Kameraden, wir haben... Die Straße von Gibraltar Chapter 17

In den nächsten zwei Tagen ändert sich an den erwarteten erotischen Abenteuern in Lissabon nichts mehr. Irgendwie ist die Luft raus. Wir machen noch einen Tagesausflug mit dem Bus nach Cascais und Estoril, besuchen die Königsschlösser, stehen am westlichsten Punkt Europas.

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So schön wie es in der Texas-Bar gewesen sein mag, keiner ist wirklich unglücklich als es „Anker auf“ heißt und wir langsam unter der Salazarbrücke hindurch schweben und den Torre de Belem, bei morgendlichem Nebel, nur schemenhaft zu Gesicht bekommen. Allein Willi, schaut sehnsüchtig zurück auf Lissabon, dort, irgendwo im Gewirr der Altstadt, lebt seine Maria, die er nie wiedersehen wird.

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Der Kurs geht stracks nach Süden, wir wissen, dass unser nächstes Ziel Alicante heißt. „Mensch, da müssen wir ja durch die Straße von Gibraltar“, sagt Jim. „Na klar, mien Jung, da werde ich uns schon durchbringen“, sage ich großsprecherisch. Am Abend des nächsten Tages ist es so weit, wir nähern uns bei ruhiger See der Straße von Gibraltar. Der 1. Offizier von Blanc vergattert uns.

„Meine Herren, denken sie daran, die Strömung von achtern ist hier außergewöhnlich stark, das hängt mit der hohen Verdunstungsrate des Mittelmeeres zusammen, außerdem haben wir ein hohes Verkehrsaufkommen in einem engen Kanal, ich erwarte höchste Aufmerksamkeit, ist das verstanden worden?“ „Jawohl Herr Kaleu!“ Er wendet sich an die Sonargasten. „Meine Herren, achten sie besonders auf die uns begleitenden U-Boote.“

Mir fällt auf, die Brücke ist heute Abend doppelt besetzt. Noch ist das Treiben auf dem Radar überschaubar, aber eine Stunde später sieht man deutlich die näher rückenden, beidseitigen Küsten. Aufgereiht, wie eine Perlenkette, sieht man Lichter zu beiden Seiten. Ab und zu verdicken sich die Perlenschnüre, das müssen die Ortschaften sein.
Gott sei Dank ist das Meer ruhig, es ist warm, also insgesamt recht angenehm. Wieder hört man, bis auf gelegentliche Kurskorrekturen des 1-O und den permanenten Funkgeräuschen, nichts. Es herrscht eine merkwürdige Anspannung, die Gasten in den Nocks haben die Nachtsichtgeräte laufend im Gebrauch. Hier in der Straße von Gibraltar könnten auch Fischerboote unterwegs sein, deren Lichter vielleicht nicht immer korrekt sind.

Auf Backbordseite kommt, laut Aussage des 2-WO, Tarifa auf spanischer Seite, in Sicht. Hier verengt sich die Straße auf knapp 16 Kilometer. Damit haben wir die engste Stelle erreicht und wie auf Kommando nehmen die Lichter, die ich voraussehen kann, zu. Aus den Brückennocks kommen von den Gasten jetzt laufend Meldungen. Aufgrund der Aussagen werden anhaltend neue Peilungen vorgenommen, denn wir müssen genau wissen, ob es sich um Mitläufer handelt, denn die sind besonders langsam und müssen frühzeitig über Kurskorrekturen weiträumig, soweit das hier überhaupt möglich ist, überholt werden.

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Dann, als würde ein Berg glühen, kommt Gibraltar in Sicht, wir wissen, jetzt ist es geschafft. Der neue Kurs von Null-Sechs-Zwo, der angelegt wird verdeutlicht, es geht nach Nordost in Richtung Malaga. Kurze Zeit später werden wir abgelöst und mit uns verlässt auch die Doppelbesetzung der wachhabenden Offiziere die Brücke. Am Morgen stehe ich, warm angezogen, im Frühnebel an der Reling. Ich habe den Kopfhörer auf und bin für vier Stunden für die Bordübermittlung auf dem Heck des Schiffes unterwegs.

Die Wache ist langweilig, ganz anders als auf der Brücke, wo man über den Dingen zu stehen glaubt. Hier unten schaut man gegen die heranrollenden Wellen, die oft höher sind als die Ebene der Schanz auf der man sich bewegt. Aber die Wellen verschwinden fast immer im richtigen Augenblick unter dem Rumpf des Schiffes. Langsam quält sich die Sonne durch die sich gemächlich auflösenden Nebelschwaden

Plötzlich werde ich auf etwas aufmerksam, was ich so noch nicht gesehen hatte. Achteraus, etwas näher zur Küste hin, bewegt sich etwas durch das Wasser. Es taucht kurz auf, zeigt seinen schwarzen Buckel und verschwindet wieder

Ich schaue durch mein Glas, sehe aber nichts. Schon glaube ich mich getäuscht zu haben, aber dann plötzlich ist es wieder da, jetzt näher als vorher und so klar und deutlich. Ich kann es nicht fassen, aber das ist…, ja, das ist ein Wal. In einem immer gleichen Rhythmus biegt er seinen Körper über die Wasseroberfläche und jetzt, als wolle er keine Zweifel aufkommen lassen, bläst er eine kleine Sprühfontäne vor sich her.

Ich bin begeistert, ich schaue mich um und mein Arm zeigt immer noch nach hinten, in die Richtung wo der Wal deutlich zu sehen ist. Aber niemand ist da, mit dem ich meine Begeisterung teilen kann
Ein paar Augenblicke später ist es vorbei, wie ein Traum, vielleicht nur für mich gemacht, der Wal ist verschwunden. Als ich später davon erzähle, schauen mich die Jungs an und aus ihren lästerlichen Aussagen erkenne ich, dass sie mir nicht recht glauben wollen oder einfach nicht interessiert sind.
 



 
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