Hallo Ralf,
in deinem spannungsreichen Gedicht gibt es mehrere Ebenen zu entdecken:
Jordan
Jedes Wort ist eine Grenze
in der du ein sehen hast;
die ferne Furt, die fernen Kämpfe
- sind sie für dich gemacht?
Der Jordan als mystischer Fluss: Bbekanntlich teilten sich in den Heiligen Schriften seine Wasser nicht (wie etwa beim Durchzug durch's Rote Meer), sondern
stauten sich. Hier passen sich das (gestaute) Wort und die Frage nach dem Sinn ein, einem Ziel, das vieleicht inzwischen aus den Augen verloren worden ist.
In einem aktuell-politschen Sinn gibt eine unüberschaubare Kette an Konflikten um die Anrainerstaaten des Flusses. Seine Wasser speisen sich aus libanesischen und syrischen Quellen und enden - wie passend - im Toten Meer (Israel).
Im Hinblick auf die Dichtkunst nutzt das
Ein-Sehen (sehr gut!) des Lyrikers wenig, denn es schafft nicht zwangsläufig Einsicht (Verstehen). Oder Lyrik.
In dir ist das letzte Bäumen
der Begriffe Übergang:
benennen - verschweigen säumen
dein Lied, dem Geheimnis entlang.
Wiederum wird der Mythos herangezogen, denn der Fluss gilt (auch) als Symbol des Übergangs zum Reich der Toten. Im jüdisch-christlichen Sinne jedoch als Übergang des Todes zum Weg des Lebens(!).
Im aktuellen Bezug mögen diese Verse auf die Aussichtslosigkeit all dieser sinnlosen Kriege in der Region hinweisen und auf den eigenen Wunsch, endlich nichts mehr davon zu hören und selbst davon zu schweigen.
Als Poet, und ich nehme an, dass sich darum das Hauptanliegen des Gedichts dreht, sprichst du von den Schwierigkeiten der Begriffe, dem Kokettieren mit der Sprache, dem geschickten Verschweigen, dem Zauber des einzig richtigen Worts.
Und dem Geheimnis dahinter.
Für mich ich hochinteressantes Gedicht, das mir viel Stoff zum Nachdenken gab - genau wie ich es mag.
Liebe Grüße
orlando
