JS und die Indios

Haarkranz

Mitglied
JS und die Indios.

In den folgenden langen Winterabenden, in unserem Nest oben in der dunklen Halle, wenn es zum schlafen zu früh, draußen aber dunkel, kalt und unwirtlich war, animierte ich JS mir von seinem Leben zu erzählen.
Er sträubte sich zuerst und meinte, Mariechen ist völlig unsortiert in meinem Kopf. Aber ich fing ihn mit der Frage. Was heißt hier unsortiert? Du wirst wissen wie deine fünf Kinder heißen, wie alt sie sind, welche sind Jungen und welche Mädchen? Da gibt es überhaupt nichts zu sortieren, ich will von ihnen hören, vor allem von Imari. Irgendwann hatte ich ihn soweit, und er begann zu erzählen:
Als ich in Amerika an Land ging, besaß ich nichts als Hemd und Hose die ich am Leibe trug. Die Überfahrt hatte ich als Moses auf einem holländischen Clipper, der Kaffee von Costa Rica nach Amsterdam schipperte gemacht.
Moses so nannte man die Schiffsjungen. Schiffsjungen das waren die Wanzen der Matrosen, ohne Rechte und möglichst ohne Magen. Nie mehr hab ich so gehungert, wie auf diesem stolzen Schiff. Als wir Costa Rica erreicht hatten, einen Tag auf Reede lagen, schnappte ich mir in der Nacht ein Tau und ließ mich leise und vorsichtig an der Bordwand herunter und schwamm an Land.
Ich ging nicht in die Stadt, war schlau genug zu vermuten, die würden einen weißen Schiffsjungen nur allzuschnell orten und gegen Belohnung, an den Kapitän des Clippers ausliefern. Was das hieß, kannte ich aus den einschüchternden Erzählungen der Matrosen. Ich lief am Strand entlang, als der Morgen dämmerte, war ich ein gehöriges Stück von der Stadt entfernt, hoffte Entdeckung nicht mehr fürchten zu müssen.
Blieb jedoch auf der Hut, sucht mir einen Weg vom Meer weg. ins Landesinnere.
Bald, wie konnte es anders sein, fielen mir vor Müdigkeit die Augen zu, ich suchte und fand einen Unterschlupf, erst einmal schlafen, war alles was ich denken konnte. Ich wurde wach, weil etwas neben und unter mir drückte und fiepte, ähnlich Hunden die auf sich aufmerksam machen. Ich sah mich um und traute meinen Augen nicht. Unmittelbar neben mir gähnte ein zähnestarrender Kaimanrachen, nicht geöffnet um mich zu verschlingen, sondern um dutzende kleine Kaimane, die um mich herum wieselten einzufangen.
Ich bewegte mich fast ohne Bewegung, weg von dem Ungeheuer, und erkannte zu meinem Schrecken, es war nicht das einzige. Meinen Schlafplatz lag mitten im Brutgebiet der Flusskaimane. Ich kroch so langsam wie leise fort, um aufs Neue meinen Weg von einer Echse verlegt zu finden. Mein Glück war, sie waren wie Mütter nun mal sind, auschließlich um ihre Brut besorgt.
Ich entkam, frag nicht wie lange es gedauert hat. Ein Hang mit felsigem Grund ohne Sand und Humus, ungeeignet für die Eiablage von Kaimanen, war meine Rettung. Viel weiter hätte ich nicht kriechen können, ich zitterte am ganzen Leib, selbst meine Zähne klapperten, dabei war es so heiß, dass mir der Schweiß in Strömen vom Körper rann.
Auf diesem Flecken lag ich, von Erschöpfung übermannt, eingeschlafen oder ohnmächtig geworden, als etwas feuchtwarmes, beharrlich wiederkehrendes, mich weckte und ich in die Augen, eines grossen schwarzen Hundes blickte, der erschreckt von dem Blickkontakt zurücksprang, um mich aus ausreichendem Abstand bellend zu beäugen. Seine lange, rote Zunge fuhr genüßlich über feuchte, gezackte Lefzen, es war ihm anzusehen, wie gern er mir den übriggebliebenen Restschweiß, vom Gesicht geleckt hätte.
Die Sonne stand hoch am Himmel, ich hatte einige Stunden geschlafen. Ich wurde schlagartig hellwach, als ich mich umsah und erkannte, der Hund war nicht allein. Aus dem Schatten einer steilaufragenden Felswand, versteckt in üppig, grünen Blättern und Ranken inspizierten mich kleine, braune Gesichter. Es schienen Kinder zu sein. Ich setzte mich vorsichtig auf, mit dem Gedanken beschäftigt: Wie spreche ich sie an.
Die kleinen Gesichter gehörten tatsächlich zu Kindern, die sich, eins hinter dem anderen versteckend, zögerlich aus ihrer Deckung wagten. Klein machen, möglichst klein machen, dachte ich und rief ihnen, Buenos Dias Amigos rüber, aber es gab kein Echo.
Was sollte ich tun? Ich brauchte Kontakt zu Menschen, Hunger und Durst waren kaum noch zu ertragen. Die Kinder blieben stehen, flüsterten miteinander, redeten auf den Größten ein, schubsten ihn zu mir hin. Endlich, ich sah es seinem Gesicht an, überwand er sich und kam näher. Ich blieb sitzen und lächelte ihn an. Der Junge stand vor mir, deutete auf den Wald und sagte :“Polizia!“
Wie von der Tarantel gestochen sprang ich hoch, weg waren die Kinder, wie vom Erdboden verschluckt.
Ich hatte Angst. Scheinbar ließ der Kapitän nach mir suchen, obwohl ich kaum verstand, welchen Nutzen er sich von einem unwilligen Schiffsjungen versprach. Nur fangen lassen, würde ich mich auf keinen Fall. Entschlossen ging ich einige Schritte in die grüne Wand hinein, jedoch weiterkommen war unmöglich. Hinter Blattwerk und Lianen glatter Fels, ohne Durchschlupf. Aber die Kinder waren in diesem grünen Wirrwarr verschwunden, es musste einen Weg geben. Leise rief ich: „Amigos, Amigos!“ lauschte. Nichts außer dem Gekreisch der Vögel, und dem alles übertönenden sirren, sägen, zischeln und knarren unsichtbarer Heerscharen von Käfern, Schrecken, Faltern, Spinnen, Asseln und Wanzen.
Als ich jämmerlich verlassen, an der Felswand lehnte, wußte ich noch nicht, was den Höllenlärm verursachte, Mariechen, die Aufzählung ist Ausfluß späterer Erfahrungen.
Jedoch, wie heißt es? Wenn die Not am größten, ist Gottes Hilfe am nächsten. In meinem Falle, in Gestalt einer kleinen, warmen Hand die sich in meine schob. Das rettende Händchen, gehörte zu dem Jungen, der mich mit dem Wort Polizia, so erschreckt hatte. Er zog mich hinter sich her, direkt auf einen Vorsprung der undurchdringlichen Wand zu, ich zögerte weiter zu folgen, weil ich fürchtete gegen das Gestein zu prallen. Folgte ängstlich, mit fast geschlossenen Augen und plötzlich war da ein Spalt, nicht breit, aber eben breit genug, um mich durchzwängen zu können. Jenseits des Spalts war eine geräumige Höhle, deren Öffnung den Blick auf mehrere Hütten in einem Talkessel freigab.
Im Hintergrund der Höhle hörte ich Wasser rieseln. Ein Quell sickerte aus der Wand und ergoß sich in ein Becken, in dem einige meiner kleinen Retter, eine Wasserschlacht aufführten.
Trinken, nichts als trinken, löste das gluckern der Quelle, das Gespritze der Tobenden in mir aus. Ich warf mich der Länge nach hin, und steckte den Kopf ins Wasser.
Mein Führer hatte mittlerweile seine Scheu verloren, stand neben mir, wartete bis ich meinen Durst gelöscht hatte. Als ich mich endlich erquickt und nur noch hungrig aufrichtete, deutete er mit einem Finger auf seine Brust und sagte: Fernando! Ich verbeugte mich, zeigte auf mich: Giovanni! Fernando wiederholte leicht fragend, Giovanni? Si, nickte ich. Fernando rief laut, einige mir unverständliche Worte, aus denen aber Giovanni deutlich herauszuhören war. Die Wasserschlacht wurde eingestellt, die kleinen braunen Gestalten umdrängten mich, auf sich deutend kam : Yo Pedro, Santiago, Isabella, Paolo. Ich freute mich, lachte, zeigte auf mich, und rief Giovanni, yo Giovanni!
Das war meine Ankunft in Amerika, Mariechen. Die Flucht sollte zu Ende sein, jedenfalls die unmittelbare Gefahr der Gefangenschaft.
Ich stand noch zwischen meinen kleinen Freunden, als plötzlich wie aus dem Nichts eine erwachsene Indianerin vor mir stand. Sie deutete auf mich und sagte fragend, Giovanni? Si Giovanni, antwortete ich und sie, yo Raffaela und winkte mir, ihr zu folgen. Die Kinder schienen mich fürs Erste vergessen zu haben, sprangen zurück ins Wasser und nahmen ihre Wasserschlacht wieder auf.
Rafaella ging vor mir her, ich folgte ihr in der Hoffnung auf Futter. Das Wort Polizia ging mir nicht aus dem Sinn. Als ich erkannte, Rafaella würde mich einen schmalen Saumpfad, steil abwärts ins Tal herunter führen, rief ich: Rafaella! Sie drehte sich um, sah mich an. Ich deutete auf die tief unter uns liegenden Hütten, fragte: Polizia? Sie lachte, zeigte ihre weissen Zähne und schüttelte den Kopf: No, no Polizia no, no.
Rafaella folgend, konzentrierte ich mich wie noch nie in meinem Leben. Der steil abwärts führende Pfad, den die Frau ohne hinzusehen, trittsicher wie eine Gemse hinuntersprang, kostete mich meine ganze Kraft. Oft war von Tritt zu Tritt, ein ganzer Meter, über einen gähnenden Abgrund zu springen. Rafaella hüpfte von Kluft zu Kluft, von Stein zu Stein, in jeder Hand einen gefüllten Sack, auf dem Rücken einen, mit einem Strick befestigten, hoch mit Grünzeug gefüllten Korb, der bei ihren Sprüngen mal nach rechts mal nach links rutschte, nein taumelte, ohne die Trägerin im geringsten zu beeindrucken.
Endlich waren wir unten. Auf einem kleinen Platz, zwischen den Hütten hockten einige Männer. Rafaella zeigte auf mich, Giovanni rief sie. Die Männer sahen mich an, nickten und wandten sich ihrer Unterhaltung zu. Rafaella führte mich in eine Hütte. Von einem Dreifuß hing ein Topf über offenem Feuer. Der Rauch zog durch ein Loch im Dach ab. Ein aus rohen Brettern gezimmerter Tisch und zwei dreibeinige Hocker waren das ganze Mobiliar.
Rafaella sah nach dem Topf, rührte mit einem langen Scheit darin herum, deutete mit dem Kinn auf einen der Hocker. Ich setzte mich. An der Wand neben der Feuerstelle, waren irdene Gefäße ineinandergestapelt. Meine Gastgeberin nahm einen Krug, schüttete eine dickflüssige Suppe aus dem Topf hinein, hielt ihn mir hin, ließ mich schnuppern, gab mir einen Holzlöffel, machte die Geste des Essens. Der Brei roch nach Mais. Ich hatte gewaltigen Hunger, zögerte keinen Augenblick.
Fast wäre ich an dem ersten Löffel erstickt, den ich nichtsahnend in den Mund schob.Der Suppe war stark gewürzt, mein Kopf schien zu platzen, Schweiß brach aus, ich rang nach Luft, zeigte Rafaella meine Not, wollte aufstehen, trinken. Sie schüttelte den Kopf, drückte mich auf den Hocker, hielt mich dort fest. Ich ließ die Schultern sinken, signalisierend, ich schick mich drein.
Sie blieb bei mir stehen, nur noch eine Hand lose auf meinem Nacken. Das Feuer in Mund, Kehle und Hals beruhigte sich, der Hunger kehrte zurück. Vorsichtig geworden, aß ich körnchenweise, die Schärfe zu mindern.
Ich wurde langsam aber gut satt, eigentlich plagte mich nur noch der Durst. Ich hielt Rafaella meinen Krug hin und sagte agua, sie verstand mich, aber schüttelte den Kopf, hielt beide Hände mit abgespreizten Fingern hoch, nickte freundlich lächelnd. Ich sollte wohl noch warten, bis alle Schärfe vergangen war.
Als sie mir den Krug gefüllt, ich meinen Durst gestillt hatte, bedeutete sie mir zu folgen. Sie führte mich zu den Männern, die vor der Hütte hockten.
Rafaella sprach mit einem grossen dunkelhäutigen Indio ein paar Worte, der Mann sah mich abschätzend an, nickte mir zu. Er stand auf, legte mir kurz eine Hand auf die Schulter und deutete auf den Dschungel, der direkt hinter den Hütten begann, und war schon in der grünen Wand verschwunden. Rafaella ging in die Knie, schleuderte beide Arme zu mir hin, so wie man Hühner scheucht, und ich rannte schleunigst hinter dem Schwarzen her.
Es kostete mich meine ganze Kraft, nach dem ich ihn eingeholt hatte, sein Tempo mitzuhalten.
Nero, so hieß mein Führer wie ich bei einer, nur Minuten dauernden Rast erfuhr, glitt mit schlangenartiger Geschmeidigkeit, zwischen Ranken, Sträuchern, Gräsern hindurch, an kathedralhohen Baumriesen, deren Wurzelwerk allein haushoch war, vorbei.
Fast ohne Rast mit gleichmäßigem Schritt, ohne auch nur einen Blick, auf die uns umgauckelnden farbig, funkelnden Falter zu werfen ging es weiter; weder die keckernden Affen, ecklen handgroßen Spinnen, oder die überbordende Kakaphonie des Regenwaldes konnten seine Schritte hemmen.
Diese Dschungeltour dauerte Tage und Nächte.
Ich folgte Nero, ohne zu wissen warum ich ihm folgte, wo ich war, wer er war. Einzig sein eng um den Schädel geschlungenes rotes Kopftuch, war Fixpunkt meiner Konzentration. Roter Punkt, auf und nieder, verschwinden wieder auftauchen, leben oder sterben, nicht verlieren, roter Punkt, roter Punkt. Nichts sonst nahm ich wahr, nichts zählte als maschinenhaftes ausschreiten und folgen, folgen, dem roten Punkt folgen. Irgendwann tauchten Hütten auf, Menschen.
Ich wachte in einer Matte auf, die zwischen zwei Stangen, unter einem Blätterdach schauckelte. Schreck durchfuhr mich. Gefangen? Das Schiff? Das schauckelnde Schiff auf den Wellen? Ich zwang mich, die Augen einen winzigen Spalt zu öffnen. Was blieb mir übrig, als mich der Wahrheit zu stellen. Bevor ich sah was um mich geschah, hörte ich rufen: Mama, Mama!
Gleich darauf ein lächelndes, braunes Gesicht über mir, eine Hand die meinen Kopf stützte, etwas rauhes an meinen Lippen, und schon umspülte meine verdorrte Zunge, eine nie geschmeckte, fruchtig sauer, süße Köstlichkeit.
Was ich damals noch nicht wusste, Mariechen, ich war angekommen. Auf einem wochenlangen Marsch, hatte mich Nero von Costa Rica nach Nicaragua geschleppt. Warum, sollte ich nie erfahren. Auch Nero hab ich nie wiedergesehen. Er hatte mich abgegeben, und war verschwunden.
Das freundliche, braune Gesicht von Felicitas, die mich mit Maisbrei, Früchten und Saft wieder auf die Beine brachte, erschien noch oft über mir. Irgendwann stand ich wieder auf der Erde. Ich sah mich um, und schon hatten die Kinder mich bemerkt, im nu war ich umringt von kleinen nackten, braunen Leibern. Sie zogen und schoben mich über den Dorfplatz. Aus einer der Hütten kam Felicitas, klatschte in die Hände und ich verstand, bueno gringo. Felicitas freute sich, drückte mich auf eine Bank, holte eine grosse Schüssel Maisbrei, stellte die mir auf die Knie. Sie lachte, meine Fortschritte machten sie stolz.
In diesem Dorf Mariechen, blieb ich lange Zeit. Ich lernte die Sprache der Mayas, und fügte mich ganz in das Leben der Menschen ein. Die Indios bauten Früchte und Mais für den Eigenbedarf an, wurden aber zunehmend von Aufkäufern, die aus den grösseren Orten in die Berge kamen angehalten, Kaffeesträucher anzubauen. Die Ernte, garantierten ihnen die Aufkäufer, würden sie abnehmen. Wenn wegen des vermehrten Kaffeeanbaus, sie keine Zeit fänden Mais und anderes Lebenswichtiges anzupflanzen, sollten sie sich nur auf sie verlassen, was sie brauchten, würde geliefert werden.
So gerieten die Campesinos in stetig, stärkere Abhängigkeit von den Aufkäufern. Die für den Kaffee erzielten Einnahmen reichten bei weitem nicht aus, die gelieferten Lebensmittel zu bezahlen, es kam zu einer schleichenden Enteignung der Indios. Die meisten waren zu abhängigen Arbeitern, auf vermeintlich eignem Grund und Boden geworden.
Da sah ich meine Chance. Ich hatte lange genug im Dorf gelebt, um das Vertrauen der Menschen zu erringen. Sie glaubten mir, als ich ihnen erklärte, wie sie sich aus dem Würgegriff der Aufkäufer befreien konnten.
Im Dorf gab es hoch im Berg eine Fläche, die wegen der Beschwerlichkeit des Weges dorthin, nicht kultiviert worden war. Diese Fläche müssen wir kooperativ bewirtschaften, erklärte ich ihnen. Jeder von euch arbeitet einige Stunden wöchentlich, auf diesem Feld . Die Ernte verkaufen wir nicht an die Aufkäufer, ich werde den Kaffee in die Stadt bringen, dort direkt an die Gringos verkaufen.
Meine Freunde sahen mich an, sie verstanden was ich bezweckte, nur glaubten sie nicht an ein Gelingen.
Was den Ausschlag für ihrer Zustimmung gab: Sie nahmen mich neu wahr. Sie erkannten plötzlich, der da in unserer Mitte, der Tag für Tag mit uns auf die Felder zieht, ist ein Gringo. Ist blond, sieht mit blauen Augen in die Welt. Der hat keine Angst vor der Stadt, ist stärker als die Aufkäufer, der spricht mit den mächtigen Gringos, wie Kaziken mit Kaziken sprechen.
Die Aufkäufer maßen der Weigerung der Dörfler, ihnen den Kaffee von dem neu erschlossenen Feld zu verkaufen, zunächst keine Bedeutung bei. Zu oft hatten sie erlebt, wie Widerstand, ohne ihr Zutun zusammenbrach.
Als die Ernte in vollem Gange war, veranlasste ich, dass unser Kooperativfeld vor den anderen Feldern, unter Einsatz des ganzen Dorfes, an einem Tag abgeerntet wurde. Am Abend dieses Tages zog ich, mit drei der stärksten Männern und zehn vollbepackten Mauleseln auf einem zwar beschwerlichen, aber sicheren Umweg ins Tal und in die Stadt. Schnell erfuhr ich, einer der Kaffeeimporteure war ein Deutscher. Ich besuchte ihn in seiner Niederlassung , stellte mich als Kaffepflanzer vor, übergab ihm einen kleinen Sack mit den geernteten Früchten.
Herr Terboven betastete die Beeren, schnupperte daran und lobte, „absolut excellente Qualität, Senor Schmitz. Würde mich freuen mit ihnen ins Geschäft zu kommen. Wieviel Sack, sind sie in der Lage jährlich zu liefern?“ Auf diese Frage war ich vorbereitet, und nannte ihm die ganze Produktion des Dorfes.
„Tausend Sack dieser ertsklassigen Ware, Herr Schmitz?“ staunte Terboven.
„Gewiß, nein garantiert, gegen eine Gegengarantie.“
„Das heißt Herr Schmitz, ich soll ihnen die Abnahme der tausend Sack garantieren?“
„Ja, Herr Terboven, zu einem für beide Seiten auskömmlichen Preis.“
„Versteht sich, Herr Schmitz, darf ich ihnen sagen wie sehr ich ihren straight talk, wie der Amerikaner sagt, zu schätzen weiß? Also ich kaufe das, was sie im Moment anzubieten haben, zu 10 Dollar den Sack. Sollten sie, und bei ihrer Jugend kann ich mir das fast denken, über keine grösseren, finanziellen Ressourcen verfügen, biete ich ihnen für die nächste Ernte, eine Vorauszahlung für 500 Sack an, wobei ich für diese vorausbezahlte Menge, einen Rabatt von 20% erwarte.“
Mir wurde schwindelig als mir klar wurde, als Vorauszahlung kassierten wir 4000 Dollar und für die 100 mitgebrachten Sack, noch einmal 1000 Dollar. Die Aufkäufer pflegten für die ganze Ernte, nie mehr als 500 Dollar zu verrechnen, wenn es überhaupt soviel war.
Nachprüfbare Abrechnungen, legten die nie vor. Jetzt galt es kühlen Kopf zu bewahren. Ich bat Herrn Terboven, mir behilflich zu sein, bei seiner Bank ein Konto zu eröffnen, wo ich das Geld deponieren könne. Mit einer solchen Summe, mochte ich nicht zurück in die Berge. Sie gefallen mir junger Mann, kommen sie, ich lade sie zum Essen ein. Ich bedankte mich für die Einladung, bedauerte aber sie nicht annehmen zu können.
Wissen sie Senor, erklärte ich, erst lassen sie uns das Geschäft mit dem mitgebrachten Kaffee abwickeln, das Vorauszahlungsgeschäft bei der Bank auf mein Konto einzahlen und dann, bitte nehmen sie es mir nicht Übel, bin ich schon wieder unterwegs. Nächstes Jahr nehme ich mir, das verspreche ich, genug Zeit um mit ihnen zu essen und ihnen Gelegenheit zu geben, mich näher kennenzulernen. Senor Terboven zeigte Verständnis, und wir machten uns noch am gleichen Nachmittag auf den Rückweg.
Mariechen, jetzt wurde es brandgefährlich. Als die Aufkäufer das nächste Mal im Dorf aufkreuzten, erkannten sie sofort woher der Wind wehte, als unser Kazike nicht mit Ware, sondern mit Bargeld zahlen wollte. Was das genau in Geld koste, was sie in den letzten Monaten geliefert hatten, könnten sie so nicht sagen, aber in Kaffee wäre das kein Problem, da würde die komplette Ernte kaum langen, wie das in den Vorjahren, auch schon zu wenig gewesen war, behaupteten die Burschen frech.
Der Kazike war gut vorbereitet, hatte den Einwand vorausgesehen. Also rief er die Frauen, die für die Bestellung und Annahme der Lebensmittel verantwortlich waren, und fragte, was denn im Einzelnen, von den ehrenwerten Senores, geliefert worden wäre. Felicitas zog eine Rolle aus ihrem Rock, entrollte die auf dem Boden. Insgesamt ist folgendes geliefert worden, erklärte sie und rief, „Clara Mais!“
Clara kam mit einem Büschel Mais und einer Schnur, in die 256 Knoten geschürzt waren. Der Kazike sah die Knoten an, rief eine Zahl, und die Aufkäufer schlangen ihrerseits, einen Knoten in eine, von einem Balken herunter hängende Bastkordel. So ging das den ganzen Vormittag. Felicitas rief die Frauen die für Kartoffeln, Bananen, Tomaten und so fort zuständig waren , verglich deren Knotenschnüren mit ihrer Strichliste, und verglichen die Knoten der Lieferer.
Es gab keine Anstände, was die Menge der gelieferten Waren anging.
Jose der Chefaufkäufer war zufrieden, und sagte, „also wir stimmen überein Kazike, wenn du genug Geld hast, dann gib Geld, sonst nehmen wir den Kaffee.“
„Langsam, langsam Jose,“ lächelte Pedro, der Kazike.
„Sag mir, was berechnest du in Geld für die Waren?“
„Was fragst du Pedro? Ich sagte schon, Kaffee oder Geld mir ists gleich!“
„Du verstehst mich nicht Jose, was ist mit dir, bist sonst ein Schlaukopf! Ich will von dir wissen, was kostet ein Büschel Mais, ein Sack Kartoffel, eine Kiste Tomaten, keine Gesamtrechnung, einzeln aufgeführt, bitte. Nur so können wir gegeneinander aufrechnen! Am Ende ist es mir auch egal, ob wir mit Kaffee oder Geld zahlen. Nur wir müssen herausfinden, was ist unser Kaffee wert, und was ist das Wert, was wir von dir bekommen haben.“
Jose schloß die Augen, schüttelte den Kopf, „Kazike ich bin entäuscht und ratlos. Seit ewigen Zeiten leben wir einträchtig miteinander. Ihr baut den Kaffee an, weil er bei euch gut wächst, meine Leute pflanzen was ihr braucht, weil es bei uns gut wächst. Wenn es reif war, haben wir euch Unseres geliefert, ihr uns Eures. So lebten wir gut und zufrieden viele Jahre! Willst du das ändern, Pedro? Unsere alte Freundschaft, ist dir nichts wert?“
„Aber Jose, lachte der Kazike, wert? Teuer, ist mir unsere Freundschaft, sehr teuer! Nur ich will sie erhalten, pflegen, vererben an unsere Kinder! Nur wie wir es getrieben haben, war gut für uns Alte. Die Jungen haben andere Ideen, vor allem die Weiber! Kazike Pedro, gellten sie mir erst gestern auf der Dorfversammlung, mir mit ihren hohen Stimmen in die Ohren! Kazike Pedro, tu was wir dir sagen, oder geh gleich mit runter ins Dorf, zu deinem Freund Jose. Unser Kazike bist du dann nicht mehr! Ja Jose, so sprachen sie zu mir. Das Schlimmste ist, auch meine Töchter und mein Weib, gehören zu denen, die mich vertreiben wollen, wenn ich nicht tue wie sie verlangen. Also hör auf mit Freundschaft, wenn du mich nicht vernichten willst, hilf mir zu tun was die Weiber verlangen.“
„Pedro, ich täte wie du willst, nur wie? Warum nicht wie immer, ich nehm euren Kaffee, und ihr meinen Mais, meine Kartoffeln, meine Tomaten?“
„Weißt du tatsächlich nicht warum? schaltete sich Felicitas ein, du armer, dummer Mann. Hört mal her, der arme Jose kann sich nicht denken, warum wir unseren schönen Kaffee, nicht einfach gegen seinen Fresskram tauschen wollen? Kann ihm eine von euch auf die Sprünge helfen?“
„Ich, ich Felicitas schrie die Clara, ich helf ihm auf die Sprünge!“
„Lieber Jose, begann Clara. Vor zehn Tagen war ich mit Santiago, meinem Mann in der Stadt beim Doktor, weil der Santiago, wie ihr wisst ein böses Auge hat. Beim Doktor wartete eine Riesenmenge, alle wollten behandelt werden. Viele hatten Wunden und Krankheiten, da kann sich der Santiago bedanken, bei unserem Herrn Jesu, das es nur das schlimme Auge ist, das ihn zwickt. Wir kriegten gesagt, vor übermorgen kommt ihr nicht dran, ihr seht was hier los ist, der Doktor hat auch nur zwei Hände.
Also bettete ich den Santiago auf eine Schütte Stroh, dann es hieß warten.
Weil ich nicht krank bin, der Santiago bald auf seinem Stroh zu schnarchen anfing, bin ich in der Stadt, hab mich umgesehen. Dios, die Stadt ist verrückt! Ein wüster, nie endender Lärm! Erbärmlich! Aber Interessantes war zu lernen. Auf dem Markt war ich, und hab diese Schnüre geknotet, lieber Jose!
Für alle Früchte, den Mais, die Kartoffeln, die Bohnen, die Tomaten, zahlen wir bei dir das zehnfache des Preises, der auf dem Markt in der Stadt verlangt wird! Du guter, bester Freund, hast dich an uns gemästet! Hast uns ausgesaugt! Ich hab auch nachgehört, was ein Sack Kaffee in der Stadt kostet, lieber guter Jose! Da ist es noch schlimmer, ein Sack Kaffe von schlechter Qualität, kostet in der Stadt das Zwanzigfache, von dem was du uns verrechnest. Jetzt kann jeder verstehen, warum unser Wohltäter die Preise seiner Waren nicht kennt!
Kazike, wir haben schon ausgerechnet was wir ihm schulden, ausgerechnet nach den Preisen auf dem Markt, in der Stadt. Es sind genau Zweihunderttausend Pesos und kein Peso mehr! Die kann er haben, und wenn er unseren erstklassigen Hochlandkaffee kaufen will, soll er sagen was er zahlt, basta!“
„Du hörst, was die Frauen beschlossen haben, Jose!“ Pedro, stand da mit hängenden Schultern. „Was soll ich machen alter Freund, die Zeiten und mit ihnen die Weiber, haben sich geändert!“
„Ja geändert, Jose, du verdammter Betrüger, schrie Clara dazwischen und glaube uns, nie mehr wird es wie früher werden!“
Jose, zog verächtlich den Rotz in seiner Nase hoch, spie ihn Pedro vor die Füße.
„Also ist der Kazike Pedro, unters Weiberregiment geraten. Glaubt nur nicht das beeindruckt mich! Ich will mein Recht! Meinen Kaffee! Wenn ihr den nicht freiwillig rausrückt, werdet ihr es bereuen. Ich hol die Soldaten, die werden mir zu meinem Recht verhelfen, und wenn sie jede eurer elenden Hütten niederbrennen müssten!“
„Soldaten, äh!? Soldaten du elender Lügner, weißt du was du dir holst?“
Clara, trat mit weitausholenden Schritten, auf Jose zu, ehe der es sichs versah, holte sie aus und schlug ihm links, rechts, links, rechts mitten ins Gesicht. Jose taumelte zurück, Blut sprang ihm aus der Nase, die Frauen johlten und lachten, schüttelten drohend ihre von der Arbeit harten Hände, gegen Jose und seine Knechte.
Das war ein einzigartiger Tag in Cajin. Seit Menschengedenken hatte es so etwas nicht gegeben. Ducken und dienen, war Jahrhunderte lang die Maxime der Campesinos gewesen, und jetzt das. Durchaus nicht alle, waren mit der Entwicklung einverstanden. Besonders unter den Männern, keimten Bedenken. Manchen mochte schwanen, dass auch ihre Tage der Herrschaft über die Frauen, zu Ende gingen. Zum Glück stand der Kazike ganz auf Seiten der Rebellinnen. Sicher, zerstreute er die Bedenken der Wankelmütigen, sicher werden unsere Frauen in Zukunft mehr zu sagen haben. Jeder Christenmensch ist vor Gott gleich! Wo steht geschrieben, dass Frauen doppelt soviel arbeiten müssen wie Männer, wobei sie nur über die Hälfte unserer Kräfte verfügen?
„Stop Kazike, so stimmt das nicht,“ rief Santiago, Claras Ehemann. „Meine Frau ist doppelt so stark wie ich, und wie sie eben den Jose traktiert hat, ist es mir , wie ihr wisst, schon oft ergangen!“
„Nein, nein, Santiago so nicht,“ der Kazike ließ sich nicht beirren. „Wir wissen, sie prügelt dich, aber wir wissen auch, sie prügelt dich zu wenig, du bist der größte Lügner, Aufschneider und Tequillasäufer im weiten Umkreis! Wenn sie dich nicht prügelte, was würde aus dir!“
So ging das noch lange, zwischen Befürwortern und Gegnern, der neuen Lage hin und her. Manche hatten erwägenswerte Bedenken vorzubringen, andere nur Unsinn. Raus kam zum Schluß, ein zurück gab es nicht mehr. Zu groß war die Jose angetane Schmach. Zu Kreuze kriechen, würde bedeuten für ewige Zeit zu Ungeziefer, ja Ungeziefer bekräftigte Pedro, degradiert zu werden.
Also Mariechen, unterbrach sich JS, und nahm einen tiefen Schluck aus der Tequillaflasche, die er um seiner Erinnerung auf die Sprünge zu helfen, schon halb geleert hatte.
Ich mischte mich wieder ein. Während der Auseinandersetzung mit Jose, und auch beim Palaver der Dörfler, hatte ich mich zurückgehalten. Jetzt aber war ich gefragt.
„Kazike Pedro, wenn ich einen Rat geben darf?“
„Sprich, Gringo,“ gab mir Pedro das Wort! Ich stellte mich auf einen Hocker, damit mich alle sehen konnten. „Freunde!“ rief ich laut damit mich jeder hörte, „was jetzt not tut, ist Vorbereitung auf einen Überfall, von Joses Banditen. Banditen, ich wiederhole das, denn Soldaten unterstützen keine Räuber.
Wir haben drei gute neue Gewehre, aus denen man ohne nachzuladen, je sechs Schuß abgeben kann. Das sind achtzehn Schuß, wenn wir gut zielen, achtzehn tote Banditen. Außerdem sind wir ungefähr fünfzig Männer und fünfzig Weiber, das bedeutet hundert Experten mit der Machete.
Wichtig ist, wir lassen uns nicht überrumpeln. Ich, Paco und Zinti, haben uns im Schießen mit den neuen Gewehren geübt, wir halten heute Nacht Wache. Aber wir müssen auch schlafen, also müssen alle an den Gewehren ausgebildet werden, Männer wie Frauen. Heute noch beginnen wir damit, wenn Pedro es erlaubt?“
„Fang an!“ befahl der Kazike.
„Ihr habt gehört was der Kazike befohlen hat! Sechs Männer und sechs Frauen freiwillig vor!“
Jeder wollte schießen lernen, Mariechen, ich konnte die Klügsten und Entschlossensten auszuwählen. Bei den Frauen waren Felicitas und Clara bei den Ersten.
Am Dorfrand stellten wir vor einem Erdwall eine Planke auf, malten einen dicken roten Klecks drauf, das Ziel. Wir übten den halben Tag ohne Munition, solange bis die Bedienung der Flinten, wie im Schlaf gelang. Kammer auf, Kammer zu, peilen über Kimme und Korn, Finger am Abzug, Druckpunkt suchen, finden, abdrücken, treffen! Hurra!
Jetzt kam die Bewährung. Jeder lud sechs scharfe Patronen in sein Gewehr, Einer nach dem Anderen, durfte jeweils einen Schuß auf die rote Markierung abgeben.
Clara, begann. Sie legte sich auf den Boden, stabilisierte die Flinte auf dem Baumstamm, der Deckung und Auflage war. Zielte sorgfältig und drückte ab. Der Knall ließ uns zusammenfahren, dann ein Jubelschrei, Clara hatte getroffen. Felicitas die als Erste zum Ziel gerannt war, tanzte außer Rand und Band, die Arme hoch erhoben, mit den Fingern schnippend, vor dem Ziel eine Cerveja.
Hier geschah etwas Außerordentliches, wurde mir klar: Eine Frau hatte als erste die Prüfung mit der Feuerwaffe, einem Gringozauber, bestanden. Ich musste jetzt vorsichtig sein, das Prestige der Männer stützen, sonst konnte das üble Folgen für die Dorfgemeinschaft haben. Also war ein Mann der nächste Schütze. Gottseidank traf er, und ich ermunterte ihn, es noch einmal mit der zweiten Kugel zu versuchen. Rumms! Wieder ein Treffer! Er lag da vor dem Baum, das Gewehr halb an der Wange, schielte zu mir hoch, ich nickte, er zog den Kolben in die Schulter, zielte kurz und wieder, Volltreffer! Mir fiel ein Stein vom Herzen, die Ehre der Männer war gerettet.
Felicitas und Clara zwinkerten mir zu, so ich ließ den Männern den Vortritt. Bis auf einen, verfehlte keiner sein Ziel. Carlo dem Unglücksschützen, gab ich zwei neue Kugeln, instruierte ihn nochmals eingehend, dann brachte er die zwei extra Schuß, sicher ins die Mitte der Markierung. Die Männer hakten sich unter, marschierten stolzgeschwellt durchs Dorf. Es war ihnen plötzlich egal, ob Clara und Felicitas, die noch schießen mußten, trafen oder nicht, was interessierte sie der Weiberkram. Felicitas die noch nicht dran gewesen war, gab nur einen Schuß ab, und der saß. Genug Gringo, meinte sie, und Clara schloß sich ihr an. Wir wissen jetzt wie geschossen wird, und im Übrigen überlassen wir das den Männern.
Am Abend bezogen wir unsere Posten am Ende der Schlucht, wechselten uns mit den neu ausgebildeten Schützen ab, aber alles blieb ruhig. Wir ließen uns nicht verleiten in unserer Wachsamkeit nachzulassen, obwohl Nacht für Nacht nichts geschah. Ein Monat war vergangen, ohne dass sich etwas geregt hätte.Wir verringerten unsere Posten auf zwei Leute, einen bewaffnet, nahe beim Dorf und einen unbewaffneten, guten Läufer, der die Umgebung abstreifte.
Es war Neumond und der Himmel schwer von dicken Regenwolken. Man sah nicht die Hand vor Augen, da kamen sie.
Ich schlief, als der Läufer mich weckte.
„Gringo, sie kommen!“
„Weck die Anderen!
„Schon geschehen, Gringo!“
„Wo sind sie? Noch eine halbe Stunde Wegs, in der Schlucht etwa zwanzig Mann, erhob beide Hände zweimal, zwanzig Mann!“
„Gut ich komme!“
Zwei Mann mit Gewehren standen bereit, ich rief einen der frisch Ausgebildeten, gab ihm mein Gewehr.
„Du musst für mich schießen, erklärte ich ihm, als Gringo möchte ich keinen Indio töten, könnte Übel für mich ausgehen.“
„Si, si, Gringo,“ unterstützte mich der Kazike, „nur wir sehen sie nicht bei der Dunkelheit, wie sollen wir schießen und treffen?“
„Zünde den Schuppen mit dem Maisstroh an, Kazike, wenn sie nahe genug sind. Sie werden überrascht sein und fliehen, oder uns sofort angreifen. Wenn sie sich davon machen gut, sollte sie angreifen schießen.“
Wir konnte den Trupp als er näher kam gut hören, die mussten sich sehr sicher fühlen.
Als sie nur noch wenige Schritte entfernt waren, warfen die Frauen Brände von ihren Feuerstellen in das trockene Stroh, das augenblicklich lichterloh brannte. Wir waren geblendet, die Angreifer zusätzlich erschreckt, denn der Kazike brüllte mit Donnerstimme:
„Die Hände in die Luft, Banditen, oder wir schießen jeden nieder!“
Die Stille nach dieser Ankündigung, wurde unterbrochen durch das durchladen der Gewehre, mehrmals durchladen, hatte ich angeordnet, das hört sich nach sehr viel mehr Gewehren an.
Aus der hintersten Reihe antwortete Jose, mit vor Staunen und Schreck fistelnder Stimme:
„Pedro, wo hast du die Gewehre her?“
„Tritt vor Jose, wenn du nicht sterben willst!“ donnerte der Kazike.
Jose kroch nach vorne, „ Pedro, alter Freund..“...
„Schnauze!“ schnitt Pedro ihm das Wort ab, „deine Leute da vor die Wand, die Arme schön hoch, sonst knallts!“
Jose drehte sich um, rief tut was er sagt, und ging knickbeinig, die Hände zum Himmel gestreckt zu der Hütte. Es dauerte kein Augenzwinkern, da lagen alte Vorderlader, Macheten und fünf brandneue Gewehre, vor dem brennenden Schober.
„Weg damit!“ befahl der Kazike, „Banditen vor die Wand, neben euren Führer
Jose, du kannst lesen,“ Pedro reichte ihm ein Papier, „lies laut vor und unterschreibe!“
Jose las: „Ich, Jose Andales, bekenne die Dörfler von Cajin, jahrzehntelang betrogen zu haben. Ich bedanke mich für die Großherzigkeit des Kaziken, Don Pedro, mich nicht weiter zur Rechenschaft zu ziehen. Für die gelieferten Waren die noch nicht bezahlt sind, akzeptiere ich 200.000.- Pesos und bekenne mit meiner Unterschrift und vor Zeugen, das ich keine weiteren Forderungen aus der Vergangenheit, und keine Rechte für die Zukunft, gegen einzelne Bewohner von Cajin sowie die Dorfgemeinschaft, und deren Grund und Boden habe.
Aber Pedro,“ wagte Jose einen Einwand.... Pedro nickte Pablo zu, der sein Gewehr in Anschlag drei Meter vor Jose stand.
„Blas ihm das Hirn raus, Pablo!“ Pablo, lud durch, ging ganz nah an Jose ran, und legte ihm die Mündung ans Gesicht.
„Nein! Nein!“ schrie Jose.
Pedro, reichte ihm einen Bleistift, schreib!
Jose schrieb.
Pedro, nahm das Dokument an sich. Pablo nahm das Gewehr weg.
Pedro befahl: „An die Gewehre!“ Mit den erbeuteten fünf, richteten sich acht Gewehre auf die vor der Hüttenwand aufgereihten Banditen.
„Wir lassen euch laufen,“ schrie Pedro, mit vor Aufregung und wohl auch Stolz, brüchiger Stimme. „Wir geben euch auch, weil ihr betrogene und ausgenutzte Campesinos seid wie wir, eure Macheten zurück. Wir wissen, ohne seine Machete verhungert ein Campesino. Solltet ihr es je wagen, unser Dorf ohne vorherige Ankündigung durch einen Botschafter zu betreten, wird ohne Warnung geschossen! Jetzt weg mit euch.“
Wie der Blitz waren unsere lieben Freunde in der Dunkelheit verschwunden.
Soweit Anettchen, erst einmal der Lebensbericht von JS. Was ich eigentlich wissen wollte, mich im Grunde mehr interessiert hätte, als die Räuberpistolen seiner ersten Jahre in Amerika, war von Imari und seiner Familie zu erfahren. Aber da war JS verschlossen wie eine Auster. Abenteuer ohne Ende hatte er erlebt, war auch bereit davon zu erzählen, mir die Hintergründe seines Aufstieges zu einem der reichen Männer Nicaraguas aufzuzeigen.
Ein reicher Mann, wie er nie zu betonen vergaß, nicht auf Kosten anderer, vor allem nicht meiner Freunde der Indios. Gerade sie, haben von meinem Aufstieg den größten Nutzen gehabt. Mein Verdienst ist es, sie vom kooperativen handeln überzeugt zu haben. Mein Unternehmen kaufte ihnen, ihre gesamten Produktionen zu auskömmlichen Preisen ab, schützte sie so, vor den Preis und Bedarfs Schwankungen des Marktes. Für dieses ihnen abgenommene Risiko, konnte ich mich schadlos halten, wenn der Trend in meine Richtung lief. Da dies oft genug geschah, wuchs mein Kapital, damit die Sicherheit der Produzenten, die einen verlässlichen, solventen Abnehmer hatten.
 



 
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