Okay, vielen Dank für Deine Meinung. Der Text ist aus einer anderen Datei herauskopiert, daher kommen Trennstriche leider mit, ließ sich irgendwie nicht vermeiden.
Der leicht schnoddrige Stil, Du sagst "jugendlich" ist gnadenlos gewollt, um eine bestimmt Stimmung zu erzeugen. Der Text erhebt nicht den Anspruch, hochtrabende Literatur zu sein, er beschreibt einen einzigen Abend, er hat alle wichtigen Personen und die gesamte Handlung, die (meiner Meinung nach) nötig war, um die Situation zwischen zwei Personen und die Personen selbst zu beschreiben. Mehr ist es nicht, mehr war aber auch nicht gewollt.
Das mit dem Arschlochsein ist so eine Sache. Der Erzähler würde das vielleicht über ihn sagen, man erfährt ja nicht wahnsinnig viel über ihn, zumindest nicht durch direkten Text.
Prinzipiell gibt es in diesem Buch nur drei wichtige Personen, den Erzähler, Sarah und Cordula, der Rest gilt als relativ unwichtig. Prinzipiell ist der Erzähler ein Idiot, ein Arschloch, was auch immer, nur nicht aus seiner Sicht.
Sarah und Cordula sind sehr unterschiedlich. Im Kopf des Erzählers wird ständig der Vergleich gezogen, denn Cordula ist unglücklicherweise gar nicht
anwesend. Es heißt also nur, hätte Cordula das auch so gemacht, wäre
sie jetzt auch hier, was macht sie wohl gerade uns so weiter und so
fort.
Sarah hingegen ist anwesend. Über Sarah wissen wir eine ganze Menge
mehr. Sarah ist etwas kleiner als der Erzähler, denn sie kann den Kopf
nur auf seine Schulter legen, wenn er eine Treppenstufe unter ihr steht.
Sarah hat ein grünes Polohemd und irgendwie rotblonde Haare. Sarah geht
vermutlich uns Solarium, ist selten aus Deutschland rausgekommen, war
aber mal in Dänemark oder kurz davor. Sarah grinst einen an, wenn man
Pommes mit den Fingern isst, lacht manchmal so, dass man die Zähne sieht
und trinkt gern mal Diätcola. Außerdem ist Sarah ein wenig verdorben und
irgendwie auch ein wenig naiv.
Das alles wissen wir über Sarah. Aber wir wissen noch viel mehr. Wir
lernen, dass der Erzähler in der Schulzeit, also vor einiger Zeit, wie
verrückt in Sarah verliebt war. Wir lernen, dass er sich fragt, ob es
wohl noch immer klappt, ob da noch was ist oder was sein kann und wir
lernen, dass es wohl sogar so ist.
Wir halten also fest, dass der Erzähler Sarah schon sehr mag, wenn man
sich streng an das Buch hält. Er schaut zu ihr rüber, mag, wie sie sich
die Haare aus dem Gesicht streicht, findet es toll, wie sie lacht oder
ihn ansieht. Er mag sogar ihre Erzählungen, selbst wenn sie von Dingen
spricht, die er gar nicht mag. Er mag die Dinge plötzlich, weil sie
davon erzählt. Unter dem Strich findet der Erzähler all diese Macken an
Sarah also total süß.
Cordula hingegen ist anders. Cordula ist vermeintlich abgeklärt,
gebildet, reif, attraktiv, man weiß es nicht sehr genau. Tatsächlich
erfährt man von Cordula nur immer wieder, dass sie sich an vielen
Stellen von Sarah unterscheidet. Sarah macht den Champagner auf und
freut sich, dass er aus Frankreich kommt. Cordula hätte den Champagner
nicht aufgemacht, aber sonst auch noch gewusst, dass der Drahtkorb
Agraffe heißt. Während Sarah irgendwas irgendwie studiert, ist Cordula
vermutlich eine tolle Ärztin. Vermutlich ist das so.
Cordula sieht nebenbei auch noch toll aus, man merkt aber nicht, wenn
sie stundenlang einkauft, sie ist nett, sogar zu Schwulen, redet mit
Obdachlosen und ist außerdem total gut erzogen.
Halten wir hier also fest: Cordula schrammt an der Perfektion vorbei,
die ganze Zeit.
Der Erzähler aber? Von ihm erfahren wir kaum etwas. Nicht, was er macht,
nicht, wovon er lebt, nicht das Alter, nicht das Aussehen. Alles, was
wir erfahren, kommt durch Beschreibungen anderer. Nirgendwo steht, dass
er in einen Spiegel sieht und eine krumme Nase bei sich feststellt.
Nichts dergleichen. Einmal glaubt er, er sieht komisch aus, weil Sarah
ihn noch viel komischer ansieht, sagt er. Immerhin.
Der Erzähler hat Werte, an die er glaubt oder glauben will. Er findet
Ficken auf dem Gaststättenklo irgendwie nicht sehr anregend. Vielleicht
aber auch nur, weil er nicht selbst beteiligt ist. Er denkt, dass Küssen
mit Liebe einher gehen sollte, weiß aber, dass es nicht immer so ist. Er
versteht zwar, dass Sex eine Art Sport ist, Liebe viel mehr, aber er mag
das nicht, nicht so. Er hat etwas gegen Ignoranz, findet es ganz lustig,
sich über irgendwelche Minderheiten lustig zu machen, denkt, nicht auf
den Kopf gefallen zu sein und findet die ganze Angelegenheit mit dem
Treffen überhaupt provinziell. Die Leute stimmen nicht, er wusste auch
nichts von all dem, er ist irritiert.
Im Laufe des Abends rückt er aber davon ab. Vielleicht ist er betrunken,
vielleicht kommt er zur Vernunft. Wie dem auch sei, er küsst Sarah.
Sarah küsst ihn? Egal. Er redet sich ein, er habe sie sich zurecht
gesoffen. Schlimmer noch, er will zwar mehr, will sehen, ob sie
Gänsehaut auf dem Bauch hat, will sehen, ob sie nach Pfirsich schmeckt,
setzt sich aber ins Auto und fährt weg. Große Worte vom Ende, von
Werten, von Müll kommen an den Tag.
Der Erzähler ist ein Idiot, das steht hier außer Frage.
Er steht kurz davor, seine Liebe aus alter Zeit das nächst mal zu
küssen, aber er fährt lieber nach Hause oder zu Cordula. Die hat er zwar
seit Jahr und Tag nicht einmal gesehen, aber das kann ja wieder kommen.
Ganz große Klasse!