Kameraden, wir haben die Welt gesehen... Dancing International Chapter 38

Die Tage vergehen und sie werden länger. Ein untrügliches Zeichen, dass sich die letzten vierzig Tage nähern. Oft wird es über Tag schon recht warm und die Stimmung an Bord, besonders bei den W18-Soldaten wird immer besser. Das nächste Wochenende werden wir wieder in Düsseldorf verbringen. Die lange Fahrt steht zwar in einem unverhältnismäßig ungünstigen Verhältnis zu dem kurzen Wochenende, aber wir nehmen das in Kauf.

Jim fährt und zwei weitere Seelords, der eine aus Mönchengladbach, der andere aus Bonn, sitzen hinten und die ganze Fahrt über blödeln wir oder singen zotige Lieder oder lästern ab. Eine leere große Colaflasche werfe ich bei 140 km/h auf eine der grünen Wiesen neben der Autobahn und ich sehe, wie sie in riesigen Sprüngen über die Weide fegt und einen weiten Bogen schlägt. In ihr steckt die Energie der Geschwindigkeit, und langsam will sie wieder in Richtung Autobahn zurückkehren.

Unglaublich, mich beschleicht Unbehagen, denn die Autobahn ist gut besucht. Wieso bleibt sie nicht einfach irgendwo stecken? Sie fliegt, überwindet dabei kleine Wasserläufe und kommt immer näher, als ich es als unvermeidlich betrachte, dass sie gleich auf die Autobahn treffen wird. Da schafft es ein kleiner Sandhaufen, der die flache Wiese nur um Zentimeter überragt, dass die Flasche, wie von einem Messerwerfer vorhergesehen, im Sand des kleinen Hügels stecken bleibt. Alle anderen im Wagen befinden sich in arglosem Gespräch, sie haben augenscheinlich meinen Blödsinn nicht mitbekommen, gut so.

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„Was ist mit heute Abend, treffen wir uns im „Dancing?“ Jim hat mir vom „Dancing International“ auf der Oststraße erzählt. Seine Freundin, Rosi, die kleine, schwarzhaarige, feurige Spanierin ist dort Bedienung an der Bar. Sie ist klein, hat eine klasse Figur und Feuer lodert in ihren Augen. Jim ist unglaublich eifersüchtig auf seine kleine Spanierin und sie neckt ihn deswegen das eine oder andere Mal, was Jim nicht wirklich zum Lachen findet.

Nur gut, dass sie nicht weiß, was sich bei der Marine so abspielt, denke ich bei mir. Die Begrüßung bei den Eltern, die sich freuen, die Umarmung meiner kleinen Schwester und das Abendbrot werden zu einer harmonischen Zeremonie. Es ist schön, so begrüßt zu werden und zu wissen, wo sein Zuhause ist. Am Abend bin ich unterwegs in die Innenstadt, Jim treffe ich wie verabredet vor dem Dancing International und wir entern die Bar.

Gleich im Eingangsbereich sehe ich vor mir eine Frau im Minirock in gebückter Haltung vor einem riesigen Zigarettenautomaten stehen. Ich sehe nur ihre langen Beine in hochhackigen Schuhen und schwarzen Netzstrümpfen mit fein ausgerichteter Naht. Den Abschluss nach oben bildet ihr wohlgeformter Hintern in einem engen, kurzen, schwarzen Rock. Ihr Oberkörper ist, bei durchgedrückten Beinen, weit nach unten gebeugt. Mein Gott, was für Beine, denke ich.

Dann sind wir durch die Türe und der riesige, hell erleuchtete Vorderraum empfängt uns. In der Mitte des Saales, einer Insel gleich, in achteckiger Art, von Messingsäulen getragen und von Lampen in grünen Schirmen erhellt, das Herz der Disco, die Bar. Wir nehmen auf einem der Hocker Platz und mich beschleicht ein wenig das Gefühl, dass dieser mondän wirkende Laden für uns vielleicht doch eine Nummer zu groß sein könnte.

Doch Rosi fällt über dem Tresen ihrem Jim um den Hals und mit einem Augenzwinkern in meine Richtung signalisiert sie uns, dass wir erst einmal einen Longdrink zu uns nehmen sollten. Ich kenne Rosi von früheren Besuchen und so klein wie sie ist, so klug ist sie auch. Mir war von Anfang an klar, dass dieses Mädchen weiß, was sie will und bei all` unseren Exkursionen bei der Marine, bei denen Mädchen eine Rolle spielten, spürte ich, dass Rosi in Düsseldorf vielleicht auch nichts anbrennen lässt, gesagt habe ich das Jim allerdings nie.

In allem, was sie tut, ist sie zielorientiert und schnell. Plötzlich stellt sie mir ihre Kollegin vor, ich schaue von meinem Getränk auf und sehe mit Erstaunen dieses Mädchen vor mir stehen, das Mädchen vom Zigarettenautomaten. Sie ist eine Schönheit, sie ist älter als ich, vielleicht 24 oder 25 Jahre alt, ich bin mir nicht sicher. Ein schmales Gesicht, pechschwarze Haare, dunkle Augen und ein Lächeln, das einen dahinschmelzen lassen kann.

Ich lächele sie an und wir beginnen sogleich mit der Konversation, die uns ungemein leicht fällt. Sie zeigt Interesse, wir lachen viel. Ich frage mich, was findet sie an mir? Mit ihrem Aussehen kann sie jeden haben. Zugegeben, nicht jeder hier ist bei der Marine. Vielleicht ist es ja das Fremde, das ihr gefällt, ich habe keine Ahnung.
So vergeht der Abend, der ganze Saal ist erfüllt von Musik. Die vielen fremdartigen Drinks, die uns immer lockerer werden lassen, tragen zu einem ausgelassenen Abend bei. Aber erst viel später in der Nacht, werden wir aufbrechen können, denn die Girls müssen lange arbeiten.

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Wir fahren zu Gerresheimer Straße, dort wohnt Julia. Wie sich herausstellt, ist sie Türkin und stammt aus Istanbul. In ihrer Wohnung trinken und reden wir weiter. Im Dämmerlicht liegen sich beide Paare in den Armen, Hände und Zunge beginnen ihren Erkundungsgang. Aber die Nacht ist ja schon fast vorbei und wir verabreden uns für den nächsten Abend, an dem die Mädchen früher nach Hause können. Ich kann den Abend nicht erwarten.
Jim erzählt mir, dass Julia die Freundin eines gewissen Bender ist. Bender ist der „Altstadtkönig“, eine bekannte Größe im Milieu, ich erinnere mich, dass ich ihn schon einmal gesehen habe, er besitzt einige Kneipen und Etablissements, ich schätze ihn auf Ende vierzig oder Anfang fünfzig, dicker Mercedes, immer Leute in seiner Nähe und immer geschäftlich unterwegs.

„Wenn der wüsste, dass du mit seiner Braut auf Achse bist, dann gäbe ich keinen Pfifferling für dein Leben“, sagt Jim und lacht schallend dabei. Ich schaue Jim genau an, was er sagt, ist kein Scherz, er meint das im Ernst. Was für einen Grund hat diese schöne Frau, die älter ist als ich, mit mir etwas anzufangen? Vielleicht hat man sie gedemütigt? Ist das so eine Art Rache? Oder ist sie vielleicht aus der Nummer mit Bender raus? Aber warum dann ein Junge von der Marine?

Wir treffen uns am Abend wieder im „Dancing“ und alle Bedenken verschwinden in dem Augenblick, wo ich sie sehe und wir miteinander scherzen. Gut sieht sie aus und in ihrem Blick liegt das Signal auf „Freie Fahrt.“ Ich frage mich, was geht mich irgendein Bender an? Der Abend vergeht wie im Flug. Gemeinsam fahren wir mit den Girls zur Lennéstraße, wo Jim und sein Bruder unter dem Dach ein Gästezimmer haben, mit zwei Betten nebeneinander.

Wir kommen ziemlich schnell zur Sache und im Dunkel des Zimmers sehe ich, nur vom wenigen Licht des Mondes, der nur kurzzeitig zwischen den Wolken auftaucht, dass sie eine herrliche, gleichmäßig braune Haut besitzt. Ihre kleinen, festen Brüste stehen wie kleine Pyramiden von ihrem Körper ab. Ihr langes, pechschwarzes Haar liegt im Kreis weit über das weiße Kopfkissen ausgebreitet.

Sie strahlt mich an und unsere beiden Hände greifen ineinander. Langsam bedecke ich sie mit meinem Körper. Die Geräusche neben uns, keine eineinhalb Meter entfernt, irritieren mich ein wenig, weil sie deutlich sind. Unser Liebesspiel beginnt und ihr warmer Körper empfängt mich und die gleichförmigen, sanften Bewegungen, von ihrem kurzen Stöhnen unterbrochen, zeigen mir, dass es ihr gefällt. So verleben wir eine herrliche zeit.

Julia küsst mich, aber ihre Arme, die sie jetzt auf meine Brust legt, signalisieren mir eindeutig, es ist genug. Auch die Geräusche neben uns, nach tiefem Stöhnen voller Lust, ersterben und ich höre, wie sie kichern und sich küssen. Wir trennen uns voneinander und liegen noch einige Zeit wach. Keiner sagt ein Wort, an ihrem gleichmäßigen Atem erkenne ich, dass sie eingeschlafen ist. Am Morgen, nach dem gemeinsamen Frühstück, fahren Jim, Rosi und ich, Julia zum Bahnhof. Sie fährt für den Rest des Wochenendes zu ihrer Mutter.

Ich sitze im Fond des Wagens und knabbere an ihrem Hals, ich will sie überreden nächste Woche auf mich zu warten, sie aber ist eigentümlich reserviert, warum nur?
Es dauert eine Weile und ich ahne, dass ich für sie nicht mehr als ein Junge war, den sie sich für diese Nacht ausgesucht und vorbereitet hatte. Ich nehme an, sie wird wieder in die Halbwelt der Diskotheken- und Etablissementbesitzer zurückkehren und wahr- scheinlich war das auch nie anders gedacht.

Das ist ihre Welt, hier weiß sie Bescheid, hier sind ihr die Spielregeln bekannt und auf die Großzügigkeiten und Annehmlichkeiten, die ihr zuteilwerden, wird sie vielleicht nicht verzichten wollen. Jim legt mir die Hand auf die Schulter und sieht mich an: „Nimm es nicht so ernst, sieh mal, es war doch ein tolles Wochenende, hat doch alles prima geklappt“, er knipst dabei ein Auge zu und grinst.

Ich verstehe erst jetzt, und es fällt mir wie Schuppen von den Augen. Auf der Fahrt zurück nach Kiel, kommt mir der Verdacht, dass Rosi auf Jims Andeutung hin alles arrangiert haben muss. Mehr als diese eine Nacht war nie geplant. Ich sollte den beiden eigentlich dankbar sein, es war doch ein schöner Abend, aber es war in der Nachbetrachtung zu unwirklich, wie plötzlich dieses Mädchen auftauchte und mit mir den Abend verbrachte und bereit war, mit mir ins Bett zu gehen. Ich konnte damals nicht wissen, dass ich sie 3 Monate später wiedersehen würde.

Wir fahren an Bremen vorbei und der Anflug von nächtlicher Zuneigung beginnt sich, mit der räumlichen und zeitlichen Distanz, zu verflüchtigen. Schon beginnen wir herumzualbern und Jim meint, wir sollten einen Ausflug an die Flensburger Förde machen: „Du, die haben da eine Straße, den Olaf-Samson-Gang, mein Junge, da sitzen die Girls in winzigen Häuschen, da kannst du mit der Hand oben in die Dachrinne greifen, ungelogen.“
Was sich beim späteren Besuch in Flensburg tatsächlich als Wahrheit herausstellte. Wir lachen lauthals und zurück bleiben ein unvergessenes Wochenende und das Erlebnis wird mir im Ordner unter „Erfahrungen“ erhalten bleiben.
 



 
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