Kameraden wir haben die Welt gesehen, Paris und das Heilige Land Chapter 1

Vorwort

Es ist nicht einfach, die nachfolgenden Begebenheiten so darzustellen, dass sie in ihrem ganzen Ausmaß, ohne Skepsis, verstanden werden können.
Man kann nur erahnen, was sich für ein Mikrokosmos auf den Schiffen der Bundesmarine über Jahre entwickelt hatte. Ausgestattet mit eigenen Gesetzen, mit überlieferten Traditonen und mit sonderbaren Ritualen.
Dabei war jeder abgesichert durch einen engen Zusammenhalt unter den Mannschaften, wie niemand von ihnen das vorher je erlebt hatte und das je wieder erleben würde.
Wie muss es den jungen Leuten vorgekommen sein, als sie sich plötzlich auf diesen Einheiten wiederfanden? Alles was sie aus der geborgenen Welt ihres Elternhauses mitbrachten, all´ die Gewohnheiten und Erfahrungen, verloren hier ihre Bedeutung.
Schaut man heute ins Internet, kann man die Kommentare von alten „Fletcherfahrern“ lesen, es sind zum Teil sehr emotionale und tief empfundene Darstellungen ihrer Fahrenszeit, da spürt man tiefe Sehnsucht.
Sie haben es nie vergessen können, dabei sind sie heute zum Teil über 70 Jahre alt.



Fahrschule


Wir habe Laboe querab und der Zerstörer schiebt seinen schlanken, weißen Rumpf durch die Förde in Richtung Leuchtturm Kiel. Der Himmel ist blau und die Sonne scheint. Zum ersten Mal bin ich als Rudergänger eingeteilt, ich bin ganz ruhig aber sehr konzentriert.
Neben mir steht Wölfi, ein echter Hamburger Junge, ein etwas schwergewichtiger Hauptgefreiter, ruhig liegen seine Hände auf der hölzernen Ummantelung des Ruders, er schaut weit hinaus auf See, als gäbe es dort etwas zu entdecken, doch bis zur Kimm ist die Ostsee leergefegt, kein Schiff weit und breit. Gelassenheit und Ruhe gehen von ihm aus, es ist die Routine, erworben auf so vielen Fahrten, sie hat in souverän werden lassen.

Als ich das Ruder übernehme, fühle ich mich sicher. Doch ich frage mich, wieso ein Mann wie Wölfi, der in der Ausübung seiner Aufgaben so mustergültig scheint, es als Zeitsoldat mit mehr als vier Jahren, bei der Bundesmarine nur zum Hauptgefreiten gebracht hat.Irgendeine dunkle Geschichte scheint ihm da seine Karriere vermasselt zu haben. Wölfi ist für mich als Fahrlehrer eingeteilt. Für den Fall, dass ich jetzt Mist baue, ist er zur Stelle und übernimmt sofort. Aber geradeaus fahren kann ja fast jeder Blödmann, also besteht für ihn kein Anlass unruhig zu werden.

Ich hatte mich vor 14 Tagen freiwillig gemeldet als die Frage nach einem Neuen aufkam, einem neuen Rudergänger. Ich dachte mir, ist doch besser als stundenlang unter Deck, mit Kopfhörern versehen, im eigenen Mief herumzuliegen und dem permanenten Hin- und Hergewoge und dem wachhabenden Unteroffizier ausgesetzt zu sein.

Warum ich Rudergänger geworden bin? Das hängt mit einer eigenen Geschichte zusammen. Mein Vorgänger am Ruder war Zeitsoldat wie Wölfi, ich kannte ihn aus dem Sportunterricht, etwa meine Größe, schmaler, sportlicher Typ.
Unter der Dusche waren mir seine fingerdicken Narben aufgefallen die kreuz und quer über Brust und Rücken verliefen. Einer der Heizer erzählte uns, dass Robbi, einen schweren Autounfall gehabt hätte und den hatte er gerade so überlebt.

Von Steuerbord schiebt sich langsam ein Frachter ins Blickfeld, aber es ist genug freier Raum da, Wölfi bleibt ganz ruhig. „Sind halt die typischen Unfälle von„Heimfahrern, die am Wochenende dutzendweise passieren“, hatte er noch gesagt. „Kennst du doch, spät zurück zur Einheit und dann „Gummi“ geben auf der Autobahn.“

Aber das konnte noch nicht der Grund für meinen Dienst am Ruder sein. Ich frage Wölfi: „Sag mal, was ist eigentlich aus Robbi geworden, den Autounfall hat er doch gut überstanden?“ Ohne den Blick abzuwenden, beginnt Wölfi in seinem breiten hamburgischen Dialekt: „Tja, der Robbi, also das war ja man so.“ „Also“, beginnt Wölfi von neuem, „Robbi ist nach Hause gefahren zu seiner „Perle“, da angekommen, kriegt er plötzlich höllischen Ärger mit seiner Braut, vielleicht wegen eines anderen Freiers, ich weiß nicht genau.

„Neuer Kurs, Null-Drei-Fünf!“ Der 1. WO gibt die Richtungsänderung an, ohne dabei das Glas von den Augen zu nehmen.
Ich wiederhole die Anweisung und korrigiere leicht den Kurs. „Auf jeden Fall war dann auf einmal alles zappenduster, sie hat ihm dann ja das Brotmesser in die Rippen gesteckt.“

Ich schaue ihn verwundert an, aber Wölfi schaut nach vorne, über die Back. „Musst du dir vorstellen“, beginnt er von neuem, „da sitzt der Junge auf´m Küchenstuhl und sagt zu seiner Ollen, "Perle", sagt er, "wäre gut, wenn du jetzt mal die Rot-Weißen anrufen tust, mir is´ nich´ gut.“

"Die Braut war aber vollkommen durch´n Wind, hatte plötzlich begriffen was sie da gemacht hatte und rannte hysterisch, und ihre Haare raufend, durch die Bude. Hat ne Zeit gedauert, aber dann hat sie ja doch noch alles auf die Reihe gekriegt und hat die Rot-Weißen gewahrschaut, die sind ja dann auch mit -vollkartün- und viel Blau angerauscht gekommen und haben Robbi dann schanghait.“

„Pass auf, voraus ist die Wendemarke, gleich kommt das Backbord-Kommando“, sagt Wölfi plötzlich. „Was ist denn nun aus Robbi geworden?“, will ich wissen. „Backbord 15, komm auf, auf Zwei-Acht-Fünf“, der Eins-WO hat, wie vorausgesagt, den neuen Kurs festgelegt. Ich wiederhole den Text und Wölfi wartet bis ich sage: „Zwei-Acht-Fünf liegen an.“ „Recht so“, kommt es vom Eins-WO.

„Also jetzt liegt er ja im Krankenhaus und hat alles gut überstanden“, sagt Wölfi. „Beide sollen ja wieder ein Herz und eine Seele sein“, fügt er noch grinsend hinzu. Gedankenverloren schaue ich auf See hinaus, frage mich, wie Robbi mit seinen Narben jetzt unter der Dusche aussehen mag, viel Platz ist da nicht mehr? Na, wir werden´s ja sehen.
 

onivido

Mitglied
Ich warte auf eine Fortsetzung. Hat mir gefallen. Leider kann ich keine Tips zur Schreibe geben, weil unbefugt.
Gruesse///Onivido
 
Schön, dass Dir die Geschichte gefallen hat. Es war mein erstes Buch, das ich geschrieben habe. Alles ist in meinem Kopf eingebrannt. Ich werde das nie vergessen können.
 

Ranito

Mitglied
Selbst kenne ich mich mit diesem Thema nicht aus, bin aber schon jetzt gespannt auf Teil 2. Kann man das Buch noch irgendwo erwerben?
 



 
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