch prompt die Meldung kam, dass alles wieder in Ordnung sei. Claus lief aus dem Funkraum, lehnte sich über das Geländer und machte mit einem kurzen Pfiff auf sich aufmerksam. Als seine Freunde zu ihm aufsahen, erhob er für alle sichtbar den Daumen der rechten Hand.
Freudig klatschten sie sich ab. Sie hatten es geschafft, den Kerlen auf der geheimnisvollen Jacht ein Schnippchen zu schlagen.
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Wie immer in diesen Breitengraden wechselte der Tag schnell zur Nacht. Die 36 Leute der Blue Sea waren diszipliniert. Keiner hielt sich am Tag an Deck auf. Wenn doch, dann verwendeten sie die Wege auf der Backbordseite, wo man sie von See her nicht sehen konnte. Jetzt, wo es dunkel geworden war, suchten sie die Gemeinschaftsräume mittschiffs auf, die keine Bullaugen hatten, sondern nur von Klimaanlagen mit Frischluft versorgt wurden. Oder sie hielten sich in den sorgfältig abgedunkelten Kabinen an Backbord auf, um sich nicht zu verraten.An diesem Abend feierten sie alle gemeinsam an Bord der Blue Sea den dritten Advent ganz besonders. Für sie war es, nach der schrecklichen Zeit der Gefangenschaft, der erste friedliche Abend seit Langem. Für diese Menschen der erste Advent dieses Jahres, den sie in Freiheit mit der Hoffnung, Weihnachten doch bei ihren Familien feiern zu können. Ganz selbstverständlich bezogen sie ihre zehn Retter, wie sie sie heimlich nannten, in die bescheidene vorweihnachtliche Feier ein. Dabei vergaßen sie nicht, ihrer Toten zu gedenken, und schickten auch einen Funkspruch an die beiden Wissenschaftler auf der Basis, die dort wacker die Stellung hielten. Keiner sollte an diesem Abend abseitsstehen. Für alle an Bord war dies ein besonderer Abend, den sie niemals in ihrem Leben je vergessen würden. Nur ein paar wenige Eingeweihte und die Gruppe um Ralf und Romana wussten an diesem Abend, dass der Kampf nicht vorbei war, sondern eigentlich noch bevorstand. Doch sie ließen sich nichts von ihren Sorgen anmerken. Sie feierten an dem Abend auch Ralf und Romanas Verlobung, die endlich nach so vielen Jahren der Freundschaft richtig zueinandergefunden hatten.
Nach der Feier, die um 22 Uhr beendet wurde, saßen die zehn Freunde noch zusammen.
„Wir müssen den Hauptteil der Leute von Bord bekommen“, sagte Jens. „Ich will sie nicht zusätzlich unnötigen Gefahren aussetzen. Außerdem bräuchten wir hier dringend die Medikamente und das Verbandsmaterial, was wir auf der >El Warda< zurücklassen mussten.“
„Und wie beabsichtigst du das anzustellen, ohne dass die Kerle etwas davon mitbekommen? Das Zodiac vom Boss liegt ja wohl am Steg der Basis. Willst du sie etwa immer zu fünft mit ´nem kleinen Paddelboot rüber zur Basis rudern und auf dem Rückweg bei unserem Boot vorbeigondeln, um paar von den Sachen einzusacken? Und das Ganze gegen die Strömung und bei den Wellen?“, fragte Steffen. „Das ist doch Wahnsinn und viel zu gefährlich für die Leute. Nein, da müsste uns schon was Besseres einfallen.“
„Wie wäre es mit Sebis kleiner Flotte?“, fragte Uwe nachdenklich.
Alle sahen ihn überrascht an.
„Wie meinst du das?“, wollte Ralf wissen.
„Na ja“, begann Uwe seine Idee zu erklären, „wenn wir ihn jetzt noch erreichen würden, könnte er spätestens morgen mit seinen Booten hier sein und vielleicht könnte er auch noch befreundete Basen mobilisieren. Sie könnten sich damit tarnen, dass sie gefakte Nachrichten per Funk, rein zufällig natürlich, auf der Frequenz unserer bösen Freunde senden, dass in der Umgebung Haie oder Delfine gesichtet wurden und damit ihren Aufenthalt hier erklären. Die meisten Leute hier an Bord sind Taucher und es steht genügend Equipment zur Verfügung, wie ich gesehen habe.“
„Und du meinst, wir könnten sie so zu Sebis Booten schleusen, ohne dass die Vögel da drüben Verdacht schöpfen würden?“, folgerte Claus.
„Ja, so in etwa habe ich es mir vorgestellt“, gab Uwe zurück.
„Keine dumme Idee.“ Steffen überlegte einen Moment. „Meinst du, dass du Sebastian um diese Zeit noch über Funk erreichen kannst?“
„Nein, eher nicht mehr“, gab Uwe zu. „Aber ich habe auch seine Handynummer und werde es da zuerst versuchen.“
„Gut, dann mach das und informiere uns, ob du etwas erreicht hast.“ Schnell stand Uwe auf, ließ sich von Peter sein immer gut versteckt gehaltenes Satellitentelefon geben und ging hinaus, um einen besseren Empfang zu haben. Dann wählte er die Nummer seines Freundes. Nach wenigen Minuten kehrte er zu seinen Kameraden zurück, die ihn fragend ansahen.
„Ist geritzt. Sebi macht gerade seine Leute mobil. Er wird mit seiner Armada bei Sonnenaufgang hier eintreffen und wird die Leute aufnehmen, sobald wir bereit dafür sind.“
„In dem Falle können wir nur hoffen, dass die Leute es gut bis zu den Booten schaffen und die Lords unseren Köder schlucken. Wäre doch perfekt, wenn sie daraufhin verlangen würden, dass die Blue Sea so schnell wie nur möglich in internationale Gewässer ausläuft, wo auch unsere Truppen sie dann erwarten und besser kaschen könnten“, schlussfolgerte Steffen.
„Vielleicht könnte euer Sebastian auch mit seinem Boot direkt an der Blue Sea festmachen“, meldete sich Romana zu Wort. Sofort waren alle Augenpaare gespannt auf sie gerichtet. „Na ja, ich meine ja nur.... Er könnte die Medikamente, die ich hier für euch dringend brauche, von der >El Warda< holen. Und wenn das für ihn nicht zu riskant wäre, könnte er in einem weiten Bogen landeinwärts fahren und dann auf geradem Kurs, die Blue Sea als Deckung nutzend, ansteuern, um hier am Fallreep längsseits zugehen und festzumachen. Das alles, ohne dass das Boot von der Seeseite zu sehen wäre. Wir bekämen die Medikamente und er könnte zumindest die Schwerverletzten über die Leiter aufnehmen. Denn die würde ich nur ungern tauchen oder zu den weiter entfernten Booten schwimmen lassen. ... Und, was meint ihr?“
„Die Idee ist gut. Warum ist mir das nicht eingefallen? , meinte Uwe, und die anderen nickten zustimmend. „Klar, wenn der Boss sich auf diese Weise heimlich davonschleichen konnte und wieder so aufs Schiff zurückgelangen wollte, dann müsste es auch bei Sebi klappen. Ich rufe ihn gleich noch einmal an.“
„Okay Kinder, die Wachen mit ihrer Ablösung sind klar für die Nacht. Der Rest bleibt wieder, wie gehabt, in Rufbereitschaft. Wecken ist um null vierhundert“, sagte Steffen und die Mitglieder der kleinen Gruppe verließen den Gemeinschaftsraum, um ihre Quartiere aufzusuchen.
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Um zwei Uhr morgens, zwei Stunden eher als ursprünglich geplant, trafen sich alle im Besprechungsraum. Denn Sebastian hatte sich gemeldet und mitgeteilt, dass er nur noch wenige Seemeilen entfernt und spätestens in einer Stunde vor Ort sein würde.Romana bestand darauf, sich noch einmal die Verletzungen der Männer anzusehen und so gut es ihr mit dem wenigen, restlichen Material möglich war, zu versorgen. Steffen, Jens und der Erste Offizier wollten derweil die restliche Besatzung des Schiffes und die Wissenschaftler wecken, um sich im Sportraum auf dem Unterdeck zu versammeln. Dort sollte der Kapitän sie über ihre Evakuierung informieren und die genaue Reihenfolge festlegen, damit alles schnell und reibungslos ablaufen konnte.
In diesem Moment meldete sich Claus von der Brücke. „Hier Rotmilan. Wanderfalke trifft soeben mit fünf Booten ein. Die haben ordentlich Dampf gemacht. Sie fahren ohne Positionslichter und werden nebeneinander an Backbord der Blue Sea längsseits gehen. Damit entfallen die gefährlicheren Schwimmeinlagen und Tauchgänge all unserer Zivilisten.“
„Roger“, antwortete Jens. „Sag Bescheid, wenn wir die Evakuierung starten können. Bussard Ende.“ Sofort unterbrach er die Ausführungen des Kapitäns.
„Der Plan hat sich geändert. Alle gehen übers Fallreep, die Boote kommen gerade längsseits“, flüsterte er ihm zu.
Dirk Schöller nickte nur, dann teilte er mit kurzen Anweisungen die Männer seiner Besatzung ein, die nur leicht verletzt waren. Sie sollten das Anlegemanöver des ersten Bootes von Bord aus unterstützen und eine zweite Leiter an der Bordwand herunterlassen, um den Umstieg zu beschleunigen.
Es lag im Interesse aller, dass diese Aktion abgeschlossen werden konnte, solange es noch dunkel war.
Als der Kapitän die Gruppen eingeteilt hatte, meldete sich ein Mann der Schiffsbesatzung zu Wort. „Aber ihr wollt den Kahn doch nicht ganz allein schippern und zur selben Zeit gegen die Kerle antreten? Das wird kaum zu machen sein. Ich bleibe freiwillig hier und helfe euch.“
„Genauso ist es“, meldete sich ein zweiter, der Erste Maat der Blue Sea. „Ich bleibe auch.“
Gleich nach ihm trat der Chefmaschinist vor. „Ich lasse mein Baby bestimmt nicht allein. Außerdem kann ich noch ein paar Knoten mehr aus den Maschinen herauskitzeln, wenn es nötig wird.“
Auch Max, der Mechaniker, erklärte sich bereit, zu bleiben.
Fragend schaute Dirk zu Jens und Steffen, der kaum merkbar nickte.
„Okay, Jungs. Aber es könnte etwas haarig werden. Ich kann nicht für eure Sicherheit garantieren“, gab Steffen zu bedenken.
„Das ist uns schon klar“, meinte Carsten, der sich als Erster freiwillig gemeldet hatte, mit fester Stimme und trat vor die Männer. „Doch ohne euch würden wir hier noch weiter die Hölle durchmachen. Ihr wisst nicht, wie schrecklich es war, bei Misshandlungen und Folter gezwungen zu sein zuzusehen, aber nichts dagegen unternehmen zu können. Wir wollen dabei mithelfen, den Schweinen ordentlich in den Arsch zu treten“, erklärte er, seine aufgestaute Wut kaum noch beherrschend und senkte dann traurig den Kopf. „Lisa und ich, wir wollten heiraten. Sie war im zweiten Monat schwanger.“
Den zehn Freunden schnürte es die Kehle zu, als sie das hörten. Jens nahm all seine Kraft zusammen. „Okay Männer, dann willkommen im Klub. Wir freuen uns, eure Unterstützung zu haben“, begrüßte er sie nach kurzer Rücksprache mit seinem Kameraden und dem Kapitän sowie dem Ersten Offizier, Peter Janson.
„Damit werden wir also nur dreißig Personen evakuieren müssen“, stellte Peter fest. „Das dürfte schnell gehen. Schließlich gehört so etwas … zumindest so ähnlich ... zu den regelmäßigen Havarie- und Evakuierungsübungen an Bord.“
Erneut meldete sich Claus über Funk und berichtete, dass die Boote da seien. Steffen nickte dem Ersten Offizier kurz zu und dieser gab daraufhin das Startzeichen. Dann wünschte er allen viel Glück und ein baldiges Wiedersehen in Sicherheit.
Ohne jegliche Panik verließen die Männer und Frauen den kleinen Sportraum, in dem sie nur knapp Platz gefunden hatten, und näherten sich den beiden Jakobsleitern an der Backbordseite des Schiffes.
Sebastian kletterte gerade über die Reling und sprang an Bord, als die erste Gruppe dort ankam. „Hier, Frau Doktor, ihre Bestellung. Den Rest davon haben wir wie besprochen auf unserem Boot“, sagte er heiter und reichte Romana einen großen Seesack.
„Gebt mir ein paar Minuten“, bat Romana, griff sich den Sack und lief damit zu der Gruppe von Wartenden, die sich an Deck eingefunden hatte, um von Bord gehen zu können. Sebastian beobachtete, wie sie eiligst die älteren Wunden der Leute mit dem neuen Verbandsmaterial und die noch vorhandenen Schmerzen mit lindernden Injektionen und Medikamenten behandelte.
„Mein Gott, was ist denn hier passiert? Hat hier ein Massaker stattgefunden?“, fragte Sebastian erschrocken. „Ihr seht alle ziemlich lädiert aus.“ Dabei entging ihm nicht, wie sich die Frauen und Männer der ersten Gruppe gegenseitig halfen, die Bordwand zu überwinden, um an den Strickleitern nach unten zu steigen. Ohne eine Antwort von seinen Freunden abzuwarten, stellte er sich ihnen zur Seite und half den Leuten über die Reling auf die ersten Holzsprossen der Jakobsleiter.
Unten angekommen wurden sie von den einzelnen Besatzungsmitgliedern auf die fünf Boote verteilt, auf denen sie ausreichend Platz fanden, um sich dort bequem setzen oder hinlegen zu können. Für die normalen Taucherausfahrten passten sonst da schon locker fünfzehn Personen als Passagiere auf solch ein kleines Boot.
„Sebi, pass gut auf diese Leute auf. Es sind Wissenschaftler und die Schiffsbesatzung der Blue Sea“, erklärte Uwe. Dabei ging er auf seinen Freund zu und umarmte ihn kumpelhaft. „Die haben hier viele Wochen die Hölle auf Erden durchgemacht.“
„Das Beste, du bringst sie erst einmal auf deine Basis und informierst von dort aus unsere Botschaft und die Behörden. Die wissen schon Bescheid und kümmern sich dann um alles Weitere“, warf Jens ein.
Im selben Moment kam Falko mit dem in Fesseln gelegten Maschinisten zur Reling. „Und auf diesen Kerl hier passt du bitte persönlich auf, damit er keinen Blödsinn macht. Dieser Herr ist uns nämlich besonders ans Herz gewachsen.“ Verächtlich schubste er den Verräter Sebastian zu. „Übergebe ihn den Sicherheitsbehörden der Botschaft, die bestimmt noch vor dir auf deiner Basis sein werden, um ihn sich zu holen.“ Er befreite den jungen Mann von den Fesseln, bevor dieser unter strengster Bewachung langsam die Leiter hinabkletterte. Sebastian lehnte sich über die Reling und rief seinem Kapitän etwas auf Arabisch zu.
Dieser nickte nur.
Die beiden beobachteten, wie der Ägypter den Mann, unten angekommen, wieder fesselte und unter Deck brachte.
„Und was ist mit euch? Kommt ihr nicht mit?“, wollte Sebastian wissen.
„Nein, wir haben hier noch etwas zu erledigen. Du hörst wieder von uns. Hauptsache, du schaffst die Leute jetzt hier weg. Und passe bloß auf den einen Kerl besonders gut auf. Lass dich bei ihm auf nichts ein, egal, was der dir vielleicht vorjammert oder verspricht. Der ist nicht ohne“, warnte Thomas.
„Okay, ihr habt mein Wort, um den kümmere ich mich persönlich, und eure Leute bringe ich sicher an Land“, versprach Sebastian und reichte jedem seiner Freunde und ehemaligen Kampfgefährten die Hand. „Sorry, aber ich muss los, wenn ich noch im Dunklen wegwill. Außerdem brauchen wir gegen die Strömung bestimmt an die fünf Stunden bis zur Basis zurück, wo die Boote eigentlich gleich wieder für die Tauchausflügler gebraucht werden. Also, haltet die Ohren steif. Ich warte mit nem Kasten gutem Bier in meiner Basis auf euch. Und wenn noch was ist, dann klingelt ruhig wieder durch.“
„Danke, Alter.“ Steffen schlug Sebastian freundschaftlich auf die Schulter, als dieser über die Reling kletterte.
Die anderen Kameraden winkten und schauten noch einmal zu den Leuten auf den fünf Booten. Dabei fiel ihnen eine Frau mit langen blonden Haaren auf, die sich zuerst um die Verletzten gekümmert hatte und jetzt am Steuer eines der Boote stand.
„Komisch.“ Uwe sah nachdenklich zu ihr hinunter, während die Blondine einem ägyptischen Bootsjungen den Befehl zum Losmachen der Leinen gab. „Sebi hat mir nie was von ihr erzählt. Laut meines Wissens hat er nur ägyptische Männer als Kapitäne und kleine Besatzungen für seine Boote. Aber das ist doch eindeutig eine junge Frau und der Haarfarbe nach zu urteilen ganz bestimmt keine Ägypterin. Was ohnehin eher einem Wunder gleichkäme und sehr ungewöhnlich für ägyptische Verhältnisse wäre, wäre dass die Männer sich in der Öffentlichkeit etwas von einer Einheimischen oder überhaupt von einer Frau sagen ließen. Und noch dazu als Käpt’n. Nö, absolut undenkbar.“
Rainer, der direkt neben ihm stand und wie die anderen auf der Blue Sea beobachtete, wie die Boote nacheinander ablegten, sah ihn verwundert an. „Was machst du dir deshalb für nen Kop? Weißt du eigentlich, wie doof du mit zwei Köpfen aussehen würdest, wo du schon einen hast? Es ist doch vollkommen egal, wer oder was sie ist. Hauptsache ist doch, dass sie dieses Boot steuern kann und wohl auch darf. Sonst hätte Sebi sie bestimmt nicht ans Ruder gelassen, wo er selbst Romys Bootsführerschein genau unter die Lupe genommen hatte, bevor er uns die Nussschale überließ. Und wenn die heiße Braut dich so brennend interessiert, dass du von nun an kein Auge deshalb mehr zubekommst, dann schlage ich vor: Frag doch Sebi über sie aus. Vorausgesetzt, dass wir hoffentlich in einem Stück zu seiner Basis zurückkommen. Nur mach dir da mal keine falschen Hoffnungen. Vielleicht ist das ja seine Flamme und du solltest dir da lieber die Fingerchen nicht dran verbrennen.“
„Blöder Kerl“, war alles, was Uwe dazu einfiel.
Die an Bord der Blue Sea Zurückgebliebenen gaben in Gedanken den fünf Booten die besten Wünsche mit auf den Weg. Sie hofften, dass der Plan aufgehen würde und die kleine Armada von den Leuten auf der Jacht ebenso unentdeckt wieder verschwinden konnte, wie sie gekommen war.
Den Radarschatten des viel größeren Forschungsschiffes nutzend, fuhren die Boote erst ein ganzes Stück landeinwärts, um ihren Kurs aufzunehmen. Dann verschwanden sie im Dunkeln.
Wenige Zeit später stieg die Sonne im Osten über dem Wasser auf und verwandelte das Meer in einen funkelnden Teppich von gleißenden Lichtern.
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Claus löste Pitt auf der Brücke ab. Romana und Ralf gingen gemeinsam zur Bordküche, um nachzusehen, was sie für sich und die Mägen ihrer Freunde finden und zu einem kleinen Frühstück zusammenstellen konnten, bevor sie sich im Besprechungsraum treffen würden.Romana brachte gerade eine Kanne Kaffee und belegte Brötchen zu Claus auf die Brücke, als sie aus dem Augenwinkel eine Art Blitz wahrnahm. Eiligst griff sie nach dem Fernglas von der Konsole, nahm es vor die Augen und schaute gebannt Richtung Südost, von wo aus sie das Aufblitzen gesehen hatte.
„Was ist los?“ Claus beobachtete sie argwöhnisch.
„Ich weiß nicht genau. Aber ich glaube … ich habe da draußen gerade was gesehen.“ Akribisch suchte sie den Horizont ab. „Ja, genau da!“ Sie drückte ihm den Feldstecher in die Hand und deutete ihm die Richtung.
„Gute Augen, Kleine“, lobte er. „Ich denke, du hast den Haupttreffer gelandet, denn den Radarschirm hier haben die ja kleingekriegt, sodass wir nichts mehr damit anfangen können. Aber das scheinen mir unsere ganz besonders lieben Freunde zu sein.“
„Zufall“, wiegelte Romana ab. „Da hatte sich wohl nur kurz die Sonne in einer größeren Glasfront gespiegelt und das Licht reflektiert.“
„Das bedeutet, dass die Kerle in Bewegung sind. Gehe runter zu den anderen und berichte ihnen davon. Ich beobachte sie derweil weiter und gebe euch Bescheid, wenn sich was tut.“
„Okay, bin schon weg.“ Sie verließ die Brücke und eilte die Stufen zum Besprechungsraum hinunter. Als sie eintrat, saßen bereits vierzehn Männer beim Frühstück.
„Sorry, dass wir nicht auf dich gewartet haben“, entschuldigte sich Steffen verlegen, „aber wir hatten solchen Hunger. Was hast du überhaupt noch so lange bei Claus oben gemacht?“
„Ich glaube, wir haben unsere Freunde entdeckt. Claus lässt nun kein Auge mehr von ihnen und wird uns informieren, wenn sich da was tut“, erklärte sie. Setzte sich mit an den Tisch und freute sich auf den heißen Kaffee, der vor ihr stand. Hungrig verdrückte sie zwei belegte Brötchen.
„Gibt es einen Plan, wie wir weiter vorgehen wollen?“, fragte Max, der Mechaniker.
„Noch nicht so richtig“, gab Jens kauend zu. „Wir müssen abwarten, was die da draußen machen und dann blitzschnell darauf reagieren. Sprich, wir können nur improvisieren.“
„Unsere vordringlichste Aufgabe dabei ist, dass die Kerle nicht die Möglichkeit bekommen, zu verduften. Wir wollen sie haben“, gab Steffen mit Nachdruck von sich.
„Und zwar jeden Einzelnen von ihnen“, ergänzte Romana entschlossen. „Doch bevor ihr hier loszieht, um die bösen Buben in eine Falle zu locken, gibt’s für unsere Helden eine Spritze von Frau Doktor, damit euch die Schmerzen nicht behindern oder in der Bewegung einschränken.“ Sie erhob sich, kramte im Seesack, den Sebastian von der >El Warda< geholt und ihr überreicht hatte, bereitete die Injektionen vor und verabreichte den Männern die schmerzstillende Lösung.
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„Leute, hier tut sich was“, meldete sich Claus über Bordfunk. „Die Mäuschen wollen, dass wir uns auf den Weg machen. Wir sollen die Anker lichten und Richtung Südost beidrehen. Weitere Koordinaten wollen sie noch durchgeben.“„Okay, der Tanz beginnt.“ Uwe stand vom Tisch auf und grinste seine Freunde herausfordernd an.
„Alle gehen wie besprochen auf ihre Posten“, befahl Steffen. „Max, du schaust noch einmal nach dem Hubschrauber, der muss zu hundert Prozent einsatzbereit sein. Rudi, du streichelst noch mal liebevoll deine Maschinen, damit sie ihr Bestes geben und du, wenn wir es brauchen, vielleicht noch ein oder zwei Knoten mehr aus ihnen herauskitzeln kannst. Andreas und Carsten, ihr helft an Deck, wenn die Anker gehievt werden, und geht danach sofort in Deckung. Alles Weitere dann über Bordfunk. Und wir anderen gehen hoch auf die Brücke, zu Claus“, verteilte Steffen die Aufgaben.
Jeder der vier Zivilisten, die sich freiwillig gemeldet hatten, wusste, was zu tun war. Sie liefen aus dem Raum auf ihre Plätze, während sich die neun Freunde mit dem Kapitän und dem Ersten Offizier zügig zur Brücke begaben. Schnell wurden die Anker gelichtet. Unter tosendem Gerassel wurden die Ketten mit starken Winden durch die Ankerklüsen nach oben gezogen. Wenig später machte die Blue Sea langsame Fahrt. Peter Janson, der am Ruder stand, leitete das Wendemanöver ein. Jens, Steffen und der Kapitän beugten sich über den Kartentisch und bestimmten die Position, deren Koordinaten sie soeben per Funk von der Jacht erhalten hatten. Fast gleichzeitig gab Thomas diese über das Satellitentelefon an die Eingreiftruppe der Marine durch und lauschte weiteren Befehlen. „Wir sollen versuchen, die Kerle in internationale Gewässer zu locken“, gab er wieder.
„Ja, das hätten wir auch gern. Nur so blöd sind die Vögel dann wohl doch nicht“, raunte Steffen, als er die genannten Koordinaten auf der Seekarte auswertete. „Wie lange brauchen die Ägypter noch, bis sie hier sein können?“
„Keine Ahnung. Nach der letzten Meldung machen die sich gerade erst fertig. Laut Sebis Info haben die das wohl anfangs nicht so ernst genommen. Also denke ich mal, die sind da doch nicht so schnell da, wie von uns erwartet und brauchen noch Zeit“, gab Thomas zurück.
„Mist, genau die haben wir nicht. Wenn wir mit der Geschwindigkeit auf dem Kurs bleiben, verlassen wir schon in knapp drei Stunden deren Hoheitsgewässer und wechseln direkt zum Nächsten. Nur … mit dem Sudan wollte ich mich nicht auch noch anlegen“, schnaubte Steffen.
„Wenn wir sie nicht in internationale Hoheitsgewässer locken können, dann müssen wir sie eben hier festhalten.“ Uwe dachte kurz nach. „Ich schlage vor, wir stoppen die Maschinen in einer halben Stunde, täuschen eine Havarie vor und melden, dass wir zusätzlich Probleme mit der Mannschaft hätten. Vielleicht fallen sie darauf herein und kommen näher, dann könnten wir sie uns selber greifen.“
Die Freunde auf der Brücke wurden sich schnell einig. Sie drosselten die Fahrt der Blue Sea, die immer langsamer über das Wasser glitt, bis sie endgültig stoppte und nur noch mit der Strömung trieb.
Claus meldete sich als vermeintlich verschnupfter Boss über Funk bei der Jacht, während Falko und Rainer diese durch Ferngläser beobachteten. Ralf und Steffen waren zwischenzeitlich zum Hangar des Hubschraubers unterwegs. Jens und Pitt brachten am Bug ein Maschinengewehr in Stellung, Thomas und Uwe ein weiteres auf dem Oberdeck, Falko und Rainer wenig später ein drittes am Heck des Schiffes, immer darauf bedacht, außer Sicht der Jacht zu bleiben.
Romana blieb bei Claus auf der Brücke, nachdem sie auch ihm ein schmerzstillendes Medikament verabreicht hatte. Mit Argusaugen beobachtete sie die große, feindliche Drei-Deck-Motorjacht, um ihre Freunde über jede ihrer Bewegungen auf dem Laufenden zu halten, während Claus am Funk blieb.
Der Kapitän sowie der Erste Offizier standen am Ruder und warteten auf weitere Anweisungen.
„Jungs“, meldete sich Claus über ihren Funk, „sie haben den Köder geschluckt. Wir müssen den Fisch nur noch reinholen.“
„Hier Habicht. Die Jacht hat gewendet und hält auf uns zu“, berichtete Romana ruhig und konzentriert.
„Hier Seeadler, Dirk soll das Deck zum Hangar öffnen, aber die Plattform nicht hochfahren. Ich wiederhole: Die Plattform noch nicht hochfahren“, befahl Ralf mit Nachdruck.
Claus leitete die Meldung an den Kapitän weiter, der unverzüglich einen Knopf auf der Konsole drückte und abwartete, bis die Kontrolllampe nicht mehr blinkte. Dann ließ er den Knopf wieder los und nickte Claus als Bestätigung, dass alles in Ordnung war, zu.
„Okay, Seeadler, die Luke ist vollständig geöffnet und eingerastet“, meldete sich Claus zurück.
„Wenn die Jacht auf fünfhundert Meter ran ist, dreht die Blue Sea so, dass wir durch die Aufbauten geschützt sind, wenn wir hier aufsteigen. Vergesst nicht, mir vorher Windgeschwindigkeit und Richtung durchzugeben. Wir warten auf euer Zeichen“, war Ralfs Stimme über die Headsets zu hören.
„Roger“, bestätigte Claus und gab es an Dirk und Peter weiter, die ihm erneut zur Bestätigung zunickten.
„Jungs, hier Habicht“, meldete sich Romana. „Ich habe die Jacht im Sichtfeld, zähle zehn bewaffnete Männer an Deck, die dort gerade Aufstellung nehmen.“
„Romy, wenn es dann losgeht, werde ich mit runtergehen“, wandte sich Claus ihr zu. „Du bleibst aber hier.“ Als sie widersprechen wollte, fiel er ihr eindringlich ins Wort: „Nein, du wirst hier oben bleiben, egal was passiert. Wir brauchen dich hier, damit du uns alles berichtest, was du siehst und uns so koordinieren kannst.“ Er packte sie an den Schultern und sah ihr forschend in die Augen. „Das kannst du doch?“
„Ja schon, okay“, murrte sie wenig begeistert. Erneut richtete sie den Blick auf die Jacht. „Noch etwa tausend Meter entfernt, mit geschätzten 25 Knoten näher kommend“, gab sie ihre Beobachtung weiter.
Schnell warfen Peter und Dirk die Maschinen an und begannen das Wendemanöver, um so die hohen Aufbauten des Schiffes zwischen Jacht und Start- und Landedeck des Hubschraubers zu bringen. Über Bordfunk gab Peter Windgeschwindigkeit und Windrichtung an den Piloten weiter und begann, die Plattform über die Hydraulik nach oben zu fahren.
„Wendemanöver abgeschlossen“, kam wenig später das Okay des Kapitäns.
Ralf startete die Turbine des Helikopters Airbus H135. Mit sicherer Hand zog er den Steuerknüppel zu sich heran und die Maschine hob senkrecht vom Deck ab. Dann bediente er das linke Pedal, drückte den Steuerknüppel gefühlvoll ein Stück von sich weg und der Hubschrauber schoss in einem weiten Bogen knapp über der Wasseroberfläche davon.
Das Schiff wurde erneut gewendet und stellte sich mit der Steuerbordseite wie ein Bollwerk der Jacht entgegen.
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Unaufhaltsam kam die weiße, stolze Drei-Deck-Jacht näher und schob sich mit ihrer Breitseite langsam an die Blue Sea heran. Grinsend stand ein Mann am Bug und hielt demonstrativ eine Fernbedienung in die Höhe. „Hier Bussard, zieht euch zurück“, befahl Jens über sein Headset. „Wir lassen die Kerle an Bord. Seeadler, bleib in Bereitschaft, ich glaube nicht, dass sie so blöd sind und alle an Bord kommen, wenn sie merken, dass wir ihnen hier einen würdigen Empfang bereiten.“
„Roger“, gab Steffen als Co-Pilot aus dem H135 zur Antwort.
Nun hielt auch Claus nichts mehr auf der Brücke. Er griff sich die neben der Tür bereitstehende Maschinenpistole und rannte, so schnell er konnte, Richtung Hauptdeck zu den Kameraden, die, in Stellung gegangen, gespannt auf ihre Gäste warteten.
„Hier Habicht, die Jacht kommt näher, fünf Mann machen sich bereit, um über die Reling zu uns an Bord zu kommen“, meldete Romana von der Brücke aus.
Kaum, dass die Piraten die Jakobsleiter erklommen und ihre Oberkörper über die Bordwand geschwungen hatten, wurden sie von den Männern aufs Deck gezogen. Ohne dass auch nur ein einziger Schuss fiel, konnten die Kerle außer Gefecht gesetzt werden.
Als die zurückgebliebenen Piraten auf der Jacht dies bemerkten, zogen sie es vor, Fersengeld zu geben. Die beiden starken 2000-PS- MAN-Motoren der Jacht heulten laut auf und das Boot schob sich an der Blue Sea vorbei, um ins Freiwasser abdrehen zu können, wobei es vom Forschungsschiff aus unter Beschuss genommen wurde.
„Hier Habicht“, meldete sich Romana erneut, „die Kerle wollen abhauen.“
„Das sehen wir. Ich glaube, das ist jetzt unser Part. Die Adler sind im Anflug“, rief Ralf, und schon schoss der Helikopter in einer weiten Kurve von hinten auf das weiße Boot zu.
Ohrenbetäubendes Maschinengewehrfeuer war zu hören. Unzählige Projektile peitschten das Wasser auf. Andere fraßen sich in die Aufbauten der Jacht, sodass die Splitter nur so durch die Gegend flogen und die Piraten in Deckung gehen mussten. In immer kleiner werdenden Kreisen kurvte der Helikopter um das Boot und gab kurze Salven ab.
Romana sah, wie einer nach dem anderen seine Waffe ins Meer warf und sich mit erhobenen Händen ergab. „Hier Habicht“, meldete sie für die anderen, die es aus ihrer Deckung nicht sehen konnten. „Jungs, wir haben es geschafft, die Kerle ergeben sich.“
„Hier Seeadler, bestätige“, gab Ralf zurück. „Wir bleiben über der Jacht. Holt euch die Mistkerle.“
Das Forschungsschiff nahm wieder langsame Fahrt auf und schob sich vorsichtig neben die feindliche Jacht.
Während Uwe, Falko, Thomas und Claus die Männer nacheinander an Bord zogen, sicherten die anderen die schnittige Jacht.
Plötzlich erschien am Heck der Jacht erneut der dunkelhäutige Mann und wedelte fies grinsend mit der Fernbedienung herum.
„Na, dann drück doch endlich drauf, du blödes Arschloch“, schrie Pitt über die Reling zu ihm hinüber. „Wir warten doch schon darauf!“, forderte er ihn heraus.
Gespannt beobachteten sie, wie der Mann den grün blinkenden Knopf der Fernbedienung betätigte.
Und … nichts passierte.
Wieder und wieder drückte der dunkelhäutige Kerl auf den Knopf, starrte ungläubig zum Forschungsschiff hinüber, dabei veränderte sich sein fieses Grinsen in Entsetzen und Wut, als er das laute Gelächter der Männer vernahm.
Claus und Jens sprangen auf das Deck der wesentlich kleineren Jacht. Sie versuchten den Mann, dem langsam zu dämmern schien, dass die Sprengladungen nicht funktionierten zu überwältigen. Heftig begann sich der Kerl gegen sie zu wehren.
Claus biss die Zähne zusammen, als dessen Ellbogen ihn in der Magengrube traf. Jens nutzte die kurze Unaufmerksamkeit des Kerls aus, der Claus hämisch angrinste. Er bekam den Mann zu fassen und drehte ihm unsanft den Arm hinter den Rücken. Der so gehaltene Kerl versuchte sich, aus dem Griff zu befreien, indem er mit den Beinen wild um sich trat. Doch es nützte ihm nichts. Claus und Jens brachten ihn gemeinsam an Bord der Blue Sea.
Als der Helikopter auf der Plattform am Vorderdeck landete, rannte Romana von der Brücke kommend über das weite Deck auf Ralf zu. „Wir haben gewonnen“, rief sie immer wieder euphorisch und erleichtert aus.
Im selben Moment nahm Steffen aus dem Augenwinkel einen versteckten Schützen auf der feindlichen Jacht wahr, der in aller Ruhe auf die junge Frau zielte.
„Neiiin!“, schallte sein Schrei über das Deck. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen sprintete er, so schnell er konnte, auf Romana zu und stieß sie zu Boden. Gerade als er sich schützend über sie werfen wollte, zerriss der Knall einer abgefeuerten Waffe die Luft.
Sein Körper blieb reglos auf Romana liegen.
Ralf riss die noch geladene Panzerfaust, die seitlich an der rechten Landekufe provisorisch angebracht war, mit aller Kraft ab und lud sie sich auf die Schulter. „In Deckung!“, schrie er ins Mikrofon seines Headsets, zielte auf die Jacht und drückte ab. Sekundenbruchteile später ging das Boot in einem hell leuchtenden Feuerball auf und kleinere Explosionen folgten. Er warf die schwere Waffe achtlos aufs Deck und rannte auf Romana und Steffen zu. „Romy … Steffen!“ Sein Herz hämmerte wild, als er sich vor den beiden auf die Knie fallen ließ.
Jens, Pitt und Rainer hatten alles über Funk mitgehört und sprinteten vom Heck des Schiffes zu den Freunden, während die anderen die Gefangenen bewachten.
Rainer packte Ralf mit festem Griff bei der Schulter, zog ihn ein Stück zurück und sprach, mit besorgtem Blick auf die beiden ihm liebgewonnenen Menschen, die am Boden lagen, beruhigend auf ihn ein.
Vorsichtig hoben Jens und Pitt den langjährigen Freund und ehemaligen Vorgesetzten der Kampfschwimmereinheit von Romanas Körper. Sie legten ihn behutsam neben sie aufs Deck.
Romana kam, vom harten Sturz noch benommen, wieder zu sich und erfasste sofort die Situation. Sie beugte sich über Steffen und untersuchte seine Verletzung. „Bringt ihn ins Behandlungszimmer. Beeilt euch“, schrie sie die Freunde an. Noch immer etwas taumelig lief sie voran. „Na los, macht schon!“
69
Während Romana, von Jens und Ralf assistiert, um Steffens Leben kämpfte, nahm die Blue Sea Kurs auf internationale Gewässer, außerhalb der Dreimeilenzone Ägyptens. Über ihre Headsets erfuhren sie, dass die Einsatztruppen der ägyptischen Marine und der Marine der Bundeswehr eingetroffen waren und ärztliche Hilfe zu ihnen unterwegs sei.
Schon kurze Zeit später traten zwei uniformierte Ärzte in den Behandlungsraum und lösten Ralf und Jens ab, die bis dahin alles in ihrer Macht Stehende für ihren Freund getan hatten. Romana zählte in Kurzfassung die bisher durchgeführten Rettungsmaßnahmen auf, um die Kollegen auf den aktuellen Stand zu bringen.
Nachdem sie ihn unter gemeinsamer Anstrengung stabilisiert hatten, kam Steffen langsam zu sich. Sie packten ihn auf eine Trage und brachten ihn so schnell wie nur möglich aufs Vordeck, über dem ein Hubschrauber der Marine schwebte und auf den Verletzten wartete.
Niemand bemerkte, dass Steffen Ralf etwas in die Hand drückte, als er sich von ihm verabschiedete und ihm dabei leicht nickend anlächelte.
Romana gab dem Freund zum Abschied einen liebevollen Kuss auf die Stirn. „Wir sehen uns. Halte die Ohren steif“, flüsterte sie ihm zu.
Mit Seilen wurde der Transportkorb über eine Winde samt Steffen und den beiden Militärärzten zum Helikopter hochgezogen, der wenig später durchstartete.
Die neun Freunde sahen dem Hubschrauber besorgt nach, und viele gute Wünsche begleiteten diesen, bis er am Horizont verschwand.
Gerade als die Männer der Einsatztruppe die Gefangenen von der Jacht in Fesseln legen wollten, um sie auf ihr Schiff zu schaffen, trat Ralf auf sie zu und bat darum, noch einen Moment damit zu warten.
„Romy“, wandte er sich an seine frisch Verlobte, die ihn, wie all die anderen, fragend ansah. „Ich versprach dir, die Kerle zu bringen, die Lisa auf dem Gewissen haben.“ Langsam drehte er sich um, ging die Reihe der Gefangenen ab und sah jedem Einzelnen von ihnen genau ins Gesicht. Nacheinander zog er einige der Männer aus der Reihe hervor, bis fünf von ihnen einen Schritt weiter vorn standen. „Hier sind die Schweine. Nur einer fehlt, der hat es vorgezogen, in einem Feuerball aufzugehen.“
„Welcher von ihnen war der Erste?“ Romanas Stimme zitterte bei der Frage.
Dirk zeigte mit einer verächtlichen Bewegung auf den groß gewachsenen Mann, der ihm am nächsten stand. Er wollte schon auf ihn losgehen, wurde aber von Jens zurückgehalten. „Langsam, Dirk, der gehört Romy.“
„Und welcher von den Bestien hat sie aufgeschlitzt?“, fragte sie, scheinbar völlig beherrscht, weiter.
Ralf trat auf den Mann zu, der die Sprengsätze am Schiff mit einer Fernbedienung hatte zünden wollen, und stieß ihn, ohne ein Wort zu sagen, noch ein Stück weiter nach vorn.
Romana blieb eine Weile unschlüssig stehen, als würde sie über etwas nachdenken. Dann schritt sie die Reihe der fünf Männer langsam ab und sah jedem Einzelnen verächtlich und sehr lange in die Augen. „Ihr seid keine Menschen, ihr seid der letzte Abschaum, den die Welt hervorgebracht hat. Nicht einmal Raubtiere sind so grausam. Die töten nicht zum Spaß, wie ihr es getan habt. Denn es gibt keinen Goldschatz, mit dem ihr glaubtet, eure Konten aufbessern zu können. Es war nur eine einzelne Münze, die Bob bei sich trug. Die sonst woher stammen konnte. Und ihr habt deshalb Menschen gefoltert, gedemütigt und getötet, weil es euch nicht reichte, sie für euren Waffenschmuggel zu missbrauchen. Ihr seid es nicht wert, dass ich mir an euch meine Hände schmutzig mache“, brachte sie mit vor Ekel verzerrter Miene hervor und wandte sich ab. Abrupt stoppte sie in ihrer Bewegung. „Oder, ... vielleicht doch.“ Für jeden unerwartet, drehte sie sich blitzschnell um, spuckte dem ersten in der Reihe Stehenden ins Gesicht, drückte seinen Kopf nach unten, hob ebenso schnell ihr Knie und platzierte es mit all ihr zur Verfügung stehender Kraft in seinem Schritt, sodass er jammernd zusammenbrach.
Als die Uniformierten eingreifen wollten, hielten Romanas Freunde sie davon ab.
„Nein, lasst mal, unsere Frau Doktor hat mit den Kerlen noch eine ganz persönliche Rechnung offen, die sie gerade begleicht“, erklärte Jens.
Die Männer hatten verstanden, traten ein Stück zurück und beobachteten weiter stumm das Geschehen.
Romana knöpfte sich in aller Ruhe einen nach dem anderen vor. Der Letzte in der Gruppe glaubte, besonders clever zu sein. Er hatte die Beine gekreuzt und hielt schützend seine Hände vor seine Genitalien. Dabei grinste er sie höhnisch an, was Romana noch wütender machte.
„Oh, jetzt bin ich aber gespannt“, flüsterte Claus und zwinkerte den anderen zu.
Romana betrachtete den Kerl despektierlich von unten bis oben. „So, so, du warst also das Schwein, dem es nicht gereicht hat, meine Freundin nur zu vergewaltigen, sondern du warst der, der auch noch so perverse Freude daran hatte, sie dabei barbarisch abzuschlachten. Und nun meinst du ernsthaft, dass dir diese lächerliche Pose hier Punkte bringt? Glaubst du wirklich, damit könntest du dich retten?“ Sie spuckte ihm voller Verachtung an, wie einen der anderen zuvor. Sie wandte den Blick zu Boden und sah mit Genugtuung, wie sich die vier Männer noch immer winselnd am Boden krümmten, bevor sie sich erneut ihrem Gegenüber widmete. Blitzschnell landete ihre Faust kraftvoll in dessen Gesicht. Sie vernahmen das Knacken des brechenden Nasenbeinknochens. Als der Mann, überrascht von dem Schlag, wie ein Hund aufjaulte und ungläubig mit den Händen die blutende, jetzt schiefe Nase befühlte, grinste ihn Romana aus wütend funkelnden Augen an. „Das war ein Fehler. Das hättest du nicht tun dürfen“, fauchte sie, packte ihn bei den Schultern, zog mit aller Kraft und vollem Schwung ihr Knie an, das sein Ziel nicht verfehlte. Noch während der Mann zu Boden ging, wandte sie sich von ihm ab, löste das Band aus ihrem Haar und schüttelte ihre rote Mähne. „Das war für meine Freundin. Dabei seid ihr noch gut weggekommen. Betet zu Gott oder an wen immer ihr glaubt, dass ich euch nie wieder zwischen die Finger bekomme“, zischte sie für jeden hörbar und ging erhobenen Hauptes zu ihren Kameraden, die sie liebevoll in ihre Mitte nahmen.
„Mach so etwas nie mehr in unserem Beisein“, flüsterte ihr Jens ins Ohr. Was Romana ihn fragend ansehen ließ.
Als Erklärung dafür verzog er das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse, beugte sich nach vorn über und hielt schützend seine Hände in den Schritt. „Das hat uns schon nur beim Zusehen wehgetan“, meinte er kleinlaut.
Alle amüsierten sich lauthals lachend über Jens‘ theatralische Pose, die allerdings, im Vergleich mit den sich noch immer am Boden windenden Männern, maßlos untertrieben schien.
„Okay, Jungs, ihr könnt die Kerle jetzt wegbringen“, wandte sich Ralf abschließend an die Uniformierten. „Und danke, dass ihr sie uns noch für einen kurzen Augenblick zur Verfügung gestellt habt.“
„Immer wieder gern“, antwortete einer der Offiziere lächelnd. „Diese Frau, eure Frau Doktor, hat Temperament und Feuer im Blut.“ Und an Romana gewandt sagte er: „Meine Hochachtung. Es war uns ein Vergnügen, Sie in Aktion erleben zu können. Wir dürfen das ja leider nicht. Umso mehr tat es gut. So, wie Sie drauf waren, hatten die es mehr als verdient.“
„Ja, das kann man so sagen“, stimmte Rainer anstelle von Romana zu.
Die Gruppe von Freunden beobachtete, wie die Piraten und Waffenschieber auf das Marineboot gebracht wurden. Wenig später folgte die Eingreiftruppe mit den Kerlen aus den mit den Schotts verschlossenen Mannschaftsunterkünften, von denen nur einige verletzt waren.
Zuletzt wurden die Leichen der Besatzungsmitglieder und des Forschungsteams der Blue Sea aus den Kühlkammern geholt. Sie wurden auf Tragen gebettet und mit Leichentüchern abgedeckt. Vorsichtig und mit allen ihnen zustehenden Ehren wurden sie auf das Marineschiff überführt.
Schweigend folgten die Blicke der fünfzehn Freunde ihnen nach.
„Bitte bringt sie gut heim zu ihren Familien“, bat Romana mit leiser Stimme den Offizier, der noch neben ihr stand.
„Das werden wir, Frau Doktor. Das verspreche ich Ihnen. Ich werde persönlich dafür sorgen.“ Dann wandte er sich den anderen zu. „Wie sieht es aus, wollen Sie nicht mit uns kommen? Ein paar unserer Männer können das Schiff übernehmen, um es in einen Hafen zu bringen.“
Die Männer sahen sich an und überlegten einen Moment.
„Nein danke, Oberleutnant“, antwortete Jens im Namen aller. „Wir bringen die Blue Sea selbst dahin, wohin sie gehört, vor die Basis der Forschungsstation. Dort liegt unser Boot bereit, mit dem wir in seinen Heimathafen fahren werden. Da werden wir schon von Freunden sehnsüchtig erwartet.“
Der Offizier nickte, bedankte sich bei allen und verabschiedete sich dann schnell, um auf sein Schiff zu kommen.
„Und, was machen wir jetzt?“, wollte Dirk Schöller wissen.
„Wir fahren zurück zur Basis“, schlug Jens vor. „Da holen wir Jon und Clive ab, die hoffentlich auch ihre bösen Jungs schon an die ägyptischen Truppen abgegeben haben. Wir legen die Blue Sea vor Anker, gut bewacht von den einheimischen Regierungstruppen, schwingen uns auf die >El Warda< und tuckern gemütlich zur Tauchbasis unseres Freundes. Dann bleibt nur zu hoffen, noch vor Weihnachten einen Flug in die Heimat zu unseren Familien zu bekommen. Was meint ihr?“
„Da sind wir dabei.“ Rudi war heilfroh, dass der Spuk endlich vorbei war. „Ich gehe gleich mal runter und gebe den Maschinen die Sporen, damit wir übers Wasser fliegen können. Komm, Kleiner, du kannst mir helfen.“ Der Maschinist schnappte sich kurzerhand Carsten und verschwand mit ihm unter Deck im Maschinenraum.
Max griff sich den Ersten Maat. „Los komm, Andreas. Wir sehen uns mal den Heli an, ob wir da vielleicht noch etwas richten können.“ Dabei grinste er zu Ralf hinüber. „Der Verrückte da ist nämlich wieder wie wild damit rumgeflattert. Bestimmt müssen wir das Baby etwas trösten und verpflastern.“
„Okay Max, ich fahre den Heli gleich runter zu euch. Müsst euch nur noch den Moment gedulden, bis ich auf der Brücke bin“, gab Peter, der erste Offizier, zurück.
Während das vom Kampf gezeichnete Schiff bereits wieder Fahrt aufnahm, meldete sich Max über Bordfunk auf der Brücke. Dabei klang seine Stimme aufgeregt. „Sagt mal, da oben, sind Ralf und die Frau Doktor in eurer Nähe?“
„Ja, die sind alle hier“, kam vom Kapitän nichts Gutes ahnend zurück und er fragte vorsichtig nach: „Was ist passiert? Braucht ihr Hilfe?“
„Na ja. Nö, wir nicht. Aber vielleicht jemand anderes. Ich habe da nämlich ein paar Einschusslöcher unten in unserer Hummel entdeckt und dazu Blutflecke auf dem Sitz des Piloten gefunden. Also frage ich mich jetzt schon, ob Ralf noch ohne Schmerzen auf seinem Arsch sitzen kann?“
Die Männer, die zu der Zeit auf der Brücke versammelt waren, sahen Ralf sofort fragend an, der sich daraufhin schnell und verlegen grinsend im Rückwärtsgang in eine Ecke verdrückte.
Romana brauchte eine Sekunde, bis sie die Situation begriffen hatte. Dann aber lachte sie lauthals los. „Nein, sag jetzt bloß nicht, dass du dir paar Bohnen im Hintern eingefangen hast und dich deshalb vor uns schämst?“
Als die Männer dies so von Romana hörten, brachen sie in schallendes Gelächter aus.
„Hey, du machst mir Angst. Ich wusste ja gar nicht, dass du auf solche abgedroschenen Westernsprüche stehst. Aber klar, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Das tut jetzt, wo dein Schmerzmittel aufhört zu wirken, höllisch weh“, maulte Ralf sich wehrend. Doch dann konnte auch er nicht mehr an sich halten und musste mitlachen.
„Komm, mein Schatz“, sagte sie mit gespieltem Ernst und nahm ihn wie ein kleines Kind an die Hand, „da wird dich mal Tante Doktor vom überschüssigen Blei befreien.“ Sie zog ihn einfach mit sich, was weitere Lacher bei den Männern auf der Brücke auslöste.
Fortsetzung folgt
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