Kalte Mauern

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Hera Klit

Mitglied
Kalte Mauern

Ich will dieses Haus loswerden, es soll mir nichts mehr bedeuten.
Die Zeit, in der du darin wandeltest, liegt fast schon lange zurück.
Die Mauern schrecken mich, sie stehen so sprachlos und so kalt.
Ich träume von einer kleinen Wohnung in der Stadt.

Klein wie die Studentenbude, in der ich das erste Mal mit dir schlief.
Doch du wolltest mehr und ich gab dir alles, mich selbst eingeschlossen.
Eine kleine Wohnung mit einem kleinen runden Tisch,
auf den nur Essen für eine Person passen wird
und an den Wänden lauter Regale mit Büchern,
die ich schon vor langer Zeit gelesen haben werde.

Damals war mein Durchlauferhitzer wochenlang kaputt,
aber ich meldete es dem Hausherrn nicht und duschte kalt.
Diogenes warf seinen einzigen Becher weg, als er die Möglichkeit
des Trinkens aus der eigenen hohlen Hand erkannte.

Ich werde in dieser Wohnung hausen wie ein gelehrter Zimmerherr.
Ein Dasein, von dem ich auch in unserer Zeit heimlich träumte.
Aber du hättest nicht sterben müssen, um mir meinen Wunsch zu erfüllen.
Du hättest mich besser verlassen sollen, wegen eines anderen,
dann könnte ich dich jetzt hassen, aber so brennst du in meinem
Herzen lichterloh und ich kann nicht behaupten,
die Zeit mit dir sei nur eine Zäsur
zwischen zwei Zimmerherrexistenzen gewesen.
 

Tula

Mitglied
Hallo
Aus diesem Text wäre vielleicht etwas mehr herauszuholen. Eine bemerkenswerte Stelle:
Diogenes warf seinen einzigen Becher weg, als er die Möglichkeit des Trinkens aus der eigenen hohlen Hand erkannte.

Schöne Metapher für die Saubude - Studentenwohnheim. Schön war's.

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 21924

Gast
DAS hat was, transportiert eine Stimmung ... wie wär´s mit Prosa, Frau Klit?
 
Mal etwas erfrischend anderes, ein Text, über den man sich den Kopf zerbrechen kann.
Gibt es „Zimmerherren" nicht auch bei Kafka, „Die Verwandlung"?
 



 
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