Kameraden, wir haben die Welt gesehen..., La Coruna Chapter 21

Am späten Nachmittag erreichen wir wieder die Straße von Gibraltar. Jetzt steht die Strömung gegen uns, am Morgen waren wir nach einer kurzen Einweisung durch den Wachhabenden gestartet. Bei herrlichem Wetter geht es an der Küste entlang Richtung Süden. Ich stehe wieder am Ruder und jetzt kommt mir die Enge des Durchgangs viel breiter vor als bei der Hinfahrt, erstaunlich, was Tageslicht alles bewirkt.

Die Seelords sind ein wenig deprimiert wegen der Ereignisse der letzten Nacht, sie trauern den Tagen in Alicante nach. Ich schiebe einfach alles auf die lange Bank und hoffe auf einen guten Landgang in Wilhelmshaven oder Hamburg.
Der Atlantik, mit seinem grauen Wasser, empfängt uns zwar mit starken Wellenbewegungen, aber wir machen gute Fahrt und haben uns auf 290° festgelegt. Erst am Morgen wird der Kurs noch nördlicher festgelegt. Mit Rauschefahrt geht es an der Küste Portugals entlang. Der Tag vergeht im Einklang mit Wind und Wellen und am Abend steht wieder eine Runde Skat an.

Das Tagesende verläuft in einheitlicher Routine und jetzt muss sich der Frust der letzten Tage im Spiel und in lästerlichen Reden seinen Raum schaffen. Das geht auch gut, die Jungs haben ihren Gegner ja von vorneherein festgelegt. Es sind und bleiben die Amerikaner und alle Argumente, so logisch sie erscheinen mögen, können dagegen nichts ausrichten. Ich denke mir, gut so Jungs, damit werden wir am besten fertig.

Am frühen Morgen, kurz nach dem Appell, geht eine Alarmmeldung von der Brücke ein. Ich pelle mich aus meiner Arbeitskleidung, renne auf den Niedergang zu und laufe dort Liliencron in die Arme. „Mensch“, sagt er hastig, „hast du das gehört, der Kapitän hat einen Herzinfarkt bekommen?“
Wir laufen über Oberdeck und betreten die Brücke, kurzes Anmelden, dann Übernahme des Ruders. Jim steht bereits am Maschinentelegrafen und hat beide Hebel auf „Volle Kraft voraus“ stehen. „Meine Herren, wir laufen La Coruna an, wie sie sicherlich schon gehört haben, hat unser Kapitän ein gesundheitliches Problem.“

Wir hetzen durch den Atlantik, das Rumoren der 60.000 PS ist in den Fußsohlen zu spüren. Das Schiff jagt durch die See, die sich zu unserem Glück als ein freundliches Meer darstellt.
Drei Stunden später tauchen vor uns die Umrisse der Küste auf. Die Hügelkette um den Monte Xalo kommt in Sicht, da ist auch schon die Silhouette der Stadt La Coruna zu erkennen.
Die Geschwindigkeit wird nicht zurückgenommen, ein Zeichen dafür, dass es um den Kapitän nicht so gut steht. Der Herkulesturm, das Leuchtfeuerwahrzeichen von La Coruna liegt auf Steuerbord und vor uns öffnet sich die Bucht. Wir sind noch immer viel zu schnell, als sich voraus die Hafeneinfahrt zeigt. Wir jagen durch die Hafeneinfahrt, jedem muss klar sein, das wird Ärger geben.

Ich bekomme die Order „Hart Steuerbord!“, während Jim den Maschinentelegrafen so einstellen muss, dass beide Schrauben gegenläufig drehen. Der Zerstörer zieht eine enge Kurve durch das Hafenbecken, so exakt, als würde ein Traktor eine Furche durch ein Feld ziehen.
Das Wasser im Hafenbecken hebt die Boote fast auf Kaihöhe, da wird es einige Schrammen geben, das ist mir klar. Die Pontons in der Mitte, kreisrunde, am Boden des Hafenbeckens befestigte Schwimmplattformen, von vielleicht 5–6 Metern Durchmesser, werden nach oben gerissen durch die Wellenkraft und zerren dabei an ihren Ketten. Die Angler, die zu Dutzenden auf der Mole hocken, haben keine Chance, das Wasser kommt überfallartig und reißt ihnen Eimer, Utensilien und manch einem die Angel aus der Hand. Alle sind nass bis auf die Haut. Wir jagen auf die Anlegestelle zu, ich frage mich, was kommt jetzt?

Der Halteweg ist verdammt kurz. Messerscharf kommt das Kommando, „Volle Kraft zurück!“ Jim reißt den Maschinentelegrafen zurück, im selben Augenblick glaubt man, ein wildes Tier bäume sich auf. Hinter dem Schiff schäumt es weiß, einem Inferno gleich.
Mit aller Gewalt wird die Kraft aus dem Schiff gesogen, gleichzeitig lege ich auf Kommando das Ruder hart Steuerbord, das ganze 120 Meter lange Schiff wird, wie von Geisterhand, auf die Mole zugeschoben, hilfreich dabei ist die vorher selbst erzeugte Welle im Hafenbecken, die uns fast sanft auf den Kai drückt.

Es ist nicht zu fassen, es ist keine Bola von Nöten. Die Seeziegen überreichen den Hafenarbeitern die Taue von Hand zu Hand, so genau passen wir in die Lücke. Ich bewundere den Korvettenkapitän von Blanc, ein solches Anlegemanöver hätte ich nicht für möglich gehalten. Das war eine Lehrstunde in Sachen Anlegen, was das für ein Nachspiel haben wird, steht auf einem anderen Blatt.

Der Kapitän wird von Bord getragen und in das wartende Rot-Kreuz Fahrzeug gebettet. Wir stehen an der Reling und jeder hebt seine Hand an die Mütze zum Gruß.
Einige Ölfüße haben die Order bekommen, ihre weißen Mäuse, die sie sich in Lissabon gekauft hatten, an Land zu setzen, die Mäuse hatten sich in beunruhigender Weise vermehrt und sich natürlich aus den Kartons entfernt.
Da stehen sie, in ihren blauen verschmutzten Overalls und halten ihre Pappkartons in den Händen, Kerle wie Bäume. Umständlich entlassen sie die Mäuse auf den Hafenpier.
Da flitzen sie nun unter der Sonne Spaniens hin und her und würden sich im Hafen gegen alles Raubgesindel zu behaupten haben. Der eine oder andere der Jungs verkneift sich nur mit Mühe seine Tränen, Abschied tut halt weh.
 



 
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