Ins gesicht gesunken

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Walther

Mitglied
Ins gesicht gesunken


Die hohe stirn trägt die feinen acker
Furchen in die gedanken gesät
Wurden Fast würde voll die krähen
Füße gruben sich beim lachen
Um die augen ein & blieben

Im gesicht liegt ein leben
Begraben es erzählt geschichten
Wenn es schweigt stumm streicht
Der wind der vergangenheit
Über die feinen wangen härchen

Man möchte es in die hände
Nehmen & begütigend glätten
Die linien der fältchen nach
Ziehen & auf die lippen ein
lächeln streicheln liebste
 

juttavon

Mitglied
Lieber Walther,

Dein Gedichttitel hat mich sehr angesprochen - ein feines Bild für das, was Du in dem Gedicht hervorzauberst. Das Leben ist in dieses Gesicht gesunken, Du bist es beim Betrachten, ich als Leserin sinke hinein. In jeder Zeile ein zärtlicher Respekt, der mich tief berührt in seiner großen Menschlichkeit.

Über ein paar Stellen bin ich immer wieder gestolpert - ich versuche mal zaghaft, meine Veränderungen vorzuschlagen:

"...gedanken gesät
Sind so würde voll die krähen
Füße..."

"Wurden" hat mich gestört, auch in dem Zusammenhang mit "Furchen", das poetische Klangmittel kommt mir hier übertrieben vor (mit "Sind so" gibt es ja auch eine kleine Alliteration). "Sind" unterstreicht auch die große Präsenz in dieser Begegnung.
Das "Fast" vor "würde voll" relativiert unnötigerweise.

"... es erzählt geschichten
Im schweigen stumm streicht"

Den Bedingungssatz "Wenn es schweigt" verstehe ich nicht - heißt das: 'nur wenn es schweigt'? Doch auch wenn es (mit Worten) erzählen würde, erzählten die Furchen auch weiterhin ihre Geschichten. "Im schweigen" bedeutet dagegen: selbst wenn es mit Worten schweigt, erzählt es... Für mich ist das logischer.

"Ich möchte es in die hände"

"Man" ist so neutral, unpersönlich in einem solch intensiven, intimen Moment. Da passt für mich "Ich" besser.

Ich hoffe, Du kannst damit etwas anfangen. Danke für Dein Gedicht! Herzlichen Gruß, Jutta
 

Walther

Mitglied
Ins gesicht gesunken


Die hohe stirn trägt die feinen acker
Furchen in die gedanken gesät
Wurden fast würde voll die krähen
Füße gruben sich beim lachen
Um die augen ein & blieben

Im gesicht liegt ein leben
Begraben es erzählt geschichten
Wenn es schweigt stumm streicht
Der wind der vergangenheit
Über die feinen wangen härchen

Man möchte es in die hände
Nehmen & begütigend glätten
Die linien der fältchen nach
Ziehen & auf die lippen ein
lächeln streicheln liebste
 

Label

Mitglied
sehr sehr schön, lieber Walther

das erinnert mich an Alberts Schweizers

"Mit 20 hat jeder das Gesicht,
das Gott ihm gegeben hat,
mit 40 das Gesicht,
das ihm das Leben gegeben hat,
und mit 60 das Gesicht, das er verdient"

falls da nicht die chirurgische Verjugendlichung am Werke war.

Das ist eines deiner besseren Liebesgedichte, finde ich.
Liebevolle Worte, die für mich eine tiefe Zuneigung ausdrücken.


lieber Gruß
Label
 
D

DieFrauJulie

Gast
Hallo Walther,

für meinen Geschmack ein bisschen viel "die" in den ersten beiden Zeilen.

Mein Vorschlag. :)

Die hohe stirn trägt feine acker
Furchen in gedanken gesät


Lg Julie
 

Walther

Mitglied
Hallo lb Jutta,

zuerst ganz herzl. dank für deinen sehr einfühlsamen eintrag. es freut einen autor immer, wenn sein text zu berühren vermag.

zu deiner ersten überlegungen, das "fast" in s1v3 durch ein "so" zu ersetzen:

ich gehöre zu denen, die vorsichtig beschreiben. daher schwäche ich übertreibungen gerne etwas ab. sie lassen nichts mehr im ungefähren, und wir wissen, daß stirnen nicht immer würdevoll aussehen. das "so" ist partiell eine steigerung und zugleich ein füllwort, um damit sprachtakte aufzufüllen. dieses wort vermeide ich, wo ich kann. platzhalter sollte man aus der lyrik, da sie verdichtet, fernhalten. dieser grundsatz kann helfen, bilder noch klarer, noch präziser auszuarbeiten.

der zweite hinweis "wurden":

in s1 dominiert der vokal "u". der klang der strophe ist tieftönend. stimmlich würde man hier einen bariton zum vorschlagen. er spräche mit dem baßton der überzeugung.

s2 ist etwas heller, hier dominiert das "a". der vortrag wird beschwingter.

in s3 sind i und ei stark vertreten. der vortrag gewinnt an gschwindigkeit, wird heller, fröhlicher, bis er zur direkten ansprache des lyrdu führt. der bogen spannt sich, und man erkennt, das von anfang an ein lyrich, wohl ein männliches, sprach.

ich denke, das "wurden" paßt gut. so wird das volltönende der ersten strophe verstärkt.


dritte anregung "ich" oder "man":

das "ich" würde die überraschung des letzten worts vorwegnehmen. das aber möchte ich nicht. und ich bin mir sicher, daß man, wenn man text von vorne aus betrachtet, das unpersönliche "man" den beabsichtigten knalleffekt erst möglich macht.

lg w.


lb. label,

was soll ich sagen? ich verneige mich und danke für deine worte.

lg w.


hallo DieFrauJulie,

danke für deine überlegung.

allerdings "wurden die gedanken in die ackerfurchen gesät". niemand war dabei in gedanken, als er das beobachtete. die bestimmten artikel sind inhaltsträger. daher kann auf sie nicht verzichtet werden.

des weiteren sind sie auch metrisch von der sprachmelodie her in meinen augen unverzichtbar.

vielen dank fürs reinlesen und kommentieren!

lg w.
 
E

Einsprengsel

Gast
Hi Walther

ein schönes Gedicht, das ich gern gelesen habe. Nur das getrennte Schreiben von Wörtern und die fehlenden Kommas irritieren mich etwas, für mich wird das Gedicht dadurch etwas zu schwer aufnehmbar, an die Kleinschreibung habe ich mich inzwischen gewöhnt. Aber so schreibt man heute wohl, wenn man modern schreiben will, aber man sollte vielleicht darauf achten, nicht zu vielen Eigenheiten nachzugeben. Ich bin aber schon von der älteren Generation und habe es gern etwas übersichtlicher. Soll also keine Kritik sein.

Einsprengsel
 

Walther

Mitglied
hi Einsprengsel,

danke für deine freundlichen worte. ich denke, die schreibung hat nichts mit dem alter zu tun. denn ich bin auch nicht gerade taufrisch.

lg w.
 

HerbertH

Mitglied
Ein reifes Liebesgedicht, keines, das dem jugendlichen Überschwang geschuldet ist.

Es geht um Lebenserfahrung, eingeschrieben in das Gesicht der Liebsten. Jede Spur darin ist nach-, ist mitempfunden.

Ach, so zusammen älter und alt werden, ist das nicht ein Geschenk?

Danke, lieber Walther, für dieses Gedicht.
 

Walther

Mitglied
lb Herbert,

danke für deinen sehr freundlichen und aufbauenden eintrag. die kontemplation ist wichtig und zugleich viel wichtiger, als ich früher dachte. manche erkenntnis braucht zeit.

das erfahrbar zu machen, war der anlaß dieses gedichts. wir schauen uns viel zu wenig an, habe ich den eindruck. wir könnten mehr von den anderen menschen um uns herum erfahren, würden wir ihnen einen längeren "augenblick" gewähren.

lg w.
 

Walther

Mitglied
Ins gesicht gesunken


Die hohe stirn trägt die feinen acker
furchen in die gedanken gesät
wurden Fast würde voll die krähen
füße gruben sich beim lachen
um die augen ein & blieben

Im gesicht liegt ein leben
begraben es erzählt geschichten
wenn es schweigt stumm streicht
der wind der vergangenheit
über die feinen wangen härchen

Man möchte es in die hände
nehmen & begütigend glätten
die linien der fältchen nach
ziehen & auf die lippen ein
lächeln streicheln liebste
 

Walther

Mitglied
Ins gesicht gesunken


Die hohe stirn trägt die feinen acker
furchen in die gedanken gesät
wurden fast würde voll die krähen
füße gruben sich beim lachen
um die augen ein & blieben

Im gesicht liegt ein leben
begraben es erzählt geschichten
wenn es schweigt stumm streicht
der wind der vergangenheit
über die feinen wangen härchen

Man möchte es in die hände
nehmen & begütigend glätten
die linien der fältchen nach
ziehen & auf die lippen ein
lächeln streicheln liebste
 



 
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