Kalevi und Brudi: Eine Gespenstergeschichte

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Bücherpapst

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“If there's something strange
In your neighborhood
Who you gonna call? -
Brudi”.

Kalevi, das kleine Gespenst schwebte über die Dächer der Häuser von Eutin und summte dabei den Titelsong eines 80er Jahre Films, als er seinen besten Freund Brudi entdeckte.
Es ist ein warmer Nachmittag im August und wenn Menschen in den Himmel blicken, sieht es für sie so aus, als ob eine weiße Wolke auf eine dunkle Wolke zu schwebt. “Wird es etwa gleich regnen?” würde man sich fragen, wenn man das Szenario am Himmel beobachtet.

Brudi ist der Geist eines Jungen aus Accra, der Hauptstadt von Ghana. In Ghana sind die meisten Menschen Schwarz und die Gespenster natürlich auch. ”Brudi”.
Erneut ruft Kalevi seinen Freund. Dieses Mal lauter, denn offenbar hat dieser ihn nicht nur nicht gesehen, sondern auch nicht gehört. Dann entdeckt Kalevi den Grund dafür, warum er keine Aufmerksamkeit geschenkt bekommt. Brudi trägt seine schwarzen Monster Elements OverEar-Kopfhörer. Und jetzt hört Kalevi, dass sein bester Freund singt:
“Say it loud! I’m black and I’m proud. Say it loud! I’m black and I’m proud, oh!”.
Kalevi schwebt von hinten auf Brudi zu, zieht diesem seinen Kopfhörer weg und ruft laut: “Buh”. Brudi zuckt zusammen. “Kalevi, verdammt, du hast mich fast zu Tode erschreckt”.
“Yo Brudi man, ich will ja nicht klugscheißen, aber dafür wäre ich ein paar Jahre zu spät dran”.
Brudi versteht es nicht. “Wofür?”.
“Zu Tode erschrecken”.
“Kalevi Digga, chill mal dein Leben, du weist genau was ich meine”.
“Also genau genommen kann ich mein Leben nicht…”, noch bevor Kalevi den Satz beenden kann, wird er von seinem Freund unterbrochen.
“Jetzt mach hier mal keinen auf Oberlehrer, sondern sag mir lieber, was heute Abend bei Dir geht”.
“Ich will mit ein paar Homies auf Steam Midnight Ghost Hunt zocken” antwortet ihm Kalevi.
“What? Das machst Du doch fast jeden Abend. Du musst mal raus, musst mal unter die Leute kommen. Ich schmeiße heute Abend im Witwenpalais, hier in Eutin eine Party. Das Gebäude steht bereits seit Jahren leer und darum spukte mir schon lange der Gedanke durch den Kopf, dass ich dort doch ideal meinen Todestag feiern könnte. Und Du mein Bester, bist natürlich auch mit am Start”.
“Ich? Mit am Start? Bei Deiner Party? Heute Abend? Im Dunkeln?”.
Kalevi ist völlig erstaunt, dass Brudi diese Einladung überhaupt ausgesprochen hat, wo sein bester Freund doch genau weiß, das Kalevi unter Nyktophobie leidet. Das ist die Angst vor der Dunkelheit oder der Nacht. Kalevi sucht bei Einbruch der Dunkelheit einen sicheren Ort auf und verlässt diesen nicht, ehe es hell wird. Beim Schlafen lässt er immer ein Licht brennen. Vor einigen Jahren wäre eine solche Angst für ein Gespenst problematisch gewesen. Die anderen Gespenster hätten ihn aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Heutzutage gibt es aber Gespenster, die zum Beispiel Höhenangst haben, Angst vor Insekten, die jucken verursachen können, die Angst davor haben, vergessen zu werden oder welche, die Angst vor Blitz und Donner haben.
“Kalevi du musst dabei sein. Es ist mein fünfter Todestag. Das muss groß gefeiert werden. Kannst du dich nicht wenigstens für einen Abend zusammenreißen?”.
“Zu”, Kalevi stockt. “Zusammenreißen? Du tust ja so, als wenn ich meine Angst wie mit einem Lichtschalter ein- und ausschalten könnte. Brudi, kannst Du nicht einfach tagsüber feiern?”.
“Kalevi. Mein Bester. Für dich würde ich das sogar tun. Aber mein Freund Rüdiger kommt auch. Der ist Vampir. Der kann nun wirklich nicht tagsüber unterwegs sein. Aber hier ist ein Vorschlag für dich: Lass uns doch zum alten Monroe gehen. Der ist Magier, der kann dir sicherlich bei deiner Angst helfen”.

Gesagt, getan. Kalevi und Brudi machen sich auf den Weg in die Gemeinde Busdorf bei Schleswig, wo in der Nähe des Wikingerdorfs Haithabu der Magier Monroe lebt. Monroe ist der kleine Bruder des wohl mächtigsten Zauberers, den diese Welt je gesehen hat, nämlich von Merlin.

“Irgendwo hier muss ich die Formel abgelegt haben” grummelte der alte Magier, mehr zu sich selbst als zu Kalevi und Brudi, während er mit dem Gesicht ein Stück näher an den Monitor seines iMacs rückt. Mit seiner rechten Hand bedient er die Magic Mouse, mit der er sich auf seinem Computer durch zahlreiche Ordner klickt. Zuvor hatte er versucht, die Zauberformel mit Hilfe von Siri zu finden, aber als dann ein Youtube-Video von einem niesenden Pandababy gestartet wurde, gab Monroe diese Art der Suche schnell wieder auf.
“Ah, da ist sie ja. Die Formel für den Zaubertrank gegen die Angst vor der Dunkelheit. Mal sehen was für Zutaten wir brauchen. Wir brauchen vier grüne Kaffeebohnen, zwei Schnecken, Johanniskraut, Baldrian, Hanf und noch”.

“Äh, also Monroe, ähm wegen der Schnecken, die Sache ist die, ich bin eigentlich Veganer” unterbricht Kalevi den Magier in seinen Ausführungen.
“Veganer. Hätte ich mir eigentlich denken können. Lass mich mal schnell Googlen, was man da als Ersatz nehmen kann” spricht der alte Magier, während er bereits die Startseite der Suchmaschine in seinem Browser geöffnet hat.
“Da haben wir ja schon was. Zimtschnecken anstelle von Nacktschnecken sollten es auch tun”.
“Und die grünen Kaffeebohnen sollten dann bitte FairTrade sein” wirft Brudi ein.

“Ähm es, also ähm, ich, also, ich kann das nicht. Ich habe einfach noch immer Angst davor, da rein zu gehen”. Eine halbe Stunde nachdem Kalevi den Zaubertrank zu sich genommen hatte, sollte er für Monroe ein Störtebeker Bernstein-Weizenbier aus dessen Keller holen. Doch die Angst vor der Dunkelheit war bei ihm noch immer vorhanden.

Drei Stunden später saß Kalevi in seinem Versteck im Pferdestall auf Gut Rothensande in Malente, wo er wohnte und heulte wie ein Schlosshund. Vor einer Stunde hatte Brudi sich von ihm verabschiedet, um mit seinen Freunden seinen Todestag zu feiern.

Während Kalevi Rotz und Wasser heult, wird Fury, der schwarze Trakehner-Wallach zunehmend nervöser. Seine Atmung wird schneller, seine Nüstern blähen sich auf. Seine Ohren sind aufgestellt, sie bewegen sich hin und her. So versucht der Rappe zu lokalisieren, wo die Geräusche herkommen.

Und jetzt hört Kalevi die Geräusche auch. Es ist Gesang, der immer näher zu kommen scheint. Vorsichtig öffnet er die Stalltür einen Spalt weit und blickt hinaus in die Abenddämmerung. Ein Meer aus Kerzenlicht erhebt sich vor seinen Augen, es kommt immer näher auf den Stall zu. Kalevi hört den Sound einer Mundharmonika und auch den Gesang kann er nun genau verstehen.

“Keep smiling, keep shining
Knowing you can always count on me, for sure
That’s what friends are for
For good times and bad times
I’ll be on your side forever more
That’s what friends are for”.


Angeführt von seinem besten Freund Brudi kommen zahlreiche Gespenster, Vampire, Elfen, Feen und Kobolde zu Kalevi in den Stall. Viele halten Kerzen in ihren Händen und während Brudi sie auf der Mundharmonika begleitet, singen sie alle den Song von Stevie Wonder, Elton John und Dionne Warwick That’s what friends are for.

Im Schein der Kerzen wird getanzt, gefeiert und gelacht,
verschwunden ist währenddessen Kalevis Angst vor der Dunkelheit der Nacht.
 
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Else Marie

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Hallo Bücherpapst,

ich musste ein paar mal laut lachen, weil ich deine Geschichte so wundervoll und witzig finde. Was gibts besseres?
Du stellt die Geisterwelt auf den Kopf. Für Kinder ist das fantastisch, es weitet die Sicht, zeigt, was alles in der Fantasie (oder auch im Leben an sich) möglich ist. Und vor allem, vor was man alles Angst haben kann, sogar als Geist. Ängste sind für Kinder ja immer ein spannendes Thema...
Du gehst auf eine solch lockere Weise an dieses Thema ran, nicht belehrend, nicht sentimental. Das finden Kinder cool, das spricht sie an.
Natürlich ist die Geschichte am allerbesten für zweisprachig aufwachsende Kinder geeigent oder aber für Kinder von Musikliebhabern.
Eine Geschichte, die Kindern und Erwachsenen Spaß macht und voller lustiger Ideen steckt.
Ich hab mich sehr gut unterhalten gefühlt :)

Grüße, Else Marie
 

Bücherpapst

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Hallo Bücherpapst,

ich musste ein paar mal laut lachen, weil ich deine Geschichte so wundervoll und witzig finde. Was gibts besseres?
Du stellt die Geisterwelt auf den Kopf. Für Kinder ist das fantastisch, es weitet die Sicht, zeigt, was alles in der Fantasie (oder auch im Leben an sich) möglich ist. Und vor allem, vor was man alles Angst haben kann, sogar als Geist. Ängste sind für Kinder ja immer ein spannendes Thema...
Du gehst auf eine solch lockere Weise an dieses Thema ran, nicht belehrend, nicht sentimental. Das finden Kinder cool, das spricht sie an.
Natürlich ist die Geschichte am allerbesten für zweisprachig aufwachsende Kinder geeigent oder aber für Kinder von Musikliebhabern.
Eine Geschichte, die Kindern und Erwachsenen Spaß macht und voller lustiger Ideen steckt.
Ich hab mich sehr gut unterhalten gefühlt :)

Grüße, Else Marie
Vielen lieben Dank für Dein Kommentar!
 



 
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