Hallo Zusammen,
ich müsste lügen, würde ich behaupten, mich nicht über die Ansätze von Val Sidal zu diesem Text zu freuen, die insgesamt sehr dicht an meine schreiberische Intention kommen. Aber gern versuche ich für die anderen Kopfschüttler meine Lesart einmal auszuführen, auf das es vielleicht verständlicher, wenn auch nicht ein besserer Text werde.
Dieser Text will und wird allerdings niemals eine Kurzgeschichte werden. Für lyrische Prosa fehlt mir auf dieser Plattform schlicht ein geeigneter Platz – gäbe es ihn, würde das den Lesern hoffentlich solcherlei Enttäuschungen ersparen, wie ich sie mit der Ausstellung an dieser Stelle offensichtlich provoziert habe. Sorry dafür!
Geschichten erzähle ich gern zuweilen, aber manchmal geht es eben um Dinge, denen eine solche Erzählerei meinem Gefühl nach nicht gerecht werden kann; Dinge, die im Zwischenmenschlichen kaum zu definieren sind und die dennoch fast immer die größte Rolle spielen, wenn es darum geht zu erklären, warum Beziehungen funktionieren, oder auch nicht / was die Faszination einer Person für einen ausmacht / warum man bisweilen weint.
Häufig scheint es, als sähen Menschen, und seien sie noch so eng miteinander verbunden, verschiedenartig die Welt. Val Sidal kommt über die ersten Zeilen meines Textes zu dem Gefühl, „für ihn ist alles so einfach, für sie…?“ Für mich erscheint dies unterschiedliches Sehen (Empfinden) oftmals ein zentrales Problem in Beziehungen zu sein – Steinewerfen auf mich ob dieser Ansicht ist durchaus erlaubt *smile*. Das Herumblicken meines lyrischen Ichs ist einerseits Ausdruck der Bemühung, in die Leichtigkeit seiner Weltauffassung zu folgen, andererseits unterliegt sie in weiblicher Plapperhaftigkeit (jawollja, ich liebe Klischees nun einmal, da sie so viel Wahrheit enthalten *g*) der Erzählleidenschaft, um auch ihn an ihrem Erleben teilhaben zu lassen. Nähert so etwas in einer Beziehung? Folgt sein Blick tatsächlich in ihre weibliche Welt?
Das lyrische Ich will unbedingt und unbedingte Nähe, sehnt einen Idealzustand für die Bindung zu ihm. Ihr Wunsch nach Kribbeln und Blumengefühlen geht so weit, dass sie das Alltragsgrau (die Langeweile / den Gilb in den Ecken, den Beziehungen im Laufe der Zeit ansetzen) bewusst zu verdrängen bemüht ist; die Formulierung „brach Buntes in seine Ränder“ soll eben dieses bemühte Beschönigen der Realitäten ausdrücken.
Zweifel lässt sie erst sehr viel später zu; im damaligen Rausch scheint sie erhaben in ihrem Lieben – über all diese anderen, die „echtes Leben“ verpassen.
Auch das mag vielen von Euch klischeehaft klingen, aber ist es nicht so, dass ältere Menschen vielfach kopfschüttelnd die Unbedachtheit der Jugend belächeln? Dass frisch verliebte Paare meinen, sie könnten die Welt erobern, auf den Kopf stellen und wären denen Überlegen, die sie der Alltagstristesse verfallen glauben?
„Kopfschütteln gehörte den Anderen. Sie denken, erleben und leben um sich herum und bleiben hinter den Scheiben; oder stand nur ich dahinter? „ Ja, im Nachhinein betrachtet kommen ihr Zweifel auf, welches Leben denn echt war und welches wie ein Film im TV abgespult verlief…
Auch aus heutiger Sicht aber stellt sie seine scheinbare Überlegenheit nicht in Frage; er, so abgeklärt wie er schien, so einfach für ihn die Welt zu verstehen war, hätte ihr doch sicherlich erklären können, wo sie sich befand, wer sie war. Das lyrische Ich stilisiert sich selbst zur Kindfrau (herab), während sie ihm Weisheit zuspricht. Für mich ist die Passage „um von ihm zu lernen, meine Haut besser zu definieren“ ein Ausdruck, dass sie sich wünscht, er hätte sie Selbsterkenntnis als Selbstschutz gelehrt. Stattdessen aber entblößte sie ihm ihr Innerstes, legte sich offen, stellte für sie ihr empfindliches Selbst zur Schau. Statt ihm aber dadurch wie erhofft näher zu werden, entbehre sie aus seiner Sicht jeglicher Geheimnisse dadurch. Allenfalls „belustigte“ es ihn, bis sie irgendwann bestenfalls langweilig wurde, schlechtestenfalls er die Achtung vor ihr verlor. Er entfernte sich. Die – vielleicht von ihr nur erfundene Innigkeit – verging ganz allmählich, bis nichts mehr blieb.
Und sie? Zurückbleibend hängt sie an dieser Vergangenheit, stagniert, hat nicht geschafft, loszulassen, das Ende anzuerkennen. Abschied gelang eben nie. Die sprudelnde Farbvielfalt, die er in ihr weckte, hat sie verloren; ein Dämmerlichtdasein, das heil nur im Traum zu werden vermag – in dem sie ihn fürderhin liebt (und dies Lieben weiterhin über alles erhebt). Dies „Traumfängerdasein“ ist ihre Phantasie, sie könnte trotz seines Weggangs ihn sich bewahren.
Nun, der Text ist Fragment, erzählt keine Geschichte, wie ein äußerer Erzähler diese vorübergehende Zweisamkeit beschriebe. Da sind keine Dialoge, da fehlen Begebenheiten; stattdessen fokussiert er rein auf Gefühlsebene.
Eine Lösung A, B oder C sehe ich für solcherlei Texte nicht, Val Sidal. Ich lese ihn für mich, wie kurz angerissen. Andere müssen ihn anders lesen – ich persönlich glaube an das Verschiedenartige Sehen der Menschen. Ich wünschte, mir würde mal jemand erklären, wie auf ihn die Farbe wirkt, die ich grün nennen würde und bin insofern immer fröhlich, wenn mir jemand verrät, wie ein Text (egal ob nun aus meiner oder aus fremder Feder) ihn erreicht. Ich habe Dein C also gerne verfolgt!
Ein wenig leid tut es mir schon, dass Du KaGeb nur „pseudo-intellektuelles Geseire“ liest, weil mir viele der Metaphern nah sind. Nun könnte ich mich freilich fein in meiner klischeebehafteten Blickweise darauf rausreden, dass KaGeb sicherlich ein (männlicher) Leser ist, dem die Welt viel zu einfach erscheint, als dass es so ein Drumherumgeseire bedürfte, wie meines da oben es darstellt *grins*. Aber dafür ist mir diese Meinung dann doch zu wertvoll. Und wenn ich schon den obigen Text nicht für Dich umschreiben werde (an dem ich halt hänge), so werde ich vielleicht aber doch mal wieder eine richtige Bildgeschichte schreiben – und hoffe, das nicht ganz verlernt zu haben – die dann gefällt.
Liebe Grüße an Euch KaGeb, Val Sidal und Ciconia und auf dann
Nina