Kampf um eine edle Lyrikform

Schreibfan

Mitglied
Es sticht mich wie an meinem Steiß der Mück...
... entehrt man dich und sei's auch nur ein Haar weit...
du Form der alten und profunden Wahrheit.
Besonders dann, wenn am Abort ich drück,

ist's Zeit, dass ich im Geiste an dich rück.
Bemüht bin ich um Worte voller Klarheit.
Du sorgtest schon für manches grau im Haarkleid.
Sonett - du großer Dichtkunst Meisterstück.

Hier find ich für dich Muse, Kraft, Ruh, Zeit.
S'ist still und doch als würde ich im Schnellritt
auf dem Rücken eines Schecken rütteln.

Und als ich dich, Sonett, gekonnt zureit,
denk ich bei mir, es wär doch generell shit,
müsst den Reim ich ums verrecken schütteln.

Hannah May 14.03.2023
 

sufnus

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Hi Hannah,
die metrische Abweichung in S4Z1 ist offenkundig gewollt und als komischer Effekt funktioniert die auch (zumal es halt Schüttelreimbedingt nicht anders geht). Womöglich ist auch die metrische Disruption in S4Z4 so gewollt, quasi als ob das Sonett auf dem letzten Meter in seine Einzelteile zerfällt (auch hier trägt der Schüttelreim seinen Teil zur metrisch schwierigen Konstellation bei). In S3Z1 und vor allem Z3 (der Trochäus stört) würd ich aber nachfeilen.
Was wiederum sehr schön ist, sind die coolen Schüttelreime "Haar weit / Wahrheit" und "Klarheit / Haarkleid". Nur bei "Schnellritt" - "generell shit" hast Du ein bisschen gemogelt.
Ich mags. :)
LG!
S.
 

Schreibfan

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Lieber Sufnus. Danke für deinen ausführlichen Kommentar. Tatsächlich macht's natürlich einiges schwieriger wenn man ein Sonett auch noch schüttelt.
Die metrische Abweichung bei "zureit" ist tatsächlich bewusst belassen, weil sie für einen Beitrag der komischen Lyrik funktioniert. Wo aber liest du einen Trochäus in S3 Z1? Da fängt die Betonung bei "find" an und geht dann jambisch weiter. In den letzten Zeilen der Terzette bin ich auch über den Trochäus jeweils nicht so glücklich aber weiß keine andere Lösung und fand es dann ok, da die Zeilen zumindest einheitlich sind. Aber ich bin für Vorschläge offen. Und ja, generell Shit und Schnellritt ist gemogelt .
Dass S4Z4 eine metrische Disruption enthält ist offenkundig, diese Zeile gibt's nämlich gar nicht .

LG Schreibfan
 

sufnus

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Hi SF!
Der eingeklammert beklagte Trochäus bezieht sich auf die vor der Klammer zur allfälligen Kenntnisnahme dargebotene Z3. In selbiger trochät es vernehmlich - man muss sogar ob der Häufung von Zweisilblern ein leises Klappern konstatieren. Die Z1 in selbiger Strophe hinwiederum legt sich metrisch nicht so 100%ig fest, ist aber sicher nicht trochäisch geprägt - eigentlich würd ich beim Wiederlesen hier (also in S3Z1) auch meinen angemerkten Änderungsbedarf wieder einkassieren, die etwas lässige Metrik ist in dieser Zeile, wenn ich mir den Vortrag vorstelle, eigentlich ganz nice. :)
Und S3Z4 ist natürlich ein tippfehlergeschuldeter Deckname für S3Z3 und, wie oben von mir (durch den Typo zugegebenermaßen leicht verschleiert aber hoffentlich dennoch Kontext-basiert erschließbar) geschlussfolgert, ergibt die rhythmische Dissolution (die durch die Ich-Inversion noch etwas akzentuiert wird) im Sinne eines finalen Auseinanderfallens der Form durchaus Sinn und hat ihren Reiz, so dass ich immer noch durchaus erfreut verbleibe.
LG!
S.
 

sufnus

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ist "Abort" endbetont?
Abort ist im allgemeinen Sprachgebrauch schon endbetont und firmiert etwas verschwiemelt als A-Bort. Interessanter wäre natürlich ein Ab-Ort, der dann wohl irgendwie zwischen Trochäus und Spondeus herumchangierte (um sich insbesondere Letzteren, also den "Sp.", mal etwas wesensfremd bei den nicht-akzentuierenden Metriken auszuborgen und auf die teutonisch-akzentuierende Marschmusik anzuwenden).
Ein Gedicht über eine Ab-Ort? Warum nicht. :)
LG!
S.
 



 
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