Kameraden, wir haben die Welt gesehen... Austerlitz und Waterloo II Chapter 27

„Sie haben sich sofort beim Kaleu zu melden.“ Die Ordonanz, die mir die Mitteilung überbringt, steht im Türrahmen. In der Hand hält er einen Zettel. Er ist sofort wieder verschwunden, bevor ich eine Frage stellen kann.
Ich wringe meinen Feudel aus, stelle den Putzeimer mit Schrubber in die Ecke, wasche mir mein Gesicht und die Hände und verlasse das Schiff, überquere die Straße und betrete das Verwaltungsgebäude.

Auf der ersten Etage hat der Kapitänleutnant sein Büro. Ich klopfe an und trete ein. Die Kamera erfasst einen quadratischen Raum von großzügigen Ausmaßen. An den Wänden Bilder von alten Fahrensleuten, von Segelschiffen aus der Zeit, als der Wind bestimmte, wo es hinging. Hinter seinem wuchtigen, eichenholzfarbenen Schreibtisch sitzt der Kaleu, er schreibt etwas auf ein vorgedrucktes Papier.
Vor seinem Schreibtisch, etwas seitlich, in einem großen Ledersessel, mit dem Rücken zum Fenster, sitzt der Leutnant, dessen Unterricht ich gestört hatte. Sehr korrekt sitzt er im Sessel, fast ein wenig gespreizt, dabei scheint er ganz gelassen zu sein. Mit beiden Händen hält er seine Schirmmütze auf den Knien fest.

Die Kamera schwenkt und beginnt langsam den grauhaarigen Mann mit dem schmalen Gesicht, den eng aufeinander gepressten Lippen zu fokussieren. Ich verspüre keinen Druck, merkwürdig. Der Kapitänleutnant hebt seinen Blick und stellt mich dem Leutnant vor.
Um es kurz zu machen, ihnen wird vorgeworfen, den Unterricht von Leutnant von Rees gestört zu haben und ihn in unziemlicher Weise verbal angegangen zu sein, was sagen sie dazu?“

Kameraschwenk auf den jungen Mann, der vor dem Tisch steht. Ich weiß, ich kann nicht an zwei Fronten kämpfen, jetzt noch zu erklären, dass ich an der Störung des Unterrichts eigentlich unschuldig bin, würde nichts bringen. Die verbale Auseinandersetzung schätze ich als höherwertig ein. „Herr Kapitänleutnant, ich habe den Unterricht gestört, was mir sehr leidtut, aber was die verbale Auseinandersetzung angeht, habe ich mir nichts vorzuwerfen.“

Kamera fährt zurück und erfasst jetzt wieder den Kapitän. Den Füllfederhalter hat er zur Seite gelegt. Er schaut mich an und im ruhigen Ton erklärt er mir: „Sie werden eine Woche lang Dienst tun im Pantrybereich, haben sie mich verstanden?“ Mir ist klar, dass ich so ganz leicht aus der Nummer rauskommen könnte. Eine Woche Pantry sitze ich auf einer Backe ab, aber es wäre nicht gerecht, also muss ich antworten, ob ich will oder nicht, ob es klug ist oder nicht.

„Herr Kapitänleutnant, ich akzeptiere die Strafe hinsichtlich der Störung des Unterrichtes, aber nicht wegen der verbalen Auseinandersetzung mit Leutnant von Rees. Sollte sich die Strafe auch darauf beziehen, werde ich mich schriftlich bei ihrem Vorgesetzten beschweren.“
Er sitzt da und schaut mich aus grauen Augen an, keine Gefühlsregung kann ich erblicken, auch scheint er ganz ruhig, doch bevor er antworten kann, springt von Rees aus seinem Sessel hoch.

Ganz in preußischer Manier, knallt er die Hacken zusammen und reicht mir die Hand mit den Worten: „Soldat, ich möchte mich bei ihnen wegen der verbalen Auseinandersetzung entschuldigen.“ Verblüfft schaue ich ihn an. Ich bin wie vom Donner gerührt und weiß nicht recht zu antworten.
 



 
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