Jugendjahre

Rikyu

Mitglied
Über die nächsten Jahre gibt es nicht viel zu berichten: der junge HOSHEI Rikyu wuchs heran und machte seine Flegel– und Knabenjahre durch. Während dieser ganzen Zeit wurde er von seinem CHOSON-Lehrer betreut. MORJ Akimoto war unermüdlich.
Jahre waren ins Land der Wunder gegangen. Vieles hatte sich verändert, manches war geblieben. Rikyu war inzwischen ein junger Bursche. Er fühlte sich recht wohl, obwohl er ein anderes Aussehen hatte als die Menschen, die ihn umgaben.
Immer wieder durfte er mit seinem Pflegevater an einer Segeltour teilnehmen, wenn zum Beispiel eine neue Segelstellung oder eine veränderte Takelage getestet werden sollte. Niemals jedoch erhielt der junge CHOSON die Möglichkeit, an einem Ernstfall, an einer Kaperfahrt, teilzunehmen.
Sein Erzieher, der inzwischen greise MORJ Akimoto, erzählte ihm von den Gebräuchen seines Volkes, des Volkes der CHOSON, von dem bisher noch niemand auf MAGIRA wusste, wo es zu finden war – mit Ausnahme der CHOSON natürlich. Von diesen aber dachte niemand daran, dieses Geheimnis zu lüften.
»Höre, Rikyu-san, höre die Geschichte unseres Volkes:
Wisse, dass niemand zu sagen weiß, wo der Ursprung unseres Volkes, unserer Rasse liegt.
Das erste, von dem berichtet wird, ist eine große Katastrophe, welche die CHOSON aus ihrer ursprünglichen Heimat vertreibt. Es gibt dem Vernehmen nach mehrere Gruppen von Schiffen, die unabhängig voneinander aus der alten Heimat fliehen. Wir verlieren den Kontakt mit den anderen Schiffen. Niemand vermag zu sagen, was aus ihnen wird.«
Akimoto machte eine kleine Pause und ließ seine Worte wirken.
»Worüber wir mehr wissen, sind die letzten tausend Jahre.
Das Reich wird von Kriegern überfallen, die mit Dämonen zusammen arbeiten. Gegen schwarze Magie dieser zweiten Katastrophe kann sich unser Volk letztlich nicht behaupten und so bricht es erneut auf.
Unsere Schiffe erreichen schließlich die Inseln der sudlichen Sonne. Doch auch hier finden wir lange keine Ruhe und müssen Kriege führen, bis wir letztlich für viele lange Jahre Frieden erringen. Er hält bis heu…«
»Wenn du diesen Unsinn noch weiter erzählst, wird dein Frieden aber nicht mehr lange dauern, Alter. Dafür werde ich dann schon sorgen.«
Santas-Gor, denn kein anderer war es, der sich unbemerkt angeschlichen und eine Weile gelauscht hatte, lachte hämisch. Er war sehr mit sich zufrieden, dass es ihm gelungen war, diesen Fremden zu erschrecken. Hoffentlich würde er eine Weile daran denken.
MORJ Akimoto hatte beim ersten Wort blitzartig an die Stelle gegriffen, an der sich normalerweise seine Waffe befunden hätte – nur dass er schon seit langen Jahren kein Schwert mehr trug. Die Reflexe funktionierten aber noch immer.
Dann drehte er sich langsam, sehr langsam um. Er sprach kein Wort, schaute den Korsaren nur an.
Santas-Gor machte ohne weitere Worte kehrt und ging in sein Haus. Auch jetzt würdigte Akimoto den Vorfall mit keiner Silbe. Rikyu schwieg ebenfalls. Natürlich hatte er erkannt, dass sein Lehrmeister eiserne Ruhe bewahrte und bemühte sich, es ihm gleichzutun.
Schließlich drehte sich Akimoto wieder zurück. »Später werde ich dir erzählen, wie es weiterging, Rikyu-san. Merke dir gut, was ich dir berichtetet habe. Geh’ nun!«
Der Junge schlich davon, während er darüber nachdachte, was seinen Pflegevater dazu gebracht haben mochte, derart seine Ruhe zu verlieren. Es wurde ihm gar nicht bewusst, wie sehr sich sein Denken schon von dem der Korsaren unterschied. Diese lebten nur für den Augenblick – sie kümmerte es nicht, was vor ihnen lag, wenn es nicht auf ihre augenblickliche Lage Einfluss hatte. Ihnen galt der innere Frieden nichts; Ausgeglichenheit war ihnen fremd.
Für den jungen CHOSON jedoch gewannen diese Werte immer größere Geltung. Er konnte ja nicht wissen, dass diese Haltung, diese Einstellung, das eigentliche Erbe war, das ihm Akimoto gab und das ihm sonst niemand vermitteln konnte.
Den Jungen als CHOSON erziehen zu können, war auch der Grund gewesen, warum sich MORJ Akimoto den Korsaren angeschlossen hatte. Er freute sich, dass diese Geisteshaltung schon ein Teil von Rikyu geworden war. Niemand konnte sie ihm nun noch nehmen.
»He, Rikyu!« Der Junge schrak zusammen. Bekam er jetzt den Unwillen des Kaperers zu spüren? »Schläfst du mit offenen Augen?« Der Sprecher, ein untersetzter, beleibter Korsar, schien Spaß an der Sache zu haben. »Dein Vater will dich sehen und er scheint keine besonders gute Laune zu haben.« Ein Grinsen begleitete diese kleine Rede. Den Jungen jedoch traf der Hohn nicht. »Am besten, du machst dich gleich auf den Weg zu ihm.«
Rikyu bemühte sich, keine Regung zu zeigen und wandte sich der Unterkunft seines Pflegevaters zu. Dort aber – einer plötzlichen Eingebung folgend – benutzte er nicht den großen Eingang, sondern ging um das Gebäude herum, eine kleine Nebenpforte suchend, die zwar nicht verschlossen war, jedoch kaum benutzt wurde.
Er glitt hindurch und schaffte es, ungehört zum Kaperkapitän vorzudringen. Zwei Schritt schräg hinter ihm blieb er stehen und rührte sich dann nicht mehr. Der Kapitän hatte mehrere Karten vor sich ausgebreitet und hantierte mit verschiedenen Listen, die er offenbar gegeneinander abglich. Zwischendurch suchte er immer wieder einen Punkt auf der größeren Karte vor sich.
Santas-Gor überlegte, doch er schien nicht zufrieden zu sein. Er brummte unwirsch vor sich hin und griff erneut nach den Listen, die vor ihm lagen. Zwei davon glitten vom Tisch und segelten bis dicht vor Rikyus Füße. Der Korsar grunzte noch unwilliger und bückte sich schwerfällig, um sie wieder aufzuheben.
Jetzt erst bemerkte er, dass unmittelbar neben den beiden Blättern ein Paar Füße stand. Er stutzte und schaute hoch.
»Warum machst du dich nicht bemerkbar, wenn du zu mir kommst, Rikyu?« – »Du schienst sehr beschäftigt, da wollte ich nicht stören. Verzeih’, wenn ich deine Arbeiten unterbrochen habe.«
Diese Worte besänftigten Santas-Gor offenbar. Zumindest klang das Brummen, das er jetzt von sich gab, einladend. »Setz dich zu mir, mein Sohn, und höre!« Er machte eine Pause und fuhr dann fort. »Gasbau-Hug berichtete mir, dass du gut mit Karten umzugehen verstehst. Nun, ich möchte sehen, wie weit deine Kenntnisse reichen.«
Der Kapitän griff zu der großen Karte und deutete auf einen Punkt am oberen Rand. »Hier sitzen wir in unserem Nest im Est von Ish.« Santas-Gor klang sehr überzeugt. »Niemand wird uns hier finden, denn niemand käme je auf die Idee, hinter dem Blattvorhang am Eingang etwas anderes zu vermuten als massiven Fels.« Die Pause, während der er Luft holte, um fortzufahren, nutzte Rikyu, um einen Einwand vorzubringen.
»Entschuldige, wenn ich dich unterbreche, doch es könnte wohl möglich sein, dass ein fremdes Schiff, das genau auf die Wasserströmungen achtet, die Einfahrt findet. Dann wäre diese Bucht entdeckt.« – »Ach was, der Pflanzenvorhang ist viel zu dicht, um auch nur eine kleine Strömung durchzulassen.« Santas-Gors Laune schien sich wieder zu verschlechtern, daher unterdrückte der Junge einen zweiten Einwand. Sein Pflegevater sprach weiter.
»Wir sind zwar hier absolut sicher, Rikyu, aber dennoch ist es von Vorteil, auch außerhalb unseres Schlupfwinkels noch Möglichkeiten zur Verfügung zuhaben, um uns zeitweilig zu verbergen.« Er wies auf eine Stelle der großen Karte. »Eine solche Stelle habe ich hier gefunden. Hier werde ich einen Nothafen anlegen. Und du,« sein Blick richtete sich auf seinen Pflegesohn, »du wirst mir dabei helfen.« Santas-Gor wandte sich wieder den Listen zu, die auf dem Tisch verstreut herumlagen. Er suchte drei von ihnen heraus und reichte sie ihm. »Diese Ausrüstung wirst du zusammentragen und im Schiff verstauen. Dazu kannst du den vorderen Laderaum benutzen. Danach meldest du dich wieder bei mir – durch den vorderen Eingang!« setzte er noch hinzu.
Sprachs, drehte sich herum und widmete sich den noch übrigen Pergamenten. Rikyu verschwand, um den Auftrag auszuführen.
Schwer war es nicht, die verlangte Ausrüstung herbeizuschaffen. Weniger einfach dagegen erwies es sich, die Ladung sicher im Schiff zu verstauen, ohne dass Gefahr des Verrutschens bestand. Doch schließlich war auch das geschafft.
Rikyu ging wieder zum Haus, in dem er seinen Vater, seinen Pflegevater, wusste. Jedes Mal verbesserte er sich in Gedanken und sagte sich, dass sein leiblicher Vater tot sei und dieser Mann nur für seine Erziehung sorgte. Vater? Nein, Vater konnte er zu ihm nicht sagen.
Santas-Gor hörte sich seinen Bericht an und nickte dann zufrieden. »Gut, mein Sohn, hole jetzt deine Ausrüstung und geh’ aufs Schiff. Wir werden gemeinsam den kleinen Hafen zu einer Zuflucht machen.«
Er wollte sich schon abwenden, als ihm noch etwas einzufallen schien. »Was hast du eigentlich mit der Strömung, gemeint, die uns hier verraten könnte, heh?«
Rikyu war nur einen Augenblick lang überrascht, schließlich kannte er seinen Pflegevater. »Wenn es dir wichtig erscheint, will ich dir gerne erklären, was ich mir überlegt habe.« Rikyu holte Luft.
»Rede nicht immer so hochtrabend daher!« fiel ihm der Kapitän aber ins Wort. » ‚Verzeih, wenn ich dich gestört haben sollte’, ‚Entschuldige, wenn ich dich unterbreche’, ‚Wenn es dir wichtig erscheint’ « Santas-Gors Augen verengten sich etwas. »Wenn ich meine, dass du zu mir kommen sollst, so ist das mein Wille und hast dich nicht zu entschuldigen. Und wenn ich dich auffordere, eine Frage zu beantworten, so antwortest du mir gefälligst in klaren Worten. Verstanden?«
»Ich habe verstanden!« Rikyu straffte sich unmerklich. »Warum ist das Wasser in der Bucht nicht stinkend und trübe? Warum finden wir hier keine Mücken, die uns plagen? Warum wird der Abfall, den wir ins Wasser werfen, nicht unüberschaubar?
Bleibt nicht nur die Möglichkeit, dass hier immer frisches Wasser vorhanden ist? Woher kommt dieses Wasser? Von außen? Wahrscheinlich nicht! Aber woher dann? Es muss einen Zufluss geben, den wir noch nicht entdeckt haben. Er sorgt dafür, dass das schlechte Wasser aufs Meer geschwemmt wird. Wer trägt unseren Abfall mit sich und nimmt damit den Mücken die Brutstätte?«
Rikyu hatte seine Gedanken ausgesprochen und trat einen Schritt zurück. Er überließ es Santas-Gor, den letzten Schluss zu ziehen.
Dieser war still geworden. Er überlegte eine Weile und schaut dann wieder seinen Sohn an. Nein, nicht seinen Sohn, verbesserte er sich, seinen Pflegesohn, den dieser Fremde ihm anvertraut hatte.
Der Korsar nickte ihm wohlwollend zu. »An deinen Gedanken scheint etwas dran zu sein, mein Junge. Schicke Gasbau-Hug zu mir.« Damit war der junge CHOSON entlassen.
Wenig später, er hatte gerade seine persönliche Ausrüstung an Bord geschafft, wurde er Zeuge, wie der Stellvertreter seines Pflegevaters einige Leute anfuhr, die ein Fass mühsam über einen schmalen Laufsteg an Bord rollten. Als sie nicht sofort reagierten, griff Gasbau-Hug zu seiner Knute und zog sie den beiden Korsaren über den Rücken. Danach kümmerte er sich nicht mehr um die Leute.
Rikyu trat näher, um den Gemaßregelten einige aufmunternde Worte zukommen zu lassen, als Gasbau-Hug wieder auftauchte. »So ist das also: hinter meinem Rücken und dem deines Vaters hintergehst du meine Anordnungen und versuchst, meine Leute aufzuwiegeln, damit sie ihre Arbeit nachlässig versehen! Warte nur, ich werde dir helfen!« Er holte mit seinem Stock aus und machte Anstalten, auch Rikyu einen Hieb zu verpassen.
Wenn er aber damit gerechnet haben sollte, dass sein Gegenüber zusammenzuckte und sich unwillkürlich aus seiner Reichweite bringen wollte, sah er sich enttäuscht. Rikyu erwartete den Schlag ohne die geringste Bewegung.
Gasbau-Hug besann sich gerade noch rechtzeitig, ließ die Knute wieder sinken und schlich brummend davon.
War es die stolze Haltung des Jungen, war es dessen Ruhe, mit der er den Hieb erwartete und die ihn zögern ließ? Oder war es seine Stellung als Pflegesohn? Gasbau-Hug wusste es selber nicht.
Stattdessen machte er nur seinem Chef Meldung über den Vorfall. Doch zu seinem Erstaunen winkte dieser nur ab. Gasbau-Hug verstand die Welt nicht mehr. Sah denn auch der Kapitän nicht, wie die Moral seiner Leute immer mehr abglitt?
Er zuckte die Schultern. Jetzt fehlte nur noch, dass Santas-Gor diesem Findling recht gab und ihn vielleicht sogar deckte. Doch dann zuckte er noch einmal die Schultern und ließ die Sache auf sich beruhen. Was ging ihn das eigentlich an, he?
Nicht so Rikyu. Bei der nächsten Gelegenheit suchte er Akimoto, seinen Vertrauten und Lehrmeister, auf und erzählte ihm dieses Erlebnis. Es war ihm ein Bedürfnis, sich mitzuteilen.
Die Augen des Alten leuchteten auf, als er vernahm, wie sein Schützling dem Angriff des Korsaren begegnet war.

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Wieder waren einige Jahre ins Land der Wunder gegangen.
Bei sehr wechselhaftem Wetter – es gab steile Seen – überlegte Santas-Gor, ob er seinem Schiff das Risiko des Auslaufens zumuten konnte, nur um vielleicht ein Handelsschiff aufzubringen, das der Sturm hierher verschlagen hatte. Würde sein Schiff das aushalten, von dem er hoffte, dass es andere Schiffe nicht überstünden?
Der Entschluss war nicht leicht.
Er fuhr auf. War da nicht eben ein Ruf gewesen? Mit zwei schnellen Sätzen stand er an der Tür seines Hauses und spähte zum Wachtposten hinüber, der die Umgebung der Einfahrt im Auge behielt.
Tatsächlich! Er hatte richtig gehört. Jetzt konnte er auch verstehen, was der Ausguck gegen den Sturm brüllte: »Schiff in Seenot! Treibt dwars aus Ydd auf uns zu!« – »Seenot?« Santas-Gors Stimme trug mühelos zum Posten. »Der Großmast ist gebrochen und die Fock ist über Stag. Das Schiff gehorcht dem Ruder nur noch sehr schwerfällig, Herr!«
»Beobachte weiter und melde jede Veränderung!« wies der Kapitän ihn an und stapfte dann aus der Hütte. Seinen Stellvertreter Hartamos – längst schon war Gasbau-Hug von den Fischen gefressen – brauchte er nicht zu suchen, er kam bereits auf ihn zugelaufen.
»Kapitän!« keuchte er schon im Laufen, »das Schiff treibt genau auf das Riff yddlich von uns zu. Wenn es aufläuft, haben wir leichtes Spiel mit ihnen. Wir…«
»Genug davon!« herrschte Santas-Gor ihn an. »Ich weiß selbst, was das bedeutet. Lass das Schiff klarmachen! Und beeile dich!« rief er ihm noch nach, denn Hartamos war schon auf dem Weg, um den Befehl auszuführen und fiel in Trab.
»Schiff kommt näher. Direkter Kurs auf das Riff!« Das war wieder der Posten. »Wind frischt auf!«
Santas-Gors Gedanken überschlugen sich. Würde der Sturm noch stärker, wäre es vielleicht nicht mehr ratsam, das Schiff aus der schützenden Bucht hinauszulassen. Das fremde Schiff war ihnen auch so sicher. Durch die Wartezeit würden ihnen lediglich einige Fässer verloren gehen, die das Wasser wohl über Bord spülen würde.
»Wind wird stärker! Wellen brechen sich!«
Das war die Entscheidung. »Hartamos!« Der Korsar stockte mitten im Lauf, schaute sich um und kam wieder auf seinen Vorgesetzten zugelaufen.
»Belege Befehl! Wir laufen nicht aus. Das Risiko ist unnötig groß für uns. Wenn sich der Sturm beruhigt hat, sehen wir nach, was für uns übriggeblieben ist. Sag den Leuten Bescheid!« Damit drehte er sich um und verschwand wieder in seiner Hütte.
Plötzlich stand er vor dem CHOSON. Rikyu schien aufgeregt. »Laufen wir aus?« – »Nein, der Sturm ist schon zu kräftig für uns. Warum soll ich meine Männer und das Schiff aufs Spiel setzen, wenn sie morgen die gleiche Beute ohne Gefahr bekommen kön-nen?«
»Aber – was soll mit den Männern auf dem Schiff dort draußen geschehen? Willst du sie elend umkommen lassen?«
»Was mit ihnen geschehen soll? Ersaufen sollen sie! Schließlich waren sie verrückt genug, in einem solchen Wetter segeln zu wollen. Sollen sie jetzt auch die Quittung dafür bekommen. Was kümmert es mich, was aus ihnen wird?« Sprachs und ließ seinen Pflegesohn stehen.

Rikyu stand noch einen Augenblick unsicher da, suchte dann aber seinen Lehrer auf und legte ihm sein Problem dar.
»Akimoto-sensei, du hast mich gelehrt, dass das Leben nichts wert ist, wenn die Ehre, die persönliche Ehre, nicht im Einklang mit dem Leben steht.
Kann es der Ehre abträglich sein, zu versuchen, diese Menschen da draußen zu retten? Gegen den Willen des Kapitäns?
Kann ich es mit meiner Ehre vereinbaren, nichts zu tun?«
Akimoto blieb lange still. Er war sehr stolz darauf, dass die Lehren, die er seinem Schützling immer wieder eingeprägt hatte, nun solch prächtige Früchte trugen. Rikyu fragte nicht einen Augenblick lang nach seinem Leben, wenn es darum ging, seine Ehre zu schützen, sie rein zu halten. Gleichzeitig war er sich seiner Sache auch nicht so sicher, als dass er sich ohne Überlegung in ein Vorhaben gestürzt hätte, das er nicht überblicken konnte.
Bedächtig legte ihm der alte CHOSON die Hand auf die Schulter.
»Wenn dein Gewissen sagt, dass du etwas tun musst, Rikyu-san, so tue es. Wenn die Ehre verlangt, dass du handelst, so zögere nicht. Doch bedenke immer, für wen du es tust und auch, auf welche Weise du es tun willst.
Rikyu-san, ich habe dir keine Vorschriften zu machen. Diese Entscheidung wird deine eigene sein.«
Der Angesprochene war sich jetzt selbst nicht mehr so sicher – er hatte sich eine eindeutige Antwort von seinem Vertrauten erwartet, die ihm helfen würde, seine Entscheidung zu treffen. Stattdessen wich sein Lehrmeister einer direkten Aussage aus und verlegte sich auf allgemeine Worte.
Rikyu ahnte aber mehr denn er wusste, dass er alleine zu einem Entschluss würde kommen müssen. Wie hatte Akimoto doch gerade gesagt? ‚Wenn deine Ehre verlangt, dass du handelst, dann zögere nicht.’ Es stimmte. Wenn er nicht wenigstens versuchen würde, die Menschen dort draußen zu retten, könnte er sich das nie verzeihen. Immer hätte er dann das Bedürfnis, auf sich selbst zu spucken.
Aber – durfte er sein Leben aufs Spiel setzen, wenn nicht einmal ein Schiff, das doch widerstandsfähiger war als ein Boot, den tosenden Gewalten mit Sicherheit trotzen konnte? Hatte es überhaupt einen Sinn, etwas unternehmen zu wollen?
Hatte es überhaupt einen Sinn? Hatte es Sinn, noch weiter darüber nachdenken zu wollen? Sein Gewissen und sein Ehrgefühl sagten ihm, dass er den Versuch unternehmen musste, selbst wenn es ihn das Leben kosten sollte. Dafür aber würde seine Ehre erhalten bleiben.
Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, war ihm sofort viel, viel leichter zumute. Er wusste plötzlich, dass er sich richtig entschieden hatte und auch die Art und Weise, in der er vorzugehen hatte, war ihm plötzlich vollkommen klar.
Er wandte sich um und rief einige Männer heran, die gerade den Kaperer verließen.
»Mervin-Tah! Olovson! Ampor-Gol! Hierher! Und ihr drei dort auch! Wir machen das kleine Boot flott und fahren hinaus!«
Keiner der Angesprochenen wagte es, einen Einwand zu erheben, soviel Entschlossenheit ging von dem CHOSON aus. Gehorsam, wenn auch mürrisch, gingen sie daran, das Boot seeklar zu machen. Santas-Gor hatte noch nichts von den Vorgängen bemerkt. Keiner der Korsaren hatte den Mut, seinem Chef die unangenehme Nachricht zu überbringen: dass sein Pflegesohn gegen den ausdrücklichen Befehl des Vaters handelte.
»Mann Boot!« Seine Stimme klang nicht sonderlich laut, doch sie war von einer solch gefährlichen Ruhe, dass jeder augenblicklich gehorchte. »Aus Riemen! Fest pullen!« Das Boot bockte etwas, als die ersten Wellen gegen das noch langsame Fahrzeug schlugen, doch dann nahm es Kurs auf.
Mit jedem Schlag der Riemen kam es der Ausfahrt näher, mit jedem Schlag wuchsen die Wellen mehr und mehr zu Brechern, die das Boot zu hindern suchten.
»Rikyu!« Die Stimme klang bittend, nicht fordernd. Der Junge wandte sich halb um und sah seinen Pflegevater am Ufer winken. »Komm zurück! Du wirst nicht fahren!« – »Meine Ehre gebietet es mir!« Mehr war dazu nicht zu sagen, Rikyu drehte sich wieder zurück und korrigierte den Kurs.
Jetzt war das Boot durch die Einfahrt hindurch und sofort schlugen schwere Brecher über der Nussschale zusammen. Zwei Männer mussten die Riemen einholen und stattdessen das Boot lenzen. Damit konnten sie aber lediglich verhindern, dass das Boot noch schwerfälliger wurde.
Nur noch sehr langsam kamen sie jetzt vorwärts. Das Schiff rückte zwar allmählich näher, doch es bedurfte Rikyus ganzer Kraft, das Ruder zu halten und auch die Männer an den Riemen und Ösbechern gaben ihr Bestes.
Das Schiff bewegte sich nicht mehr, war also tatsächlich auf das Riff aufgelaufen. Von diesem hatte der fremde Kapitän natürlich nichts wissen können. Überwasserschäden waren auf diese Entfernung noch nicht genau erkennbar, doch die Schlagseite war nicht zu übersehen.
Immer wieder lösten sich die Männer an den Riemen und an den Ösbechern ab. Immer wieder wurden sie zurückgedrängt, wenn ein besonders schwerer Brecher das Boot erneut bis ans Dollbord füllte und die Anstrengung an den Riemen zunichte machte, denn jeder Brecher warf sie ein beträchtliches Stück zurück.
Doch so sehr die Brecher auch wüteten, so sehr der Wind blies: selbst beide zusammen konnten nicht verhindern, dass sich das zerbrechliche Fahrzeug langsam an das Wrack heranschob, sich mühsam herankämpfte.
Schließlich, in einer Flaute von nur wenigen Sekunden Dauer, in denen der Sturm neuen Anlauf zu nehmen schien, gelang es dem Vordersten, einen Enterhaken in das Holz des aufgelaufenen Schiffes zu schlagen. Damit hatte sie einen Haltepunkt. Kaum saß das Eisen im Holz, musste der Mann auch schon Leine zugeben, denn das Boot tanzte auf den Wellen wieder von den hoch aufragenden Bordwänden des Stranders weg. Doch der Haken hielt und sie kamen wieder heran. Ein weiterer Haken fixierte das Boot und Rikyu enterte an den Resten der Großrüsten empor in die Wanten. Wenn auch das Meer selbst ihm nichts mehr anzuhaben vermochte, suchte ihn jetzt der Sturm zu hindern. Rikyu ließ sich jedoch durch nichts mehr aufhalten. Er schwang sich über die Reeling und sah sich schnell um. Schon nach dem ersten Blick wusste er, dass sie zu spät gekommen waren, um noch ein Leben retten zu können.
»Kommt nach!« wandte er sich an die Korsaren, die noch im Boot kauerten. Die Wellen schlugen jetzt an der Bordwand zurück und ließen die Eierschale noch heftiger tanzen als bisher.
Zu siebt suchten sie den noch zugänglichen Bereich des Decks ab, fanden jedoch nur Tote bzw. Teile von ihnen.
Nach einer halben Stunde, die ihnen wie ein halber Tag vorkam, wussten sie, dass es nichts zu retten gab. Rikyu bedeutete den Männern, dass sie zurückkehren würden. »Hier können wir nichts mehr erreichen. Retten wir unser eigenes Leben!«
Das Zurückklettern in das tanzende Boot unter ihnen erwies sich als ein Kunststück besonderer Art, doch auch dieses Problem wurde gemeistert. Sie legten ab und pullten zurück. Jetzt, den Wind im Rücken, verlief die Fahrt schneller und einfacher. Binnen einer weiteren halben Stunde waren sie wieder im relativ ruhigen Wasser ihrer Bucht an den Drachenklippen angelangt. Sie legten an und Rikyu wies die Männer an, das Boot wieder festzuzurren und sich dann auszuruhen. Er wusste genau, wie erschöpft sie waren. Dann begab er sich zu Santas-Gor, um ihm Bericht zu erstatten.
Mit einem seltsamen Druck in der Magengegend trat er ein. Santas-Gor saß in seinem Arbeitssessel und blickte seinem Zögling entgegen. Wütend war er nicht, das sah Rikyu sofort. Aber auch von Wohlwollen konnte er keine Spur entdecken.
Der Kapitän schwieg. Er wartete ab. Immerhin entspannte das die Lage schon etwas, dachte der CHOSON und lockerte sich ein wenig.
Schließlich machte der Korsar doch den Anfang. »Nun, mein Sohn, wie ist deine Aktion abgelaufen?« Rikyu lauschte auf den Klang der Worte, konnte aber keine Gefahrenzeichen heraushören.
»Wir kamen zu spät,« begann er, »als wir am Wrack anlangte, lebte dort schon niemand mehr.« Er hielt inne.
»So, sie lebten also nicht mehr, wie? Sie können also auch nicht mehr verraten, wo der Eingang zu unserem Schlupfloch liegt, wie? Und du hast das Leben von sechs meiner besten Männer aufs Spiel gesetzt, nur um nachzusehen, ob vielleicht noch einer dieser Dummköpfe am Leben ist.
Vielleicht wolltest du dich beweisen und den Überlebenden dann selbst den Garaus machen, oder?
Außerdem hast du mein Ehrenwort gefährdet, das ich deinem Vater gab. Ich versprach ihm, für dich zu sorgen und dir eine gute Erziehung zukommen zu lassen. Kannst du mir vielleicht erklären, wie ich das anstellen soll, wenn du dich nicht um meine Anordnungen scherst?«
Er machte eine Pause und wartete offensichtlich darauf, dass Rikyu sich zu verteidigen versuchte. Doch dieser hatte sich in der Gewalt und ließ nichts von seinen Gedanken nach außen dringen. Er stand ruhig da und wartete.
»Für dich zu sorgen ist ja nun nicht übermäßig schwer. Die Erziehung, nun, die ist da schon etwas anderes. Habe ich dir nicht von meinen Leuten die Fertigkeiten des Steuerns, des Kartenlesens und noch manche andere beibringen lassen? Habe ich nicht sogar geduldet, dass dieser greise Narr, dieser Akimoto, dir Märchen vergangener Zeiten erzählt, in denen noch alles gut war? Mir scheint, ich habe da einen Fehler gemacht.
Rikyu,« änderte er plötzlich den Ton, »ich wollte mit alledem nur erreichen, dass du fähig bist, deinen Mann zu stehen, wenn es an der Zeit ist: ja, ich habe sogar daran gedacht, dich als meinen Nachfolger anzukündigen, wenn es mir einmal zu schwer fallen würde, diese Galgenstricke da draußen zu führen. Bedeutet dir das alles nichts?« Er atmete schwer.
Noch immer stand der junge CHOSON regungslos vor seinem Vater, der nicht sein Vater war. Rikyu hatte seine Ruhe wiedergefunden, während der Korsar im Begriff stand, die seine allmählich zu verlieren.
»War ich dir nicht gut genug?« begann der Alte wieder.
Keine Antwort, nicht einmal ein Zucken der Lider. »Warum also stellst du dich gegen meinen ausdrücklichen Befehl und nimmst dir ein Boot und sechs Männer?«
Plötzlich brüllte er los. »Warum? frage ich dich! Warum? Warum? Warum?« Er machte einen Satz aus seinem Stuhl und versuchte, seinen Sohn zu ergreifen, doch dieser trat mit einer raschen Wendung zur Seite und ließ Santas-Gor an sich vorbeilaufen. Dieser konnte nicht mehr so schnell bremsen, wie er wohl gerne gewollt hätte und so trug ihn der Schwung hinaus ins Freie. Dort wurde er gewahr, dass viele aus seiner Mannschaft ihm zusahen und verhalten feixten.
Schon wollte er ihnen Beine machen und holte schon tief Luft, um zu einer Schimpfkanonade anzusetzen. Dann aber riss er sich zusammen und wankte mit mühsam verhaltener Wut ins Haus zurück.
»Verschwinde! Geh mir aus den Augen!« herrschte er stattdessen den CHOSON an. Dieser machte wortlos kehrt und verließ den Raum.
Minuten später sah man einen sehr nachdenklichen HOSHEI Rikyu in seinem Raum sitzen. Abgesehen davon, dass er keine Gelegenheit bekommen hatte, wirklich etwas zu dem ganzen Vorfall zu sagen, war ihm rätselhaft, wie Santas-Gor sich so hatte gehen lassen können. Die gesamte Mannschaft hatte entweder zugesehen oder wusste inzwischen davon: sein Pflegevater hatte sein Gesicht verloren.
Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der Kapitän befohlen hatte, das Schiff in Ruhe zu lassen, bis sich der Sturm gelegt hatte.
Er, Rikyu, hatte sich nicht an diese Anweisung gehalten und war stattdessen seinem Gewissen gefolgt. Er konnte sich nichts vorwerfen. Mochten andere nicht in der Lage sein, ihn zu verstehen, einer war es – MORJ Akimoto.
Rikyu erhob sich. Er fand seinen Lehrer in einer stillen Ecke und setzte sich wortlos zu ihm. Beide sprachen lange Zeit kein Wort, hockten nur einander gegenüber und warteten ab.
In dieser Stellung auf ein äußeres Ereignis wartend, sammelten sich Rikyus Gedanken und kehrten nach und nach zu ihm zurück. Er begann, sich zu erforschen, sich zu fragen.
Bald erfüllte ihn eine Ruhe, wie er sie vorher nie gekannt hatte. Alles um ihn herum, die Bucht, die Welt, sie verschwamm, wurde unwichtig für ihn.
Rikyu spürte, wie sich sein Bewusstsein erweiterte, wie scheinbar das gesamte Universum hineinpasste, sich mühelos einfügte. Eine Weile genoss er das Gefühl, eins zu sein mit allem, dann kehrte sein Geist, sein Bewusstsein wieder zu ihm zurück. Rikyu schlug die Augen auf, die er, ohne es zu bemerken, fast geschlossen hatte. MORJ Akimoto, der vor ihm saß, lächelte ihn an.
»Es ist an der Zeit, HOSHEI Rikyu.« Der junge CHOSON sah ihn an, nicht fragend, nur abwartend.
»Bevor dein Vater starb, Rikyu-san, vertraute er mir sein Schwert an. Es ist die Waffe der Familie der HOSHEI, der auch du angehörst. Da du der einzige Nachkomme deines Vaters bist, ist es an dir, diese Waffe zu tragen.
HOSHEI Hirokazu gab mir diese Waffe«, er nahm das Kenzen auf, »um sie dir weiterzugeben, wenn du sie ehrenvoll tragen und führen könntest.
Wisse, Rikyu-san, in dieser Klinge sind alle deine Vorfahren mit ihren Seelen versammelt. Auch deine eigene Seele wird sich darin einst mit ihnen vereinigen.
Bewahre dein Erbe gut und halte dieses Schwert in Ehren.«
Mit diesen Worten ergriff MORJ Akimoto das Kenzen mit beiden Händen, hielt es quer vor sich, den Griff nach links gerichtet und reichte es dem jungen CHOSON hinüber.
Dieser nahm die Klinge ehrfurchtsvoll entgegen, hielt sie lange in den Händen und hob schließlich den Blick, um seinem Lehrmeister in die Augen zu sehen.
»Es ist mir bewusst, welche Verpflichtung und welche Ehre dieses Kenzen für mich darstellt. Sei versichert, MORJ Akimoto, dass ich stets bemüht sein werde, mich würdig zu erweisen.«
Er richtete sich auf. »Ich danke dir.« Damit stand er auf und schob sich die Waffe in den Gürtel, um sie danach mit der Schnur gegen Verrutschen zu sichern.
Akimoto erhob sich ebenfalls. »Nicht du solltest danken, Rikyu-san. Ich aber schätze mich glücklich, diesen Tag erleben zu dürfen, diesen Tag, an dem du dein Kenzen erhältst. AMIRADA-kami hat mich dazu erwählt, dir diese Waffe zu überreichen. Dafür habe ich zu danken.«
Rikyu wirke plötzlich viel reifer. Dieses Erlebnis würde er nicht vergessen. Auch wenn Akimoto nichts über die Gründe gesagt hatte, warum er ihm das Schwert gerade heute überreichte, spürte er, dass sein Verhalten um die Rettung der Schiffbrüchigen mit hineingespielt hatte.
Er wandte sich um und ließ die Umgebung, die er jetzt mit neuen Augen sah, auf sich wirken.
»Morgen werden wir mit der Handhabung der Waffe und mit den Übungen beginnen, Sohn der CHOSON.« Es war die Stimme seines Lehrers.

»Wisse, Rikyu, dass die Technik, die Handhabung, nur ein Teil des Gebrauchs einer Waffe ist. Wichtiger als die bloße Ausführung ist der Geist, in dem du die Waffe führst. Ohne die Anteilnahme deiner selbst ist jede Technik nur bis zu einem gewissen Grade wirkungsvoll.
Wenn du das Kenzen, die Inata oder eine andere Waffe nur der Technik wegen benutzt, zeigst du damit deinen Mangel an Ehrfurcht vor dem Leben.«
Nach einer kleinen Pause sprach MORJ Akimoto weiter. »Rikyu-san, ein Krieger, ein Heïshi, wie das Volk der CHOSON sie nennt, achtet auf sieben Prinzipien, um ein rechter Krieger zu werden.

Diese sieben Prinzipien sind folgende:
-[ 4]die rechte Entscheidung aus der Ruhe des Geistes zu treffen, die rechte Haltung zu bewahren, die Wahrheit achten
-[ 4]Tapferkeit und Heldentum
-[ 4]die Liebe der Menschheit gegenüber
-[ 4]das rechte Verhalten
-[ 4]vollkommene Aufrichtigkeit
-[ 4]Ehre und Ruhm
-[ 4]Hingabe und Loyalität

Mögest du diese Pfeiler jedes wahren Heïshi immer in deinem Herzen bewahren und sie achten.
Die rechte Entscheidung hast du getroffen, als du dich – gegen den Befehl deines Pflegevaters – entschlossest, den Versuch zur Rettung von Leben zu unternehmen.
Du hast die Gefahren nicht geachtet, die auf dich warteten. Du hast Tapferkeit und Heldentum gezeigt.
Du hast versucht, Menschenleben zu retten. Dir ist die universale Liebe der Menschheit gegenüber gegeben.
Gleichzeitig hast du aber auch Loyalität gegenüber Santas-Gor bewiesen. Du hast nicht versucht, deine Handlungen zu beschönigen. Du hast das rechte Verhalten und Aufrichtigkeit gezeigt.
Es fehlen dir noch Ehre und Ruhm.
Doch auch für dich werden Tage kommen, da du beides erhalten wirst. Dürste nicht nach Bestätigung deiner Fähigkeiten. Sei zufrieden, wenn du nicht gezwungen wirst, sie zu zeigen.
Doch zögere auch nicht, sie zu benutzen, wenn du keine andere Möglichkeit hast, deine Ehre, die Ehre deiner Familie, die Eh-re des Volkes der CHOSON, deines Volkes, zu bewahren.
Diese Pflicht wiegt höher als das Leben eines Einzelnen.
Ich weiß, dass du immer danach handeln wirst.«
Mit diesen Worten erhob sich Morj Akimoto und es begann ein Übungskampf ohne scharfe Waffen, bei dem Rikyu alle seine Fähigkeiten und seine gesamte Wendigkeit einsetzen musste, um die Angriffe des greisen Akimoto abzuwehren.
Auch wenn Akimoto-sensei ‚nur’ ein Bokuto, ein Holzschwert, verwendete – zu Gegenangriffen hatte er keine Gelegenheit. Hieb folgt auf Hieb, Parade auf Parade. Nicht lange, dann keuchte er und fand kaum noch genug Luft, um sich weiterhin zu bewegen. Doch nichts in der Welt hätte ihn jetzt dazu bringen können, den Kampf abzubrechen.
Dies tat jedoch Akimoto alsbald. Er säuberte mit drei schnellen Bewegungen die Klinge von imaginärem Blut und schob sie dann mit einer gleitenden Bewegung in den Obi, den Leibgurt.
Rikyu tat es ihm nach, doch gelang ihm die Bewegung des Blutabschlagens nicht so selbstverständlich, wie es ihm Akimoto gezeigt hatte. Auch musste er hinsehen, als er die Klinge mit der stumpfen Seite nach unten durch die Finger zog, um sie dann in das Saya, in die Schwertscheide, zu schieben.

Akimoto-sensei, sage mir eines: wie kann ich die Ehrfurcht vor dem Leben mit dem Kampf mittels Waffen in Einklang bringen?
Wenn ich töte, stelle ich mich damit gegen das Leben. Wenn ich aber für das Leben eintrete, kann ich nicht töten, kann ich kein Leben vernichten. Ich sehe keinen Ausweg aus diesem Kreis.«
»Es ist gut, dass du selbst darauf gekommen bist, wie sehr sich Töten und das Leben gegenseitig ausschließen. Wenn du über dieses Problem weiter nachdenkst, wirst du auch die Lösung erkennen, die einzige Lösung, die es geben kann.
Es ist nicht an mir, dir diesen Weg zu zeig...«
»Ich dagegen kann dir sagen, welche Lösung es gibt, höre nur zu!« tönte da hinter Rikyu die Stimme von Santas-Gor. »Ich habe zusehen können, wie gut du schon mit deinem Schwert umgehen kannst. Wie nennst du es doch gleich? Ach ja richtig – Kenzen. Merkwürdiger Name«, brummelte er in sich hinein.
»So im Laufe der Zeit bist du zu einem richtigen Mann herangewachsen, den man auch auf Kaperfahrten brauchen kann. Ich kann mir denken, dass du es auf einem Schiff mit drei Gegnern gleichzeitig aufnimmst.«
Er wandte sich an MORJ Akimoto. »Gut hast du ihn geschult, Alter. Mit dem Schwert kann er umgehen, das hat er eben gezeigt. Damit wirst du jetzt kaum noch gebraucht. Du kannst ihn noch weiter auf seine Waffe einüben, doch möchte ich nicht mehr, dass du ihm den Kopf mit deinen Weisheiten verwirrst. Wenn ich mitbekomme, dass du ihm noch mehr von diesem Unsinn erzählst, wirst du es zu büßen haben.«
»Vater,« war Rikyu beinahe versucht zu rufen. Diese Anrede hatte er noch nie verwendet und Santas-Gor wäre sicherlich zu Zugeständnissen bereit, hörte er dieses Wort aus seinem Mund.
Doch dann siegte seine Aufrichtigkeit und sein Ehrgefühl: »Wenn du MORJ Akimoto etwas antun willst, wirst du erst an mir vorbeizukommen haben!«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ einen vollkommen verblüfften Kaperer stehen.
Santas-Gor schnappte hörbar nach Luft. Er wusste nicht, wie ihm geschah. Er hatte doch nur dem Alten zeigen wollen, dass er noch immer der Herr war und sich nichts gefallen ließ und da stellte sich sein Sohn, sein Pflegesohn, gegen ihn und drohte ihm.
Und doch, er wusste nur nicht, wieso, empfand er sogar so etwas wie Achtung vor diesen Worten. Gleich darauf ging wieder einmal sein Temperament mit ihm durch. Er holte aus, wirbelte herum und schlug Akimoto ins Gesicht.
Der alte CHOSON wankte zwar, zuckte aber mit keiner Miene und nahm den Hieb mit einer schier unerschütterlichen Ruhe hin. Zu einem zweiten Schlag kam Santas-Gor schon nicht mehr, denn wie durch Geisterhand stand Rikyu plötzlich neben ihm und hatte die Hand an der halb gezogenen Waffe. Kein Muskel regte sich an ihm.
Santas-Gor zögerte; diese Ruhe war ihm unheimlich – ja, er empfand sogar Angst. Die schon erhobene Hand sank ihm wieder herab. Langsam, er suchte nach einer Schwäche seines Sohnes, drehte er sich um. Doch er fand keine Blöße an ihm.
Ganz ruhig stand der CHOSON da, die Klinge halb gezogen, die Augen auf ihn gerichtet. Diese beinahe unnatürliche Ruhe bot kein Ziel für den Merunen.
Der Korsar gab auf, gab für den Augenblick nach. Nachdem er sich entfernt hatte, ließ Rikyu die Klinge zurückgleiten und wandte sich endlich seinem Lehrmeister zu. Dieser hatte jedoch keinen Schaden davongetragen, erkannte er sogleich.
MORJ Akimoto sah seinen Schützling nur lange, lange prüfend an und verließ dann schweigend den Schauplatz. Worte waren hier nicht nötig. Aber Rikyu sagte dieses Verhalten mehr als alles andere. Er würde von nun auf der Hut sein müssen, auf der Hut vor seinem eigenen Pflegevater.
Auf dem Rückweg in seinen Raum fing ihn einer der Korsaren ab. »Rikyu, dein Vater lässt dich bitten, dich zu ihm zu bemühen. Er hegt die Absicht, sich mit dir über eine Fahrt zu unterhalten. Am besten wird es wohl sein, wenn du dich umgehend zu ihm begibst.« Ein breites Grinsen begleitete diese Worte und zeigten dem CHOSON, dass der Sprecher sehr wohl wusste, warum er gerade jetzt gerade diese Worte gewählt hatte.
»Komm näher und sieh dir diesen Kurs an!« Rikyu war in den Raum getreten, in dem Santas-Gor lebte und war abwartend an der Tür stehen geblieben. Doch außer seinem Pflegevater und ihm befand sich niemand hier. Dennoch hielt seine linke Hand das Kenzen im Saya fest.
»Was hältst du davon?« – »Ein Kaperkurs.« Mehr sagte Rikyu nicht.
Santas-Gor war jedoch noch lange nicht fertig. »Er führt das Schiff mit Sicherheit in Sichtweite von anderen Schiffen heran. Du wirst an der Fahrt teilnehmen.«
»Ich werde nicht auf dem Schiff sein!« Rikyus Stimme klang fest. »Rikyu, mein Junge, wenn du nicht an Bord gehst, haben wir nichts mehr miteinander zu schaffen. Ja, ja, ich weiß, du möchtest nicht, dass ich dich so nenne, aber für mich bist du eben mein Sohn.« Er senkte seine Stimme »Oder jedenfalls beinahe«, murmelte er fast unhörbar zu sich selbst.
»Rikyu, sieh mal, wenn du dich gegen alles sträubst, was ich für dich tun will und tue, dann kann ich dir nicht helfen. Dann ist es mir unmöglich, mein Versprechen, das ich deinem leiblichen Vater gegeben habe, zu erfüllen.
Wenn es wirklich das ist, was du willst, dann bleibe meinethalben hier. Aber dann gestatte mir bitte auch, die Folgerungen aus deinem Verhalten zu ziehen und mein Wort deinem Vater gegenüber als zurückerhalten zu betrachten.
Das war es, was ich dir sagen wollte. Jetzt entscheide dich.«
Santas-Gor sah seinen Pflegesohn abwartend, fast ängstlich an. Dieser stand regungslos da, er überlegte. Seine Gedanken allerdings vollführten wilde Sprünge.
Zum Einen widerstrebte es ihm, etwas zu tun, was gegen seine Ehre ging, nämlich an einem Raubzug teilzunehmen. Auf der anderen Seite durfte er nicht schuldig daran werden, dass das Versprechen, das sein Vater dem Korsaren abgenommen hatte und mit dem er gestorben war, durch seinen Stolz hinfällig wurde. Sein Vater hatte sich darauf verlassen, dass er, HOSHEI Rikyu, ein Heïshi werden würde, dessen sich das Volk der CHOSON nicht zu schämen brauchte. Wenn er seine persönliche Ehre vor die seines Volkes stellte, dann war ihm diese Möglichkeit, wenn schon nicht ganz verwehrt, so doch wesentlich erschwert.
Durfte er seine eigene Ehre höher einstufen als die seines Volkes, des Volkes der CHOSON?
»Santas-Gor, wenn du es wünschst, werde ich an Bord des Schiffes sein.« Die Entscheidung war getroffen.
Erleichtert lehnte sich der Kapitän zurück. Rikyu war aber noch nicht fertig. »Erwarte jedoch nicht, dass ich mich in die Reihen deiner Männer stelle. Erwarte von mir keine Unterstützung deiner Taten.«
»Ich wusste, das du es dir noch einmal überlegen würdest, Rikyu.« Santas-Gor entspannte sich, vermied jedoch, auf Rikyus letzte Worte einzugehen. »Und nun hole deine Ausrüstung. Wir wollen keine Zeit verlieren.«
Ohne ein weiteres Wort wandte sich Rikyu um und begab sich zu Akimoto, um ihm von den jüngsten Ereignissen zu unterrichten.
Dieser hörte sich den Bericht an, schwieg aber dazu. Er neigte nur den Kopf, um Rikyu anzudeuten, dass er verstanden habe. Und Rikyu begriff: MORJ Akimoto würde ihm keinerlei Anweisungen mehr geben, sofern sie nicht unmittelbar zu seiner Ausbildung gehörten.
Entscheidungen hatte er nunmehr alleine zu treffen, er war reif dazu.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Korrekturvorschläge:

Jugendjahre
Veröffentlicht von Rikyu am 22. 01. 2008 12:24
Jugendjahre
Über die nächsten Jahre gibt es nicht viel zu berichten: der junge HOSHEI Rikyu wuchs heran und machte seine [blue] Flegel– und Knabenjahre [/blue] (Knaben- und Flegeljahre) durch. Während dieser ganzen Zeit wurde er von seinem CHOSON-Lehrer betreut. MORJ Akimoto war unermüdlich.
Jahre waren ins Land der Wunder gegangen. Vieles hatte sich verändert, manches war geblieben. Rikyu war inzwischen ein junger Bursche. Er fühlte sich recht wohl, obwohl er ein anderes Aussehen hatte als die Menschen, die ihn umgaben.
Immer wieder durfte er mit seinem Pflegevater an einer Segeltour teilnehmen, wenn zum Beispiel eine neue Segelstellung oder eine veränderte Takelage getestet werden sollte. Niemals jedoch erhielt der junge CHOSON die Möglichkeit, an einem Ernstfall, an einer Kaperfahrt, teilzunehmen.
Sein Erzieher, der inzwischen greise MORJ Akimoto, erzählte ihm von den Gebräuchen seines Volkes, des Volkes der CHOSON, von dem bisher noch niemand auf MAGIRA wusste, wo es zu finden war – mit Ausnahme der CHOSON natürlich. Von [blue] diesen [/blue] (wenn es weitere Choson gibt und man sich mit ihnen arrangiert hat, muss sich Hoshei keinerlei Sorgen um sein Aussehen machen) aber dachte niemand daran, dieses Geheimnis zu lüften.
»Höre, Rikyu-san, höre die Geschichte unseres Volkes:
Wisse, dass niemand zu sagen weiß, wo der Ursprung unseres Volkes, unserer Rasse liegt.
Das erste, von dem berichtet wird, ist eine große Katastrophe, welche die CHOSON aus ihrer ursprünglichen Heimat[blue] vertreibt[/blue] (vertrieb) . Es gibt dem Vernehmen nach mehrere Gruppen von Schiffen, die unabhängig voneinander aus der alten Heimat[blue] fliehen[/blue] (flohen) . Wir [blue] verlieren [/blue] (verloren) den Kontakt mit den anderen Schiffen. Niemand vermag zu sagen, was aus ihnen[blue] wird[/blue] (geworden ist).«
Akimoto machte eine kleine Pause und ließ seine Worte wirken.
»Worüber wir mehr wissen, sind die letzten tausend Jahre.
Das Reich [blue] wird [/blue] (wurde) von Kriegern überfallen, die mit Dämonen zusammen arbeiten. Gegen schwarze Magie dieser zweiten Katastrophe [blue] kann [/blue] (konnte) sich unser Volk letztlich nicht behaupten und so [blue] bricht [/blue] (brach) es erneut auf.
Unsere Schiffe [blue] erreichen [/blue] (erreichten) schließlich die Inseln der [blue] sudlichen [/blue] (Akzent oder Tippfehler?) Sonne. Doch auch hier [blue] finden [/blue] (fanden die weiteren Zeitfehler lasse ich aus) wir lange keine Ruhe und müssen Kriege führen, bis wir letztlich für viele lange Jahre Frieden erringen. Er hält bis heu…«
»Wenn du diesen Unsinn noch weiter erzählst, wird dein Frieden aber nicht mehr lange dauern, Alter. Dafür werde ich dann schon sorgen.«
Santas-Gor, denn kein anderer war es, der sich unbemerkt angeschlichen und eine Weile gelauscht hatte, lachte hämisch. Er war sehr mit sich zufrieden, dass es ihm gelungen war, diesen Fremden zu erschrecken. Hoffentlich würde er eine Weile daran denken.
MORJ Akimoto hatte beim ersten Wort blitzartig an die Stelle gegriffen, an der sich normalerweise seine Waffe befunden hätte – nur dass er schon seit langen Jahren kein Schwert mehr trug. Die Reflexe funktionierten aber noch immer.
Dann drehte er sich langsam, sehr langsam um. Er sprach kein Wort, schaute den Korsaren nur an.
Santas-Gor machte ohne weitere Worte kehrt und ging in sein Haus. Auch jetzt würdigte Akimoto den Vorfall mit keiner Silbe. Rikyu schwieg ebenfalls. Natürlich hatte er erkannt, dass sein Lehrmeister eiserne Ruhe bewahrte und bemühte sich, es ihm gleichzutun.
Schließlich drehte sich Akimoto wieder zurück. »Später werde ich dir erzählen, wie es weiterging, Rikyu-san. Merke dir gut, was ich dir berichtetet habe. [blue] Geh’ [/blue] (Apostroph unnötig) nun!«
Der Junge schlich davon, während er darüber nachdachte, was seinen Pflegevater dazu gebracht haben mochte, [blue] derart [/blue] (es war doch nur ein Reflex?) seine Ruhe zu verlieren. Es wurde ihm gar nicht bewusst, wie sehr sich sein Denken schon von dem der Korsaren unterschied. Diese lebten nur für den Augenblick – sie kümmerte es nicht, was vor ihnen lag, wenn es nicht auf ihre augenblickliche Lage Einfluss hatte. Ihnen galt der innere Frieden nichts; Ausgeglichenheit war ihnen fremd.
Für den jungen CHOSON jedoch gewannen diese Werte immer größere Geltung. Er konnte ja nicht wissen, dass diese Haltung, diese Einstellung, das eigentliche Erbe war, das ihm Akimoto gab und das ihm sonst niemand vermitteln konnte.
Den Jungen als CHOSON erziehen zu können, war auch der Grund gewesen, warum sich MORJ Akimoto den Korsaren angeschlossen hatte. Er freute sich, dass diese Geisteshaltung schon ein Teil von Rikyu geworden war. Niemand konnte sie ihm nun noch nehmen.
»He, Rikyu!« Der Junge schrak zusammen. Bekam er jetzt den Unwillen des Kaperers zu spüren? »Schläfst du mit offenen Augen?« Der Sprecher, ein untersetzter, beleibter Korsar, schien Spaß an der Sache zu haben. »Dein Vater will dich sehen und er scheint keine besonders gute Laune zu haben.« Ein Grinsen begleitete diese kleine Rede. Den Jungen jedoch traf der Hohn nicht. »Am besten, du machst dich gleich auf den Weg zu ihm.«
Rikyu bemühte sich, keine Regung zu zeigen und wandte sich der Unterkunft seines Pflegevaters zu. Dort aber – einer plötzlichen Eingebung folgend – benutzte er nicht den großen Eingang, sondern ging um das Gebäude herum, eine kleine Nebenpforte suchend, die zwar nicht verschlossen war, jedoch kaum benutzt wurde.
Er glitt hindurch und schaffte es, ungehört zum Kaperkapitän vorzudringen. Zwei Schritt schräg hinter ihm blieb er stehen und rührte sich dann nicht mehr. Der Kapitän hatte mehrere Karten vor sich ausgebreitet und hantierte mit verschiedenen Listen, die er offenbar gegeneinander abglich. Zwischendurch suchte er immer wieder einen Punkt auf der größeren Karte vor sich.
Santas-Gor überlegte, doch er schien nicht zufrieden zu sein. Er brummte unwirsch vor sich hin und griff erneut nach den Listen, die vor ihm lagen. Zwei davon glitten vom Tisch und segelten bis dicht vor Rikyus Füße. Der Korsar grunzte noch unwilliger und bückte sich schwerfällig, um sie wieder aufzuheben.
Jetzt erst bemerkte er, dass unmittelbar neben den beiden Blättern ein Paar Füße stand. Er stutzte und schaute hoch.
»Warum machst du dich nicht bemerkbar, wenn du zu mir kommst, Rikyu?« – »Du schienst sehr beschäftigt, da wollte ich nicht stören. Verzeih’, wenn ich deine Arbeiten unterbrochen habe.«
Diese Worte besänftigten Santas-Gor offenbar. Zumindest klang das Brummen, das er jetzt von sich gab, einladend. »Setz dich zu mir, mein Sohn, und höre!« Er machte eine Pause und fuhr dann fort. »Gasbau-Hug berichtete mir, dass du gut mit Karten umzugehen verstehst. Nun, ich möchte sehen, wie weit deine Kenntnisse reichen.«
Der Kapitän griff zu der großen Karte und deutete auf einen Punkt am oberen Rand. »Hier sitzen wir in unserem Nest im Est von Ish.« Santas-Gor klang sehr überzeugt. »Niemand wird uns hier finden, denn niemand käme je auf die Idee, hinter dem Blattvorhang am Eingang etwas anderes zu vermuten als massiven Fels.« Die Pause, während der er Luft holte, um fortzufahren, nutzte Rikyu, um einen Einwand vorzubringen.
»Entschuldige, wenn ich dich unterbreche, doch es könnte wohl möglich sein, dass ein fremdes Schiff, das genau auf die Wasserströmungen achtet, die Einfahrt findet. Dann wäre diese Bucht entdeckt.« – »Ach was, der Pflanzenvorhang ist viel zu dicht, um auch nur eine kleine Strömung durchzulassen.« Santas-Gors Laune schien sich wieder zu verschlechtern, daher unterdrückte der Junge einen zweiten Einwand. Sein Pflegevater sprach weiter.
»Wir sind zwar hier absolut sicher, Rikyu, aber dennoch ist es von Vorteil, auch außerhalb unseres Schlupfwinkels noch Möglichkeiten zur Verfügung zuhaben, um uns zeitweilig zu verbergen.« Er wies auf eine Stelle der großen Karte. »Eine solche Stelle habe ich hier gefunden. Hier werde ich einen Nothafen anlegen. Und du,(kein Komma)«(Komma) sein Blick richtete sich auf seinen Pflegesohn, »du wirst mir dabei helfen.« Santas-Gor wandte sich wieder den Listen zu, die auf dem Tisch verstreut herumlagen. Er suchte drei von ihnen heraus und reichte sie ihm. »Diese Ausrüstung wirst du zusammentragen und im Schiff verstauen. Dazu kannst du den vorderen Laderaum benutzen. Danach meldest du dich wieder bei mir – durch den vorderen Eingang!«(Komma) setzte er noch hinzu.
Sprachs, drehte sich herum und widmete sich den noch übrigen Pergamenten. Rikyu verschwand, um den Auftrag auszuführen.
Schwer war es nicht, die verlangte Ausrüstung herbeizuschaffen. Weniger einfach dagegen erwies es sich, die Ladung sicher im Schiff zu verstauen, ohne dass Gefahr des Verrutschens bestand. Doch schließlich war auch das geschafft.
Rikyu ging wieder zum Haus, in dem er seinen Vater, seinen Pflegevater, wusste. Jedes Mal verbesserte er sich in Gedanken und sagte sich, dass sein leiblicher Vater tot sei und dieser Mann nur für seine Erziehung sorgte. Vater? Nein, Vater konnte er zu ihm nicht sagen.
Santas-Gor hörte sich seinen Bericht an und nickte dann zufrieden. »Gut, mein Sohn, hole jetzt deine Ausrüstung und geh’ aufs Schiff. Wir werden gemeinsam den kleinen Hafen zu einer Zuflucht machen.«
Er wollte sich schon abwenden, als ihm noch etwas einzufallen schien. »Was hast du eigentlich mit der Strömung, gemeint, die uns hier verraten könnte, heh?«
Rikyu war nur einen Augenblick lang überrascht, schließlich kannte er seinen Pflegevater. »Wenn es dir wichtig erscheint, will ich dir gerne erklären, was ich mir überlegt habe.« Rikyu holte Luft.
»Rede nicht immer so hochtrabend daher!«(Komma) fiel ihm der Kapitän aber ins Wort. » (kein Leerfeld)‚Verzeih, wenn ich dich gestört haben sollte’, ‚Entschuldige, wenn ich dich unterbreche’, ‚Wenn es dir wichtig erscheint’ (kein Leerfeld)« Santas-Gors Augen verengten sich etwas. »Wenn ich meine, dass du zu mir kommen sollst, so ist das mein Wille und hast dich nicht zu entschuldigen. Und wenn ich dich auffordere, eine Frage zu beantworten, so antwortest du mir gefälligst in klaren Worten. Verstanden?«
»Ich habe verstanden!« Rikyu straffte sich unmerklich. »Warum ist das Wasser in der Bucht nicht stinkend und trübe? Warum finden wir hier keine Mücken, die uns plagen? Warum wird der Abfall, den wir ins Wasser werfen, nicht unüberschaubar?
Bleibt nicht nur die Möglichkeit, dass hier immer frisches Wasser vorhanden ist? Woher kommt dieses Wasser? Von außen? Wahrscheinlich nicht! Aber woher dann? Es muss einen Zufluss geben, den wir noch nicht entdeckt haben. Er sorgt dafür, dass das schlechte Wasser aufs Meer geschwemmt wird. Wer trägt unseren Abfall mit sich und nimmt damit den Mücken die Brutstätte?«
Rikyu hatte seine Gedanken ausgesprochen und trat einen Schritt zurück. Er überließ es Santas-Gor, den letzten Schluss zu ziehen.
Dieser war still geworden. Er überlegte eine Weile und schaut dann wieder seinen Sohn an. Nein, nicht seinen Sohn, verbesserte er sich, seinen Pflegesohn, den dieser Fremde ihm anvertraut hatte.
Der Korsar nickte ihm wohlwollend zu. »An deinen Gedanken scheint etwas dran zu sein, mein Junge. Schicke Gasbau-Hug zu mir.« Damit war der junge CHOSON entlassen.
Wenig später, er hatte gerade seine persönliche Ausrüstung an Bord geschafft, wurde er Zeuge, wie der Stellvertreter seines Pflegevaters einige Leute anfuhr, die ein Fass mühsam über einen schmalen Laufsteg an Bord rollten. Als sie nicht sofort reagierten, griff Gasbau-Hug zu seiner Knute und zog sie den beiden Korsaren über den Rücken. Danach kümmerte er sich nicht mehr um die Leute.
Rikyu trat näher, um den Gemaßregelten einige aufmunternde Worte zukommen zu lassen, als Gasbau-Hug wieder auftauchte. »So ist das also: hinter meinem Rücken und dem deines Vaters hintergehst du meine Anordnungen und versuchst, meine Leute aufzuwiegeln, damit sie ihre Arbeit nachlässig versehen! Warte nur, ich werde dir helfen!« Er holte mit seinem Stock aus und machte Anstalten, auch Rikyu einen Hieb zu verpassen.
Wenn er aber damit gerechnet haben sollte, dass sein Gegenüber zusammenzuckte und sich unwillkürlich aus seiner Reichweite bringen wollte, sah er sich enttäuscht. Rikyu erwartete den Schlag ohne die geringste Bewegung.
Gasbau-Hug besann sich gerade noch rechtzeitig, ließ die Knute wieder sinken und schlich brummend davon.
War es die stolze Haltung des Jungen, war es dessen Ruhe, mit der er den Hieb erwartete und die ihn zögern ließ? Oder war es seine Stellung als Pflegesohn? Gasbau-Hug wusste es selber nicht.
Stattdessen machte er nur seinem Chef Meldung über den Vorfall. Doch zu seinem Erstaunen winkte dieser nur ab. Gasbau-Hug verstand die Welt nicht mehr. Sah denn auch der Kapitän nicht, wie die Moral seiner Leute immer mehr abglitt?
Er zuckte die Schultern. Jetzt fehlte nur noch, dass Santas-Gor diesem Findling recht gab und ihn vielleicht sogar deckte. Doch dann zuckte er noch einmal die Schultern und ließ die Sache auf sich beruhen. Was ging ihn das eigentlich an, he?
Nicht so Rikyu. Bei der nächsten Gelegenheit suchte er Akimoto, seinen Vertrauten und Lehrmeister, auf und erzählte ihm dieses Erlebnis. Es war ihm ein Bedürfnis, sich mitzuteilen.
Die Augen des Alten leuchteten auf, als er vernahm, wie sein Schützling dem Angriff des Korsaren begegnet war.

- - - - - - - - - -

Wieder waren einige Jahre ins Land der Wunder gegangen.
Bei sehr wechselhaftem Wetter – es gab steile Seen – überlegte Santas-Gor, ob er seinem Schiff das Risiko des Auslaufens zumuten konnte, nur um vielleicht ein Handelsschiff aufzubringen, das der Sturm hierher verschlagen hatte. Würde sein Schiff das aushalten, von dem er hoffte, dass es andere Schiffe nicht überstünden?
Der Entschluss war nicht leicht.
Er fuhr auf. War da nicht eben ein Ruf gewesen? Mit zwei schnellen Sätzen stand er an der Tür seines Hauses und spähte zum Wachtposten hinüber, der die Umgebung der Einfahrt im Auge behielt.
Tatsächlich! Er hatte richtig gehört. Jetzt konnte er auch verstehen, was der Ausguck gegen den Sturm brüllte: »Schiff in Seenot! Treibt dwars aus Ydd auf uns zu!« – »Seenot?« Santas-Gors Stimme trug mühelos zum Posten. »Der Großmast ist gebrochen und die Fock ist über Stag. Das Schiff gehorcht dem Ruder nur noch sehr schwerfällig, Herr!«
»Beobachte weiter und melde jede Veränderung!«(Komma) wies der Kapitän ihn an und stapfte dann aus der Hütte. Seinen Stellvertreter Hartamos – längst schon war Gasbau-Hug von den Fischen gefressen – brauchte er nicht zu suchen, er kam bereits auf ihn zugelaufen.
»Kapitän!«(Komma) keuchte er schon im Laufen, »das Schiff treibt genau auf das Riff yddlich von uns zu. Wenn es aufläuft, haben wir leichtes Spiel mit ihnen. Wir…«
»Genug davon!«(Komma) herrschte Santas-Gor ihn an. »Ich weiß selbst, was das bedeutet. Lass das Schiff klarmachen! Und beeile dich!«(Komma) rief er ihm noch nach, denn Hartamos war schon auf dem Weg, um den Befehl auszuführen und fiel in Trab.
»Schiff kommt näher. Direkter Kurs auf das Riff!« Das war wieder der Posten. »Wind frischt auf!«
Santas-Gors Gedanken überschlugen sich. Würde der Sturm noch stärker, wäre es vielleicht nicht mehr ratsam, das Schiff aus der schützenden Bucht hinauszulassen. Das fremde Schiff war ihnen auch so sicher. Durch die Wartezeit würden ihnen lediglich einige Fässer verloren gehen, die das Wasser wohl über Bord spülen würde.
»Wind wird stärker! Wellen brechen sich!«
Das war die Entscheidung. »Hartamos!« Der Korsar stockte mitten im Lauf, schaute sich um und kam wieder auf seinen Vorgesetzten zugelaufen.
»Belege Befehl! Wir laufen nicht aus. Das Risiko ist unnötig groß für uns. Wenn sich der Sturm beruhigt hat, sehen wir nach, was für uns übrig(getrennt)geblieben ist. Sag den Leuten Bescheid!« Damit drehte er sich um und verschwand wieder in seiner Hütte.
Plötzlich stand er vor dem CHOSON. Rikyu schien aufgeregt. »Laufen wir aus?« – »Nein, der Sturm ist schon zu kräftig für uns. Warum soll ich meine Männer und das Schiff aufs Spiel setzen, wenn sie morgen die gleiche Beute ohne Gefahr bekommen kön-(kein Trennstrich nimm vor dem Veröffentlichen bitte alle Trennstriche aus dem Text, sie erscheinen sonst oft mitten in der Zeile)nen?«
»Aber – was soll mit den Männern auf dem Schiff dort draußen geschehen? Willst du sie elend umkommen lassen?«
»Was mit ihnen geschehen soll? Ersaufen sollen sie! Schließlich waren sie verrückt genug, in einem solchen Wetter segeln zu wollen. Sollen sie jetzt auch die Quittung dafür bekommen. Was kümmert es mich, was aus ihnen wird?« Sprachs und ließ seinen Pflegesohn stehen.

Rikyu stand noch einen Augenblick unsicher da, suchte dann aber seinen Lehrer auf und legte ihm sein Problem dar.
»Akimoto-sensei, du hast mich gelehrt, dass das Leben nichts wert ist, wenn die Ehre, die persönliche Ehre, nicht im Einklang mit dem Leben steht.
Kann es der Ehre abträglich sein, zu versuchen, diese Menschen da draußen zu retten? Gegen den Willen des Kapitäns?
Kann ich es mit meiner Ehre vereinbaren, nichts zu tun?«
Akimoto blieb lange still. Er war sehr stolz darauf, dass die Lehren, die er seinem Schützling immer wieder eingeprägt hatte, nun solch prächtige Früchte trugen. Rikyu fragte nicht einen Augenblick lang nach seinem Leben, wenn es darum ging, seine Ehre zu schützen, sie rein zu halten. Gleichzeitig war er sich seiner Sache auch nicht so sicher, als dass er sich ohne Überlegung in ein Vorhaben gestürzt hätte, das er nicht überblicken konnte.
Bedächtig legte ihm der alte CHOSON die Hand auf die Schulter.
»Wenn dein Gewissen sagt, dass du etwas tun musst, Rikyu-san, so tue es. Wenn die Ehre verlangt, dass du handelst, so zögere nicht. Doch bedenke immer, für wen du es tust und auch, auf welche Weise du es tun willst.
Rikyu-san, ich habe dir keine Vorschriften zu machen. Diese Entscheidung wird deine eigene sein.«
Der Angesprochene war sich jetzt selbst nicht mehr so sicher – er hatte sich eine eindeutige Antwort von seinem Vertrauten erwartet, die ihm helfen würde, seine Entscheidung zu treffen. Stattdessen wich sein Lehrmeister einer direkten Aussage aus und verlegte sich auf allgemeine Worte.
Rikyu ahnte aber mehr denn er wusste, dass er alleine zu einem Entschluss würde kommen müssen. Wie hatte Akimoto doch gerade gesagt? ‚Wenn deine Ehre verlangt, dass du handelst, dann zögere nicht.’ Es stimmte. Wenn er nicht wenigstens versuchen würde, die Menschen dort draußen zu retten, könnte er sich das nie verzeihen. Immer hätte er dann das Bedürfnis, auf sich selbst zu spucken.
Aber – durfte er sein Leben aufs Spiel setzen, wenn nicht einmal ein Schiff, das doch widerstandsfähiger war als ein Boot, den tosenden Gewalten mit Sicherheit trotzen konnte? Hatte es überhaupt einen Sinn, etwas unternehmen zu wollen?
Hatte es überhaupt einen Sinn? Hatte es Sinn, noch weiter darüber nachdenken zu wollen? Sein Gewissen und sein Ehrgefühl sagten ihm, dass er den Versuch unternehmen musste, selbst wenn es ihn das Leben kosten sollte. Dafür aber würde seine Ehre erhalten bleiben.
Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, war ihm sofort viel, viel leichter zumute. Er wusste plötzlich, dass er sich richtig entschieden hatte und auch die Art und Weise, in der er vorzugehen hatte, war ihm plötzlich vollkommen klar.
Er wandte sich um und rief einige Männer heran, die gerade den Kaperer verließen.
»Mervin-Tah! Olovson! Ampor-Gol! Hierher! Und ihr drei dort auch! Wir machen das kleine Boot flott und fahren hinaus!«
Keiner der Angesprochenen wagte es, einen Einwand zu erheben, soviel Entschlossenheit ging von dem CHOSON aus. Gehorsam, wenn auch mürrisch, gingen sie daran, das Boot seeklar zu machen. Santas-Gor hatte noch nichts von den Vorgängen bemerkt. Keiner der Korsaren hatte den Mut, seinem Chef die unangenehme Nachricht zu überbringen: dass sein Pflegesohn gegen den ausdrücklichen Befehl des Vaters handelte.
»Mann Boot!« Seine Stimme klang nicht sonderlich laut, doch sie war von einer solch gefährlichen Ruhe, dass jeder augenblicklich gehorchte. »Aus Riemen! Fest pullen!« Das Boot bockte etwas, als die ersten Wellen gegen das noch langsame Fahrzeug schlugen, doch dann nahm es Kurs auf.
Mit jedem Schlag der Riemen kam es der Ausfahrt näher, mit jedem Schlag wuchsen die Wellen mehr und mehr zu Brechern, die das Boot zu hindern suchten.
»Rikyu!« Die Stimme klang bittend, nicht fordernd. Der Junge wandte sich halb um und sah seinen Pflegevater am Ufer winken. »Komm zurück! Du wirst nicht fahren!« – »Meine Ehre gebietet es mir!« Mehr war dazu nicht zu sagen, Rikyu drehte sich wieder zurück und korrigierte den Kurs.
Jetzt war das Boot durch die Einfahrt hindurch und sofort schlugen schwere Brecher über der Nussschale zusammen. Zwei Männer mussten die Riemen einholen und stattdessen das Boot lenzen. Damit konnten sie aber lediglich verhindern, dass das Boot noch schwerfälliger wurde.
Nur noch sehr langsam kamen sie jetzt vorwärts. Das Schiff rückte zwar allmählich näher, doch es bedurfte Rikyus ganzer Kraft, das Ruder zu halten und auch die Männer an den Riemen und Ösbechern gaben ihr Bestes.
Das Schiff bewegte sich nicht mehr, war also tatsächlich auf das Riff aufgelaufen. Von diesem hatte der fremde Kapitän natürlich nichts wissen können. Überwasserschäden waren auf diese Entfernung noch nicht genau erkennbar, doch die Schlagseite war nicht zu übersehen.
Immer wieder lösten sich die Männer an den Riemen und an den Ösbechern ab. Immer wieder wurden sie zurückgedrängt, wenn ein besonders schwerer Brecher das Boot erneut bis ans Dollbord füllte und die Anstrengung an den Riemen zunichte machte, denn jeder Brecher warf sie ein beträchtliches Stück zurück.
Doch so sehr die Brecher auch wüteten, so sehr der Wind blies: selbst beide zusammen konnten nicht verhindern, dass sich das zerbrechliche Fahrzeug langsam an das Wrack heran(getrennt)schob, sich mühsam herankämpfte.
Schließlich, in einer Flaute von nur wenigen Sekunden Dauer, in denen der Sturm neuen Anlauf zu nehmen schien, gelang es dem[red] Vordersten[/red] (vordersten) , einen Enterhaken in das Holz des aufgelaufenen Schiffes zu schlagen. Damit [red] hatte [/red] (hatten) sie einen Haltepunkt. Kaum saß das Eisen im Holz, musste der Mann auch schon Leine zugeben, denn das Boot tanzte auf den Wellen wieder von den hoch aufragenden Bordwänden des Stranders weg. Doch der Haken hielt und sie kamen wieder heran. Ein weiterer Haken fixierte das Boot und Rikyu enterte an den Resten der Großrüsten empor in die Wanten(oh, gleich bis in die Wanten!). Wenn auch das Meer selbst ihm nichts mehr anzuhaben vermochte, suchte ihn jetzt der Sturm zu hindern. Rikyu ließ sich jedoch durch nichts mehr aufhalten. Er schwang sich über die [red] Reeling [/red] (Reling) und sah sich schnell um. Schon nach dem ersten Blick wusste er, dass sie zu spät gekommen waren, um noch ein Leben retten zu können.
»Kommt nach!«(Komma) wandte er sich an die Korsaren, die noch im Boot kauerten. Die Wellen schlugen jetzt an der Bordwand zurück und ließen die Eierschale noch heftiger tanzen als bisher.
Zu siebt suchten sie den noch zugänglichen Bereich des Decks ab, fanden jedoch nur Tote bzw. Teile von ihnen.
Nach einer halben Stunde, die ihnen wie ein halber Tag vorkam, wussten sie, dass es nichts zu retten gab. Rikyu bedeutete den Männern, dass sie zurückkehren würden. »Hier können wir nichts mehr erreichen. Retten wir unser eigenes Leben!«
Das Zurückklettern in das tanzende Boot unter ihnen erwies sich als ein Kunststück besonderer Art, doch auch dieses Problem wurde gemeistert. Sie legten ab und pullten zurück. Jetzt, den Wind im Rücken, verlief die Fahrt schneller und einfacher. Binnen einer weiteren halben Stunde waren sie wieder im relativ ruhigen Wasser ihrer Bucht an den Drachenklippen angelangt. Sie legten an und Rikyu wies die Männer an, das Boot wieder festzuzurren und sich dann auszuruhen. Er wusste genau, wie erschöpft sie waren. Dann begab er sich zu Santas-Gor, um ihm Bericht zu erstatten.
Mit einem seltsamen Druck in der Magengegend trat er ein. Santas-Gor saß in seinem Arbeitssessel und blickte seinem Zögling entgegen. Wütend war er nicht, das sah Rikyu sofort. Aber auch von Wohlwollen konnte er keine Spur entdecken.
Der Kapitän schwieg. Er wartete ab. Immerhin entspannte das die Lage schon etwas, dachte der CHOSON und lockerte sich ein wenig.
Schließlich machte der Korsar doch den Anfang. »Nun, mein Sohn, wie ist deine Aktion abgelaufen?« Rikyu lauschte auf den Klang der Worte, konnte aber keine Gefahrenzeichen heraushören.
»Wir kamen zu spät,(kein Komma)«(Komma) begann er, »als wir am Wrack anlangte, lebte dort schon niemand mehr.« Er hielt inne.
»So, sie lebten also nicht mehr, wie? Sie können also auch nicht mehr verraten, wo der Eingang zu unserem Schlupfloch liegt, wie? Und du hast das Leben von sechs meiner besten Männer aufs Spiel gesetzt, nur um nachzusehen, ob vielleicht noch einer dieser Dummköpfe am Leben ist.
Vielleicht wolltest du dich beweisen und den Überlebenden dann selbst den Garaus machen, oder?
Außerdem hast du mein Ehrenwort gefährdet, das ich deinem Vater gab. Ich versprach ihm, für dich zu sorgen und dir eine gute Erziehung zukommen zu lassen. Kannst du mir vielleicht erklären, wie ich das anstellen soll, wenn du dich nicht um meine Anordnungen scherst?«
Er machte eine Pause und wartete offensichtlich darauf, dass Rikyu sich zu verteidigen versuchte. Doch dieser hatte sich in der Gewalt und ließ nichts von seinen Gedanken nach außen dringen. Er stand ruhig da und wartete.
»Für dich zu sorgen ist ja nun nicht übermäßig schwer. Die Erziehung, nun, die ist da schon etwas anderes. Habe ich dir nicht von meinen Leuten die Fertigkeiten des Steuerns, des Kartenlesens und noch manche andere beibringen lassen? Habe ich nicht sogar geduldet, dass dieser greise Narr, dieser Akimoto, dir Märchen vergangener Zeiten erzählt, in denen noch alles gut war? Mir scheint, ich habe da einen Fehler gemacht.
Rikyu,(kein Komma)«(Komma) änderte er plötzlich den Ton, »ich wollte mit alledem nur erreichen, dass du fähig bist, deinen Mann zu stehen, wenn es an der Zeit ist: ja, ich habe sogar daran gedacht, dich als meinen Nachfolger anzukündigen, wenn es mir einmal zu schwer fallen würde, diese Galgenstricke da draußen zu führen. Bedeutet dir das alles nichts?« Er atmete schwer.
Noch immer stand der junge CHOSON regungslos vor seinem Vater, der nicht sein Vater war. Rikyu hatte seine Ruhe wieder(getrennt)gefunden, während der Korsar im Begriff stand, die seine allmählich zu verlieren.
»War ich dir nicht gut genug?«(Komma) begann der Alte wieder.
Keine Antwort, nicht einmal ein Zucken der Lider. »Warum also stellst du dich gegen meinen ausdrücklichen Befehl und nimmst dir ein Boot und sechs Männer?«
Plötzlich brüllte er los. »Warum?(Komma) frage ich dich! Warum? Warum? Warum?« Er machte einen Satz aus seinem Stuhl und versuchte, seinen Sohn zu ergreifen, doch dieser trat mit einer raschen Wendung zur Seite und ließ Santas-Gor an sich vorbeilaufen. Dieser konnte nicht mehr so schnell bremsen, wie er wohl gerne gewollt hätte und so trug ihn der Schwung hinaus ins Freie. Dort wurde er gewahr, dass viele aus seiner Mannschaft ihm zusahen und verhalten feixten.
Schon wollte er ihnen Beine machen und holte [blue] schon [/blue] (doppelt) tief Luft, um zu einer Schimpfkanonade anzusetzen. Dann aber riss er sich zusammen und wankte mit mühsam verhaltener Wut ins Haus zurück.
»Verschwinde! Geh mir aus den Augen!«(Komma) herrschte er stattdessen den CHOSON an. Dieser machte wortlos kehrt und verließ den Raum.
Minuten später sah man einen sehr nachdenklichen HOSHEI Rikyu in seinem Raum sitzen. Abgesehen davon, dass er keine Gelegenheit bekommen hatte, wirklich etwas zu dem ganzen Vorfall zu sagen, war ihm rätselhaft, wie Santas-Gor sich so hatte gehen lassen können. Die gesamte Mannschaft hatte entweder zugesehen oder wusste inzwischen davon: sein Pflegevater hatte sein Gesicht verloren.
Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der Kapitän befohlen hatte, das Schiff in Ruhe zu lassen, bis sich der Sturm gelegt hatte.
Er, Rikyu, hatte sich nicht an diese Anweisung gehalten und war stattdessen seinem Gewissen gefolgt. Er konnte sich nichts vorwerfen. Mochten andere nicht in der Lage sein, ihn zu verstehen, einer war es – MORJ Akimoto.
Rikyu erhob sich. Er fand seinen Lehrer in einer stillen Ecke und setzte sich wortlos zu ihm. Beide sprachen lange Zeit kein Wort, hockten nur einander gegenüber und warteten ab.
In dieser Stellung auf ein äußeres Ereignis wartend, sammelten sich Rikyus Gedanken und kehrten nach und nach zu ihm zurück. Er begann, sich zu erforschen, sich zu fragen.
Bald erfüllte ihn eine Ruhe, wie er sie vorher nie gekannt hatte. Alles um ihn herum, die Bucht, die Welt, sie verschwamm, wurde unwichtig für ihn.
Rikyu spürte, wie sich sein Bewusstsein erweiterte, wie scheinbar das gesamte Universum hineinpasste, sich mühelos einfügte. Eine Weile genoss er das Gefühl, eins zu sein mit allem, dann kehrte sein Geist, sein Bewusstsein wieder zu ihm zurück. Rikyu schlug die Augen auf, die er, ohne es zu bemerken, fast geschlossen hatte. MORJ Akimoto, der vor ihm saß, lächelte ihn an.
»Es ist an der Zeit, HOSHEI Rikyu.« Der junge CHOSON sah ihn an, nicht fragend, nur abwartend.
»Bevor dein Vater starb, Rikyu-san, vertraute er mir sein Schwert an. Es ist die Waffe der Familie der HOSHEI, der auch du angehörst. Da du der einzige Nachkomme deines Vaters bist, ist es an dir, diese Waffe zu tragen.
HOSHEI Hirokazu gab mir diese Waffe«, er nahm das Kenzen auf, »um sie [blue] dir [/blue] (an dich oder ist es eine Eigenart von Akimoto?) weiterzugeben, wenn du sie ehrenvoll tragen und führen könntest.
Wisse, Rikyu-san, in dieser Klinge sind alle deine Vorfahren mit ihren Seelen versammelt. Auch deine eigene Seele wird sich darin einst mit ihnen vereinigen.
Bewahre dein Erbe gut und halte dieses Schwert in Ehren.«
Mit diesen Worten ergriff MORJ Akimoto das Kenzen mit beiden Händen, hielt es quer vor sich, den Griff nach links gerichtet und reichte es dem jungen CHOSON hinüber.
Dieser nahm die Klinge ehrfurchtsvoll entgegen, hielt sie lange in den Händen und hob schließlich den Blick, um seinem Lehrmeister in die Augen zu sehen.
»Es ist mir bewusst, welche Verpflichtung und welche Ehre dieses Kenzen für mich darstellt. Sei versichert, MORJ Akimoto, dass ich stets bemüht sein werde, mich würdig zu erweisen.«
Er richtete sich auf. »Ich danke dir.« Damit stand er auf und schob sich die Waffe in den Gürtel, um sie danach mit der Schnur gegen Verrutschen zu sichern.
Akimoto erhob sich ebenfalls. »Nicht du solltest danken, Rikyu-san. Ich aber schätze mich glücklich, diesen Tag erleben zu dürfen, diesen Tag, an dem du dein Kenzen erhältst. AMIRADA-kami hat mich dazu erwählt, dir diese Waffe zu überreichen. Dafür habe ich zu danken.«
Rikyu wirke plötzlich viel reifer. Dieses Erlebnis würde er nicht vergessen. Auch wenn Akimoto nichts über die Gründe gesagt hatte, warum er ihm das Schwert gerade heute überreichte, spürte er, dass sein Verhalten um die Rettung der Schiffbrüchigen mit hineingespielt hatte.
Er wandte sich um und ließ die Umgebung, die er jetzt mit neuen Augen sah, auf sich wirken.
»Morgen werden wir mit der Handhabung der Waffe und mit den Übungen beginnen, Sohn der CHOSON.« Es war die Stimme seines Lehrers.

»Wisse, Rikyu, dass die Technik, die Handhabung, nur ein Teil des Gebrauchs einer Waffe ist. Wichtiger als die bloße Ausführung ist der Geist, in dem du die Waffe führst. Ohne die Anteilnahme deiner selbst ist jede Technik nur bis zu einem gewissen Grade wirkungsvoll.
Wenn du das Kenzen, die Inata oder eine andere Waffe nur der Technik wegen benutzt, zeigst du damit deinen Mangel an Ehrfurcht vor dem Leben.«
Nach einer kleinen Pause sprach MORJ Akimoto weiter. »Rikyu-san, ein Krieger, ein Heïshi, wie das Volk der CHOSON sie nennt, achtet auf sieben Prinzipien, um ein rechter Krieger zu werden.

Diese sieben Prinzipien sind folgende:
- die rechte Entscheidung aus der Ruhe des Geistes zu treffen, die rechte Haltung zu bewahren, die Wahrheit achten
- Tapferkeit und Heldentum
- die Liebe der Menschheit gegenüber
- das rechte Verhalten
- vollkommene Aufrichtigkeit
- Ehre und Ruhm
- Hingabe und Loyalität

Mögest du diese Pfeiler jedes wahren Heïshi immer in deinem Herzen bewahren und sie achten.
Die rechte Entscheidung hast du getroffen, als du dich – gegen den Befehl deines Pflegevaters – entschlossest, den Versuch zur Rettung von Leben zu unternehmen.
Du hast [red] die [/red] (der) Gefahren nicht geachtet, die auf dich warteten. Du hast Tapferkeit und Heldentum gezeigt.
Du hast versucht, Menschenleben zu retten. Dir ist die universale Liebe der Menschheit gegenüber gegeben.
Gleichzeitig hast du aber auch Loyalität gegenüber Santas-Gor bewiesen. Du hast nicht versucht, deine Handlungen zu beschönigen. Du hast das rechte Verhalten und Aufrichtigkeit gezeigt.
Es fehlen dir noch Ehre und Ruhm.
Doch auch für dich werden Tage kommen, da du beides erhalten wirst. Dürste nicht nach Bestätigung deiner Fähigkeiten. Sei zufrieden, wenn du nicht gezwungen wirst, sie zu zeigen.
Doch zögere auch nicht, sie zu benutzen, wenn du keine andere Möglichkeit hast, deine Ehre, die Ehre deiner Familie, die [blue] Eh-re [/blue] des Volkes der CHOSON, deines Volkes, zu bewahren.
Diese Pflicht wiegt höher als das Leben eines Einzelnen.
Ich weiß, dass du immer danach handeln wirst.«
Mit diesen Worten erhob sich Morj Akimoto und es begann ein Übungskampf ohne scharfe Waffen, bei dem Rikyu alle seine Fähigkeiten und seine gesamte Wendigkeit einsetzen musste, um die Angriffe des greisen Akimoto abzuwehren.
Auch wenn Akimoto-sensei ‚nur’ ein Bokuto, ein Holzschwert, verwendete – zu Gegenangriffen hatte er keine Gelegenheit. Hieb folgt auf Hieb, Parade auf Parade. Nicht lange, dann keuchte er und fand kaum noch genug Luft, um sich weiterhin zu bewegen. Doch nichts in der Welt hätte ihn jetzt dazu bringen können, den Kampf abzubrechen.
Dies tat jedoch Akimoto alsbald. Er säuberte mit drei schnellen Bewegungen die Klinge von imaginärem Blut und schob sie dann mit einer gleitenden Bewegung in den Obi, den Leibgurt.
Rikyu tat es ihm nach, doch gelang ihm die Bewegung des Blutabschlagens nicht so selbstverständlich, wie es ihm Akimoto gezeigt hatte. Auch musste er hinsehen, als er die Klinge mit der stumpfen Seite nach unten durch die Finger zog, um sie dann in das Saya, in die Schwertscheide, zu schieben.

(Anführungszeichen)Akimoto-sensei, sage mir eines: wie kann ich die Ehrfurcht vor dem Leben mit dem Kampf mittels Waffen in Einklang bringen?
Wenn ich töte, stelle ich mich damit gegen das Leben. Wenn ich aber für das Leben eintrete, kann ich nicht töten, kann ich kein Leben vernichten. Ich sehe keinen Ausweg aus diesem Kreis.«
»Es ist gut, dass du selbst darauf gekommen bist, wie sehr sich Töten und das Leben gegenseitig ausschließen. Wenn du über dieses Problem weiter nachdenkst, wirst du auch die Lösung erkennen, die einzige Lösung, die es geben kann.
Es ist nicht an mir, dir diesen Weg zu zeig...«
»Ich dagegen kann dir sagen, welche Lösung es gibt, höre nur zu!«(Komma) tönte da hinter Rikyu die Stimme von Santas-Gor. »Ich habe zusehen können, wie gut du schon mit deinem Schwert umgehen kannst. Wie nennst du es doch gleich? Ach ja richtig – Kenzen. Merkwürdiger Name«, brummelte er in sich hinein.
»So im Laufe der Zeit bist du zu einem richtigen Mann herangewachsen, den man auch auf Kaperfahrten brauchen kann. Ich kann mir denken, dass du es auf einem Schiff mit drei Gegnern gleichzeitig aufnimmst.«
Er wandte sich an MORJ Akimoto. »Gut hast du ihn geschult, Alter. Mit dem Schwert kann er umgehen, das hat er eben gezeigt. Damit wirst du jetzt kaum noch gebraucht. Du kannst ihn noch weiter auf seine Waffe einüben, doch möchte ich nicht mehr, dass du ihm den Kopf mit deinen Weisheiten verwirrst. Wenn ich mitbekomme, dass du ihm noch mehr von diesem Unsinn erzählst, wirst du es zu büßen haben.«
»Vater,(kein Komma)«(Komma) war Rikyu beinahe versucht zu rufen. Diese Anrede hatte er noch nie verwendet und Santas-Gor wäre sicherlich zu Zugeständnissen bereit, hörte er dieses Wort aus seinem Mund.
Doch dann siegte seine Aufrichtigkeit und sein Ehrgefühl: »Wenn du MORJ Akimoto etwas antun willst, wirst du erst an mir vorbeizukommen haben!«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ einen vollkommen verblüfften Kaperer stehen.
Santas-Gor schnappte hörbar nach Luft. Er wusste nicht, wie ihm geschah. Er hatte doch nur dem Alten zeigen wollen, dass er noch immer der Herr war und sich nichts gefallen ließ und da stellte sich sein Sohn, sein Pflegesohn, gegen ihn und drohte ihm.
Und doch, er wusste nur nicht, wieso, empfand er sogar so etwas wie Achtung vor diesen Worten. Gleich darauf ging wieder einmal sein Temperament mit ihm durch. Er holte aus, wirbelte herum und schlug Akimoto ins Gesicht.
Der alte CHOSON wankte zwar, zuckte aber mit keiner Miene und nahm den Hieb mit einer schier unerschütterlichen Ruhe hin. Zu einem zweiten Schlag kam Santas-Gor schon nicht mehr, denn wie durch Geisterhand stand Rikyu plötzlich neben ihm und hatte die Hand an der halb gezogenen Waffe. Kein Muskel regte sich an ihm.
Santas-Gor zögerte; diese Ruhe war ihm unheimlich – ja, er empfand sogar Angst. Die schon erhobene Hand sank ihm wieder herab. Langsam, er suchte nach einer Schwäche seines Sohnes, drehte er sich um. Doch er fand keine Blöße an ihm.
Ganz ruhig stand der CHOSON da, die Klinge halb gezogen, die Augen auf ihn gerichtet. Diese beinahe unnatürliche Ruhe bot kein Ziel für den Merunen.
Der Korsar gab auf, gab für den Augenblick nach. Nachdem er sich entfernt hatte, ließ Rikyu die Klinge zurück(getrennt)gleiten und wandte sich endlich seinem Lehrmeister zu. Dieser hatte jedoch keinen Schaden davongetragen, erkannte er sogleich.
MORJ Akimoto sah seinen Schützling nur lange, lange prüfend an und verließ dann schweigend den Schauplatz. Worte waren hier nicht nötig. Aber Rikyu sagte dieses Verhalten mehr als alles andere. Er würde von nun auf der Hut sein müssen, auf der Hut vor seinem eigenen Pflegevater.
Auf dem Rückweg in seinen Raum fing ihn einer der Korsaren ab. »Rikyu, dein Vater lässt dich bitten, dich zu ihm zu bemühen. Er hegt die Absicht, sich mit dir über eine Fahrt zu unterhalten. Am besten wird es wohl sein, wenn du dich umgehend zu ihm begibst.« Ein breites Grinsen begleitete diese Worte und zeigten dem CHOSON, dass der Sprecher sehr wohl wusste, warum er gerade jetzt gerade diese Worte gewählt hatte.
»Komm näher und sieh dir diesen Kurs an!« Rikyu war in den Raum getreten, in dem Santas-Gor lebte und war abwartend an der Tür stehen geblieben. Doch außer seinem Pflegevater und ihm befand sich niemand hier. Dennoch hielt seine linke Hand das Kenzen im Saya fest.
»Was hältst du davon?« – »Ein Kaperkurs.« Mehr sagte Rikyu nicht.
Santas-Gor war jedoch noch lange nicht fertig. »Er führt das Schiff mit Sicherheit in Sichtweite von anderen Schiffen heran. Du wirst an der Fahrt teilnehmen.«
»Ich werde nicht auf dem Schiff sein!« Rikyus Stimme klang fest. »Rikyu, mein Junge, wenn du nicht an Bord gehst, haben wir nichts mehr miteinander zu schaffen. Ja, ja, ich weiß, du möchtest nicht, dass ich dich so nenne, aber für mich bist du eben mein Sohn.« Er senkte seine Stimme »Oder jedenfalls beinahe«, murmelte er fast unhörbar zu sich selbst.
»Rikyu, sieh mal, wenn du dich gegen alles sträubst, was ich für dich tun will und tue, dann kann ich dir nicht helfen. Dann ist es mir unmöglich, mein Versprechen, das ich deinem leiblichen Vater gegeben habe, zu erfüllen.
Wenn es wirklich das ist, was du willst, dann bleibe meinethalben hier. Aber dann gestatte mir bitte auch, die Folgerungen aus deinem Verhalten zu ziehen und mein Wort deinem Vater gegenüber als zurückerhalten zu betrachten.
Das war es, was ich dir sagen wollte. Jetzt entscheide dich.«
Santas-Gor sah seinen Pflegesohn abwartend, fast ängstlich an. Dieser stand regungslos da, er überlegte. Seine Gedanken allerdings vollführten wilde Sprünge.
Zum [red] Einen [/red] (einen) widerstrebte es ihm, etwas zu tun, was gegen seine Ehre ging, nämlich an einem Raubzug teilzunehmen. Auf der anderen Seite durfte er nicht schuldig daran werden, dass das Versprechen, das sein Vater dem Korsaren abgenommen hatte und mit dem er gestorben war, durch seinen Stolz hinfällig wurde. Sein Vater hatte sich darauf verlassen, dass er, HOSHEI Rikyu, ein Heïshi werden würde, dessen sich das Volk der CHOSON nicht zu schämen brauchte. Wenn er seine persönliche Ehre vor die seines Volkes stellte, dann war ihm diese Möglichkeit, wenn schon nicht ganz verwehrt, so doch wesentlich erschwert.
Durfte er seine eigene Ehre höher einstufen als die seines Volkes, des Volkes der CHOSON?
»Santas-Gor, wenn du es wünschst, werde ich an Bord des Schiffes sein.« Die Entscheidung war getroffen.
Erleichtert lehnte sich der Kapitän zurück. Rikyu war aber noch nicht fertig. »Erwarte jedoch nicht, dass ich mich in die Reihen deiner Männer stelle. Erwarte von mir keine Unterstützung deiner Taten.«
»Ich wusste, [red] das [/red] (dass) du es dir noch einmal überlegen würdest, Rikyu.« Santas-Gor entspannte sich, vermied jedoch, auf Rikyus letzte Worte einzugehen. »Und nun hole deine Ausrüstung. Wir wollen keine Zeit verlieren.«
Ohne ein weiteres Wort wandte sich Rikyu um und begab sich zu Akimoto, um ihm von den jüngsten Ereignissen zu unterrichten.
Dieser hörte sich den Bericht an, schwieg aber dazu. Er neigte nur den Kopf, um Rikyu anzudeuten, dass er verstanden habe. Und Rikyu begriff: MORJ Akimoto würde ihm keinerlei Anweisungen mehr geben, sofern sie nicht unmittelbar zu seiner Ausbildung gehörten.
Entscheidungen hatte er nunmehr alleine zu treffen, er war reif dazu.

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Rikyu


Hallo, Rikyu, mir ist nicht klar, warum an Bord des Stranders niemand mehr lebte und die Leichen sogar zerfetzt waren. Ist das nicht ein wenig zu dick aufgetragen?
Fragend guckt
 

Rikyu

Mitglied
Über die nächsten Jahre gibt es nicht viel zu berichten: der junge HOSHEI Rikyu wuchs heran und machte seine Knaben- und Flegeljahre durch. Während dieser ganzen Zeit wurde er von seinem CHOSON-Lehrer betreut. MORJ Akimoto war unermüdlich.
Jahre waren ins Land der Wunder gegangen. Vieles hatte sich verändert, manches war geblieben. Rikyu war inzwischen ein junger Bursche. Er fühlte sich recht wohl, obwohl er ein anderes Aussehen hatte als die Menschen, die ihn umgaben.
Immer wieder durfte er mit seinem Pflegevater an einer Segeltour teilnehmen, wenn zum Beispiel eine neue Segelstellung oder eine veränderte Takelage getestet werden sollte. Niemals jedoch erhielt der junge CHOSON die Möglichkeit, an einem Ernstfall, an einer Kaperfahrt, teilzunehmen.
Sein Erzieher, der inzwischen greise MORJ Akimoto, erzählte ihm von den Gebräuchen seines Volkes, des Volkes der CHOSON, von dem bisher noch niemand auf MAGIRA wusste, wo es zu finden war – mit Ausnahme der CHOSON natürlich. Von diesen aber dachte niemand daran, dieses Geheimnis zu lüften.
»Höre, Rikyu-san, höre die Geschichte unseres Volkes:
Wisse, dass niemand zu sagen weiß, wo der Ursprung unseres Volkes, unserer Rasse liegt.
Das erste, von dem berichtet wird, ist eine große Katastrophe, welche die CHOSON aus ihrer ursprünglichen Heimat vertreibt. Es gibt dem Vernehmen nach mehrere Gruppen von Schiffen, die unabhängig voneinander aus der alten Heimat fliehen. Wir verlieren den Kontakt mit den anderen Schiffen. Niemand vermag zu sagen, was aus ihnen wird.«
Akimoto machte eine kleine Pause und ließ seine Worte wirken.
»Worüber wir mehr wissen, sind die letzten tausend Jahre.
Das Reich wird von Kriegern überfallen, die mit Dämonen zusammen arbeiten. Gegen schwarze Magie dieser zweiten Katastrophe kann sich unser Volk letztlich nicht behaupten und so bricht es erneut auf.
Unsere Schiffe erreichen schließlich die Inseln der sudlichen Sonne. Doch auch hier finden wir lange keine Ruhe und müssen Kriege führen, bis wir letztlich für viele lange Jahre Frieden erringen. Er hält bis heu…«
»Wenn du diesen Unsinn noch weiter erzählst, wird dein Frieden aber nicht mehr lange dauern, Alter. Dafür werde ich dann schon sorgen.«
Santas-Gor, denn kein anderer war es, der sich unbemerkt angeschlichen und eine Weile gelauscht hatte, lachte hämisch. Er war sehr mit sich zufrieden, dass es ihm gelungen war, diesen Fremden zu erschrecken. Hoffentlich würde er eine Weile daran denken.
MORJ Akimoto hatte beim ersten Wort blitzartig an die Stelle gegriffen, an der sich normalerweise seine Waffe befunden hätte – nur dass er schon seit langen Jahren kein Schwert mehr trug. Die Reflexe funktionierten aber noch immer.
Dann drehte er sich langsam, sehr langsam um. Er sprach kein Wort, schaute den Korsaren nur an.
Santas-Gor machte ohne weitere Worte kehrt und ging in sein Haus. Auch jetzt würdigte Akimoto den Vorfall mit keiner Silbe. Rikyu schwieg ebenfalls. Natürlich hatte er erkannt, dass sein Lehrmeister eiserne Ruhe bewahrte und bemühte sich, es ihm gleichzutun.
Schließlich drehte sich Akimoto wieder zurück. »Später werde ich dir erzählen, wie es weiterging, Rikyu-san. Merke dir gut, was ich dir berichtet habe. Geh nun!«
Der Junge schlich davon, während er darüber nachdachte, was seinen Pflegevater dazu gebracht haben mochte, überhaupt seine Beherrschung zu verlieren. Es wurde ihm gar nicht bewusst, wie sehr sich sein Denken schon von dem der Korsaren unterschied. Diese lebten nur für den Augenblick – sie kümmerte es nicht, was vor ihnen lag, wenn es nicht auf ihre augenblickliche Lage Einfluss hatte. Ihnen galt der innere Frieden nichts; Ausgeglichenheit war ihnen fremd.
Für den jungen CHOSON jedoch gewannen diese Werte immer größere Geltung. Er konnte ja nicht wissen, dass diese Haltung, diese Einstellung, das eigentliche Erbe war, das ihm Akimoto gab und das ihm sonst niemand vermitteln konnte.
Den Jungen als CHOSON erziehen zu können, war auch der Grund gewesen, warum sich MORJ Akimoto den Korsaren angeschlossen hatte. Er freute sich, dass diese Geisteshaltung schon ein Teil von Rikyu geworden war. Niemand konnte sie ihm nun noch nehmen.
»He, Rikyu!« Der Junge schrak zusammen. Bekam er jetzt den Unwillen des Kaperers zu spüren? »Schläfst du mit offenen Augen?« Der Sprecher, ein untersetzter, beleibter Korsar, schien Spaß an der Sache zu haben. »Dein Vater will dich sehen und er scheint keine besonders gute Laune zu haben.« Ein Grinsen begleitete diese kleine Rede. Den Jungen jedoch traf der Hohn nicht. »Am besten, du machst dich gleich auf den Weg zu ihm.«
Rikyu bemühte sich, keine Regung zu zeigen und wandte sich der Unterkunft seines Pflegevaters zu. Dort aber – einer plötzlichen Eingebung folgend – benutzte er nicht den großen Eingang, sondern ging um das Gebäude herum, eine kleine Nebenpforte suchend, die zwar nicht verschlossen war, jedoch kaum benutzt wurde.
Er glitt hindurch und schaffte es, ungehört zum Kaperkapitän vorzudringen. Zwei Schritt schräg hinter ihm blieb er stehen und rührte sich dann nicht mehr. Der Kapitän hatte mehrere Karten vor sich ausgebreitet und hantierte mit verschiedenen Listen, die er offenbar gegeneinander abglich. Zwischendurch suchte er immer wieder einen Punkt auf der größeren Karte vor sich.
Santas-Gor überlegte, doch er schien nicht zufrieden zu sein. Er brummte unwirsch vor sich hin und griff erneut nach den Listen, die vor ihm lagen. Zwei davon glitten vom Tisch und segelten bis dicht vor Rikyus Füße. Der Korsar grunzte noch unwilliger und bückte sich schwerfällig, um sie wieder aufzuheben.
Jetzt erst bemerkte er, dass unmittelbar neben den beiden Blättern ein Paar Füße stand. Er stutzte und schaute hoch.
»Warum machst du dich nicht bemerkbar, wenn du zu mir kommst, Rikyu?« – »Du schienst sehr beschäftigt, da wollte ich nicht stören. Verzeih’, wenn ich deine Arbeiten unterbrochen habe.«
Diese Worte besänftigten Santas-Gor offenbar. Zumindest klang das Brummen, das er jetzt von sich gab, einladend. »Setz dich zu mir, mein Sohn, und höre!« Er machte eine Pause und fuhr dann fort. »Gasbau-Hug berichtete mir, dass du gut mit Karten umzugehen verstehst. Nun, ich möchte sehen, wie weit deine Kenntnisse reichen.«
Der Kapitän griff zu der großen Karte und deutete auf einen Punkt am oberen Rand. »Hier sitzen wir in unserem Nest im Est von Ish.« Santas-Gor klang sehr überzeugt. »Niemand wird uns hier finden, denn niemand käme je auf die Idee, hinter dem Blattvorhang am Eingang etwas anderes zu vermuten als massiven Fels.« Die Pause, während der er Luft holte, um fortzufahren, nutzte Rikyu, um einen Einwand vorzubringen.
»Entschuldige, wenn ich dich unterbreche, doch es könnte wohl möglich sein, dass ein fremdes Schiff, das genau auf die Wasserströmungen achtet, die Einfahrt findet. Dann wäre diese Bucht entdeckt.« – »Ach was, der Pflanzenvorhang ist viel zu dicht, um auch nur eine kleine Strömung durchzulassen.« Santas-Gors Laune schien sich wieder zu verschlechtern, daher unterdrückte der Junge einen zweiten Einwand. Sein Pflegevater sprach weiter.
»Wir sind zwar hier absolut sicher, Rikyu, aber dennoch ist es von Vorteil, auch außerhalb unseres Schlupfwinkels noch Möglichkeiten zur Verfügung zuhaben, um uns zeitweilig zu verbergen.« Er wies auf eine Stelle der großen Karte. »Eine solche Stelle habe ich hier gefunden. Hier werde ich einen Nothafen anlegen. Und du,« sein Blick richtete sich auf seinen Pflegesohn, »du wirst mir dabei helfen.« Santas-Gor wandte sich wieder den Listen zu, die auf dem Tisch verstreut herumlagen. Er suchte drei von ihnen heraus und reichte sie ihm. »Diese Ausrüstung wirst du zusammentragen und im Schiff verstauen. Dazu kannst du den vorderen Laderaum benutzen. Danach meldest du dich wieder bei mir – durch den vorderen Eingang!« setzte er noch hinzu.
Sprachs, drehte sich herum und widmete sich den noch übrigen Pergamenten. Rikyu verschwand, um den Auftrag auszuführen.
Schwer war es nicht, die verlangte Ausrüstung herbeizuschaffen. Weniger einfach dagegen erwies es sich, die Ladung sicher im Schiff zu verstauen, ohne dass Gefahr des Verrutschens bestand. Doch schließlich war auch das geschafft.
Rikyu ging wieder zum Haus, in dem er seinen Vater, seinen Pflegevater, wusste. Jedes Mal verbesserte er sich in Gedanken und sagte sich, dass sein leiblicher Vater tot sei und dieser Mann nur für seine Erziehung sorgte. Vater? Nein, Vater konnte er zu ihm nicht sagen.
Santas-Gor hörte sich seinen Bericht an und nickte dann zufrieden. »Gut, mein Sohn, hole jetzt deine Ausrüstung und geh’ aufs Schiff. Wir werden gemeinsam den kleinen Hafen zu einer Zuflucht machen.«
Er wollte sich schon abwenden, als ihm noch etwas einzufallen schien. »Was hast du eigentlich mit der Strömung, gemeint, die uns hier verraten könnte, heh?«
Rikyu war nur einen Augenblick lang überrascht, schließlich kannte er seinen Pflegevater. »Wenn es dir wichtig erscheint, will ich dir gerne erklären, was ich mir überlegt habe.« Rikyu holte Luft.
»Rede nicht immer so hochtrabend daher!« fiel ihm der Kapitän aber ins Wort. » ‚Verzeih, wenn ich dich gestört haben sollte’, ‚Entschuldige, wenn ich dich unterbreche’, ‚Wenn es dir wichtig erscheint’ « Santas-Gors Augen verengten sich etwas. »Wenn ich meine, dass du zu mir kommen sollst, so ist das mein Wille und hast dich nicht zu entschuldigen. Und wenn ich dich auffordere, eine Frage zu beantworten, so antwortest du mir gefälligst in klaren Worten. Verstanden?«
»Ich habe verstanden!« Rikyu straffte sich unmerklich. »Warum ist das Wasser in der Bucht nicht stinkend und trübe? Warum finden wir hier keine Mücken, die uns plagen? Warum wird der Abfall, den wir ins Wasser werfen, nicht unüberschaubar?
Bleibt nicht nur die Möglichkeit, dass hier immer frisches Wasser vorhanden ist? Woher kommt dieses Wasser? Von außen? Wahrscheinlich nicht! Aber woher dann? Es muss einen Zufluss geben, den wir noch nicht entdeckt haben. Er sorgt dafür, dass das schlechte Wasser aufs Meer geschwemmt wird. Wer trägt unseren Abfall mit sich und nimmt damit den Mücken die Brutstätte?«
Rikyu hatte seine Gedanken ausgesprochen und trat einen Schritt zurück. Er überließ es Santas-Gor, den letzten Schluss zu ziehen.
Dieser war still geworden. Er überlegte eine Weile und schaut dann wieder seinen Sohn an. Nein, nicht seinen Sohn, verbesserte er sich, seinen Pflegesohn, den dieser Fremde ihm anvertraut hatte.
Der Korsar nickte ihm wohlwollend zu. »An deinen Gedanken scheint etwas dran zu sein, mein Junge. Schicke Gasbau-Hug zu mir.« Damit war der junge CHOSON entlassen.
Wenig später, er hatte gerade seine persönliche Ausrüstung an Bord geschafft, wurde er Zeuge, wie der Stellvertreter seines Pflegevaters einige Leute anfuhr, die ein Fass mühsam über einen schmalen Laufsteg an Bord rollten. Als sie nicht sofort reagierten, griff Gasbau-Hug zu seiner Knute und zog sie den beiden Korsaren über den Rücken. Danach kümmerte er sich nicht mehr um die Leute.
Rikyu trat näher, um den Gemaßregelten einige aufmunternde Worte zukommen zu lassen, als Gasbau-Hug wieder auftauchte. »So ist das also: hinter meinem Rücken und dem deines Vaters hintergehst du meine Anordnungen und versuchst, meine Leute aufzuwiegeln, damit sie ihre Arbeit nachlässig versehen! Warte nur, ich werde dir helfen!« Er holte mit seinem Stock aus und machte Anstalten, auch Rikyu einen Hieb zu verpassen.
Wenn er aber damit gerechnet haben sollte, dass sein Gegenüber zusammenzuckte und sich unwillkürlich aus seiner Reichweite bringen wollte, sah er sich enttäuscht. Rikyu erwartete den Schlag ohne die geringste Bewegung.
Gasbau-Hug besann sich gerade noch rechtzeitig, ließ die Knute wieder sinken und schlich brummend davon.
War es die stolze Haltung des Jungen, war es dessen Ruhe, mit der er den Hieb erwartete und die ihn zögern ließ? Oder war es seine Stellung als Pflegesohn? Gasbau-Hug wusste es selber nicht.
Stattdessen machte er nur seinem Chef Meldung über den Vorfall. Doch zu seinem Erstaunen winkte dieser nur ab. Gasbau-Hug verstand die Welt nicht mehr. Sah denn auch der Kapitän nicht, wie die Moral seiner Leute immer mehr abglitt?
Er zuckte die Schultern. Jetzt fehlte nur noch, dass Santas-Gor diesem Findling recht gab und ihn vielleicht sogar deckte. Doch dann zuckte er noch einmal die Schultern und ließ die Sache auf sich beruhen. Was ging ihn das eigentlich an, he?
Nicht so Rikyu. Bei der nächsten Gelegenheit suchte er Akimoto, seinen Vertrauten und Lehrmeister, auf und erzählte ihm dieses Erlebnis. Es war ihm ein Bedürfnis, sich mitzuteilen.
Die Augen des Alten leuchteten auf, als er vernahm, wie sein Schützling dem Angriff des Korsaren begegnet war.

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Wieder waren einige Jahre ins Land der Wunder gegangen.
Bei sehr wechselhaftem Wetter – es gab steile Seen – überlegte Santas-Gor, ob er seinem Schiff das Risiko des Auslaufens zumuten konnte, nur um vielleicht ein Handelsschiff aufzubringen, das der Sturm hierher verschlagen hatte. Würde sein Schiff das aushalten, von dem er hoffte, dass es andere Schiffe nicht überstünden?
Der Entschluss war nicht leicht.
Er fuhr auf. War da nicht eben ein Ruf gewesen? Mit zwei schnellen Sätzen stand er an der Tür seines Hauses und spähte zum Wachtposten hinüber, der die Umgebung der Einfahrt im Auge behielt.
Tatsächlich! Er hatte richtig gehört. Jetzt konnte er auch verstehen, was der Ausguck gegen den Sturm brüllte: »Schiff in Seenot! Treibt dwars aus Ydd auf uns zu!« – »Seenot?« Santas-Gors Stimme trug mühelos zum Posten. »Der Großmast ist gebrochen und die Fock ist über Stag. Das Schiff gehorcht dem Ruder nur noch sehr schwerfällig, Herr!«
»Beobachte weiter und melde jede Veränderung!« wies der Kapitän ihn an und stapfte dann aus der Hütte. Seinen Stellvertreter Hartamos – längst schon war Gasbau-Hug von den Fischen gefressen – brauchte er nicht zu suchen, er kam bereits auf ihn zugelaufen.
»Kapitän!« keuchte er schon im Laufen, »das Schiff treibt genau auf das Riff yddlich von uns zu. Wenn es aufläuft, haben wir leichtes Spiel mit ihnen. Wir…«
»Genug davon!« herrschte Santas-Gor ihn an. »Ich weiß selbst, was das bedeutet. Lass das Schiff klarmachen! Und beeile dich!« rief er ihm noch nach, denn Hartamos war schon auf dem Weg, um den Befehl auszuführen und fiel in Trab.
»Schiff kommt näher. Direkter Kurs auf das Riff!« Das war wieder der Posten. »Wind frischt auf!«
Santas-Gors Gedanken überschlugen sich. Würde der Sturm noch stärker, wäre es vielleicht nicht mehr ratsam, das Schiff aus der schützenden Bucht hinauszulassen. Das fremde Schiff war ihnen auch so sicher. Durch die Wartezeit würden ihnen lediglich einige Fässer verloren gehen, die das Wasser wohl über Bord spülen würde.
»Wind wird stärker! Wellen brechen sich!«
Das war die Entscheidung. »Hartamos!« Der Korsar stockte mitten im Lauf, schaute sich um und kam wieder auf seinen Vorgesetzten zugelaufen.
»Belege Befehl! Wir laufen nicht aus. Das Risiko ist unnötig groß für uns. Wenn sich der Sturm beruhigt hat, sehen wir nach, was für uns übriggeblieben ist. Sag den Leuten Bescheid!« Damit drehte er sich um und verschwand wieder in seiner Hütte.
Plötzlich stand er vor dem CHOSON. Rikyu schien aufgeregt. »Laufen wir aus?« – »Nein, der Sturm ist schon zu kräftig für uns. Warum soll ich meine Männer und das Schiff aufs Spiel setzen, wenn sie morgen die gleiche Beute ohne Gefahr bekommen kön-nen?«
»Aber – was soll mit den Männern auf dem Schiff dort draußen geschehen? Willst du sie elend umkommen lassen?«
»Was mit ihnen geschehen soll? Ersaufen sollen sie! Schließlich waren sie verrückt genug, in einem solchen Wetter segeln zu wollen. Sollen sie jetzt auch die Quittung dafür bekommen. Was kümmert es mich, was aus ihnen wird?« Sprachs und ließ seinen Pflegesohn stehen.

Rikyu stand noch einen Augenblick unsicher da, suchte dann aber seinen Lehrer auf und legte ihm sein Problem dar.
»Akimoto-sensei, du hast mich gelehrt, dass das Leben nichts wert ist, wenn die Ehre, die persönliche Ehre, nicht im Einklang mit dem Leben steht.
Kann es der Ehre abträglich sein, zu versuchen, diese Menschen da draußen zu retten? Gegen den Willen des Kapitäns?
Kann ich es mit meiner Ehre vereinbaren, nichts zu tun?«
Akimoto blieb lange still. Er war sehr stolz darauf, dass die Lehren, die er seinem Schützling immer wieder eingeprägt hatte, nun solch prächtige Früchte trugen. Rikyu fragte nicht einen Augenblick lang nach seinem Leben, wenn es darum ging, seine Ehre zu schützen, sie rein zu halten. Gleichzeitig war er sich seiner Sache auch nicht so sicher, als dass er sich ohne Überlegung in ein Vorhaben gestürzt hätte, das er nicht überblicken konnte.
Bedächtig legte ihm der alte CHOSON die Hand auf die Schulter.
»Wenn dein Gewissen sagt, dass du etwas tun musst, Rikyu-san, so tue es. Wenn die Ehre verlangt, dass du handelst, so zögere nicht. Doch bedenke immer, für wen du es tust und auch, auf welche Weise du es tun willst.
Rikyu-san, ich habe dir keine Vorschriften zu machen. Diese Entscheidung wird deine eigene sein.«
Der Angesprochene war sich jetzt selbst nicht mehr so sicher – er hatte sich eine eindeutige Antwort von seinem Vertrauten erwartet, die ihm helfen würde, seine Entscheidung zu treffen. Stattdessen wich sein Lehrmeister einer direkten Aussage aus und verlegte sich auf allgemeine Worte.
Rikyu ahnte aber mehr denn er wusste, dass er alleine zu einem Entschluss würde kommen müssen. Wie hatte Akimoto doch gerade gesagt? ‚Wenn deine Ehre verlangt, dass du handelst, dann zögere nicht.’ Es stimmte. Wenn er nicht wenigstens versuchen würde, die Menschen dort draußen zu retten, könnte er sich das nie verzeihen. Immer hätte er dann das Bedürfnis, auf sich selbst zu spucken.
Aber – durfte er sein Leben aufs Spiel setzen, wenn nicht einmal ein Schiff, das doch widerstandsfähiger war als ein Boot, den tosenden Gewalten mit Sicherheit trotzen konnte? Hatte es überhaupt einen Sinn, etwas unternehmen zu wollen?
Hatte es überhaupt einen Sinn? Hatte es Sinn, noch weiter darüber nachdenken zu wollen? Sein Gewissen und sein Ehrgefühl sagten ihm, dass er den Versuch unternehmen musste, selbst wenn es ihn das Leben kosten sollte. Dafür aber würde seine Ehre erhalten bleiben.
Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, war ihm sofort viel, viel leichter zumute. Er wusste plötzlich, dass er sich richtig entschieden hatte und auch die Art und Weise, in der er vorzugehen hatte, war ihm plötzlich vollkommen klar.
Er wandte sich um und rief einige Männer heran, die gerade den Kaperer verließen.
»Mervin-Tah! Olovson! Ampor-Gol! Hierher! Und ihr drei dort auch! Wir machen das kleine Boot flott und fahren hinaus!«
Keiner der Angesprochenen wagte es, einen Einwand zu erheben, soviel Entschlossenheit ging von dem CHOSON aus. Gehorsam, wenn auch mürrisch, gingen sie daran, das Boot seeklar zu machen. Santas-Gor hatte noch nichts von den Vorgängen bemerkt. Keiner der Korsaren hatte den Mut, seinem Chef die unangenehme Nachricht zu überbringen: dass sein Pflegesohn gegen den ausdrücklichen Befehl des Vaters handelte.
»Mann Boot!« Seine Stimme klang nicht sonderlich laut, doch sie war von einer solch gefährlichen Ruhe, dass jeder augenblicklich gehorchte. »Aus Riemen! Fest pullen!« Das Boot bockte etwas, als die ersten Wellen gegen das noch langsame Fahrzeug schlugen, doch dann nahm es Kurs auf.
Mit jedem Schlag der Riemen kam es der Ausfahrt näher, mit jedem Schlag wuchsen die Wellen mehr und mehr zu Brechern, die das Boot zu hindern suchten.
»Rikyu!« Die Stimme klang bittend, nicht fordernd. Der Junge wandte sich halb um und sah seinen Pflegevater am Ufer winken. »Komm zurück! Du wirst nicht fahren!« – »Meine Ehre gebietet es mir!« Mehr war dazu nicht zu sagen, Rikyu drehte sich wieder zurück und korrigierte den Kurs.
Jetzt war das Boot durch die Einfahrt hindurch und sofort schlugen schwere Brecher über der Nussschale zusammen. Zwei Männer mussten die Riemen einholen und stattdessen das Boot lenzen. Damit konnten sie aber lediglich verhindern, dass das Boot noch schwerfälliger wurde.
Nur noch sehr langsam kamen sie jetzt vorwärts. Das Schiff rückte zwar allmählich näher, doch es bedurfte Rikyus ganzer Kraft, das Ruder zu halten und auch die Männer an den Riemen und Ösbechern gaben ihr Bestes.
Das Schiff bewegte sich nicht mehr, war also tatsächlich auf das Riff aufgelaufen. Von diesem hatte der fremde Kapitän natürlich nichts wissen können. Überwasserschäden waren auf diese Entfernung noch nicht genau erkennbar, doch die Schlagseite war nicht zu übersehen.
Immer wieder lösten sich die Männer an den Riemen und an den Ösbechern ab. Immer wieder wurden sie zurückgedrängt, wenn ein besonders schwerer Brecher das Boot erneut bis ans Dollbord füllte und die Anstrengung an den Riemen zunichte machte, denn jeder Brecher warf sie ein beträchtliches Stück zurück.
Doch so sehr die Brecher auch wüteten, so sehr der Wind blies: selbst beide zusammen konnten nicht verhindern, dass sich das zerbrechliche Fahrzeug langsam an das Wrack heranschob, sich mühsam herankämpfte.
Schließlich, in einer Flaute von nur wenigen Sekunden Dauer, in denen der Sturm neuen Anlauf zu nehmen schien, gelang es dem Vordersten, einen Enterhaken in das Holz des aufgelaufenen Schiffes zu schlagen. Damit hatten sie einen Haltepunkt. Kaum saß das Eisen im Holz, musste der Mann auch schon Leine zugeben, denn das Boot tanzte auf den Wellen wieder von den hoch aufragenden Bordwänden des Stranders weg. Doch der Haken hielt und sie kamen wieder heran. Ein weiterer Haken fixierte das Boot und Rikyu enterte an den Resten der Großrüsten empor in die Wanten. Wenn auch das Meer selbst ihm nichts mehr anzuhaben vermochte, suchte ihn jetzt der Sturm zu hindern. Rikyu ließ sich jedoch durch nichts mehr aufhalten. Er schwang sich über die Reling und sah sich schnell um. Schon nach dem ersten Blick wusste er, dass sie zu spät gekommen waren, um noch ein Leben retten zu können.
»Kommt nach!« wandte er sich an die Korsaren, die noch im Boot kauerten. Die Wellen schlugen jetzt an der Bordwand zurück und ließen die Eierschale noch heftiger tanzen als bisher.
Zu siebt suchten sie den noch zugänglichen Bereich des Decks ab, fanden jedoch nur Tote bzw. Teile von ihnen.
Nach einer halben Stunde, die ihnen wie ein halber Tag vorkam, wussten sie, dass es nichts zu retten gab. Rikyu bedeutete den Männern, dass sie zurückkehren würden. »Hier können wir nichts mehr erreichen. Retten wir unser eigenes Leben!«
Das Zurückklettern in das tanzende Boot unter ihnen erwies sich als ein Kunststück besonderer Art, doch auch dieses Problem wurde gemeistert. Sie legten ab und pullten zurück. Jetzt, den Wind im Rücken, verlief die Fahrt schneller und einfacher. Binnen einer weiteren halben Stunde waren sie wieder im relativ ruhigen Wasser ihrer Bucht an den Drachenklippen angelangt. Sie legten an und Rikyu wies die Männer an, das Boot wieder festzuzurren und sich dann auszuruhen. Er wusste genau, wie erschöpft sie waren. Dann begab er sich zu Santas-Gor, um ihm Bericht zu erstatten.
Mit einem seltsamen Druck in der Magengegend trat er ein. Santas-Gor saß in seinem Arbeitssessel und blickte seinem Zögling entgegen. Wütend war er nicht, das sah Rikyu sofort. Aber auch von Wohlwollen konnte er keine Spur entdecken.
Der Kapitän schwieg. Er wartete ab. Immerhin entspannte das die Lage schon etwas, dachte der CHOSON und lockerte sich ein wenig.
Schließlich machte der Korsar doch den Anfang. »Nun, mein Sohn, wie ist deine Aktion abgelaufen?« Rikyu lauschte auf den Klang der Worte, konnte aber keine Gefahrenzeichen heraushören.
»Wir kamen zu spät,« begann er, »als wir am Wrack anlangte, lebte dort schon niemand mehr.« Er hielt inne.
»So, sie lebten also nicht mehr, wie? Sie können also auch nicht mehr verraten, wo der Eingang zu unserem Schlupfloch liegt, wie? Und du hast das Leben von sechs meiner besten Männer aufs Spiel gesetzt, nur um nachzusehen, ob vielleicht noch einer dieser Dummköpfe am Leben ist.
Vielleicht wolltest du dich beweisen und den Überlebenden dann selbst den Garaus machen, oder?
Außerdem hast du mein Ehrenwort gefährdet, das ich deinem Vater gab. Ich versprach ihm, für dich zu sorgen und dir eine gute Erziehung zukommen zu lassen. Kannst du mir vielleicht erklären, wie ich das anstellen soll, wenn du dich nicht um meine Anordnungen scherst?«
Er machte eine Pause und wartete offensichtlich darauf, dass Rikyu sich zu verteidigen versuchte. Doch dieser hatte sich in der Gewalt und ließ nichts von seinen Gedanken nach außen dringen. Er stand ruhig da und wartete.
»Für dich zu sorgen ist ja nun nicht übermäßig schwer. Die Erziehung, nun, die ist da schon etwas anderes. Habe ich dir nicht von meinen Leuten die Fertigkeiten des Steuerns, des Kartenlesens und noch manche andere beibringen lassen? Habe ich nicht sogar geduldet, dass dieser greise Narr, dieser Akimoto, dir Märchen vergangener Zeiten erzählt, in denen noch alles gut war? Mir scheint, ich habe da einen Fehler gemacht.
Rikyu,« änderte er plötzlich den Ton, »ich wollte mit alledem nur erreichen, dass du fähig bist, deinen Mann zu stehen, wenn es an der Zeit ist: ja, ich habe sogar daran gedacht, dich als meinen Nachfolger anzukündigen, wenn es mir einmal zu schwer fallen würde, diese Galgenstricke da draußen zu führen. Bedeutet dir das alles nichts?« Er atmete schwer.
Noch immer stand der junge CHOSON regungslos vor seinem Vater, der nicht sein Vater war. Rikyu hatte seine Ruhe wiedergefunden, während der Korsar im Begriff stand, die seine allmählich zu verlieren.
»War ich dir nicht gut genug?« begann der Alte wieder.
Keine Antwort, nicht einmal ein Zucken der Lider. »Warum also stellst du dich gegen meinen ausdrücklichen Befehl und nimmst dir ein Boot und sechs Männer?«
Plötzlich brüllte er los. »Warum? frage ich dich! Warum? Warum? Warum?« Er machte einen Satz aus seinem Stuhl und versuchte, seinen Sohn zu ergreifen, doch dieser trat mit einer raschen Wendung zur Seite und ließ Santas-Gor an sich vorbeilaufen. Dieser konnte nicht mehr so schnell bremsen, wie er wohl gerne gewollt hätte und so trug ihn der Schwung hinaus ins Freie. Dort wurde er gewahr, dass viele aus seiner Mannschaft ihm zusahen und verhalten feixten.
Schon wollte er ihnen Beine machen und holte bereits tief Luft, um zu einer Schimpfkanonade anzusetzen. Dann aber riss er sich zusammen und wankte mit mühsam verhaltener Wut ins Haus zurück.
»Verschwinde! Geh mir aus den Augen!«, herrschte er stattdessen den CHOSON an. Dieser machte wortlos kehrt und verließ den Raum.
Minuten später sah man einen sehr nachdenklichen HOSHEI Rikyu in seinem Raum sitzen. Abgesehen davon, dass er keine Gelegenheit bekommen hatte, wirklich etwas zu dem ganzen Vorfall zu sagen, war ihm rätselhaft, wie Santas-Gor sich so hatte gehen lassen können. Die gesamte Mannschaft hatte entweder zugesehen oder wusste inzwischen davon: sein Pflegevater hatte sein Gesicht verloren.
Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der Kapitän befohlen hatte, das Schiff in Ruhe zu lassen, bis sich der Sturm gelegt hatte.
Er, Rikyu, hatte sich nicht an diese Anweisung gehalten und war stattdessen seinem Gewissen gefolgt. Er konnte sich nichts vorwerfen. Mochten andere nicht in der Lage sein, ihn zu verstehen, einer war es – MORJ Akimoto.
Rikyu erhob sich. Er fand seinen Lehrer in einer stillen Ecke und setzte sich wortlos zu ihm. Beide sprachen lange Zeit kein Wort, hockten nur einander gegenüber und warteten ab.
In dieser Stellung auf ein äußeres Ereignis wartend, sammelten sich Rikyus Gedanken und kehrten nach und nach zu ihm zurück. Er begann, sich zu erforschen, sich zu fragen.
Bald erfüllte ihn eine Ruhe, wie er sie vorher nie gekannt hatte. Alles um ihn herum, die Bucht, die Welt, sie verschwamm, wurde unwichtig für ihn.
Rikyu spürte, wie sich sein Bewusstsein erweiterte, wie scheinbar das gesamte Universum hineinpasste, sich mühelos einfügte. Eine Weile genoss er das Gefühl, eins zu sein mit allem, dann kehrte sein Geist, sein Bewusstsein wieder zu ihm zurück. Rikyu schlug die Augen auf, die er, ohne es zu bemerken, fast geschlossen hatte. MORJ Akimoto, der vor ihm saß, lächelte ihn an.
»Es ist an der Zeit, HOSHEI Rikyu.« Der junge CHOSON sah ihn an, nicht fragend, nur abwartend.
»Bevor dein Vater starb, Rikyu-san, vertraute er mir sein Schwert an. Es ist die Waffe der Familie der HOSHEI, der auch du angehörst. Da du der einzige Nachkomme deines Vaters bist, ist es an dir, diese Waffe zu tragen.
HOSHEI Hirokazu gab mir diese Waffe«, er nahm das Kenzen auf, »um sie an dich weiterzugeben, wenn du sie ehrenvoll tragen und führen könntest.
Wisse, Rikyu-san, in dieser Klinge sind alle deine Vorfahren mit ihren Seelen versammelt. Auch deine eigene Seele wird sich darin einst mit ihnen vereinigen.
Bewahre dein Erbe gut und halte dieses Schwert in Ehren.«
Mit diesen Worten ergriff MORJ Akimoto das Kenzen mit beiden Händen, hielt es quer vor sich, den Griff nach links gerichtet und reichte es dem jungen CHOSON hinüber.
Dieser nahm die Klinge ehrfurchtsvoll entgegen, hielt sie lange in den Händen und hob schließlich den Blick, um seinem Lehrmeister in die Augen zu sehen.
»Es ist mir bewusst, welche Verpflichtung und welche Ehre dieses Kenzen für mich darstellt. Sei versichert, MORJ Akimoto, dass ich stets bemüht sein werde, mich würdig zu erweisen.«
Er richtete sich auf. »Ich danke dir.« Damit stand er auf und schob sich die Waffe in den Gürtel, um sie danach mit der Schnur gegen Verrutschen zu sichern.
Akimoto erhob sich ebenfalls. »Nicht du solltest danken, Rikyu-san. Ich aber schätze mich glücklich, diesen Tag erleben zu dürfen, diesen Tag, an dem du dein Kenzen erhältst. AMIRADA-kami hat mich dazu erwählt, dir diese Waffe zu überreichen. Dafür habe ich zu danken.«
Rikyu wirke plötzlich viel reifer. Dieses Erlebnis würde er nicht vergessen. Auch wenn Akimoto nichts über die Gründe gesagt hatte, warum er ihm das Schwert gerade heute überreichte, spürte er, dass sein Verhalten um die Rettung der Schiffbrüchigen mit hineingespielt hatte.
Er wandte sich um und ließ die Umgebung, die er jetzt mit neuen Augen sah, auf sich wirken.
»Morgen werden wir mit der Handhabung der Waffe und mit den Übungen beginnen, Sohn der CHOSON.« Es war die Stimme seines Lehrers.

»Wisse, Rikyu, dass die Technik, die Handhabung, nur ein Teil des Gebrauchs einer Waffe ist. Wichtiger als die bloße Ausführung ist der Geist, in dem du die Waffe führst. Ohne die Anteilnahme deiner selbst ist jede Technik nur bis zu einem gewissen Grade wirkungsvoll.
Wenn du das Kenzen, die Inata oder eine andere Waffe nur der Technik wegen benutzt, zeigst du damit deinen Mangel an Ehrfurcht vor dem Leben.«
Nach einer kleinen Pause sprach MORJ Akimoto weiter. »Rikyu-san, ein Krieger, ein Heïshi, wie das Volk der CHOSON sie nennt, achtet auf sieben Prinzipien, um ein rechter Krieger zu werden.

Diese sieben Prinzipien sind folgende:
-[ 4]die rechte Entscheidung aus der Ruhe des Geistes zu treffen, die rechte Haltung zu bewahren, die Wahrheit achten
-[ 4]Tapferkeit und Heldentum
-[ 4]die Liebe der Menschheit gegenüber
-[ 4]das rechte Verhalten
-[ 4]vollkommene Aufrichtigkeit
-[ 4]Ehre und Ruhm
-[ 4]Hingabe und Loyalität

Mögest du diese Pfeiler jedes wahren Heïshi immer in deinem Herzen bewahren und sie achten.
Die rechte Entscheidung hast du getroffen, als du dich – gegen den Befehl deines Pflegevaters – entschlossest, den Versuch zur Rettung von Leben zu unternehmen.
Du hast der Gefahren nicht geachtet, die auf dich warteten. Du hast Tapferkeit und Heldentum gezeigt.
Du hast versucht, Menschenleben zu retten. Dir ist die universale Liebe der Menschheit gegenüber gegeben.
Gleichzeitig hast du aber auch Loyalität gegenüber Santas-Gor bewiesen. Du hast nicht versucht, deine Handlungen zu beschönigen. Du hast das rechte Verhalten und Aufrichtigkeit gezeigt.
Es fehlen dir noch Ehre und Ruhm.
Doch auch für dich werden Tage kommen, da du beides erhalten wirst. Dürste nicht nach Bestätigung deiner Fähigkeiten. Sei zufrieden, wenn du nicht gezwungen wirst, sie zu zeigen.
Doch zögere auch nicht, sie zu benutzen, wenn du keine andere Möglichkeit hast, deine Ehre, die Ehre deiner Familie, die Ehre des Volkes der CHOSON, deines Volkes, zu bewahren.
Diese Pflicht wiegt höher als das Leben eines Einzelnen.
Ich weiß, dass du immer danach handeln wirst.«
Mit diesen Worten erhob sich Morj Akimoto und es begann ein Übungskampf ohne scharfe Waffen, bei dem Rikyu alle seine Fähigkeiten und seine gesamte Wendigkeit einsetzen musste, um die Angriffe des greisen Akimoto abzuwehren.
Auch wenn Akimoto-sensei ‚nur’ ein Bokuto, ein Holzschwert, verwendete – zu Gegenangriffen hatte er keine Gelegenheit. Hieb folgt auf Hieb, Parade auf Parade. Nicht lange, dann keuchte er und fand kaum noch genug Luft, um sich weiterhin zu bewegen. Doch nichts in der Welt hätte ihn jetzt dazu bringen können, den Kampf abzubrechen.
Dies tat jedoch Akimoto alsbald. Er säuberte mit drei schnellen Bewegungen die Klinge von imaginärem Blut und schob sie dann mit einer gleitenden Bewegung in den Obi, den Leibgurt.
Rikyu tat es ihm nach, doch gelang ihm die Bewegung des Blutabschlagens nicht so selbstverständlich, wie es ihm Akimoto gezeigt hatte. Auch musste er hinsehen, als er die Klinge mit der stumpfen Seite nach unten durch die Finger zog, um sie dann in das Saya, in die Schwertscheide, zu schieben.

Akimoto-sensei, sage mir eines: wie kann ich die Ehrfurcht vor dem Leben mit dem Kampf mittels Waffen in Einklang bringen?
Wenn ich töte, stelle ich mich damit gegen das Leben. Wenn ich aber für das Leben eintrete, kann ich nicht töten, kann ich kein Leben vernichten. Ich sehe keinen Ausweg aus diesem Kreis.«
»Es ist gut, dass du selbst darauf gekommen bist, wie sehr sich Töten und das Leben gegenseitig ausschließen. Wenn du über dieses Problem weiter nachdenkst, wirst du auch die Lösung erkennen, die einzige Lösung, die es geben kann.
Es ist nicht an mir, dir diesen Weg zu zeig...«
»Ich dagegen kann dir sagen, welche Lösung es gibt, höre nur zu!« tönte da hinter Rikyu die Stimme von Santas-Gor. »Ich habe zusehen können, wie gut du schon mit deinem Schwert umgehen kannst. Wie nennst du es doch gleich? Ach ja richtig – Kenzen. Merkwürdiger Name«, brummelte er in sich hinein.
»So im Laufe der Zeit bist du zu einem richtigen Mann herangewachsen, den man auch auf Kaperfahrten brauchen kann. Ich kann mir denken, dass du es auf einem Schiff mit drei Gegnern gleichzeitig aufnimmst.«
Er wandte sich an MORJ Akimoto. »Gut hast du ihn geschult, Alter. Mit dem Schwert kann er umgehen, das hat er eben gezeigt. Damit wirst du jetzt kaum noch gebraucht. Du kannst ihn noch weiter auf seine Waffe einüben, doch möchte ich nicht mehr, dass du ihm den Kopf mit deinen Weisheiten verwirrst. Wenn ich mitbekomme, dass du ihm noch mehr von diesem Unsinn erzählst, wirst du es zu büßen haben.«
»Vater,« war Rikyu beinahe versucht zu rufen. Diese Anrede hatte er noch nie verwendet und Santas-Gor wäre sicherlich zu Zugeständnissen bereit, hörte er dieses Wort aus seinem Mund.
Doch dann siegte seine Aufrichtigkeit und sein Ehrgefühl: »Wenn du MORJ Akimoto etwas antun willst, wirst du erst an mir vorbeizukommen haben!«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ einen vollkommen verblüfften Kaperer stehen.
Santas-Gor schnappte hörbar nach Luft. Er wusste nicht, wie ihm geschah. Er hatte doch nur dem Alten zeigen wollen, dass er noch immer der Herr war und sich nichts gefallen ließ und da stellte sich sein Sohn, sein Pflegesohn, gegen ihn und drohte ihm.
Und doch, er wusste nur nicht, wieso, empfand er sogar so etwas wie Achtung vor diesen Worten. Gleich darauf ging wieder einmal sein Temperament mit ihm durch. Er holte aus, wirbelte herum und schlug Akimoto ins Gesicht.
Der alte CHOSON wankte zwar, zuckte aber mit keiner Miene und nahm den Hieb mit einer schier unerschütterlichen Ruhe hin. Zu einem zweiten Schlag kam Santas-Gor schon nicht mehr, denn wie durch Geisterhand stand Rikyu plötzlich neben ihm und hatte die Hand an der halb gezogenen Waffe. Kein Muskel regte sich an ihm.
Santas-Gor zögerte; diese Ruhe war ihm unheimlich – ja, er empfand sogar Angst. Die schon erhobene Hand sank ihm wieder herab. Langsam, er suchte nach einer Schwäche seines Sohnes, drehte er sich um. Doch er fand keine Blöße an ihm.
Ganz ruhig stand der CHOSON da, die Klinge halb gezogen, die Augen auf ihn gerichtet. Diese beinahe unnatürliche Ruhe bot kein Ziel für den Merunen.
Der Korsar gab auf, gab für den Augenblick nach. Nachdem er sich entfernt hatte, ließ Rikyu die Klinge zurückgleiten und wandte sich endlich seinem Lehrmeister zu. Dieser hatte jedoch keinen Schaden davongetragen, erkannte er sogleich.
MORJ Akimoto sah seinen Schützling nur lange, lange prüfend an und verließ dann schweigend den Schauplatz. Worte waren hier nicht nötig. Aber Rikyu sagte dieses Verhalten mehr als alles andere. Er würde von nun auf der Hut sein müssen, auf der Hut vor seinem eigenen Pflegevater.
Auf dem Rückweg in seinen Raum fing ihn einer der Korsaren ab. »Rikyu, dein Vater lässt dich bitten, dich zu ihm zu bemühen. Er hegt die Absicht, sich mit dir über eine Fahrt zu unterhalten. Am besten wird es wohl sein, wenn du dich umgehend zu ihm begibst.« Ein breites Grinsen begleitete diese Worte und zeigten dem CHOSON, dass der Sprecher sehr wohl wusste, warum er gerade jetzt gerade diese Worte gewählt hatte.
»Komm näher und sieh dir diesen Kurs an!« Rikyu war in den Raum getreten, in dem Santas-Gor lebte und war abwartend an der Tür stehen geblieben. Doch außer seinem Pflegevater und ihm befand sich niemand hier. Dennoch hielt seine linke Hand das Kenzen im Saya fest.
»Was hältst du davon?« – »Ein Kaperkurs.« Mehr sagte Rikyu nicht.
Santas-Gor war jedoch noch lange nicht fertig. »Er führt das Schiff mit Sicherheit in Sichtweite von anderen Schiffen heran. Du wirst an der Fahrt teilnehmen.«
»Ich werde nicht auf dem Schiff sein!« Rikyus Stimme klang fest. »Rikyu, mein Junge, wenn du nicht an Bord gehst, haben wir nichts mehr miteinander zu schaffen. Ja, ja, ich weiß, du möchtest nicht, dass ich dich so nenne, aber für mich bist du eben mein Sohn.« Er senkte seine Stimme »Oder jedenfalls beinahe«, murmelte er fast unhörbar zu sich selbst.
»Rikyu, sieh mal, wenn du dich gegen alles sträubst, was ich für dich tun will und tue, dann kann ich dir nicht helfen. Dann ist es mir unmöglich, mein Versprechen, das ich deinem leiblichen Vater gegeben habe, zu erfüllen.
Wenn es wirklich das ist, was du willst, dann bleibe meinethalben hier. Aber dann gestatte mir bitte auch, die Folgerungen aus deinem Verhalten zu ziehen und mein Wort deinem Vater gegenüber als zurückerhalten zu betrachten.
Das war es, was ich dir sagen wollte. Jetzt entscheide dich.«
Santas-Gor sah seinen Pflegesohn abwartend, fast ängstlich an. Dieser stand regungslos da, er überlegte. Seine Gedanken allerdings vollführten wilde Sprünge.
Zum Einen widerstrebte es ihm, etwas zu tun, was gegen seine Ehre ging, nämlich an einem Raubzug teilzunehmen. Auf der anderen Seite durfte er nicht schuldig daran werden, dass das Versprechen, das sein Vater dem Korsaren abgenommen hatte und mit dem er gestorben war, durch seinen Stolz hinfällig wurde. Sein Vater hatte sich darauf verlassen, dass er, HOSHEI Rikyu, ein Heïshi werden würde, dessen sich das Volk der CHOSON nicht zu schämen brauchte. Wenn er seine persönliche Ehre vor die seines Volkes stellte, dann war ihm diese Möglichkeit, wenn schon nicht ganz verwehrt, so doch wesentlich erschwert.
Durfte er seine eigene Ehre höher einstufen als die seines Volkes, des Volkes der CHOSON?
»Santas-Gor, wenn du es wünschst, werde ich an Bord des Schiffes sein.« Die Entscheidung war getroffen.
Erleichtert lehnte sich der Kapitän zurück. Rikyu war aber noch nicht fertig. »Erwarte jedoch nicht, dass ich mich in die Reihen deiner Männer stelle. Erwarte von mir keine Unterstützung deiner Taten.«
»Ich wusste, dass du es dir noch einmal überlegen würdest, Rikyu.« Santas-Gor entspannte sich, vermied jedoch, auf Rikyus letzte Worte einzugehen. »Und nun hole deine Ausrüstung. Wir wollen keine Zeit verlieren.«
Ohne ein weiteres Wort wandte sich Rikyu um und begab sich zu Akimoto, um ihm von den jüngsten Ereignissen zu unterrichten.
Dieser hörte sich den Bericht an, schwieg aber dazu. Er neigte nur den Kopf, um Rikyu anzudeuten, dass er verstanden habe. Und Rikyu begriff: MORJ Akimoto würde ihm keinerlei Anweisungen mehr geben, sofern sie nicht unmittelbar zu seiner Ausbildung gehörten.
Entscheidungen hatte er nunmehr alleine zu treffen, er war reif dazu.
 

Rikyu

Mitglied
@FlamMarion
Zunächst vielen Dank, dass du dich an meinen Text gesetzt hast.
Die meisten deiner Korrekturen habe ich auch prompt übernommen; eigentlich hätten sie mir selbst auffallen müssen.

<Zitat>
Sein Erzieher, der inzwischen greise MORJ Akimoto, erzählte ihm von den Gebräuchen seines Volkes, des Volkes der CHOSON, von dem bisher noch niemand auf MAGIRA wusste, wo es zu finden war – mit Ausnahme der CHOSON natürlich. Von diesen (wenn es weitere Choson gibt und man sich mit ihnen arrangiert hat, muss sich Hoshei keinerlei Sorgen um sein Aussehen machen) aber dachte niemand daran, dieses Geheimnis zu lüften.
</Zitat>
Rikyu hatte lediglich ein anderes Aussehen, wenn er mit den Piraten verglichen wurde. Die allerdings stammen aus so ziemlich allen Ländern Magiras, so dass ein auch gegenüber diese Meute verändertes Aussehen nicht viel Aufsehen erregte.
Rikyu war unter den Piraten der einzige CHOSON, sein Volk würde erst später auf Magira selbst (auf den bekannten Welten) erscheinen.

Die 'Zeitfehler' sind kein Lapsus meinerseits, ich habe diese Form bewusst gewählt, um den 'Flair' des Erzählens/Reklamierens ein wenig zu beschwören.
In diesem Fall dachte ich an die Art, wie manche afrikanische Erzähler die Geschichte eines Stammes über mehrere Generationen hinweg erzählen.
Dort wird alles in der Gegenwartsform erzählt, auch wenn die Ereignisse schon Jahrhunderte zurückliegen. Ich fand diese 'Übernahme' passend.

Zu den Himmelsrichtungem muss ich anmerken, dass es auf Magira sechs Himmelsrichtungen gibt: Nor, Est, Mir, Sud, Wes und Ydd. 'Sud' ist also kein Tippfehler!

'Der Vorderste' schreibe ich eigentlich immer groß, weil 'der' als Artikel auf das folgende Substantiv hinweist, das nun einmal groß geschrieben wird.
Gleiches gilt für 'zum Einen'. 'Zum' enthält einen versteckten Artikel (zu dem) und verlangt damit IMHO die Großschreibung des Substantivs.

'Eh-re' ist mir durch die Lappen gegangen, hier hat Word doch noch einen Trennstrich 'durchbekommen'. Danke für den Hinweis!

Es mag sein, dass es dem Leser zu dick aufgetragen vorkommt, wenn ich den Sturm das Schiff auf das Riff treiben lasse und die Besatzung anschließend (bei dem Versuch, sich zu retten, wenn das Schiff schon verloren ist) von demselben Sturm gegen Masten, Reling usw. geschleudert wird.
Da der Sturm auch vor Leichen nicht halt macht, erschien es mir logisch, dass die Toten nicht mehr allzu gut aussehen, nachdem das Unwetter mit ihnen fertig war.
Aber darüber kann man geteilter Meinung sein.
Zu diesem Punkt würde mich der Leseeindruck anderer Leser ganz besonders interessieren...

BTW: HOSHEI ist der Familienname; im Klappentext habe ich kurz darauf hingewiesen. Der Eigenname ist Rikyu.

Ich freue mich ganz besonders,weil ich offenbar keine allzu groben Schnitzer hinterlassen habe und glücklicherweise nur einige formale Fehler genannt werden mussten.
 

flammarion

Foren-Redakteur
hm,

lieber Rikyu, unsere Deutschlehrerin brachte uns damals bei, dass alle Adjektive klein geschrieben werden, auch wenn sie auf ein Substantiv hinweisen. kann sein, dass das inzwischen geändert wurde . . .
das mit den Leichenteilen halte ich nach wie vor für stark überzogen. solange schaukelte sich das Wrack noch nicht auf der Klippe, als dass Sturm und Meer derart zerstörerisch wirken konnten.
Sud hatte ich durchaus als Himmelsrichtung erkannt. sie sind mir zu dicht an bekannte Sprachen angelehnt. wenn schon Fantasiesprache, dann richtig und nicht so ein Gemisch aus deutsch, englisch und japanisch. ist nur meine Meinung. kann sein, dass gerade dieses Gemisch für Jugendliche sehr reizvoll ist.
auch die Gegenwartsform in der Erzählung über die Choson war mir als Stilmittel klar. vielleicht könntest du aber, um das jedem klar zu machen, erwähnen, dass Akimoto beim Erzählen in einen gewissen Singsang oder so verfällt. es gibt Indianer, die zum Singen immer nur ein und denselben Ton von sich geben. eine Menschenstimme kann sehr vielfältig moduliert werden. dir fällt da bestimmt noch was ein.
lg
 



 
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