Lieber Ralf
dein Gedicht lädt zum Nachdenken ein und zum Verorten des Selbst.
nur dilettanten schwärmen
um das licht
da es sich nicht um Motten handelt, ist das Licht im übertragenen Sinne aufzufassen - etwas strahlendes zu dem oder von dem die Laien (Dilettanten) hingezogen werden.
Die folgenden Zeilen geben einen Hinweis was da strahlt - ein Idol, ein Gott, der die innere Leere füllt.
um das licht um ihre leere
haben sie den gott gedacht
das es so leichter wäre
Das ist leichter als sich selbst auf die Suche nach Erleuchtung zu begeben, die ihre Leere füllte. Ein oberflächliches Denken also, das für Dilettant steht.
dieses Idol mit bewunderten Attributen bedacht - ist ein Gedankenkonstrukt das sich in Traditionen verselbständigen kann
da ein wesen das bedacht, den sinn hinter die lichter führt
Das Wortspiel hinter die lichter führt ist hier brillant eingesetzt und im ursprünglichen Wortsinn, als auch im übertragenen, präzise.
eine mögliche Lesart ist: die erfundene Lichtgestalt betrügt
aber auch: die Lichtgestalt blendet absichtsvoll,
1.der(eigentliche) Sinn (die individuelle Erleuchtung, Erkenntnis
2. die Sinne
werden überstrahlt
allein das fleisch - es trug
bilder vom ewigen leben
wieder eine brillante Wortwahl
fleisch suggeriert die Realität/Erfordernisse des Körpers,der animalische Anteil eines Menschen, jenseits von Idealismus, Hoffnungen und Wünsche.
hier schimmert der Spagat zwischen physischem und ideellem Leben auf.
ist in dir nicht genug
um fremde zu verstehen
weder der animalische noch der spirituelle Teil ermöglichen um die Anderen, die Fremden zu verstehen.
im körper haust die frist
das was noch kommt
was dir gegeben ist
bestimmt ein ende
auch wenn es dir nicht frommt
unabhängig aller Bemühungen und Vorstellungen - die Uhr tickt und das Ende des Lebewesens ist Tatsache und unabwendbar, auch wenn das nicht gefällt und sich die Vorstellung von weiterem oder ewigem Leben, sich damit nicht auf festem Boden (erfahrbaren) befindet.
- ist fernab aller strände
strände, da klingt ankommen, aufbrechen und fester Boden mit
verläuft sich deine spur
in weiten kreisen
wird dir alles war
nur ein verreisen
in gedanken; schwärmereien
um eine heimat – ithaka
sofern das Individuum kein "Mogul" oder sonst ein "großer" ist, der Monumente errichtet oder durch Eroberungen in die Geschicke seiner Mitmenschen gewaltsam eingreift, wird die Erinnerung an ihn verblassen. Das heißt, die aufgezeichnete Erinnerung, die Geschichtsschreibung.
Allerdings, sofern Kinder vorhanden sind, pflanzt sich die Erinnerung an ihn, in der DNA fort, wie die Forschung beweist.
die weiten Kreise sind immerhin weit, zeigen aber dass da keine Richtung ist, zeigen eine Suche, die immer wieder zu den Ursprüngen, dem Ausgangspunkt zurückkehren, um zu einer neuen Suche aufzubrechen, an.
Jede neue Suche führt auch wieder zu bekanntem, zu dem was schon war.
Für die Suche nach dem Ort oder Zustand in dem man sich "zu Hause" fühlt, endlich angekommen ist - dafür steht Ithaka.
Ebenfalls eine brillante Wortwahl, beinhaltet sie doch Irrungen, Umwege und Widrigkeiten auf der langen Reise nach Hause.
Das Gedicht zeigt die Sehnsucht dessen, der über den vertrauten und behütenden Rand einer Weltsicht oder Glaubens gesehen hat und nicht mehr ungesehen, ungehört und ungedacht machen kann, was er erfahren hat.
Da gibt es keine äußeren Hilfsmittel mehr, keine Krücke von anderen Gedankengebäuden, auf die man sich stützen könnte um zu sich zu finden.
Das Dilemma aller, die das Exoskelett abgestreift haben und eigenes Rückgrat entwickeln müssen.
soweit meine Interpretation und
der Text gefällt mir ausgezeichnet, ich habe nichts zu meckern
herzlicher Gruß
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