Kameraden, wir haben die Welt gesehen... Mann über Bord Chapter 31

Mann über Bord!

Wir verlassen Brunsbüttelkoog am Morgen und laufen, bei abscheulichem Wetter, Elbabwärts. Ich fühle mich an diesem Morgen, der ein dunstiges Grau über die breite Mündung zaubert, nicht wohl im Magen.

Ich weiß, dass ich heute nicht unter Deck darf, also greife ich mir, was bis jetzt nie ein Problem war, mehr aus Alibigründen einen Schrubber und reinige, was nicht wirklich notwendig ist, das Oberdeck der Schanz.
Die Wellen werden höher und das schwankende Schiff verstärkt in meinem Magen das Gefühl, dass ich auf der Hut sein muss.

Willi steckt mir ein Stück trockenes Brot zu und ermahnt mich, nicht in die offene See zu schauen, sondern meinen Blick gesengt zu halten und mich an meinen Schrubber festzuhalten. Ich weiß das alles selbst, nicke ihm aber dankbar zu und kaue auf dem trockenen Kanten herum. Mittlerweile haben wir den Ausgang der Elbe erreicht.
Schwer geht der Zerstörer in die Knie, fängt sich dabei stärkste Brecher ein und der einsame Seemann auf der Schanz, der mit seinem Besen seine Kreise zieht, wird von der Gischt, die sich aus der Distanz von hundert fünfzehn Metern nichts zu machen scheint, voll eingenässt.

Er aber, scheint seiner Aufgabe verpflichtet zu sein und ignoriert, was er ignorieren muss. Er weiß, dass er heute, wenn er nicht aufpasst, seinen Preis zu zahlen hat und so bleibt er auf seinem Posten, reinigt das Heck des Schiffes als wäre es sein Schicksal.

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Den Helder laufen wir an, hier sammeln sich die Schiffe der NATO, um einen Konteradmiral in seinen wohlverdienten Ruhestand zu verabschieden. Der „Tolle Anthony“, also Z1, übernimmt die Führung des Geleits.
Beim Auslaufen aus dem Hafen, wieder bei hohem Seegang in Richtung Sammelpunkt, denn es soll nach Dänemark gehen, springt plötzlich Guido, einer aus der Gruppe des „Zwergenhaufens“, in Selbstmordabsicht über Bord.

Gott sei Dank haben die Jungs von der Freiwache gesehen, wie er über die Reling kletterte und sich in die See stürzte. Der kleine Guido ist ein netter Kerl, ein kluger Junge, mit dem man sich gerne unterhält.
Er hat ein außergewöhnliches, sportliches Hobby, er ist ein Ringer. Niemanden von uns gelang es, diesen Burschen von Einmeter und sechzig in die Knie zu zwingen, auch Waldenberg mit seinen athletischen Eins Fünfundachtzig nicht.

Guido stammt aus Nürnberg und schien uns die Gleichmut in Person zu sein. Das Pendel seines Gefühlslebens schlug in engen Amplituden immer um seinen inneren Kern, der an Ausgeglichenheit nicht zu überbieten war, hin und her, so kam es uns jedenfalls vor.

Als sie ihn herausfischen, ist sich keiner sicher, ob er, der sehr niedergeschlagen wirkt, nicht wieder springen würde. Er wird von einem Arzt gründlich untersucht und man zieht auf die Schnelle jemanden zurate, der sich mit psychischen Problemen auszukennen scheint.

Letztendlich wird er, bis zum Eintreffen eines Rettungsbootes, mit Handschellen am Bettgestell seiner Koje festgemacht. Guido ist vielleicht nicht der „Rudi Carrell“ der Einheit, aber ein Griesgram ist er auch nicht. Die Erklärung, er sei seekrank gewesen, erscheint uns zu dürftig. Auf der Fahrt durch den Atlantik war er nie auffällig gewesen. Es muss ein anderes Problem hinter seinem Tun stecken. Wir wissen es nicht, werden es nicht erfahren und wir werden ihn nie wiedersehen.

*​

In dänischen Gewässern wird der Admiral verabschiedet und jedes Schiff, der internationalen Flotte, fährt noch einmal an der Fregatte der dänischen Marine vorbei, Seite wird gepfiffen und Salut wird geschossen, dann verteilen wir uns in alle Himmelsrichtungen.
 



 
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