Jugendliche Sünden

4,30 Stern(e) 4 Bewertungen
01.06.1979

„Guck mal die da hinten", Marc zeigte in Richtung der Gruppe kichernder Mädchen, die in einiger Entfernung auf dem Hof des Jugendclubs standen.„Die hab ich schon mal flachgelegt", sagte Marc.
„Die Rothaarige? Echt?" Adrian staunte. „Die ist ja klasse!"
„Nee, nicht die, die kommt aber auch noch dran. Ich meinte die Dunkelblonde mit dem Pferdeschwanz."
„Auch nicht schlecht." Adrian steckte die Hände in die Hosentaschen, um einen lässigen Eindruck zu machen.
„Wenn du willst, kannst du sie übrigens haben."
„Glaubst du, die steht auf mich?"
„Die steht auf alles, was einen Schwanz hat. Frag sie einfach. Die treibt's mit jedem."
Adrian warf einen Blick auf die Mädchen. Die Dunkelblonde war gerade im Begriff, sich von den anderen Mädchen zu verabschieden.
„Soll ich einfach hingehen und fragen, ob sie mit mir vögelt? Dann knallt sie mir doch eine."
Marc lachte auf. „Die nicht. Die geht erstens mit und ist zweitens noch dankbar."
Das Mädchen hatte sich von der Gruppe gelöst, überquerte den Hof und kam nun genau auf sie zu.
„Hi, Veronika", grüßte Marc mit einem breiten Grinsen und Adrian brachte ein kurzes "Hi" heraus.
„Hi", das Mädchen beeilte sich, an den beiden vorbei zu kommen.
„Schöne Nacht gehabt?" rief Marc ihr nach, bekam aber keine Antwort. Adrian sah ihr nach, bis sie verschwunden war.
„Klasse Figur", stellte er fest.
„Probier sie doch einfach aus", Marcs Grinsen wurde, wenn möglich, noch breiter.
„Mal sehen", sagte Adrian.

Zu Hause setzte Veronika sich an den Schreibtisch in ihrem Zimmer und zog ihr Tagebuch aus der Schreibtischschublade. Die letzte Eintragung war von Sonntagmittag.
„Marc hat mich gestern Abend mit zu sich nach Hause genommen. Seine Eltern waren nicht da. Wir hatten Sex. Unbeschreiblich schön.... Er war so zärtlich.... Das war das dritte Mal mit ihm."
Sie schloß die Augen und durchlebte das Vergangene noch einmal. Dann schrieb sie in ihr Tagebuch: „Heute ist Freitag. Eben bin ich Marc über den Weg gelaufen, aber er hatte einen Freund dabei. Komisch, wenn ich ihn zufällig sehe, weiß ich nie, was ich sagen soll. Ich bin lieber so schnell wie möglich an ihm vorbeigegangen." Sie starrte einen Augenblick vor sich hin, dann schrieb sie weiter. „Er hat auch noch nie gesagt, dass ich seine Freundin bin. Aber das macht nichts. Ich bin einfach nur glücklich, wenn ich bei ihm sein kann." Beim Schreiben des letzten Wortes bemerkte sie ein Ziehen im Unterbauch. „Oh nein", dachte sie. „Nicht schon heute. Verdammt, das Wochenende ist wohl gelaufen."

02.06.1979
Einmal im Monat war Discoabend im Jugendclub. Marc wollte sich mit ein paar anderen um die Musik kümmern und hatte Adrian beauftragt, Getränke zu besorgen.
„Ich kann wieder einmal den Handlanger spielen", dachte Adrian verärgert, machte aber, was ihm aufgetragen worden war, ging einkaufen und schleppte die Kisten mit Cola, Limo und Bier in den Jugendclub. Er war gerade damit beschäftigt, alles ordentlich einzuräumen, als Joris hereingeschlendert kam.
"Haste Arbeit?" fragte er leutselig.
"Wie du siehst," antworterte Adrian, der keine Lust auf dumme Sprüche hatte. Doch Joris ließ sich davon nicht beeindrucken.
„Hat Marc dich wohl angestellt, was? Ja, der weiß, wie er es machen muss." Er zog sich einen Stuhl heran. „Marc ist schon ein komischer Typ", fuhr er fort. „Also von uns weiß keiner, was eigentlich mit dem los ist. Tut immer so, als ob er sei der Boss sei ... Als ob er alles im Griff hätte.... aber ich weiß was, was du wahrscheinlich nicht weißt. So lange wohnst du ja noch nicht hier."
„Knapp drei Monate." Adrian war mit seinen Eltern von Karlsruhe in dieses kleine Dorf am Rhein gezogen.
„Er wollte sich mal umbringen, wegen einem Mädchen. Der Idiot hat Schlaftabletten geschluckt. Da war er gerade fünfzehn, ist jetzt ein Jahr her. Sein Vater hat ihn im letzten Moment gefunden." Joris wartete die Wirkung seiner Worte ab.
"Davon hab ich noch nie was gehört. " Adrian dachte über die Information nach. Ausgerechnet Marc, der sich so überlegen gab und der laut seinen eigenen Angaben jede haben konnte, sollte in Bezug auf Mädchen so verletzlich sein?
Adrian nahm sich eine Flasche Cola und bot Joris auch eine an, der sie dankend annahm.
„Was soll ich damit nun anfangen? Ich werde Marc bestimmt nicht danach fragen."
„Mach damit, was du willst. Ich glaub, er ist seitdem einfach duchgedreht. Glaubt, alle müssten nur machen, was er will, und vor allem", jetzt winkte Joris Adrian ganz nahe zu sich heran und flüsterte dann verschwörerisch in sein Ohr: „Er hasst alle Mädchen!"
Adrian musste lachen. „Der ist bestimmt nicht schwul."
„Das hab ich auch nicht gesagt. Schwul ist er nicht, aber Mädchen nutzt er halt nur aus. Glaub es mir. Meine Schwester war in ihn verknallt. Ja, er hat sie gefickt und dann eiskalt abserviert. Und hinterher noch dummes Zeug über sie erzählt, sie würde es mit jedem treiben und so ein blödes Zeug." Joris nahm noch einen tiefen Schluck. „Rück jetzt mal ein Bier raus, Mann, ist schon fünf Uhr, ich brauch was Stärkeres."
Adrian grinste, öffnete eine Bierflasche und reichte sie ihm.
„Das reicht aber erstmal! Du willst ja nicht schon um acht besoffen in der Ecke liegen."

Drei Stunden später hatte der Raum nicht mehr die geringste Ähnlichkeit damit, wie er um17.00 Uhr ausgesehen hatte. Fast alle Jugendlichen aus dem Dorf und Umgebung waren gekommen, natürlich auch Marc. Die Musik tönte aus den Lautsprechern, und einige versuchten sich sogar am Rock'n Roll - gar nicht mal so schlecht, wie Adrian fand. Unter den Tanzenden entdeckte er Veronika und teilte dies Marc, der die Platten auflegte, mit.
„Hab ich schon gesehen"; sagte Marc. "Willst du sie heute vögeln?"
„Glaub kaum, dass das klappt."
„Wir können es auch zusammen machen", grinste Marc. "Falls du Jungfrau dich traust."
„Klar", sagte Adrian, dem Marc auf die Nerven ging. Albernes Gequatsche, dachte er.
„Okay, übernimm du hier mal", sagte Marc und schlenderte in Richtung Veronika davon. Adrian sah, wie er auf sie einredete. Sie schüttelte erst den Kopf, dann nickte sie. Er wird sie ja wohl nicht im Ernst gefragt haben, dachte Adrian. Wahrscheinlich hat er was ganz anderes gesagt und wenn er zurückkommt, behauptet er, sie wäre einverstanden.
„Geht klar", sagte Marc, als er zurückkam.
„Aha", sagte Adrian
„Oder haste Schiss?"
„Bestimmt nicht." Es konnte nichts schaden, sich lässig zu geben, fand Adrian. Wahrscheinlich würde Marc später einfach verschwinden, mit oder ohne Veronika, aber auf jeden Fall, ohne ihm Bescheid zu sagen und am nächsten Tag behaupten, er, Adrian, habe ja Schiss gehabt. Und wenn schon.

„Was wollte Marc denn gerade von dir?" fragte Leonara, als sie eine kurze Pause vom Tanzen machten und sich am Tisch ausruhten.
"Wollte wissen, ob ich nachher mit ihm zu komme", sagte Veronika.
„Und, gehst du?" fragte Leonara neugierig.
„Ich wollte eigentlich nicht, hab meine Tage."
„Na, das ist ja echt scheiße", Leonara seufzte, „du hast ja Pech. Also ging es dem mal wieder nur ums Ficken ... ich hab dir schon öfters gesagt, der will dich eh nur dafür."
„Er hat gemeint, ich könnte trotzdem kommen."
„Und was wollt ihr dann machen, Mikado spielen?"
„Keine Ahnung, aber er will unbedingt, dass ich komme."
„Wohl eher, dass er kommt", meinte Leonora trocken. „Wahrscheinlich sollst du ihm einen blasen. Wenn Vögeln schon nicht geht. ...."

Um zwei Uhr wurde der letzte Song gespielt, und die Besucher des Jugendclubs zerstreuten sich allmählich. Adrian fühlte, wie ihn jemand an der Schulter packte. Es war Marc. „So, jetzt geht es los", sagte er. Und tatsächlich kam Veronika auf sie beide zu.
„Das ist Adrian, das ist Veronika", stellte Marc kurz und knapp vor. "Ihr habt euch ja schon gesehen, also dann kann es losgehen. Wir gehen zu mir."
Veronika schaute etwas irritiert, sagte aber nichts.

Adrian fühlte sich komplett überrumpelt. Aber was war schon dabei. Das Mädchen war freiwillig zu ihnen gekommen. Und wahrscheinlich würde bei Marc zu Hause gar nichts laufen. Aber er wollte doch mal sehen, wie er sich da herausreden wollte. Und außerdem kam es gar nicht in Frage, jetzt zu kneifen. Also ging er mit.
„Ab in mein Zimmer", sagte Marc, als er die Haustür aufschloss, und Veronika ging voraus. Zumindest das hat er nicht gelogen, dachte Adrian, sie war mit Sicherheit schon einmal hier.
„So, jetzt machen wir es uns gemütlich", Marc griff sich Veronika und fing an, ihre Bluse aufzuknöpfen.
„He", Veronika versuchte, ihn abzuwehren, "wir sind doch nicht allein. Und außerdem hab ich dir gesagt, dass es heute nicht geht."
„Warum bist du denn dann mitgekommen?" grinste Marc und riss ihr mit einem Ruck die Bluse vom Körper.
„Lass das!" Veronika wollte sich bücken, um die Bluse aufzuheben, doch Marc hielt sie fest.
„Nun bedien dich schon", forderte Marc Adrian auf, der bis jetzt stocksteif dagestanden hatte. „Kannst den BH aufmachen. Oder hast du Schiss?"
„Sie will doch gar nicht", murmelte Adrian, „lass sie doch in Ruhe."
„Was macht der überhaupt hier?" fragte Veronika. „Schick ihn nach Hause, dann können wir alles machen, was du willst."
„Wir machen jetzt, was ich will. Du hast doch gesagt, du würdest alles für mich tun?"
„Für dich, aber nicht für den! Den kenn ich doch gar nicht."
„Ach, der ist schon in Ordnung." Marc grinste zu Adrian hinüber und lockerte dabei seinen Griff. Veronika nutzte dies aus, um sich loszureißen, ihre Bluse aufzuheben und an Adrian vorbei, der ihr Platz machte, zur Tür hinauszulaufen.
„So kommt die mir nicht davon", Marc wollte ihr hinterher, doch Adrian versperrte ihm die Tür.
„Hast du sie noch alle? Lass mich sofort durch!"
„In ein paar Minuten", sagte Adrian, der immer noch nicht ganz begriff, was hier beinahe passiert war. Marc stürzte sich auf ihn und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Adrian schlug zurück, und im Nu war eine wilde Prügelei im Gange. Hat auch sein Gutes, dachte Adrian, als er zu Boden ging. Zumindest hatte Veronika jetzt Zeit genug, nach Hause zu kommen.

03.06.1979
An diesem Tag verbrannte Veronika ihr Tagebuch.

An diesem Tag fragte Adrian seine Eltern, ob sie nicht wieder umziehen könnten. Auf die Frage, was mit seinem Gesicht passiert sei, antwortete er, er sei vom Fahrrad gefallen. Hier könne man nun mal wirklich nicht gut Fahrrad fahren.

An diesem Tag erzählte Marc einem Bekannten, dass Veronika ein Flittchen sei und es nicht nur mit jedem, sondern sogar mit zwei Typen gleichzeitig treiben würde. Auf die Frage, was mit seinem Gesicht passiert sei, antwortete er, dass er ja eigentlich Veronika habe verteidigen wollen, weil er die Geschichte zunächst nicht geglaubt habe.

Aber das sei ihm dann doch zu blöd gewesen, wegen so einem Flittchen, und da habe halt der andere gewonnen.
 
Handlungsverlauf und Dialoge durchweg überzeugend, werte Kollegin. Die Sprache angenehm unprätentiös.

Nur eine Nachfrage: Mit welcher Absicht wurde der Stoff in so ferner Vergangenheit angesiedelt, und noch dazu mit so exakter Datumsangabe? (Ich frage erst mal nur, keine Kritik.) Da ja die Figur Veronika Tagebuch führt, hätte aus meiner Sicht über deren zitiertem Eintrag eine einzige Datumsangabe ausgereicht, um den Leser ins Jahr 1979 zu versetzen, falls so gewünscht. So haben wir die Situation, dass der Erzähler zweimal ein Datum ausdrücklich festhält - bei einem Stoff dieser Art recht ungewöhnlich -, dass andererseits die Tagebuchschreiberin darauf verzichtet, jedenfalls in dem eingefügten Zitat. Die technische Verknüpfung eines normal erzählenden Textes mit eingestreutem Tagebuchfragment ist immer etwas schwierig. Aber das alles nur ganz nebenbei.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 
Handlungsverlauf und Dialoge durchweg überzeugend, werte Kollegin. Die Sprache angenehm unprätentiös.
Lieber Arno,

vielen Dank für diese Beurteilung und die Bewertung, ich habe mich sehr gefreut.

Nur eine Nachfrage: Mit welcher Absicht wurde der Stoff in so ferner Vergangenheit angesiedelt, und noch dazu mit so exakter Datumsangabe? (Ich frage erst mal nur, keine Kritik.)
Als die Geschichte fertig war, habe ich mich das selbst gefragt und gedacht, im Grunde genommen könnte sie auch in der Gegenwart spielen. Aber ich weiß gar nicht, ob es so etwas wie Jugendclubs heute noch gibt und so etwas wie „Platten auflegen" gibt es heutzutage gewiss nicht mehr - ich hatte keine Ahnung, wie das heutzutage auf "modern" geht und dachte dann, es klingt überzeugender so.

Die Daten waren ein Wochenende - Freitag, Samstag, Sonntag. Ich hatte extra in einem Kalender nachgeschaut, ob das so stimmt - Veronika schreibt ja auch in ihr Tagebuch "Heute ist Freitag." Aber vielleicht hätte ein Datum auch gereicht, bzw. ein kurzer Hinweis über dem Text "Sommer 1979". Wollte ich ursprünglich so machen und dann wollte ich es auf einmal akribisch haben.... :)

LG SilberneDelfine
 
Richtig, Delfine, das sehe ich auch so. Es ist im Kern ein fast zeitloses Thema, das sich allerdings als konkrete Handlung zwangsläufig zu einer bestimmten Zeit abgespielt haben muss. Diese vergangene Zeit kann man einem Text durchaus an bestimmten Details anmerken. Die Leser werden sich trotzdem sagen: So ähnlich wie heute - wenn sie jünger sind. Oder: Genau, so war es damals schon - wenn sie älter sind. Nur sollte man diesen Wiedererkennungseffekt nicht forcieren und damit ungewollt stören, indem man im Text die exakten Zeitdaten allzu sehr betont. Auf der anderen Seite - und das fällt hier viel mehr ins Gewicht - ist es dir ja mit der Dialogsprache der Figuren gelungen, etwas die Jahrzehnte Überbrückendes zu gestalten. Dass die Handlung sich hier weitgehend über die Dialoge realisiert, halte ich für eine der Stärken des Textes.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 
Nur sollte man diesen Wiedererkennungseffekt nicht forcieren und damit ungewollt stören, indem man im Text die exakten Zeitdaten allzu sehr betont
Da hast du völlig recht, daran hätte ich nicht gedacht. Das werde ich nächstes Mal beherzigen.

. Dass die Handlung sich hier weitgehend über die Dialoge realisiert, halte ich für eine der Stärken des Textes.
Vielen Dank, das ist mir nämlich in einem längeren Erzähltext schon lange nicht mehr gelungen. Freut mich!

LG SilberneDelfine
 
G

Gelöschtes Mitglied 16391

Gast
Liebe Silberne Delfine,

zunächst Sprachliches:

"Wie du siehst," antworterte Adrian
antwortete

Einmal im Monat war Discoabend im Jugendclub. Marc wollte sich mit ein paar anderen um die Musik kümmern und hatte Adrian beauftragt, Getränke zu besorgen.
„Ich kann wieder einmal den Handlanger spielen", dachte Adrian verärgert, machte aber, was ihm aufgetragen worden war, ging einkaufen und schleppte die Kisten mit Cola, Limo und Bier in den Jugendclub. Er war gerade damit beschäftigt, alles ordentlich einzuräumen, als Joris hereingeschlendert kam.
"Haste Arbeit?" fragte er leutselig.
Hier kommt die Retourkutsche :) Ich finde, du kannst den Teil 'machte aber, was ihm aufgetragen worden war' weglassen. Aus der Fortführung wird das doch klar.

„Hab ich schon gesehen"; sagte Marc.
Komma statt Semikolon

So, viel mehr habe ich nicht gefunden. Ich finde, dass an diesem deinen Text sehr deutlich wird, was uns unterscheidet. Arno beschreibt die Sprache als unprätentios, ich würde sagen, simpel, und sorry, für mich auch ohne Magie. Die Charaktere bleiben durch die knappen Schilderungen für mich auch eher Schablonen als echte Charaktere. Ich lerne nichts über ihr Aussehen, über ihr Elternhaus und auch die Hintergrundstory von Marc macht ihn für mich nicht zu einem runden Charakter.

Einen weiteren Widerspruch sehe ich in der Figurenzeichnung von Veronika.

„Marc hat mich gestern Abend mit zu sich nach Hause genommen. Seine Eltern waren nicht da. Wir hatten Sex. Unbeschreiblich schön.... Er war so zärtlich.... Das war das dritte Mal mit ihm."
„Heute ist Freitag. Eben bin ich Marc über den Weg gelaufen, aber er hatte einen Freund dabei. Komisch, wenn ich ihn zufällig sehe, weiß ich nie, was ich sagen soll. Ich bin lieber so schnell wie möglich an ihm vorbeigegangen." Sie starrte einen Augenblick vor sich hin, dann schrieb sie weiter. „Er hat auch noch nie gesagt, dass ich seine Freundin bin. Aber das macht nichts. Ich bin einfach nur glücklich, wenn ich bei ihm sein kann."
In diesem Tagebucheintrag wirkt Veronika sehr romantisch, so, als sähe sie alles durch die rosarote Brille. Die Aufregung, die Schmetterlinge im Bacuh, etc.

„Was macht der überhaupt hier?" fragte Veronika. „Schick ihn nach Hause, dann können wir alles machen, was du willst."
„Wir machen jetzt, was ich will. Du hast doch gesagt, du würdest alles für mich tun?"
„Für dich, aber nicht für den! Den kenn ich doch gar nicht."
Hier wirkt sie überhaupt nicht romantisch, sondern ziemlich abgeklärt, was ich persönlich als Widerspruch zu der Figurenzeichnung am Anfang finde.

LG,

CPMan
 
Geschätzter Kollege CPMan,

nicht dass es meine Aufgabe wäre, die Autorin hier zu verteidigen. Sie wird sich vielleicht selbst noch zu den Details äußern. Aber dein letzter Einwand reizt mich allzu sehr zur sofortigen Entgegnung. Also:

Hier wirkt sie überhaupt nicht romantisch, sondern ziemlich abgeklärt, was ich persönlich als Widerspruch zu der Figurenzeichnung am Anfang finde.
Gerade dieser Widerspruch ist ein Beleg für die Lebensnähe, mit der Veronika dargestellt ist. So viel glaube ich nämlich von jungen Menschen noch zu verstehen, dass sie sich direkt verbal oft viel kühler geben als sie im Innern sind. Bei der hier somit vermiedenen eindimensionalen Figurenzeichnung würde erst dein Vorwurf, die Charaktere seien "eher Schablonen als echte Charaktere" zutreffen. Und wenn du Angaben zum "Elternhaus" vermisst: In diesem Kontext spielt das nur eine sehr untergeordnete Rolle, scheint mir daher mit gutem Grund fortgelassen.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 
Lieber Arno,

danke für deine Anmerkung. Weiter unten füge ich noch etwas hinzu.

Lieber CPMan,

danke für dein Interesse an meiner Geschichte.

finde, du kannst den Teil 'machte aber, was ihm aufgetragen worden war' weglassen. Aus der Fortführung wird das doch klar.
Stimmt, da ist meine alte Gewohnheit, zuviel zu erklären, noch einmal mit mir durchgegangen.

Weiter unten:
Komma statt Semikolon
Stimmt auch, allerdings hatte ich gar nicht gesehen, dass ich aus Versehen ein Semikolon statt eines Kommas gesetzt habe.

Wenn du sprachlich an Fehlern sonst nichts gefunden hast, bin ich eigentlich geschmeichelt :)

. Arno beschreibt die Sprache als unprätentios, ich würde sagen, simpel, und sorry, für mich auch ohne Magie
Richtig, sie hat keine Magie, das wil sie bzw. Ich als Autorin auch gar nicht. Welche Jugendlichen reden miteinander in magischer Sprache? Man will als "abgeklärt" gelten, jedenfalls vor den anderen. Damals wie vermutlich auch heute. Oder war es damals schlimmer?

Die Charaktere bleiben durch die knappen Schilderungen für mich auch eher Schablonen als echte Charaktere. Ich lerne nichts über ihr Aussehen, über ihr Elternhaus und auch die Hintergrundstory von Marc macht ihn für mich nicht zu einem runden Charakter.
Du hast recht, dass wir uns hierin in unseren Erzählungen sehr unterscheiden. Ich finde Dinge wie: "Veronika hatte blaue Augen" in einer solchen Geschichte nicht wichtig. Wenn du den Anfang aufmerksam gelesen hast, weißt du aber, dass sie dunkelblonde lange Haare (Pferdeschwanz) und eine "klasse Figur" hat, wie Adrian feststellt.
Okay, Marc wird kaum beschrieben.... Das stimmt schon, allerdings finde ich es auch nicht so wichtig, welche Augenfarbe oder Haarfarbe er hat, weil eher sein Charakter/Verhalten beschrieben werden sollte.

Das Elternhaus spielt quasi gar keine Rolle. Glaubst du, dass Eltern wissen, was ihre 16-jährigen Kinder so alles anstellen? Es spielt für die Geschichte ja auch keine Rolle, wie die Kinder erzogen worden sind. Es sind Jugendliche, mit denen die Hormone durchgehen....

Die Hintergrundstory von Marc: Mehr erfährt Adrian ja nicht über ihn. Ich hätte es nun falsch (und langweilig) gefunden, eine ausschweifende Story darüber hinzulegen, warum er sich umbringen wollte und was damals eigentlich passiert ist. Ich lernte mal: Man muss dem Leser nicht alles vorkauen, er darf sich durchaus seine eigenen Gedanken machen. ..
Die wichtige Schlussfolgerung liefert die Geschichte doch: Er will sich auf keine Gefühle für Mädchen mehr einlassen. Lieber nutzt er sie ohne Rücksicht auf ihre Gefühle aus.

Zu Veronika:
. Hier wirkt sie überhaupt nicht romantisch, sondern ziemlich abgeklärt, was ich persönlich als Widerspruch zu der Figurenzeichnung am Anfang finde.
Hier stimme ich Arno voll und ganz zu, der schreibt:

. Gerade dieser Widerspruch ist ein Beleg für die Lebensnähe, mit der Veronika dargestellt ist. So viel glaube ich nämlich von jungen Menschen noch zu verstehen, dass sie sich direkt verbal oft viel kühler geben als sie im Innern sind.
Das glaube ich auch, aber nicht nur das: Veronika schreibt auch in ihr Tagebuch, dass Marc noch nie gesagt hat, dass sie seine Freundin sei. Sie ahnt also, dass er ihre Beziehung in einem völlig anderen Licht sieht als sie und will sich nicht noch verletzlicher durch einen Anflug von Romantik ihm gegenüber machen, als sie durch ihre Verliebtheit sowieso schon ist.

Vielleicht hätte ich das deutlicher machen können, aber ich wollte nicht...Ich arbeite lieber mit Andeutungen, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann. Ich hätte es auch gar nicht glaubwürdig gefunden, wenn Veronika jetzt z. B. gesagt hätte: "Aber Marc! Ich liebe dich doch so, wie kannst du das von mir erwarten?" oder so ähnlich.... Damit hätte sie sich doch voll die Blöße gegeben und nichts ist schlimmer für Jugendliche als das....

Würde die Story von Erwachsenen handeln, hätte man das vielleicht so schreiben können.

Vielen Dank euch beiden für die interessante Auseinandersetzung mit der Geschichte!

LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo SilberneDelfine,
das ist ja bitterböse, aber leider auch allzu oft die Realität. Ich habe in meiner Jugend einige solcher Geschichten von dieser Sorte Jungs gehört, war selbst aber nie dabei, weil viel zu schüchtern. Deine Geschichte ist hoffentlich nicht "Deine" Geschichte, sondern nur erfunden. Sie ist auf jeden Fall sehr authentisch geschrieben.
Schöne Grüße
 
das ist ja bitterböse
Hallo Rainer Zufall,

bitterböse, das, sollte die Geschichte auch sein :), ich freue mich, dass sie so sie bei dir ankommt. Abgesehen von dem, was ich schon dazu geschrieben habe, steht hier auch die kolossal andere Wahrnehmung von Veronika, die Marc aus ihrer Verliebtheit heraus anhimmelt, der Wahrnehmung von Marc, für den sie nur ein mehr oder weniger willkommenes Stück "Fleisch" ist, gegenüber.

Deine Geschichte ist hoffentlich nicht "Deine" Geschichte, sondern nur erfunden. Sie ist auf jeden Fall sehr authentisch geschrieben.
Vielen Dank für das Kompliment.
Ob es "meine" Geschichte ist: Manchmal vermixe ich eigene Erinnerungen mit fiktiven Elementen ;) so wie sie da steht, ist es nicht "meine" Geschichte.

Vielen Dank für deinen Kommentar!

LG SilberneDelfine
 



 
Oben Unten