Sie legte eine Hand auf ihre Hüfte und betrachtete sich im Spiegel:
„Manchmal frage ich mich, ob du mich denn überhaupt ein bisschen schön findest.“
Obwohl ihr Blick weiterhin dem Spiegel galt, waren diese Worte ganz offensichtlich an mich gerichtet und ebenso offensichtlich wollte sie nun eine Antwort hören.
Ich hatte aber nicht die geringste Lust zu antworten.
Was soll man in so einem Augenblick sagen?
Dass sie die aller, aller Schönste ist, viel schöner als all die Frauen in den Katalogen oder die, nach denen ich mich auf der Straße manchmal umdrehe?
Wollte sie so etwas jetzt hören? Dann hätte ich trotzdem keine Lust gehabt, es ihr zu sagen.
Hässlich war sie nun weiß Gott nicht, im Großen und Ganzen ziemlich passabel, doch das hätte sie bestimmt auch nicht hören wollen.
Was sollte diese Frage denn eigentlich? Seit zwei Monaten waren wir so etwas wie ein Paar, und seit fast genauso langer Zeit musste ich mir anhören, dass Äußerlichkeiten doch nun wirklich nicht zählen. Der Charakter ist wichtig, die inneren Werte, viel mehr als alles andere. Das war doch ein regelrechtes Erziehungsprogramm, was sie da mit mir veranstaltete.
Ich habe das nie groß kommentiert, wir Männer bekommen eben nie den Mund auf. Bei Bedarf ist auch das wieder ein brauchbares Argument, aber was soll man denn sagen, wenn alles, was man denkt, zuvor schon in die Nähe von perversen Abartigkeiten definiert wurde?
Ein mieser Charakter ist auf Dauer schon ziemlich abstoßend, doch in einer hübschen Hülle dauert es vielleicht eine ganze Zeit, bis man den überhaupt mal bemerkt.
Außerdem habe ich noch nie verstanden, wieso denn ein hässliches Äußeres die Chance auf einen guten Charakter erhöhen soll. Ich habe genug hässliche Frauen erlebt, bei denen der erste Eindruck schon voll und ganz reichte, um zu erkennen, wie dumm, ordinär und stillos sie doch waren.
Wenn sie hässlich gewesen wäre, dann hätte sie keine Chance gehabt. Sie war nicht hässlich, sie hat mich ziemlich angemacht, als sie mich die ganze Zeit so raffiniert umgarnt hat. Sie ist mir nicht von der Seite gewichen, hat immer um mich herum getanzt mit ihren Händen in der Luft und immer ganz nah an meinem schon deutlich alkoholisierten Schädel. Warum hat sie denn mich für ihre feurigen Blicke ausgesucht? Ein tiefer Blick in das Innerste meines Charakters?
Tanzen konnte sie verdammt gut, und ich hätte mich doch beinahe schon wehren müssen. Warum hätte ich das tun sollen? Der Orgasmus in der eigenen Hand ist mit dem in einer Muschi eben doch nicht zu vergleichen, und wenn man das einige Zeit nicht mehr erlebt hat, dann ist man nicht gerade abgeneigt. Dass es gleich an unserem ersten Abend dazu gekommen ist, rechne ich mir auch nicht als eigenen Verdienst an. Wenn ich am nächsten Morgen abgehauen wäre, hätte sie mir kaum etwas vorwerfen können, ich hatte ihr schließlich rein gar nichts versprochen, und wenn doch, dann wäre ich betrunken gewesen.
Ich bin nicht abgehauen, ich bin geblieben und habe die Weisheit des Kaiser Franz walten lassen, denn hässlich war sie ja nun wirklich nicht, auch nüchtern betrachtet nicht.
Mein Bleiben hat sie dann allerdings völlig falsch interpretiert, denn ihre raffinierte Unterwäsche verschwand beinahe sofort im hintersten Winkel ihres Kleiderschranks. Die Haare an den Beinen und unter den Achseln durften auch wieder sprießen, das war doch nun alles nicht mehr wichtig.
Wichtig waren ihre Vorträge über Charakter und innere Werte, ihre Gedanken an die Zukunft und Familienplanung, die sie bei mir ganz selbstverständlich ebenso vorhanden wähnte. Das alles sagte sie stets in einem Stil, der kaum einen Widerspruch duldete, denn so empfinden doch alle Menschen, jedenfalls alle, die normal veranlagt sind.
Ich fühlte mich gefangen wie in einem Spinnennetz und hätte spätestens in diesem Moment das Weite suchen sollen.
Dass ich das nicht getan habe, lag vielleicht auch an Silvia.
„Schon wieder nur ein paar Tage oder Wochen! Wieso schaffst du es eigentlich nie, mal eine wirkliche Beziehung aufzubauen? Wenn dir das immer wieder passiert, dann musst du doch irgendwann erkennen, dass der Grund dafür bei dir liegt. Für mich bist du ja ein lieber Freund geworden, aber anscheinend bist du völlig beziehungsunfähig.“
Sie hatte mir das schon so oft gesagt, und mich doch zum Grübeln gebracht. Ihre eigenen Liebschaften dauerten zwar auch nie viel länger als meine, aber das spielte in solchen Gesprächen nie eine Rolle.
Doch ich bin ja nicht gleich abgehauen, habe sogar die prüfenden Blicke ihrer Eltern ausgehalten und es klaglos hingenommen, dass sie sich meiner sicher wähnte.
Als sie sich dann aber an jenem Abend auch noch darüber beklagte, dass ich ihr nicht genug Komplimente für ihr Aussehen machte, da musste ich weg!
Ganz schnell, und möglichst weit.
Sie hatte zuvor schon angedeutet, dass sie den Abend gerne zu Hause verbringen wollte. Dass sie das ohne mich tun würde, musste ich ihr noch beibringen. Dass das ein Abschied für immer sein würde, erwähnte ich in dem Augenblick noch nicht. Ich brauchte auch gar nicht zu lügen, denn mir war einfach danach, unter Leute zu gehen, mich abzureagieren und einfach zu tanzen.
Vielleicht ahnte ich ja schon, dass sich in dieser Nacht etwas Neues ergeben würde. Wenn ich diese ganz bestimmte Stimmung habe, dann passiert das meistens. Ich weiß nicht, warum das so ist, habe bisher aber auch nie den großen Drang verspürt, nach einer Ursache dafür zu suchen.
Auf jeden Fall hatte ich danach einen triftigen Grund, mich nun endgültig und offiziell von ihr zu verabschieden und bei der Gelegenheit meine liegengebliebenen Sachen aus ihrer Wohnung abzuholen.
Zwei Sachen parallel laufen lassen, das mache ich nie, denn dafür bin ich eine viel zu ehrliche Haut.
„Manchmal frage ich mich, ob du mich denn überhaupt ein bisschen schön findest.“
Obwohl ihr Blick weiterhin dem Spiegel galt, waren diese Worte ganz offensichtlich an mich gerichtet und ebenso offensichtlich wollte sie nun eine Antwort hören.
Ich hatte aber nicht die geringste Lust zu antworten.
Was soll man in so einem Augenblick sagen?
Dass sie die aller, aller Schönste ist, viel schöner als all die Frauen in den Katalogen oder die, nach denen ich mich auf der Straße manchmal umdrehe?
Wollte sie so etwas jetzt hören? Dann hätte ich trotzdem keine Lust gehabt, es ihr zu sagen.
Hässlich war sie nun weiß Gott nicht, im Großen und Ganzen ziemlich passabel, doch das hätte sie bestimmt auch nicht hören wollen.
Was sollte diese Frage denn eigentlich? Seit zwei Monaten waren wir so etwas wie ein Paar, und seit fast genauso langer Zeit musste ich mir anhören, dass Äußerlichkeiten doch nun wirklich nicht zählen. Der Charakter ist wichtig, die inneren Werte, viel mehr als alles andere. Das war doch ein regelrechtes Erziehungsprogramm, was sie da mit mir veranstaltete.
Ich habe das nie groß kommentiert, wir Männer bekommen eben nie den Mund auf. Bei Bedarf ist auch das wieder ein brauchbares Argument, aber was soll man denn sagen, wenn alles, was man denkt, zuvor schon in die Nähe von perversen Abartigkeiten definiert wurde?
Ein mieser Charakter ist auf Dauer schon ziemlich abstoßend, doch in einer hübschen Hülle dauert es vielleicht eine ganze Zeit, bis man den überhaupt mal bemerkt.
Außerdem habe ich noch nie verstanden, wieso denn ein hässliches Äußeres die Chance auf einen guten Charakter erhöhen soll. Ich habe genug hässliche Frauen erlebt, bei denen der erste Eindruck schon voll und ganz reichte, um zu erkennen, wie dumm, ordinär und stillos sie doch waren.
Wenn sie hässlich gewesen wäre, dann hätte sie keine Chance gehabt. Sie war nicht hässlich, sie hat mich ziemlich angemacht, als sie mich die ganze Zeit so raffiniert umgarnt hat. Sie ist mir nicht von der Seite gewichen, hat immer um mich herum getanzt mit ihren Händen in der Luft und immer ganz nah an meinem schon deutlich alkoholisierten Schädel. Warum hat sie denn mich für ihre feurigen Blicke ausgesucht? Ein tiefer Blick in das Innerste meines Charakters?
Tanzen konnte sie verdammt gut, und ich hätte mich doch beinahe schon wehren müssen. Warum hätte ich das tun sollen? Der Orgasmus in der eigenen Hand ist mit dem in einer Muschi eben doch nicht zu vergleichen, und wenn man das einige Zeit nicht mehr erlebt hat, dann ist man nicht gerade abgeneigt. Dass es gleich an unserem ersten Abend dazu gekommen ist, rechne ich mir auch nicht als eigenen Verdienst an. Wenn ich am nächsten Morgen abgehauen wäre, hätte sie mir kaum etwas vorwerfen können, ich hatte ihr schließlich rein gar nichts versprochen, und wenn doch, dann wäre ich betrunken gewesen.
Ich bin nicht abgehauen, ich bin geblieben und habe die Weisheit des Kaiser Franz walten lassen, denn hässlich war sie ja nun wirklich nicht, auch nüchtern betrachtet nicht.
Mein Bleiben hat sie dann allerdings völlig falsch interpretiert, denn ihre raffinierte Unterwäsche verschwand beinahe sofort im hintersten Winkel ihres Kleiderschranks. Die Haare an den Beinen und unter den Achseln durften auch wieder sprießen, das war doch nun alles nicht mehr wichtig.
Wichtig waren ihre Vorträge über Charakter und innere Werte, ihre Gedanken an die Zukunft und Familienplanung, die sie bei mir ganz selbstverständlich ebenso vorhanden wähnte. Das alles sagte sie stets in einem Stil, der kaum einen Widerspruch duldete, denn so empfinden doch alle Menschen, jedenfalls alle, die normal veranlagt sind.
Ich fühlte mich gefangen wie in einem Spinnennetz und hätte spätestens in diesem Moment das Weite suchen sollen.
Dass ich das nicht getan habe, lag vielleicht auch an Silvia.
„Schon wieder nur ein paar Tage oder Wochen! Wieso schaffst du es eigentlich nie, mal eine wirkliche Beziehung aufzubauen? Wenn dir das immer wieder passiert, dann musst du doch irgendwann erkennen, dass der Grund dafür bei dir liegt. Für mich bist du ja ein lieber Freund geworden, aber anscheinend bist du völlig beziehungsunfähig.“
Sie hatte mir das schon so oft gesagt, und mich doch zum Grübeln gebracht. Ihre eigenen Liebschaften dauerten zwar auch nie viel länger als meine, aber das spielte in solchen Gesprächen nie eine Rolle.
Doch ich bin ja nicht gleich abgehauen, habe sogar die prüfenden Blicke ihrer Eltern ausgehalten und es klaglos hingenommen, dass sie sich meiner sicher wähnte.
Als sie sich dann aber an jenem Abend auch noch darüber beklagte, dass ich ihr nicht genug Komplimente für ihr Aussehen machte, da musste ich weg!
Ganz schnell, und möglichst weit.
Sie hatte zuvor schon angedeutet, dass sie den Abend gerne zu Hause verbringen wollte. Dass sie das ohne mich tun würde, musste ich ihr noch beibringen. Dass das ein Abschied für immer sein würde, erwähnte ich in dem Augenblick noch nicht. Ich brauchte auch gar nicht zu lügen, denn mir war einfach danach, unter Leute zu gehen, mich abzureagieren und einfach zu tanzen.
Vielleicht ahnte ich ja schon, dass sich in dieser Nacht etwas Neues ergeben würde. Wenn ich diese ganz bestimmte Stimmung habe, dann passiert das meistens. Ich weiß nicht, warum das so ist, habe bisher aber auch nie den großen Drang verspürt, nach einer Ursache dafür zu suchen.
Auf jeden Fall hatte ich danach einen triftigen Grund, mich nun endgültig und offiziell von ihr zu verabschieden und bei der Gelegenheit meine liegengebliebenen Sachen aus ihrer Wohnung abzuholen.
Zwei Sachen parallel laufen lassen, das mache ich nie, denn dafür bin ich eine viel zu ehrliche Haut.