Jenseits der Grenze

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Vera-Lena

Mitglied
Jenseits der Grenze

Den Mantel der Bedürftigkeit über die Schulter geworfen
Das Überlebenwollen ins Schuhwerk gesteckt
So sehe ich dich kommen
Aus deinen geöffneten Händen steigt
Das Lächeln unbesiegbarer Hoffnung
Ein Kind ruft komm
kohm kohomm
Essensgruch füllt den Saal
Deine Augen ertasten die Tische
Schwärzer als das Schwarz unter den Wimpern
Glüht der Unstern
Der letzten Tage
Du bleibst unbeweglich
Dann flüstert es durch den Raum
Danke danke danke
Auf Arabisch
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Cooles Stück.
Noch besser würde ich es finden wenn du "Danke" wirklich auf Arabisch mit einbauen würdest. Google sagt "shukran". Ich hoffe das ist richtig :D
Es käme dann irgendwie näher an die Problematik heran. Es wirkt vielleicht persönlicher?

fragende Grüße
Patrick
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Vera-Lena,

für mich ist das Bild, das Du hier zeichnest, nicht stimmig.

Das beginnt mit dem Titel. Warum Jenseits? Ich sehe eine Szene mit Flüchtlingen in Deutschland, also diesseits der Grenze, die sie überwunden haben.
Aus deinen geöffneten Händen steigt
Das Lächeln unbesiegbarer Hoffnung
Diese Aussage halte ich misslungen. Ein Lächeln, das aus den Händen steigt? Vielleicht liegt dieses Lächeln auf dem Gesicht, und seine geöffneten Hände sind ein Zeichen der Hoffnung …

Rufen Kinder in diesem Umfeld schon „kohm“ auf Deutsch? Und wie Patrick schon anmerkte, müsste das Danke unbedingt auf Arabisch geschrieben sein, sonst macht die Aussage keinen Sinn.

Ein kleiner Tippfehler hat sich noch eingeschlichen: Essensg[blue]e[/blue]ruch

Sollte ich etwas missverstanden haben, lasse ich mich gern eines Besseren belehren.

Gruß Ciconia
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Patrick,

da ich keine arabischen Schriftzeichen auf der Tastatur habe, konnte ich das nicht auf Arabisch einfügen. Ich will aber gerne das übernehmen, was Du mir hier in deutschen Schriftzeichen anbietest. Allerdings werde ich die deutsche Übersetzung beibehalten. Falls Du das nicht gut finden solltest, bitte ich noch einmal um Rückmeldung.

Danke für Deinen Kommentar!
Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Diesseits der Grenze

Den Mantel der Bedürftigkeit über die Schulter geworfen
Das Überlebenwollen ins Schuhwerk gesteckt
So sehe ich dich kommen
Aus deinen geöffneten Händen steigt
Das Lächeln unbesiegbarer Hoffnung
Ein Kind ruft komm
kohm kohomm
Essensgeruch füllt den Saal
Deine Augen ertasten die Tische
Schwärzer als das Schwarz unter den Wimpern
Glüht der Unstern
Der letzten Tage
Du bleibst unbeweglich
Dann flüstert es durch den Raum
Shukran shukran shukran
Danke auf Arabisch
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Ciconia,

über das Diesseits oder Jenseits der Grenze habe ich auch lange nachgedacht. Danke für Deine Unterstützung! Jetzt ist meine Entscheidung endgültig.

Danke auch für den Hinweis auf den Tippfehler!

Das Rufen des Kindes stellst Du Dir vielleicht einmal über das Hören vor. Wenn ein Erwachsener nicht hört (und in diesem Falle versteht er ja das Kind nicht), dann variiert das Kind die Silben mit verschiedenen Längen und Betonungen. Das ist natürlich schriftlich nicht so gut darstellbar, aber ich dachte, man kommt vielleicht darauf.

Das aus den Händen aufsteigende Lächeln liegt parallel zu dem Mantel der Bedürftigkeit und zu dem Überlebenwollen im Schuhwerk. Man bezeichnet diese Dinge als hermetische Lyrik. Der Leser bekommt auf diese Weise einen größeren Interpretationsspielraum.

Ich hatte mir Folgendes dabei vorgestellt: Die Hände sind geöffnet wie bei einem Bettler, aber der nun Angekommene ist so sehr erfüllt von der Hoffnung auf Hilfe, dass aus seinen Händen nicht nur ein Bitten aufsteigt, sondern sogar ein Lächeln.

In der hermetischen Lyrik kann man so etwas machen, soweit ich weiß.

Danke für Deinen ausführlichen Kommentar und Deine Hilfestellungen!
:)

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Vera-Lena,

danke für den Hinweis auf hermetische Lyrik.

Beim Rufen des Kindes meinte ich nicht die Schreibweise, sondern die Tatsache, dass ein gerade angekommenes Kind wahrscheinlich noch keine deutschen Vokabeln kennt. Ich könnte mir da eher ein entsprechendes fremdsprachiges Wort vorstellen.

Gruß Ciconia
 

Vera-Lena

Mitglied
Jetzt verstehe ich, Ciconia, warum Du irritiert warst. Ja, das geht aus dem Text ja auch nicht eindeutig hervor. Es handelt sich um ein deutsches Kind. Es ist mit der Mutter unter den Helfern und ruft ganz unbekümmert den neu Angekommenen herbei.

Hmmmmmmmmmmmm, was könnte ich da machen?

Ich probiere es mal mit "Eines der helfenden Kinder ruft" und hoffe, dass es den Text nicht abschwächt.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Diesseits der Grenze

Den Mantel der Bedürftigkeit über die Schulter geworfen
Das Überlebenwollen ins Schuhwerk gesteckt
So sehe ich dich kommen
Aus deinen geöffneten Händen steigt
Das Lächeln unbesiegbarer Hoffnung
Eines der helfenden Kinder ruft komm
kohm kohomm
Essensgeruch füllt den Saal
Deine Augen ertasten die Tische
Schwärzer als das Schwarz unter den Wimpern
Glüht der Unstern
Der letzten Tage
Du bleibst unbeweglich
Dann flüstert es durch den Raum
Shukran shukran shukran
Danke auf Arabisch
 
Hallo Vera-Lena,
lyrisch sehr schön, anschaulich und berührend.
Fängt man aber an, über den Inhalt nachzudenken, beginne ich, mich nicht mehr so wohl zu fühlen.
Das "Danke" (ob arabisch oder deutsch ist für die inhaltliche Aussage unwichtig) gilt den Gebenden, den aktuell Helfenden und zurecht den betreffenden Personen. Aber hinter denen steht eine Gesellschaft und eine Gesellschaftsphilosophie, die über Jahrhunderte bis heute durch ihr politisches und wirtschaftliches Handeln mit verantwortlich ist dafür, dass es diese Flüchtlinge überhaupt gibt. Auch die jetzt helfenden Personen, ob sie wollen oder nicht - wir alle leben gut durch eine unfaire Weltwirtschaft auf Kosten der Länder, aus denen die Flüchtlinge kommen.
Das "Danke" - tut mir leid - feiert so auch die Täter und verschleiert deren Untaten.
Ich bin sicher, das ist nicht beabsichtigt - aber es riecht nach Selbstbeweihräucherung.
Wir haben keine Anrecht auf ein "Danke". Die Flüchtlinge haben ein Anrecht auf Entschädigung, die nur wenige bekommen werden angesichts der aufbrechenden Barbarei vieler derzeit politsch Handelnder und der nationalen Egoismen in ganz Europa.
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Gelbe Hühner,

danke für den Kommentar!

Dass jemand danke sagt, wenn er aus einer schwierigen Situation erlöst wird, geschieht doch ganz automatisch.

Ansonsten möchte ich erinnern,dass wir hier auf einem Literaturforum sind.

Literarische Aussagen zum Text werden erbeten und die hast Du ja auch gemacht. Danke! :)

Dass Du den Inhalt als Beweihräucherung empfindest, lasse ich gerne gelten. Das ist dann eben so für Dich.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Vera-Lena,
Es ist mit der Mutter unter den Helfern und ruft ganz unbekümmert den neu Angekommenen herbei.
Jetzt verstehe ich. Das war in der ersten Version so nicht ersichtlich.
dass wir hier auf einem Literaturforum sind
Richtig. Aber man kann in diesem Fall nicht den politischen Gehalt vom lyrischen Text abtrennen. Eine Kritik zum Inhalt sollte schon erlaubt sein – zumal hier mit sehr harten Kritiken nie gespart wurde, wenn jemand nicht die allgemeine Betroffenheit, sondern eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Flüchtlingsthema in den Mittelpunkt stellte. Da wurde dann schon mal sehr schnell „Blut-und-Boden-Ideologie“ unterstellt.

Gruß Ciconia
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Ciconia,

dass der Inhalt dieses Textes eine politische Dimension anspricht, war mir beim Schreiben nicht bewusst. Aber es verhält sich tatsächlich so. Allerdings möchte ich auf diese Dimension auf einem Literaturforum nicht näher eingehen und das müsste mir doch auch erlaubt sein.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 



 
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