Zwillingsjungfrau
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Ingrid ist frisch verheiratet. Nach dem Trubel der Hochzeit endlich allein, geht sie, ihren Mann mit verliebten Blick umschlingend, von Raum zu Raum und betrachtet voller Stolz und Freude das neue Heim. Insbesondere das hübsch eingerichtete Wohnzimmer mit den entzückenden Möbeln, der cremefarbenen Couchgarnitur, dem Tisch, dem antiken kleinen Sekretär mit seiner seidig glänzenden Politur und dem Teppich, dessen Farben sich so gut von dem hellen Holzfußboden abheben und zur Einrichtung passen, löst Entzücken bei Ingrid aus.
Es klingelt an der Tür. Draußen wartet Friedhelm. Wie frisch gebügelt steht er auf der Treppenstufe und wischt sich ein nicht erkennbares Staubkörnchen vom Ärmel. Er ist ein entfernter Verwandter, ein peinlich akkurater Typ. Sein Gesicht mit den hängenden Mundwinkeln und einer ständig nach oben gezogenen Augenbraue wirkt auch heute eher griesgrämig. Da Ingrid seine Humorlosigkeit bereits kennt und besonders guter Laune ist, nimmt sie es nicht weiter tragisch.
Verlegen wegen der vielleicht unwillkommenen Störung, den Blumenstrauß in der ausgestreckten Hand haltend, kommt er als verspäteter Gratulant. „Tut mir leid wegen der Hochzeit, äh ich meine, dass ich nicht kommen konnte. Habt sicherlich davon gehört, Steuerprüfung, war beim besten Willen nicht möglich, äh, komme ich ungelegen?“ stottert er verlegen. Er wird herzlich in das neu bezogene Haus gebeten. Friedhelm setzt sich stocksteif auf die Couch, zieht die messerscharfen Bügelfalten seiner Hose gerade und blickt sich erwartungsvoll um.
Ingrids geliebter Göttergatte sieht seine Angebetete zärtlich an. „Was möchtest du gern trinken? Zurückdenkend an einen Longdrink der Hochzeitsfeier bittet Ingrid mit einem Auge zwinkernd um ein Glas "Mutterglück". Friedhelm schließt sich dem Wunsch an, nicht recht wissend, was ihn erwartet. Der eifrige Gatte erinnert sich an die Mixtur, welche der Barkeeper ihm heimlich verriet und so vollendet servierte. Ein hohes Glas, etwas Eierlikör, aufgefüllt mit einer kleinen Zitronenbrause, die Flasche kräftig geschüttelt, geöffnet, Daumen fest auf die Öffnung und den zischenden Strahl wie aus einem Syphon gezielt in das Glas geben. Ein Kinderspiel.
Gesagt, getan. Voller Tatendrang eilt er in den Keller, holt eine große Flasche Limonade, schüttelt diese auf dem Weg zurück kräftig. Im Wohnzimmer wird die Prozedur noch ein wenig fortgesetzt. Aufschrauben, Daumen drauf und dann gezielt in die vorbereiteten Gläser spritzen lassen. Ingrid ahnt bereits Schreckliches. Sie springt auf, zu spät, da passiert es auch schon. Der Druck wird übermächtig, der Daumen rutscht ab, die Flasche flutscht aus den Händen, macht sich selbständig und wie aus einer Kanone geschossen werden Friedhelm, Couch, Tisch und Teppich über und über mit der süßen klebrigen Brause überschüttet. Auch der hübsche Sekretär bekommt etliche Spritzer ab.
Ingrid ist fassungslos, bewahrt aber Ruhe und saust im Tiefflug in die Küche. Bewaffnet mit einem Eimer heißem Wasser und diversen Scheuertüchern wird erst der entsetzte Friedhelm gereinigt, Kopf, Haare, Gesicht, Hände und Anzug werden gewaschen, gerubbelt, getrocknet und wieder blank geputzt. Danach ist die Einrichtung dran. Auch die neuen Möbel, der Tisch, Couch, Teppich und der Sekretär werden im Eiltempo wieder blitzblank gerieben.
Inzwischen überlegt ihr verdutzter Ehemann, wie dies wohl geschehen konnte und kommt zu dem Schluß: "Genau. Der Daumen saß nicht fest genug auf dem geöffneten Verschluß". Das ist zu beheben. Also noch einmal im Laufschritt in den Keller, eine neue Flasche holen, im Endspurt wieder ins Wohnzimmer. Auch die zweite Flasche Limonade wird wieder kräftig geschüttelt. Der Schrei "NEIN" seiner heißgeliebten Ingrid wird mutig ignoriert. Selbst Friedhelm ahnt Schreckliches. Hilfesuchend und mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen rutscht er von der Couch und geht, nach einem Versteck suchend, unter dem Tisch in Deckung. Da explodiert die Ladung förmlich und schießt mit Riesendruck aus dem engen Flaschenhals. Wieder überschüttet sie Friedhelm unter dem Tisch, Möbel und Teppich mit einem riesigen Schwall zuckriger, brausend schäumender Limonade.
Äußerlich noch immer die Ruhe selbst, rast die nun schon geübte Ingrid in die Küche, holt heißes Wasser, Putzlappen und Tücher, reinigt den total erstarrten Gast von Kopf bis Fuß und rettet die hübschen Möbel.
Der entnervte Verwandte flüchtet und verspricht, das junge Glück nicht länger zu stören. Was er übrigens auch nie wieder getan hat.
Mit zuckersüßer Stimme aber sehr verdächtigen Zornesblitzen in den Augen, die sprichwörtlich töten könnten, bittet Ingrid ihren geliebten Mann „Komm doch mal kurz mit in die Küche.“ Ingrids Angetrauter denkt an das Treuegelöbnis "bis das der Tod Euch scheidet", sieht die Zornesblitze. Er entsinnt sich der Folterwerkzeuge im Küchenbereich, denkt an Messer und Bratspieß. Nun heißt es handeln.
Geistesgegenwärtig und mit dem Mut der Verzweiflung umarmt er sein holdes Weib und versiegelt ihre Lippen mit einem nicht enden wollenden Kuss. Unter seinen erfahrenen Händen schmilzt aller Groll in Ingrid so schnell wie der letzte Schnee in der Märzensonne.
Für dieses Mal ist der Haussegen gerettet, vergessen und vergeben. Oder, um es ein wenig abgewandelt mit Schiller zu sagen: „Glück gehabt. O! dass sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe!“
Es klingelt an der Tür. Draußen wartet Friedhelm. Wie frisch gebügelt steht er auf der Treppenstufe und wischt sich ein nicht erkennbares Staubkörnchen vom Ärmel. Er ist ein entfernter Verwandter, ein peinlich akkurater Typ. Sein Gesicht mit den hängenden Mundwinkeln und einer ständig nach oben gezogenen Augenbraue wirkt auch heute eher griesgrämig. Da Ingrid seine Humorlosigkeit bereits kennt und besonders guter Laune ist, nimmt sie es nicht weiter tragisch.
Verlegen wegen der vielleicht unwillkommenen Störung, den Blumenstrauß in der ausgestreckten Hand haltend, kommt er als verspäteter Gratulant. „Tut mir leid wegen der Hochzeit, äh ich meine, dass ich nicht kommen konnte. Habt sicherlich davon gehört, Steuerprüfung, war beim besten Willen nicht möglich, äh, komme ich ungelegen?“ stottert er verlegen. Er wird herzlich in das neu bezogene Haus gebeten. Friedhelm setzt sich stocksteif auf die Couch, zieht die messerscharfen Bügelfalten seiner Hose gerade und blickt sich erwartungsvoll um.
Ingrids geliebter Göttergatte sieht seine Angebetete zärtlich an. „Was möchtest du gern trinken? Zurückdenkend an einen Longdrink der Hochzeitsfeier bittet Ingrid mit einem Auge zwinkernd um ein Glas "Mutterglück". Friedhelm schließt sich dem Wunsch an, nicht recht wissend, was ihn erwartet. Der eifrige Gatte erinnert sich an die Mixtur, welche der Barkeeper ihm heimlich verriet und so vollendet servierte. Ein hohes Glas, etwas Eierlikör, aufgefüllt mit einer kleinen Zitronenbrause, die Flasche kräftig geschüttelt, geöffnet, Daumen fest auf die Öffnung und den zischenden Strahl wie aus einem Syphon gezielt in das Glas geben. Ein Kinderspiel.
Gesagt, getan. Voller Tatendrang eilt er in den Keller, holt eine große Flasche Limonade, schüttelt diese auf dem Weg zurück kräftig. Im Wohnzimmer wird die Prozedur noch ein wenig fortgesetzt. Aufschrauben, Daumen drauf und dann gezielt in die vorbereiteten Gläser spritzen lassen. Ingrid ahnt bereits Schreckliches. Sie springt auf, zu spät, da passiert es auch schon. Der Druck wird übermächtig, der Daumen rutscht ab, die Flasche flutscht aus den Händen, macht sich selbständig und wie aus einer Kanone geschossen werden Friedhelm, Couch, Tisch und Teppich über und über mit der süßen klebrigen Brause überschüttet. Auch der hübsche Sekretär bekommt etliche Spritzer ab.
Ingrid ist fassungslos, bewahrt aber Ruhe und saust im Tiefflug in die Küche. Bewaffnet mit einem Eimer heißem Wasser und diversen Scheuertüchern wird erst der entsetzte Friedhelm gereinigt, Kopf, Haare, Gesicht, Hände und Anzug werden gewaschen, gerubbelt, getrocknet und wieder blank geputzt. Danach ist die Einrichtung dran. Auch die neuen Möbel, der Tisch, Couch, Teppich und der Sekretär werden im Eiltempo wieder blitzblank gerieben.
Inzwischen überlegt ihr verdutzter Ehemann, wie dies wohl geschehen konnte und kommt zu dem Schluß: "Genau. Der Daumen saß nicht fest genug auf dem geöffneten Verschluß". Das ist zu beheben. Also noch einmal im Laufschritt in den Keller, eine neue Flasche holen, im Endspurt wieder ins Wohnzimmer. Auch die zweite Flasche Limonade wird wieder kräftig geschüttelt. Der Schrei "NEIN" seiner heißgeliebten Ingrid wird mutig ignoriert. Selbst Friedhelm ahnt Schreckliches. Hilfesuchend und mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen rutscht er von der Couch und geht, nach einem Versteck suchend, unter dem Tisch in Deckung. Da explodiert die Ladung förmlich und schießt mit Riesendruck aus dem engen Flaschenhals. Wieder überschüttet sie Friedhelm unter dem Tisch, Möbel und Teppich mit einem riesigen Schwall zuckriger, brausend schäumender Limonade.
Äußerlich noch immer die Ruhe selbst, rast die nun schon geübte Ingrid in die Küche, holt heißes Wasser, Putzlappen und Tücher, reinigt den total erstarrten Gast von Kopf bis Fuß und rettet die hübschen Möbel.
Der entnervte Verwandte flüchtet und verspricht, das junge Glück nicht länger zu stören. Was er übrigens auch nie wieder getan hat.
Mit zuckersüßer Stimme aber sehr verdächtigen Zornesblitzen in den Augen, die sprichwörtlich töten könnten, bittet Ingrid ihren geliebten Mann „Komm doch mal kurz mit in die Küche.“ Ingrids Angetrauter denkt an das Treuegelöbnis "bis das der Tod Euch scheidet", sieht die Zornesblitze. Er entsinnt sich der Folterwerkzeuge im Küchenbereich, denkt an Messer und Bratspieß. Nun heißt es handeln.
Geistesgegenwärtig und mit dem Mut der Verzweiflung umarmt er sein holdes Weib und versiegelt ihre Lippen mit einem nicht enden wollenden Kuss. Unter seinen erfahrenen Händen schmilzt aller Groll in Ingrid so schnell wie der letzte Schnee in der Märzensonne.
Für dieses Mal ist der Haussegen gerettet, vergessen und vergeben. Oder, um es ein wenig abgewandelt mit Schiller zu sagen: „Glück gehabt. O! dass sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe!“