Kai und das Reitabzeichen

Ruedipferd

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Neuerscheinung

Im zweiten Band von „Kai und der Ponyhof“ wird es wieder turbulent. Kai und Katja erleben viele neue Abenteuer und Fohlen Alexander muss sich vor dem gestrengen Preisgericht beim Hauptbrenntermin behaupten. Der kleinen Katja steht dann die größte und schwerste Herausforderung ihres Lebens bevor. Sie nimmt all ihren Mut zusammen, überwindet ihre Angst und wird zur Heldin des Ponyhofs. Ein ereignisreiches Jahr endet mit dem Weihnachtsreiten und Kai kann mit seiner Katja in eine neue glückliche Zukunft blicken.

"Kai und das Reitabzeichen" ist
wie "Kai und der Ponyhof" erschienen auf:
http://www.tredition.de/?books/ID1858/Kai-und-das-Reitabzeichen
Autor: Manuel Magiera und kostet 15€

Wer für sein pferdeverrücktes Kind noch ein günstiges und pädagogisch wertvolles Weihnachtsgeschenk sucht, wird sicher nicht enttäuscht sein.


Reitsportinteressierte Kinder und Erwachsene sollen über die Erlebnisse des kleinen Kai und seiner behinderten Freundin Katja auf wichtige Grundlagen des Pferdesports aufmerksam gemacht werden. Durch diese spannende Geschichte, die mitten aus dem Leben gegriffen ist, erfahren die Leser ganz nebenbei und ohne lernintensiven Fachbuchcharakter bereits sehr viel Wissenswertes über den sicheren Umgang mit Pferden. Der Werdegang des neunjährigen Kai, seines Fohlens "Alexander" und der behinderten Katja zeigen den Weg eines Reiters vom ersten ländlichen Turnier bis zur Teilnahme an der Landesmeisterschaft auf. Die Reihe, die mit "Kai und der Ponyhof" begann, wird nun mit "Kai und das Reitabzeichen" sachkundig fortgeführt und gibt Einsteigern erste Einblicke in schöne, aber auch wichtige Einzelheiten des Pferdesports. Ein Pferd ist kein Tennisschläger, den man mal eben in die Ecke stellen kann. Der Reiter übernimmt oft eine lebenslange Verantwortung für ein Tier, das früher nur in freier Wildbahn vor kam. Hieraus leiten sich neben Rechten auch weitreichende Pflichten ab.
Ich reite selbst und möchte dem Nachwuchs mit meiner Geschichte zeigen, wie Mensch und Tier auch künftig harmonisch miteinander umgehen können. Gleichzeitig werden zwischenmenschliche Aspekte, christliche Werte und die Integration Behinderter in eine lehrreiche Kinderfreundschaft einbezogen.

Leseproben gibt es auf Tredition zum Buch und auf meiner Homepage:
http://manuelmagiera.npage.de unter Links auf http://www.bookrix.de

Eine Kleine erhaltet ihr auch hier jetzt nachstehend:

4. Kapitel Das Reitabzeichen
Die erste Lehrgangswoche ist schnell vergangen. Jeden Morgen trainierten die kleinen Reiter fleißig. Auch die Pferde haben sich an den täglichen Unterricht und ihr Arbeitspensum gewöhnt. Jochen Asmussen hat wie immer zuerst großen Wert auf den korrekten Sitz gelegt.
Dazu mussten die Kinder auch Übungen am Boden durchführen.
Als alle auf der langen Bank saßen und ihre Sitzbeinhöcker spüren sollten, gab es großes Gelächter. Aber um mit dem Pferd einfühlsam und harmonisch mitschwingen zu können, muss man natürlich nicht nur selbst im ganzen Körper beweglich sein, sondern den eigenen Körper erst einmal richtig kennen. Auch der Voltigierbock und einige große Gymnastikbälle kamen zum Einsatz.
Wenn der Reiter mit seinem Pferd kommunizieren, sich also unterhalten will, damit das Pferd auch dahin geht, wohin der Reiter möchte, müssen alle Bewegungen von Reiter und Pferd ein einheitliches Bewegungsbild ergeben. Man nennt das mit einem Fremdwort Harmonie.
Wer auf den Turnieren erfahrene Reiter beobachtet, wird die Einwirkung des Reiters kaum noch bemerken. Und so soll es auch sein. Der Reiter sitzt gerade auf seinem Pferd, Schultern, Arme und Beine sind locker und der Reiter schwingt in der Mittelposition im Becken durchlässig mit. Durchlässigkeit ist das Weiterleiten der Bewegung über alle Gelenke, ohne irgendwo aufgehalten zu werden. Das kann man üben, aber es dauert lange und ist mit Arbeit und ständiger Disziplin verbunden.
Durchlässigkeit gehört also nicht nur zur Ausbildung des Pferdes, sondern auch zum Reiter.
Reiten mit Gewichtshilfen, das Gleichgewicht, der Ausgleich der Schiefe des Reiters, Kurvengefühl und richtiges Treiben waren die Themen eines ganzen Nachmittags, an dem die Kinder nicht nur viel Theoretisches gehört haben, sondern vor allem auch selbst Übungen und Spiele machen durften.

Im Dressurunterricht wurde erst lange Zeit in der Abteilung geritten. Allerdings wechselte Jochen Asmussen den Tetenreiter, also denjenigen, der die Spitze übernimmt, ständig aus. Dadurch konnte jeder einmal vorne sein und wurde natürlich in Sitz, Einwirkung und dem Gefühl für das richtige Ausreiten der Bahnfiguren genauestens vom Reitlehrer kontrolliert. Den zweiten Teil der Stunde sollten die Kinder durcheinander reiten und dabei einzelne Lektionen üben.
Nun wird zum ersten Mal auch die ganze Prüfung geritten. Man soll das nicht zu oft tun, denn die Pferde gewöhnen sich natürlich an die Aufgabe und warten dann die Hilfestellung durch den Reiter gar nicht mehr ab. Das ist zwar zu Hause beim Üben ganz angenehm, für eine Prüfung aber äußerst hinderlich. Die Richter achten ja genau auf die Signale des Reiters und nur darauf soll das Pferd reagieren.

Kai und seine Gruppe haben sich bereits warm geritten. Die Pferde sind gelöst und Kais Onkel betritt die Reithalle. Er hat ein kleines gelbes Buch in der Hand. Es handelt sich dabei um das Aufgabenheft. Es gibt Dressurprüfungen der Klasse E (Einsteiger), A (Anfänger), L (Leicht), M (Mittel) und S (Schwer).
In den hohen Lektionen gibt es auch noch Unterscheidungen durch Sterne, also M zwei Sterne oder S drei Sterne. Das hängt dann mit dem Schwierigkeitsgrad der Prüfung zusammen.
Onkel Jochen liest sich aufmerksam die Dressurprüfung E5 durch. Er kann sie inzwischen schon auswendig, aber es ist immer besser, sie abzulesen. Auf einem Turnier kann der Reiter, dessen Vorleser sich verliest, wegen Verreitens disqualifiziert werden. Jeder Reiter, der vielleicht einen langen Anmarschweg hatte und wegen eines solchen unnötigen Fehlers unverrichteter Dinge wieder abfahren muss, wird sich fürchterlich ärgern.

„Einen schönen Guten Morgen, alle miteinander!“, erhebt der Reitlehrer seine Stimme.
„Wir wollen jetzt das erste Mal die Prüfung vollständig reiten. Ihr seid nur fünf Reiter. Von daher könnt ihr alle in der Bahn bleiben und zusehen. Zirkel, ganze Bahn, Länge der Bahn, Mittellinie bleiben frei. Ach so, durch die ganze Bahn wechseln müssen wir auch. Also bitte Platz machen und Vorsicht. Wir werden die Prüfung vorsichtshalber später auch zu zweit gegeneinander üben.
Denkt bitte an die Ecken und an die korrekte Stellung. Kai, du fängst nicht an. Du hast hier ständig die Möglichkeit zu trainieren. Sabrina, du bist heute mal die Erste. Also alle durchparieren zum Schritt und Aufpassen. Die Prüfung beginnt.

Einreiten im Arbeitstrab, im Mittelpunkt halten, Grüßen. Gerade auf C zureiten und bereits beim Abwenden ständige halbe Paraden. Mach dein Pferd aufmerksam. Weiter, weiter, jetzt ganze Parade und Halten. Er muss mit allen vier Beinen gerade stehen. Gut, die Zügel in die linke Hand. Den rechten Arm nach hinten und einmal nicken.
Fein. Jetzt bleib ruhig und lass ihn stehen. Zügel aufnehmen und gleich energisch anreiten.
Im Arbeitstempo Trab und leicht traben, bei C rechte Hand. Weich werden, aber immer energisch und vorwärts.
Leichte Innenstellung. Die Hände ruhiger und richte dich noch mehr auf. Jetzt schön die Ecke durchreiten, das ist bereits eine viertel Volte und gerade richten, bei K durch die ganze Bahn wechseln. Tief in die Ecke reiten. Schön. Bei M linke Hand und bei C aussitzen. Auf dem Zirkel geritten. Schau jetzt genau zum ersten Zirkelpunkt. Kopf hoch und lächeln. Einmal herum. Weiter, weiter, du bestimmst das Tempo. Ruhiger mit der Hand, aufrecht die Zügelfäuste, sonst kannst du keine richtigen Paraden geben. Aus dem Zirkel wechseln, Geraderichten, erst dann umsitzen und Rechtsstellung. Weiter vorwärts. Bei X angaloppieren, einmal herum, bei A durchparieren zum Trab.

Schon vor X ständig halbe Paraden. Wenn er mit den Ohren spielt, ist er bei dir. Jetzt linken Schenkel nach hinten und vor mit der Hand. Schau nach vorne, Mädchen. Der nächste Zirkelpunkt ist deiner.
Vor der Ecke schon wieder halbe Paraden. Sehr gut. So muss der Wechsel sein. Ganz weich. Ganze Bahn, aussitzen. Wieder vorwärts. Deine Hände sind zu unruhig. Du störst ihn immer wieder im Maul.
Bei C durchparieren zum Schritt, M durch die ganze Bahn wechseln. Weicher Übergang. Ja, er kaut doch. Aufrichten und schönen Mittelschritt. Gib ihm etwas Luft. Vor K die Zügel wieder diskret kürzer fassen. Wenn du die Gerte übergibst, nimmst du erst die Zügel in die rechte Hand. Dann ziehst du die Gerte gerade nach oben und nimmst den linken Zügel mit der linken Hand wieder auf. Den Wechsel kannst du gleich machen, wenn du bei M abgewendet hast. Dann hast du mehr Zeit dazu. Jetzt wird es kritisch, denn du sollst sofort hinter K vor der Ecke wieder im Arbeitstempo antraben.
Auf dem Zirkel geritten und energisch vorwärts. Schau nach vorn. Bei X angaloppieren, bei A ganze Bahn. Gleichmäßig im Tempo bleiben. Bei C durchparieren zum Trab und wieder mit halben Paraden aufmerksam machen. Weicher Übergang, ganze Bahn und immer noch fleißig vorwärts.
Bei A auf die Mittellinie abwenden, bei X halten und grüßen. Am langen Zügel die Bahn zügig verlassen. Sehr schön. Freu dich, das war schon fast eine 7.
Nächstes Wochenende hältst du nur noch deine Hände ruhiger und rutscht etwas weniger im Sattel hin und her. Am Mittwoch üben wir noch einmal.

So, der Nächste. Marius, komm, wir wollen sehen, was ihr Männer drauf habt.“
Auch Marius, Pamela und Lara und natürlich Kai am Schluss konnten ihren Reitlehrer zufrieden stellen.
„Hey, wenn das am nächsten Sonntag auch so gut klappt, sind wir bald Profis“, lacht Marius, als er seine Stute Arabella neben Kai im Stall absattelt. „Au ja, wir können doch gemeinsam einen Stall aufmachen. Du bist für die Dressur zuständig und ich fürs Springen“, entgegnet Kai.
„Und welche Rolle spiele ich dabei?“, fragt Katja, die mit ihrem Rollstuhl nach gekommen ist. Sie hat ein anderes Modell erhalten und kann jetzt selbst damit fahren. Kai sieht seine kleine Freundin verschmitzt an. „Du bist wie alle Frauen fürs Essen verantwortlich und machst unsere Buchführung“, antwortet er lachend. „Und du bist wieder unmöglich Kai Thomsen, aber ich werde es mir merken“, erwidert das Mädchen mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen. Kai lacht. „Apropos Essen, ich habe wirklich schon wieder Hunger. Kannst du uns nicht ein Brötchen oder so besorgen? Eine Cola oder ein Apfelsaft wäre auch nicht schlecht. Marius will sicher auch etwas trinken. Wir gehen gleich zu Alexander, ich muss auch noch die Box misten.“ Kai zwinkert Katja zu. „Na gut, ausnahmsweise, weil du es bist!“, neckt sie ihn und fährt zum Bauernhaus, wo Kais Tante bereits mit den Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigt ist.
Kai und Marius gehen in den Ponystall und beginnen, Schneeflockes Box auszumisten. Während Kai die Mistkarre nach draußen fährt, beginnt Marius bereits mit dem Einstreuen. Auch Heu holt der zehnjährige blonde Junge und lockert es in der Box etwas auf.
Als Kai zurückkehrt, läuft er in die Futterkammer und schneidet einige Wurzeln für sein Pony. Es ist Herbst und natürlich stehen überall im Stall auch Kästen mit Äpfeln für die Pferde bereit.
Zuviel dürfen sie nicht davon fressen, das ist ungesund, hat ihm Opa Hannes erzählt. Es hängt mit den Inhaltsstoffen eines Apfels zusammen, aber das versteht Kai noch nicht. Nur, wenn Opa Hannes ihm etwas erklärt, wird es schon richtig sein.

„Danke, für die Hilfe, Marius. Du bist ein guter Kumpel“, lacht Kai. Marius grinst zurück. „Ich hoffe, du hilfst mir auch, wenn ich dich mal brauche!“ Kai nickt ernst mit dem Kopf. „Klar, wir sind doch Freunde. Lass uns zu Alexander gehen.“
Die beiden sind wenige Augenblicke auf der Ponyweide und umringen Katja, die Brötchen und Safttüten verteilt. Alexander kommt in großen Galoppsprüngen auf Kai zugerannt und stupst ihn sofort mit den Nüstern an. Auch Marius tätschelt den kleinen Frechdachs, der nun schon vier Monate alt ist. Er steckt ihm den Finger ins Maul und Alexander beginnt, darauf zu kauen. „Autsch“, ruft Marius und zieht seine Hand mit schmerzverzehrtem Gesicht zurück. Kai und Katja lachen. Marius schneidet lustige Grimassen. „Sei vorsichtig, Alexander will dir nichts tun, aber er hat schon jetzt viel Kraft in seinem Gebiss“, warnt Kai seinen Freund. „Das habe ich gerade gemerkt“, antwortet dieser.
Katja holt ihr Lehrbuch aus der Tasche. „Dann wollen wir mal sehen, was ihr beiden alles über die Zähne beim Pferd wisst“, meint sie. „Kai, erzähl mir etwas über Alexanders Zähne!“

„Frag ihn doch selbst“, frotzelt der kleine Junge frech. Aber er hat den Wert der Frage gleich verstanden und überlegt sich seine Antwort gut.
„Also, die beiden mittleren Schneidezähne heißen Zangen und brechen in den ersten Lebenstagen nach der Geburt durch. Die zweiten Mittelzähne daneben kommen nach sechs Wochen und die äußeren Eckschneidezähne nach sechs Monaten. Alle sind Milchzähne, sie fallen dann heraus und…“
„Stopp“, unterbricht ihn Katja wie eine kleine Lehrerin und wendet sich Marius zu. „Wann kommen die bleibenden Zähne?“ Marius hat das Unheil herannahen sehen und macht sich auch erst einmal Gedanken. Dann schaut er freudig auf. „Hab ich doch gestern gerade gelesen und gelernt. Die Zangen brechen mit 2 ½ bis 3 Jahren durch, die Mittelzähne nach 3 1/2 bis 4 Jahren und die Eckzähne 4 1/2 bis 5 Jahre. Und wie viele Zähne hat ein Pferd, Katja? Aber ohne Buch!“, dreht er den Spieß um.
Katja überlegt nur kurz. „36-40, davon sind 12 Schneidezähne und 24 Backenzähne und Hengste und Wallache haben noch zwei Eckzähne mehr.“ Zufrieden blickt sie die beiden Jungen an. „Also, für die theoretische Prüfung sind wir gerüstet“, meint sie altklug.

In diesem Augenblick kommt Kais Tante Monika aus dem Bauernhaus. „Es gibt Mittag, könnt ihr mir mal bitte helfen?“, fragt sie die Kinder. Natürlich können die drei. Im Reiterstübchen sitzen schon die anderen hungrigen Mäuler und die Gulaschsuppe kommt ihnen gerade recht. Um zwei Uhr beginnt Kais Onkel mit dem theoretischen Unterricht. Alle warten gespannt auf ihn und haben sich Kugelschreiber und Notizblöcke bereit gelegt. Dann erscheint Jochen Asmussen
„So, Kinder. Ich habe gerade noch mit Frau Förster, der Richterin, die Kai und Katja und einige andere auch ja schon vom Basispasslehrgang her kennen, telefoniert. Es geht am Sonntag planmäßig um 13 Uhr los. Herr Müller, der zweite Richter, hat einen längeren Anmarschweg vor sich, deshalb starten wir erst nach dem Mittagessen. Aber dann brauchen wir auch die Zeit, denn es sind ja zwölf Abzeichenprüfungen, die abgenommen werden müssen. Frau Förster rechnet mit etwas über eine Stunde für die Dressuren und dasselbe sicher noch einmal für das Springen. Wir reiten in der Halle, von daher müssen wir ja auch noch den Parcours aufbauen. Aber das mache ich mit den Vätern. Dann kommt die Theorie und wenn alles klappt wie vorgesehen, sind wir spätestens um 17 Uhr durch. Über die Einzelheiten unterhalten wir uns noch am Freitag. Am Samstag ist Generalprobe. Ich werde dann höchst persönlich die theoretischen Fragen in der Reithalle stellen, so dass ihr die Prüfungssituation einmal vollständig durchgespielt habt.
Nun kommen wir zu meinem Lieblingsthema. Die Skala der Ausbildung!“
Onkel Jochen erklärte dann den Kindern, was es mit Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung und Versammlung auf sich hat. Ziel ist die Durchlässigkeit, um ein angenehmes und gehorsames Reitpferd zu haben. Die Skala der Ausbildung geht auf die Zeit von 1935 zurück, als es in Deutschland noch eine Kavalleriereitschule für die Soldaten gab. Damals wurde sie von einem Mann mit Namen Heydebreck aufgestellt und ist noch heute gültig. Als Onkel Jochen dann auch noch erzählte, dass es aus dem neunzehnten Jahrhundert ein Buch mit dem Titel „Das Gymnasium des Pferdes“ gibt, mussten alle erst einmal lachen. Kai meinte, Alexander könne ja im nächsten Jahr neben ihm sitzen, wenn er selbst auf das Gymnasium kommt. Es war eine lustige Stunde, trotz des doch schweren Themas.

Am Dienstag ist wieder Springen angesagt. Kai und die anderen Jungen und Mädchen müssen vor der Reitstunde helfen, den Parcours aufzubauen. Weil in der Halle geritten wird, ist die Hinderniszahl auf sechs bis zehn Hindernisse begrenzt. Onkel Jochen hat acht verschiedene Hindernisse ausgewählt. Es ist eine zweifache Kombination darunter, die aus zwei kleinen Steilsprüngen besteht. Zu Beginn müssen die Kinder einen kleinen rot-weißen Kreuzsprung überwinden. Dann geht es über einen grünen Oxer. Danach muss durchpariert werden und es wird die Hand gewechselt. Nach einer kleinen Trabpause kommt erst ein Steilsprung mit zwei grün-gelben Stangen und danach ein weiterer Oxer, unter dem eine schmale Kiste mit Buschwerk steht, so dass er wie ein Natursprung aussieht. Und wieder wird die Hand gewechselt.
Ein Oxer mit blau-weißen Stangen ist zu nehmen und danach geht es in die zweifache Kombination.
Nach einer längeren Galoppstrecke auf der rechten Hand kommt ein einladender blauer Hochweitsprung und dann steht schon der Aussprung, ein Steilsprung mit grünen Stangen, auf dem Programm. Für das E-Springen müssen die Hindernisse zwischen 0,80 m und 1 m hoch sein. Die Richter wollen den richtigen Sitz bewerten und die Durchlässigkeit des Pferdes prüfen. Dazu wird durchpariert zum Trab, erneut angaloppiert und dann weiter galoppiert. Natürlich muss alles in einem ruhigen gleichmäßigen Tempo geschehen und die Kinder sollen das richtige Angaloppieren auf der anderen Hand nach dem Handwechsel zeigen. Auch der leichte Sitz wird erwartet.

Für Kai ist der Parcours kein Problem. Aber er hat ein anderes. Er ist nämlich jedes Mal mit seinem Rennpony Lonzo der Schnellste. Lonzos Renngalopp verhilft ihm auf den Turnieren zwar immer zu Siegen und Platzierungen, wenn es um die Zeit geht, aber für die Abzeichenprüfung wird ihm nun ein „Schuh“ daraus. Die Richter wollen keinen fliegenden Kai sehen, sondern ein artig und ruhig galoppierendes Pferd und Kai hat alle Mühe, seinem Lonzo klar zu machen, dass er von seinen Gewohnheiten ablassen muss. Onkel Jochen ist ebenfalls etwas nachdenklich geworden. Er erwägt, Kai einen Pferdewechsel beim Springen machen zu lassen.
„Kai, das wird so nichts. Wenn du ihn nicht zur Ruhe bringen kannst, musst du den Tarzan von Pamela nehmen. Am besten ihr beide tauscht mal eure Pferde. Dann sehen wir, ob meine Idee richtig war.“ Pam und Kai gehorchen. „Aber ich muss doch hoffentlich nicht mit ihm springen?“, fragt die kleine blonde Pam ängstlich. Sie bewundert Kai und Lonzo, aber Springen ist nicht ihre Stärke und der Gedanke, mit dem schnellen Lonzo zurechtkommen zu müssen, ist dem kleinen Mädchen gar nicht geheuer.
„Um Gottes Willen, nein, dann könnte ich ihn ja auch mit Kai starten lassen!“, ruft Jochen Asmussen entsetzt aus. Du reitest Tarzan. Aber es sind zwei Starts pro Pferd beim Springen erlaubt und bevor sich Kai seine Wertnote gänzlich kaputt macht, gehen wir den Weg des geringsten Widerstandes. Los Kai, fünf Minuten Kennenlernen, wie beim Preis der Nationen, und dann geht es ab. Sabrina, du bist dran.“
Auch die dreizehnjährige Gymnasiastin ist nur Springfan, solange sie nicht selbst im Parcours starten muss. Sie liebt die Dressur und vor allem das Ausreiten in die Umgebung. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch reitet sie einmal ganze Bahn und trabt dann ruhig über den kleinen Kreuzsprung. „Sehr schön“, lobt der Reitlehrer. „Lass ihn einfach gehen. Dein Sitz ist gut. Merkwürdigerweise sitzt du beim Springen ruhiger als bei der Dressur, obwohl du doch nicht so gerne springst. Schau jetzt nach vorne auf den nächsten Sprung zu. Immer mit dem Kopf schon zum nächsten Hindernis sehen. Stell ihn gerade und bleib im Sattel sitzen. Bei dieser Höhe müsst ihr noch nicht so hoch aufstehen. Langsam und gleichmäßig auf die zweifache Kombination zu galoppieren. Jetzt vor mit der Hand. Sehr schön machst du das. Und noch einmal, dann hast du es geschafft.
Nun lach mal, ist doch gut gegangen! Du brauchst nur ein einziges Mal für die Prüfung zu springen. Dann reitest du auf den Turnieren deine Dressur und für das Klasse III Abzeichen kannst du disziplinspezifisch statt der vorgeschriebenen A-Dressur eine L reiten. Das schaffst du. Wir haben viel Zeit zum Üben. Rom ist auch nicht in einer Woche erbaut worden.“
Langsam hat sich Sabrinas Anspannung gelegt. Sie freut sich. Aber sie weiß natürlich auch, dass sie nur deshalb so ruhig auf ihrem Pferd sitzt, weil sie sich vor Angst völlig verkrampft. Aber Lausbub ist ein vierzehnjähriger erfahrener Wallach und geht schon lange im Schulbetrieb. Er weiß, was er zu tun hat, und macht es seinen jungen Reitern leicht. Eine Wertnote um die 6,0 würde dem Mädchen zum Glück schon reichen. Sie hofft auf eine gute Dressurnote und als Gymnasiastin möchte sie natürlich auch in der Theorie glänzen.
 



 
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