Jetzt ist es raus, oder?
Kapitel 3
Gordon Braun hasste Anne Müller.
Seitdem diese Frau die Leitung des GKS – den Geheimdienst der Konföderation von Sol – neben ihrem Sitz im Hohen Rat übernommen hatte, ging es mit der einst so stolzen Organisation bergab. Die Müller, so nannte er sie abfällig, war eine Politikerin – keine Militär. Der Geheimdienst musste Gordons Meinung nach von einem Militär geleitet werden, nicht von einer alten Frau, die am besten im Hohen Rat geblieben wäre. Allerdings hassen tat er sie aus anderen Gründen. War es ihre Art, sich in sein Privatleben einzumischen, wie sie es letzte Woche bei seinem Date auf den Saturnringen getan hatte? Oder ihre sinnlosen Aufgaben (Holen Sie mir Zahnseide, Gordon!)?
Und nun stand er hier, auf der Brücke der Black Hand, dem Kommandoschiff der „Dreizehnten Flotte“ und damit des GSK, und beobachtete, wie diese alte Professorin sich seine E-Mails ansah. Sie saß an einer Konsole, direkt links vom Kommandosessel von Captain Kaine, und hatte mit ihrem Passwort zuvor schon die E-Mails von drei anderen Mitarbeiten durchforstet.
Wie wäre es, wenn sich seine Finger um ihren faltigen, speckigen Hals legten und langsam zudrückten? Dann fiel Gordon jedoch ein, weshalb er hier war. Milton hatte ihm diese Assistentenstelle überhaupt erst verschafft. Und Milton, der Kopf des Triumvirates auf New Oxford, wollte, dass er die Müller tötete. Zu lange hatte die Geheimdienstchefin sich in Miltons Belange eingemischt und seine Operationen als auch seinen Einfluss bei Präsidentin Kübra Özer gestört. Die Rolle, die Milton früher bei den Präsidentin eingenommen hatte, war nun die ihre – und damit war sie Milton ein Dorn in Auge. Gordon musste es schnell und unauffälig tun, es durfte nicht mal wie ein Mord aussehen. Einfach im Schlaf gestorben, bei einer neunzigjährigen kein Wunder. Nichts durfte auf New Oxford oder ihn hinweisen. Nichts.
Allein der Gedanke daran, Anne zu töten, gab Gordon die Befriedigung jeden Tag aufzustehen und für die ach so bedeutende Rätin des Hohen Rates der Konföderation von Sol die Schuhe zu putzen!
Sicher, als Leiterin des GSK war die Müller nicht nur berechtigt sondern in gewisser Weise auch verpflichtet, ihre engsten Mitarbeiter im Auge zu behalten. Doch musste sie tagtäglich seine E-Mails anschauen, wenn er genau einen Meter daneben stand?
„Gordon, warum schickt ihnen „Heiße Stuten Punkt De“ jeden Tag eine E-Mail mit den Bildern von nackten Frauen?“, fragte sie.
Und dann war sie auch noch so naiv!
Gordon stöhnte.
Jetzt reichte es!
„Warum zum Teufel lesen Sie meine E-Mails?“, fragte er sie.
Sie lächelte ihn an.
„Weil ich es kann.“
Sie schloss das E-Mail-Fenster.und rief sein Bankkonto mit ihrem Universalpasswort auf.
„Warum geben Sie so viel Geld für ... Kuscheltiere aus?“, fragte sie ihn.
Komm, Junge. Leg deine Hände um ihren Hals, drück zu und dann ist es vorbei!, dachte er sich.
„Das geht Sie nichts an.“
„Wenn Sie meinen...“
Warum tat er nichts? Warum reichte er nicht Klage bei irgendeinem Gericht ein, wegen Verletzung der Privatsphäre? Konnte London Hilton ja auch machen, als ihre Mutter kurz in ihr Schlafzimmer kam.
Dann fiel es ihm wieder ein: Diese Frau würde jede Anklage gewinnen, denn neben ihrer Art war sie auch eines: Die wohl beste Anwältin der gesamten Konföderation. Vor allem aber hätte man ihn beim plötzlichen Ableben der Frau auf die Liste der dringend Mordverdächtigen gesetzt.
Sie machte das Terminal aus und drehte sich in zu ihm.
Oh, wie er dieses Gesicht hasste.
Diese neunzig Jahre alten Falten, nein Schluchten.
„Geben Sie mir neuesten Neugikeiten.“
Gordon nahm seinen Handcomputer und nahm Verbindung mit dem GalNet auf. Ah, da war das Newspaket vom Geheimdienst im Postfach.
„London Hilton ist schwanger“, las er vom Display.
„Wer zum Teufel ist das?“
„Eine bekannte Schauspielerin und Partygirl.“
„Höchst uninteressant. Und so was kommt heutzutage in den Nachrichten. Schrecklich. Schrecklich. Weiter.“
„Ihr Verlag, Earth Rocks, beginnt mit einer Neuauflage sämtlicher bis 2104 erschienen Star Wars Bücher.“
„Warum wusste ich das nicht? Egal, weiter.“
„Auf Wega VII ist es zu einem Vulkanausbruch gekommen. Siebenundvierzig Tote.“
„Weiter.“
Gordon las mit seiner monotonen Stimme weiter: „Der Zentralcomputer von PolAres II hat die Verbindung mit seinem älteren Bruder verloren. Die Techniker gehen von einem Stromausfall aus, der seit fünf Stunden andauert. Die Handelskonferenz auf ...“
„Was auf PolAres los?“, fragte Anne wie aus der Pistole geschossen.
„Keine Ahnung. Ich hab nur das, was auf hier steht.“
„Immer mitdenken. Rufen Sie das Dossier von Präsidentin Özer auf. Dieser Dame gibt man immer mehr Infos als mir. Ich will Informationen!“
Gordon seufzte und rief das Nachrichtenpaket der Präsidentin auf, zu dem Anne sowieso, wie auf alles in der Konföderation, Zutritt hatte.. Keine weiteren Infos. Nur diese zwei Zeilen.
Wieder eine anderes. Diesmal vom Vizepräsident.
Nichts.
„Ich finde nur diese Information, Professor.“
„Immer mitdenken. Rufen Sie das Dossier von Präsidentin Özer auf. Dieser Dame gibt man immer mehr Infos als mir. Ich will Informationen!“
Gordon seufzte und rief das Nachrichtenpaket der Präsidentin auf, zu dem Anne sowieso, wie auf alles in der Konföderation, Zutritt hatte.. Keine weiteren Infos. Nur diese zwei Zeilen.
Wieder eine anderes. Diesmal vom Vizepräsident.
Nichts.
„Ich finde nur diese Information, Professor.“
Mit großen Schritten trat Anne auf die Erhöhung in der Brücke, wo sich Captain Kaines Kommandosessel befand. Damit stand sie direkt vor dem Captain.
„Kommunikationsoffizier, stellen Sie eine Verbindung mit PolAres her“, befahl sie der jungen Frau links vom Kommandosessel.
„Befehl zurück“, sagte Kaine. „Das ist meine Brücke, ich gebe hier die Befehle!“
Anne rollte mit den Augen, Gordon lächelte.
Kaine nahm lieber Befehle entgegen und weiterte sie weiter, als übergangen zu werden.
„Captain, befehlen Sie der jungen Dame eine Verbindung mit PolAres aufzubauen!“
„Ensign, stellen Sie eine Verbindung mit PolAres her, wenn die allmächtige Ratsherrin eine will ...“
„Richtig so.“
„Sir, ich bekomme keine Verbindung mit PolAres.“
Gordon bemerkte Furcht in Annes Augen. Sie hatte Angst. Gordon war nun irritiert. Anne gab sich nach außen hin immer als eine starke Persönlichkeit, die durch rein gar nichts zu erschüttern war – und darauf hätte Gordon immer gewettet. Die Geheimdienstleiterin wirkte auf viele im Emotionslos. Außer natürlich, wenn sie wütend war.
Warum zum Teufel hatte sie Angst?
Hatte sie etwa … Familie auf PolAres?
Gordon erinnerte sich, in den Akten von einer Nichte gelesen zu haben, erinnerte sich aber nicht an deren Namen.
„Versuchen Sie es mit PolAres II“, sagte Anne. „Und es ist mir egal, dass das hier IHRE Brücke ist. Ich habe das Oberkommando über die gesamte Flotte und über JEDE Brücke. Tun Sie, was ich gesagt habe!“ Anne berührte die Schulter der Ensign.
Die Ensign tat es.
„Wir haben eine Verbindung.“
Das Gesicht des Bürgermeisters. erschien auf dem großen Hauptbildschirm. Er füllte ihn komplett aus.
„Ich bin Mike Edison, Bürgermeister von PolAres II. Was kann ich für die Black Hand tun?“
Anne begann zu sprechen: „Ich bin Rätin Anne Müller, Mitglied im Hohen Rat der Konföderation von Sol. Was ist in PolAres los?“
„Hier bei uns ist alles in Ordnung, Rätin.“
„Ich rede nicht von PolAres II sondern von der ersten Stadt!“
„Ah, verstehe. Unser Zentralcomputer empfängt keine Signale mehr vom Zentralcomputer in PolAres. Unsere Techniker gehen von einem Stromausfall aus.“
„Stromausfälle sind in PolAres an der Minutenordnung. Jedoch gab es noch nie einen Stromausfall, der fünf Stunden andauert!“
„Das wissen wir.“
„Wann starten Sie eine Rettungsaktion?“
War das immer noch Verzweiflung, die sich in ihren Augen zeigte?
„Laut unserem Wetterfrühwarnsystem bricht in ein oder zwei Stunden ein Sandsturm aus. Und wir werden unsere Leute nicht in einem der tagelangen Stürme opfern, Rätin.“
„Ich verstehe. Können Sie sonst nichts tun?“
„Leider nein. Wenn Sie mich entschuldigen, ich muss noch zu einem ... besonderen Ereignis.“
„Verstehe. Guten Tag noch.“
Sie deutete der Ensing, die Verbindung zu beenden.
„Captain, setzen Sie Kurs zum Mars!“, befahl Anne.
„Wieso?“, schoss es Gordon und Kaine aus dem Mund.
„Wenn PolAres II die Bevölkerung nicht rettet, muss ich es halt machen!“
„Wir müssen hier immer noch auf unsere Agentin warten, Professor.“
„Welches Schiff könnte unsere Position einnehmen, um die Dame und die Flotte der Piratenfürsten in Empfang zu nehmen?“
Kaine starte seinen Handcomputer.
„Die Black Fire könnte in zwei Stunden hier sein“, meldete Gordon. Er war etwas schneller als der Captain.
„Gut. Springen Sie in den Hyperraum!“
„Sollten wir nicht erst mit Fire … Kontakt aufnehmen?“, fragte Kaine.
„Das machen wir im Hyperraum.“
„Warum schicken wir nicht die Fire zu PolAres II?“
„Weil die Fire zwei Stunden mehr braucht als wir, um zum Mars zu gelangen. Sie ist im Moment bei der Wega und damit weiter von der Erde entfernt als wir.“
Kaine rollte mit den Augen.„Steuermann, Hyperraumsprung zum Mars!“, befahl er.
„Können wir niemanden kontaktieren, der vor uns zum Mars kommt?“, fragte Gordon.
„Es befindet sich im Moment kein Schiff der Dreizehnten Flotte im Sol-System! Wir sind die einzigen, die nahe genug dran sind; die Fire könnte, wie schon gesagt, erst zwei Stunden nach uns ankommen und der Rest der Flotte ist nicht in Erdnähe. Und ich werde kein Schiff der Ersten Flotte im Sol-System auf diese Mission schicken“, sagte Anne. „Oder haben Sie andere Vorschläge?“
Kaine und Gordon riefen wieder ihre Handcomputer auf.
„Ja, das stimmt. Die gesamte Flotte ist über die Konföderation und darüber hinaus zerstreut. Wir sind am Nächsten.“ bestätigte Kaine. „Allerdings ist die Erste Flotte …“
Müller unterbach ihn mit einer Handbewegung. „Ich sagte doch, die will ich da nicht haben! Nach dem Debakel mit den Qiptari – ich will die PolAres-Leute retten, nicht ausrotten!“
Gordon musste grinsen, das stümperhafte Vorgehen des Flottenkommandos damals hatte für Hohn und beißende Vorwürfe gesorgt. Der in der Folge neu eingesetzte Großadmiral Luceno hatte das Vertrauen nie zurückgewinnen können. Außerdem, das wusste Gordon aus internen Berichten, liebte es Luceno, Müller in ihre Schranken zu weisen und nur Anweisungen direkt aus dem Oberkommando, also von Großadmiral Davis, zu befolgen.
„Müssen denn unbedingt wir die Bevölkerung retten? Was ist mit der LRG?“, fragte Gordon.
„Was soll die Lebensrettungsgesellschaft denn da mit ihren kleinen Shuttles? Wir sind die einzigen, die … auf einem Planeten landen können, Gordon. Shuttles gehen in einem Sandsturm unter. Die Black Hand ist als einziges Schiff stark genug, um die Stürme zu überstehen!“
Zum ersten mal musste Gordon dieser alten Frau recht geben.
„Steuermann, Kurs berechnen“, befahl Kaine.
Und genau in dem Augenblick, als der Steuermann den Kursrechner aktivierte … fiel der Strom aus.
„Ach, du meine Güte“, sagte Anne. „Ich komme mir schon vor wie auf PolAres.“