Wolfgang Urach
Mitglied
Meister Hora stand an einem Fenster seines Nirgend-Hauses in der Niemals-Gasse und schaute durch seine Allsicht-Brille.
Gerade ließ sich Ann ganz leise vom Balkon auf die Schultern von Giacomo herab, weil die Kinder wollten nicht Anns Eltern aufwecken wollten.
„Gut gemacht, Kassiopeia; gut gemacht, Momo!“, sagte Meister Hora leise zu sich selbst.
Meister Horas Blick glitt weiter zum Amphitheater. Nachdem Momo, Giacomo und Kassiopeia das Amphitheater auf dem Feldweg verlassen hatten, zogen die Schwarzhemden auf dem Hauptweg durch das Pinienwäldchen grölend zum Amphitheater.
Toni entdeckte sie als Erster.
„Achtung, die Schwarzhemden kommen!“
Bruno zögerte keine Sekunde: „Hinter die Gegentribüne!“
Die beiden Familien liefen hinter das Amphitheater.
„Warum hast du eine Fackel mitgenommen?“, flüsterte Elsa erstaunt Toni zu.
„Man weiß nie“, erklärte Toni, der eine Idee hatte.
Die Schwarzhemden kamen ins Innere des Amphitheaters und wunderten sich sehr, dass jemand ihr Kommen angekündigt hatte. Sie gerieten darüber in Wut, dass ihr Plan nicht funktioniert hatte.
„Oh, ich hab so Angst, dass sie uns finden“, schluchzte Wendeline.
„Lasst mich gehen! Verhaltet euch ganz still!“, rief Toni und lief mit dem brennenden Holzscheit in der Hand aus dem Versteck. Als er sah, was die schwarzen Männer anstellten, wurde er noch wütender.
Die schwarzen Männer versuchten alles in Brand zu setzen! Hoch loderten die Flammen sofort auf. Das trockene Holz der beiden schönen Holzwagen fackelte krachend und prasselnd im schwarzen Nachthimmel ab.
Toni schlich sich aus dem Waldweg aus dem Pinienwäldchen, und im Waldausgang legte er mit dem Holzscheit Feuer um sich. Das Unkraut und die trockenen Büsche fingen sofort Feuer.
„Hee!“, rief er. „Hee, ihr Langweiler! Was macht ihr denn da? Habt ihr ein Problem?“
Die Schwarzhemden drehten sich zum Waldweg um und sahen Toni am Wegende stehen, umringt von einem Meer von Flammen. Sie begannen, wild um sich zu rufen.
„Da ist einer von denen!“
„Er hat Feuer gelegt!“
„Er hat das Pinienwäldchen in Brand gesetzt!“
„Er will uns ausräuchern!“ fingen sie an, durcheinander zu reden. In ihre Wut mischte sich Angst über diese unvorhergesehene Situation.
„Ihm nach!“
„Schnell!“
„Er darf uns nicht entkommen!“
Die Glatze, der Rauschebart und all die anderen Schwarzhemden rannten los und ließen unbeaufsichtigt die brennenden Holzwagen im Amphitheater zurück.
Bruno, Wendeline, Elsa, Alexandra, Sascha und die anderen Verwandten von Giacomo und Sascha hatten von ihrem Versteck aus beobachtet, was passiert war.
„Schnell, Wasser!“, rief Bruno.
Gottseidank hatten Elsa und Wendeline das Bachwasser schon in Wannen und Kübel gefüllt, weil sie es zum Waschen brauchten.
Dieses Reservewasser schütteten sie auf die Wagen, und ein Teil des Feuers erlosch schnell.
Bruno und Alexandra holten aus den Wagen andere Eimer und Wanne und machten eine Tragekette zum Bach hinter dem Amphitheater mit den Kindern.
„Schnell! Beeilt euch!“
Sascha und Alexandra halfen den Erwachsenen, so gut sie konnten.
Bald stieg Qualm der erstickenden Flammen von den Holzwagen auf.
Doch die Gefahr war noch nicht gebannt.
„Das Pinienwäldchen!“, rief Bruno.
Die Frauen und Kinder stellten sich in einer Tragekette zum Waldeingang auf, der ganz in Flammen steht.
Doch Bruno lief in seinen Wagen.
„Was suchst du?“, rief Wendeline.
Bruno kam wieder mit seiner Axt zum Vorschein, lief zum Feuer und begann in 10 Meter Entfernung des Feuers Äste abzuschlagen, Büsche abzuhacken, aus dem Boden zu reißen.
„Das Feuer darf nichts zum Brennen vorfinden!“, erklärte er atemlos.
„Soll wir dir helfen?“, fragte Alexandra.
„Nein, aber hört auf, das Wasser ins Feuer zu kippen, das bringt nichts, verteilt es dorthin, wo ich eine Brandschneise frei räume“, schrie Bruno zurück.
Und Bruno sollte Recht behalten. Seine wassergetränkte Brandschneise, in der sich außer kahlen Baumstämmen nichts mehr befand, brachte das Feuer zum Stehen. Es konnte sich nicht mehr ausbreiten.
Unterdessen lief Toni über die Felder in die Stadt, die Schwarzhemden immer hinter ihm her. Gottseidank war er besser trainiert als seine Verfolger. Doch nach drei, vier Kilometern begann er, müde zu werden.
„Hilfe!“, rief Toni.
„Dich Schwein kriegen wir!“, rief die Glatze hinter ihm.
In einigen Häusern ging Licht an.
„Was ist denn hier los?“, rief ein Großväterchen, der durch das Gerenne und Geschrei aufgewacht war.
„Kann mir mal ei.. einer erklärn, wa... was hier lo... los ist...“, wollte ein Betrunkener auf einer Parkbank wissen, an dem Toni vorbeihechtete.
Toni schlug Haken, doch er fand keinen Unterschlupf.
Schließlich lief er in eine kleine Querstrasse; die Schwarzhemden nur 100 Meter hinter ihm. Da sah er ein beleuchtetes Haus vor sich.
Er klingelte.
Die Schwarzhemden kamen näher.
Im Haus rührte sich nichts.
Die Schwarzhemden erreichten Toni.
Die Glatze ergriff ihn und warf ihn zu Boden. In dem Moment ging die Haustür auf, und Nicola stand da im Nachthemd.
„Was ist denn hier los?“, fragte er müde.
„Ah, Kamerad Nicola! Schön, dass du da bist, hilf uns, wir haben dieses Schwein verfolgt…“, erklärte die Glatze.
„Ich bin ein Freund von Momo!“, rief Toni am Boden.
„Du hältst die Schnauze!“, sagte ein Schwarzhemd und trat Toni in den Bauch.
„Ich weiß nicht ob…“, sagte Nicola schüchtern.
Doch der Rauschebart schob ihn in das Haus zurück: „Hast du nicht gehört, was Doktor Gobel gesagt hat! Hol ein Bier, verdammt noch mal!“
Meister Hora schob sich seine Brille hoch. Sollte Kassiopeia seine Botschaft nicht bekommen habe?
Nicola stand noch unschlüssig im Türrahmen. Hatte Toni Recht und war ein Freund von Momo? Nicola schien, als ob am anderen Strassenende eine Gruppe von einem kleinen Mädchen, einem zweiten, etwas struweligen Mädchen, einem größeren Jungen und einer Schildkröte die Fahrbahn überquerte.
„Aber er blutet ja!“, bemerkte Nicola auf einmal und bückte sich zu Toni runter, der aus der Nase blutete.
„Weg da!“, brüllte der Rauschebart und schob Nicola mit der Hilfe des Krähengesichts zur Seite. Nicola fiel hin.
Licht ging nebenan in Ninos Kneipe an.
Liliana erschien im Vorgarten.
„Meine Herren, fällt Ihnen nichts anderes ein, als die Nachtruhe ehrenwerter Bürger zu stören?“, rief sie mit festem Bass.
Die Schwarzhemden hielten inne.
„Gute Frau…“, meinte die Glatze beschwichtigend.
„Nix da, gute Frau“, fiel Liliana ihm ins Wort. „ Ihr Name?!“
„Äh“, der Anführer der Schwarzhemden merkte, dass mit Liliana nicht gut Kirschen essen war, „äh, Gobel, … Doktor Gobel mit Verlaub“, ergänzte er windelweich.
„Herr Gobel, wenn Sie nicht augenblicklich“, sie machte einen Moment lang eine Pause, „augenblicklich meinen Nachbarn und seinen Besucher, den Herrn, der da aus der Nase blutet, nicht in Frieden lassen, dann bekommen Sie eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Ruhestörung, Beleidigung, versuchten Totschlag…“
Die Worte taten ihre Wirkung; die Schwarzhemden traten unsicher einen Schritt zurück.
„Liliana“, sagte Nino beschwichtigend hinter ihr, „die Herren werden den Eindruck haben, als ob du sofort die Polizei anrufen willst!“
„Das werde ich!“, rief Liliana und lief ins Hausinnere.
Nino trat auf die Strasse und hob Toni vom Asphalt hoch.
„Ja, ich denke, meine Herren“, wandte er sich an die Schwarzhemden, „an Ihrer Stelle würde ich jetzt ruhig nach Hause gehen; Sie kennen meine Frau nicht, wenn die in fünf Minuten wiederkommt und Sie noch da sind, dann…“
Aus dem Hausinneren hörten die Männer Liliana, wie sie lautstark die Polizei telefonisch informierte.
„Ja, Strafanzeige wegen Körperverletzung und nächtlicher Ruhestörung“, brüllte Liliana ins Telefon.
Nino tat so, als ob ihm das peinlich war: „…Meine Güte, die Alte ist imstande und geht morgen tatsächlich aufs Gericht, ach die Frauen, die müssen immer übertreiben, dabei war es doch nur eine kleine Rauferei unter Freunden…nicht wahr...“, sagte Nino und wankte mit dem untergehakten Toni in Richtung seiner Kneipe.
„Kommst du, Nicola?“, fragte er noch seinen Nachbarn, der am Boden lag. Nicola stand auf und half ihm, Toni in die Kneipe zu schleppen. Er war froh, dass Nino ihm nicht mehr böse war.
„Sind Sie so nett und laufen und schreien bitte nicht auf Ihrem Heimweg, meine Herren? So finden wir dann leichter wieder in unseren wohlverdienten Schlaf, besonders meine Frau, sie ist sonst morgen wieder ganz unausstehlich. Ja dann, gute Nacht.“ Die Kneipentür fiel hinter Toni, Nino und Nicola ins Schloss und die Schwarzhemden standen davor wie begossene Pudel.
Nino stand, in Angstschweiß gebadet, von innen an die Haustür gelehnt.
„Oh Gott, das ist noch mal gut gegangen“, zischte er leise Nicola zu, denn er hatte immer noch Angst, dass ihm die schwarzen Männer zuhören und die Tür einrennen.
Draußen standen die schwarzen Männer wie begossene Pudel da. Die Glatze war sauer und niedergeschlagen. Das Krähengesicht gab missmutig das Signal zum Rückzug.
Auch Liliana wischte sich über die Stirn; leise murmelte sie: „Meine Güte, warum ist denn niemand beim Polizeinotruf an den Hörer gegangen? Ich musste ja Theater wie eine Verrückte spielen…“
„Ein Pfundskerl, diese Liliana! Und auch ihr Mann … “, sagte Meister Hora und lächelte hinter seiner Allsicht-Brille. Er schaute noch einmal zum Pinienwäldchen. Die beiden Familien hatten jetzt auch den Waldbrand unter Kontrolle gebracht, und schwere Rauchwolken verdunkelten das weiße Mondlicht.
„Das war knapp“, beurteilte Meister Hora. „das Feuer hätte die Wagen und das ganze Pinienwäldchen abbrennen können.“
In diesem Moment schlugen die beiden Torflügel des Nirgendwo-Hauses mit leisem Donner zu. Meister Hora setzte seine Allsicht-Brille ab.
„Sie sind also schon angekommen!“
Er ging durch den gewaltigen Säulensaal, der angefüllt war mit aller Art von verschiedenen Uhren. Ein vielstimmiges musikalisches Ticken und Schnarren und Klingen und Schnurren begleitete ihn, als er zur Eingangstür wanderte.
Es gab Zeiten, in denen Meister Hora ihr Schnarren und Summen nicht hörte, weil er sie zu gut kannte. Heute Nacht hatte er aber das Gefühl, als ob jede einzelne Uhr hören würde.
Die mächtige Eingangstür öffnete sich jetzt langsam, und herein kam Momo!
„Welch ein schönes Wiedersehen!“, rief Meister Hora, und unsere Freundin rannte ihm entgegen.
Giacomo, Ann und Kassiopeia traten hinter ihr ein.
Momos Augen füllten sich mit Tränen. Sie wusste nicht, woher sie kamen, aber ihre Tränen standen ihr in den Augen, wie ein Wasserhahn, den man angestellt hatte.
Durch den Tränenschleier sah sie, wie Meister Hora die Arme ausbreitete.
Sie rannte auf ihn zu.
Schluchzend.
Er bückte sich.
Sie warf sich in den sauberen, weißen Uhrmacherkittel, den er heute trug.
Meister Hora nahm sie fest in die Arme.
Sie verbarg ihr heulendes Gesicht in der ehrwürdigen Brust des Zeitverwalters.
Und dann geschah etwas Wunderschönes. Etwas Unerhörtes.
Momo erinnerte sich. Sie erinnerte sich genau.
Sie fühlte die weiche Hand ihren gekrümmten Rücken streicheln.
Sie erkannte die Hand.
Es war die Hand ihrer Mutter.
„Na, na, schon gut“, sagte die warme Stimme.
Und Momo fühlte, wie sie heulend an der Brust ihrer Mutter hing, die ihr sanft über den Rücken strich.
Sie streichelte Momos Haare, unsere Freundin hörte auf zu weinen und schaute in das Gesicht von Meister Hora.
„Wo ist meine Mutter?“, wollte sie traurig fragen.
„Leider nicht hier bei uns, mein Kind“, antworteten die sanften Augen des Zeitverwalters.
„Aber kommt erst mal und legt euch schlafen, Kinder!“, sagte er jetzt zu den anderen, „Ihr seid doch ganz müde! Morgen haben wir genug Zeit über alles zu sprechen!“
Gerade ließ sich Ann ganz leise vom Balkon auf die Schultern von Giacomo herab, weil die Kinder wollten nicht Anns Eltern aufwecken wollten.
„Gut gemacht, Kassiopeia; gut gemacht, Momo!“, sagte Meister Hora leise zu sich selbst.
Meister Horas Blick glitt weiter zum Amphitheater. Nachdem Momo, Giacomo und Kassiopeia das Amphitheater auf dem Feldweg verlassen hatten, zogen die Schwarzhemden auf dem Hauptweg durch das Pinienwäldchen grölend zum Amphitheater.
Toni entdeckte sie als Erster.
„Achtung, die Schwarzhemden kommen!“
Bruno zögerte keine Sekunde: „Hinter die Gegentribüne!“
Die beiden Familien liefen hinter das Amphitheater.
„Warum hast du eine Fackel mitgenommen?“, flüsterte Elsa erstaunt Toni zu.
„Man weiß nie“, erklärte Toni, der eine Idee hatte.
Die Schwarzhemden kamen ins Innere des Amphitheaters und wunderten sich sehr, dass jemand ihr Kommen angekündigt hatte. Sie gerieten darüber in Wut, dass ihr Plan nicht funktioniert hatte.
„Oh, ich hab so Angst, dass sie uns finden“, schluchzte Wendeline.
„Lasst mich gehen! Verhaltet euch ganz still!“, rief Toni und lief mit dem brennenden Holzscheit in der Hand aus dem Versteck. Als er sah, was die schwarzen Männer anstellten, wurde er noch wütender.
Die schwarzen Männer versuchten alles in Brand zu setzen! Hoch loderten die Flammen sofort auf. Das trockene Holz der beiden schönen Holzwagen fackelte krachend und prasselnd im schwarzen Nachthimmel ab.
Toni schlich sich aus dem Waldweg aus dem Pinienwäldchen, und im Waldausgang legte er mit dem Holzscheit Feuer um sich. Das Unkraut und die trockenen Büsche fingen sofort Feuer.
„Hee!“, rief er. „Hee, ihr Langweiler! Was macht ihr denn da? Habt ihr ein Problem?“
Die Schwarzhemden drehten sich zum Waldweg um und sahen Toni am Wegende stehen, umringt von einem Meer von Flammen. Sie begannen, wild um sich zu rufen.
„Da ist einer von denen!“
„Er hat Feuer gelegt!“
„Er hat das Pinienwäldchen in Brand gesetzt!“
„Er will uns ausräuchern!“ fingen sie an, durcheinander zu reden. In ihre Wut mischte sich Angst über diese unvorhergesehene Situation.
„Ihm nach!“
„Schnell!“
„Er darf uns nicht entkommen!“
Die Glatze, der Rauschebart und all die anderen Schwarzhemden rannten los und ließen unbeaufsichtigt die brennenden Holzwagen im Amphitheater zurück.
Bruno, Wendeline, Elsa, Alexandra, Sascha und die anderen Verwandten von Giacomo und Sascha hatten von ihrem Versteck aus beobachtet, was passiert war.
„Schnell, Wasser!“, rief Bruno.
Gottseidank hatten Elsa und Wendeline das Bachwasser schon in Wannen und Kübel gefüllt, weil sie es zum Waschen brauchten.
Dieses Reservewasser schütteten sie auf die Wagen, und ein Teil des Feuers erlosch schnell.
Bruno und Alexandra holten aus den Wagen andere Eimer und Wanne und machten eine Tragekette zum Bach hinter dem Amphitheater mit den Kindern.
„Schnell! Beeilt euch!“
Sascha und Alexandra halfen den Erwachsenen, so gut sie konnten.
Bald stieg Qualm der erstickenden Flammen von den Holzwagen auf.
Doch die Gefahr war noch nicht gebannt.
„Das Pinienwäldchen!“, rief Bruno.
Die Frauen und Kinder stellten sich in einer Tragekette zum Waldeingang auf, der ganz in Flammen steht.
Doch Bruno lief in seinen Wagen.
„Was suchst du?“, rief Wendeline.
Bruno kam wieder mit seiner Axt zum Vorschein, lief zum Feuer und begann in 10 Meter Entfernung des Feuers Äste abzuschlagen, Büsche abzuhacken, aus dem Boden zu reißen.
„Das Feuer darf nichts zum Brennen vorfinden!“, erklärte er atemlos.
„Soll wir dir helfen?“, fragte Alexandra.
„Nein, aber hört auf, das Wasser ins Feuer zu kippen, das bringt nichts, verteilt es dorthin, wo ich eine Brandschneise frei räume“, schrie Bruno zurück.
Und Bruno sollte Recht behalten. Seine wassergetränkte Brandschneise, in der sich außer kahlen Baumstämmen nichts mehr befand, brachte das Feuer zum Stehen. Es konnte sich nicht mehr ausbreiten.
Unterdessen lief Toni über die Felder in die Stadt, die Schwarzhemden immer hinter ihm her. Gottseidank war er besser trainiert als seine Verfolger. Doch nach drei, vier Kilometern begann er, müde zu werden.
„Hilfe!“, rief Toni.
„Dich Schwein kriegen wir!“, rief die Glatze hinter ihm.
In einigen Häusern ging Licht an.
„Was ist denn hier los?“, rief ein Großväterchen, der durch das Gerenne und Geschrei aufgewacht war.
„Kann mir mal ei.. einer erklärn, wa... was hier lo... los ist...“, wollte ein Betrunkener auf einer Parkbank wissen, an dem Toni vorbeihechtete.
Toni schlug Haken, doch er fand keinen Unterschlupf.
Schließlich lief er in eine kleine Querstrasse; die Schwarzhemden nur 100 Meter hinter ihm. Da sah er ein beleuchtetes Haus vor sich.
Er klingelte.
Die Schwarzhemden kamen näher.
Im Haus rührte sich nichts.
Die Schwarzhemden erreichten Toni.
Die Glatze ergriff ihn und warf ihn zu Boden. In dem Moment ging die Haustür auf, und Nicola stand da im Nachthemd.
„Was ist denn hier los?“, fragte er müde.
„Ah, Kamerad Nicola! Schön, dass du da bist, hilf uns, wir haben dieses Schwein verfolgt…“, erklärte die Glatze.
„Ich bin ein Freund von Momo!“, rief Toni am Boden.
„Du hältst die Schnauze!“, sagte ein Schwarzhemd und trat Toni in den Bauch.
„Ich weiß nicht ob…“, sagte Nicola schüchtern.
Doch der Rauschebart schob ihn in das Haus zurück: „Hast du nicht gehört, was Doktor Gobel gesagt hat! Hol ein Bier, verdammt noch mal!“
Meister Hora schob sich seine Brille hoch. Sollte Kassiopeia seine Botschaft nicht bekommen habe?
Nicola stand noch unschlüssig im Türrahmen. Hatte Toni Recht und war ein Freund von Momo? Nicola schien, als ob am anderen Strassenende eine Gruppe von einem kleinen Mädchen, einem zweiten, etwas struweligen Mädchen, einem größeren Jungen und einer Schildkröte die Fahrbahn überquerte.
„Aber er blutet ja!“, bemerkte Nicola auf einmal und bückte sich zu Toni runter, der aus der Nase blutete.
„Weg da!“, brüllte der Rauschebart und schob Nicola mit der Hilfe des Krähengesichts zur Seite. Nicola fiel hin.
Licht ging nebenan in Ninos Kneipe an.
Liliana erschien im Vorgarten.
„Meine Herren, fällt Ihnen nichts anderes ein, als die Nachtruhe ehrenwerter Bürger zu stören?“, rief sie mit festem Bass.
Die Schwarzhemden hielten inne.
„Gute Frau…“, meinte die Glatze beschwichtigend.
„Nix da, gute Frau“, fiel Liliana ihm ins Wort. „ Ihr Name?!“
„Äh“, der Anführer der Schwarzhemden merkte, dass mit Liliana nicht gut Kirschen essen war, „äh, Gobel, … Doktor Gobel mit Verlaub“, ergänzte er windelweich.
„Herr Gobel, wenn Sie nicht augenblicklich“, sie machte einen Moment lang eine Pause, „augenblicklich meinen Nachbarn und seinen Besucher, den Herrn, der da aus der Nase blutet, nicht in Frieden lassen, dann bekommen Sie eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Ruhestörung, Beleidigung, versuchten Totschlag…“
Die Worte taten ihre Wirkung; die Schwarzhemden traten unsicher einen Schritt zurück.
„Liliana“, sagte Nino beschwichtigend hinter ihr, „die Herren werden den Eindruck haben, als ob du sofort die Polizei anrufen willst!“
„Das werde ich!“, rief Liliana und lief ins Hausinnere.
Nino trat auf die Strasse und hob Toni vom Asphalt hoch.
„Ja, ich denke, meine Herren“, wandte er sich an die Schwarzhemden, „an Ihrer Stelle würde ich jetzt ruhig nach Hause gehen; Sie kennen meine Frau nicht, wenn die in fünf Minuten wiederkommt und Sie noch da sind, dann…“
Aus dem Hausinneren hörten die Männer Liliana, wie sie lautstark die Polizei telefonisch informierte.
„Ja, Strafanzeige wegen Körperverletzung und nächtlicher Ruhestörung“, brüllte Liliana ins Telefon.
Nino tat so, als ob ihm das peinlich war: „…Meine Güte, die Alte ist imstande und geht morgen tatsächlich aufs Gericht, ach die Frauen, die müssen immer übertreiben, dabei war es doch nur eine kleine Rauferei unter Freunden…nicht wahr...“, sagte Nino und wankte mit dem untergehakten Toni in Richtung seiner Kneipe.
„Kommst du, Nicola?“, fragte er noch seinen Nachbarn, der am Boden lag. Nicola stand auf und half ihm, Toni in die Kneipe zu schleppen. Er war froh, dass Nino ihm nicht mehr böse war.
„Sind Sie so nett und laufen und schreien bitte nicht auf Ihrem Heimweg, meine Herren? So finden wir dann leichter wieder in unseren wohlverdienten Schlaf, besonders meine Frau, sie ist sonst morgen wieder ganz unausstehlich. Ja dann, gute Nacht.“ Die Kneipentür fiel hinter Toni, Nino und Nicola ins Schloss und die Schwarzhemden standen davor wie begossene Pudel.
Nino stand, in Angstschweiß gebadet, von innen an die Haustür gelehnt.
„Oh Gott, das ist noch mal gut gegangen“, zischte er leise Nicola zu, denn er hatte immer noch Angst, dass ihm die schwarzen Männer zuhören und die Tür einrennen.
Draußen standen die schwarzen Männer wie begossene Pudel da. Die Glatze war sauer und niedergeschlagen. Das Krähengesicht gab missmutig das Signal zum Rückzug.
Auch Liliana wischte sich über die Stirn; leise murmelte sie: „Meine Güte, warum ist denn niemand beim Polizeinotruf an den Hörer gegangen? Ich musste ja Theater wie eine Verrückte spielen…“
„Ein Pfundskerl, diese Liliana! Und auch ihr Mann … “, sagte Meister Hora und lächelte hinter seiner Allsicht-Brille. Er schaute noch einmal zum Pinienwäldchen. Die beiden Familien hatten jetzt auch den Waldbrand unter Kontrolle gebracht, und schwere Rauchwolken verdunkelten das weiße Mondlicht.
„Das war knapp“, beurteilte Meister Hora. „das Feuer hätte die Wagen und das ganze Pinienwäldchen abbrennen können.“
In diesem Moment schlugen die beiden Torflügel des Nirgendwo-Hauses mit leisem Donner zu. Meister Hora setzte seine Allsicht-Brille ab.
„Sie sind also schon angekommen!“
Er ging durch den gewaltigen Säulensaal, der angefüllt war mit aller Art von verschiedenen Uhren. Ein vielstimmiges musikalisches Ticken und Schnarren und Klingen und Schnurren begleitete ihn, als er zur Eingangstür wanderte.
Es gab Zeiten, in denen Meister Hora ihr Schnarren und Summen nicht hörte, weil er sie zu gut kannte. Heute Nacht hatte er aber das Gefühl, als ob jede einzelne Uhr hören würde.
Die mächtige Eingangstür öffnete sich jetzt langsam, und herein kam Momo!
„Welch ein schönes Wiedersehen!“, rief Meister Hora, und unsere Freundin rannte ihm entgegen.
Giacomo, Ann und Kassiopeia traten hinter ihr ein.
Momos Augen füllten sich mit Tränen. Sie wusste nicht, woher sie kamen, aber ihre Tränen standen ihr in den Augen, wie ein Wasserhahn, den man angestellt hatte.
Durch den Tränenschleier sah sie, wie Meister Hora die Arme ausbreitete.
Sie rannte auf ihn zu.
Schluchzend.
Er bückte sich.
Sie warf sich in den sauberen, weißen Uhrmacherkittel, den er heute trug.
Meister Hora nahm sie fest in die Arme.
Sie verbarg ihr heulendes Gesicht in der ehrwürdigen Brust des Zeitverwalters.
Und dann geschah etwas Wunderschönes. Etwas Unerhörtes.
Momo erinnerte sich. Sie erinnerte sich genau.
Sie fühlte die weiche Hand ihren gekrümmten Rücken streicheln.
Sie erkannte die Hand.
Es war die Hand ihrer Mutter.
„Na, na, schon gut“, sagte die warme Stimme.
Und Momo fühlte, wie sie heulend an der Brust ihrer Mutter hing, die ihr sanft über den Rücken strich.
Sie streichelte Momos Haare, unsere Freundin hörte auf zu weinen und schaute in das Gesicht von Meister Hora.
„Wo ist meine Mutter?“, wollte sie traurig fragen.
„Leider nicht hier bei uns, mein Kind“, antworteten die sanften Augen des Zeitverwalters.
„Aber kommt erst mal und legt euch schlafen, Kinder!“, sagte er jetzt zu den anderen, „Ihr seid doch ganz müde! Morgen haben wir genug Zeit über alles zu sprechen!“