Wolfgang Urach
Mitglied
Stefan saß angelehnt dösend unter dem großen Apfelbaum im Vorgarten des Hauses seiner Eltern. Das Mathe-Buch lag zwar zu seinen Füssen, aber seit einer Stunde blätterte er in der Bravo, die er sich heute morgen gekauft hatte.
„Hallo Stefan“, sagte eine Männerstimme, die er kannte.
Er schaute hoch und erkannte Alwin Müller, seinen Nachbarn. Schnell drückte er die Zigarette im Gras neben ihm aus. Seine Eltern hatten ihm verboten zu rauchen, und wenn der Nachbar seinen Eltern erzählte...
„Tach, Herr Müller“, sagte Stefan langsam und steppte die Kippe unauffällig weg.
„Langweiliger Nachmittag, gell?“, suchte der Nachbar Zustimmung bei ihm.
„Mmh“, meinte Stefan.
„Als ich so jung war wie du, bin ich an einem solchen Nachmittag Rennen gefahren...“
„Rennen?“, fragte Stefan zweifelnd.
„Ach, nichts besonderes, Sportwagenrennen eben“, wiegelte Alwin ab.
„Sie sind wirklich Sportwagen gefahren?“, fragte Stefan erstaunt.
„Da hab ich schon das eine oder andere Rennen gewonnen, das ist wahr“, meinte der ehemalige Rennmeister zurückhaltend.
„Und haben Sie Preise gewonnen?“
„Naja, bei den Nationalmeisterschaften bin ich nur Zweiter geworden.“
„Nur zweiter...“, wiederholte Stefan leise, so als ob er erst die Worte begreifen müsste.
„Nichts Großes eben.“ Der Nachbar machte eine abwehrende Geste mit den Händen.
„Aber...?“
„Ja?“
„Wie, wie sind Sie Rennwagenfahrer geworden?“, wollte Stefan jetzt genau wissen. Er setzte sich auf und legte die Bravo weg.
„Ich war so in deinem Alter; da gab’s ’ne Gruppe von Jugendlichen, alle ziemlich technisch drauf, Bastler, Erfinder, Mechaniker. Wir hatten uns durch einen Verein kennen gelernt.
Und dann haben wir uns gesagt: ‚Bauen wir einen Rennwagen.’ Wenn du willst, vor 40 Jahren war das noch einfacher. Die Technik und das alles, keine Elektronik... Na klar, alle haben uns für bescheuert erklärt, weil schon damals...“
„Geil“, unterbrach ihn Stefan.
„Zuerst hatten wir Pech“, gab Alwin Müller zu, „der Motor, den wir gewählt hatten, war zu schwach. Unser Gefährt fuhr so schnell wie ein Rollstuhl.“
Stefan lachte.
„Komm doch mal rüber zu mir, dann kann ich dir alles erzählen.“, schlug Alwin Müller vor.
Einen Moment lang war Stefan unschlüssig, dann meinte er: „OK, warum nicht.“
Er öffnete das Gartentor und folgte seinem Nachbarn in dessen Garten. Dort schlief jetzt der Hooverwart-Hund Hasso auf der Terrasse und schlug noch nicht einmal an, als sein Herrchen mit Stefan hereintrat. Sie gingen an ihm vorbei ins Haus. Stefan versuchte lautlos an ihm vorbeizuschleichen, ohne ihn zu wecken.
Stefan betrat hinter Alwin Müller das Haus.
Es hingen Bilder von Autorennen an der Wand. Da waren Fotos von strahlenden Siegern.
Stefan war wie entgeistert. Er hätte sich nicht vorstellen können, dass in seiner langweiligen Nachbarschaft ein Rennfahrer wohnte.
„Sind Sie das?“
„Nicht auf allen Fotos, das sind auch Freunde.“
Wimpel, Tücher, ein alter Reifen, Autospiegel...
„Das ist super“, sagte Stefan. Es war wie ein Traum für ihn.
Es waren auch Bilder von Männern in Uniform und in Marschordnung. Stefan war etwas überrascht, aber Herr Müller hatte sicher auch seinen Militärdienst abgeleistet.
„Und wie ist das weiter gegangen?“, wollte Stefan wissen.
„Ich habe immer mehr Rennen gewonnen, es gab Freunde, die haben wir schon gesagt: ‚Alwin, eines Tages wirst du Weltmeister.’ Das bin ich leider nicht geworden.“
„Warum?“, fragte Stefan direkt.
„Ich hatte einen Unfall!“
„Einen Unfall?“
„Ich war eine halbes Jahr im Krankenhaus.“
„Oh Mann!“
„Das kann ich dir sagen. Da lernst du deine wirklichen Freunde kennen.“
„Echt?“
„Gottseidank waren wir ein eingeschworener Freundeskreis. Einer für alle. Alle für einen.“
„Das ist OK“, stimmte Stefan ihm zu.
„Du kannst sie hier sehen auf den Bildern.“
„Wo?“
„Hier in den schwarzen Uniformen, unser Verein.“, sagte Alwin und zeigte auf einige Fotos.
„Und wie hieß er, euer Verein mein ich?“, fragte Stefan, als er sich die alten Fotos von neuem anschaute.
„Ach, wie unsere Stadt Lappalia. Wir waren der lappalische Jungenbund.“
„Schade, dass es den heute nicht mehr gibt.“
„Aber sicher gibt es den noch“, entgegnete Alwin.
„Den würd ich gerne kennen lernen“, meinte Stefan interessiert.
„Ich kann dir sagen, wo die sich treffen, das sind noch wahre Kerle, ich kann dir auch Bücher über unsere Bewegung geben, das ist echt interessant, was Arnold Rosenberg oder andere über Lappalia, unsere kleine schöne Stadt, so schreiben“, erklärte der Alte.
„Aber ihr macht sicher keine Autorennen mehr“, klang Stefan schon weniger begeistert.
„Das nicht, aber man kann bei uns den Motorradführerschein machen, und gemeinsam nehmen die Jungen an Motorradrennen teil.“
„Spitze“, entflammte wieder Stefans Hoffnung. „Und wie heißt ihr? Und wann trifft sich die Motorradgruppe?“ Mit einem Mal hatte Stefan das Gefühl, als ob er den Turbo eingeschaltet hätte. Er musste diese Motorradfahrer einfach treffen, das war klar, er musste...
„Ach“, sagte Alwin, „wir haben mehrfach den Namen geändert, aber für uns ist unsere Stadt, unser Vaterland, die Herausforderung, die Kampfgemeinschaft und die Ehre das wichtigste.
Wir heißen heute einfach: die Sammelbewegung zum Wohle Lappaliens S – W – L.
Übrigens die Motorradgruppe trifft sich nächsten Mittwoch. Die suchen noch neue Fahrer für ihre zweite Fahrermannschaft.“
„Hallo Stefan“, sagte eine Männerstimme, die er kannte.
Er schaute hoch und erkannte Alwin Müller, seinen Nachbarn. Schnell drückte er die Zigarette im Gras neben ihm aus. Seine Eltern hatten ihm verboten zu rauchen, und wenn der Nachbar seinen Eltern erzählte...
„Tach, Herr Müller“, sagte Stefan langsam und steppte die Kippe unauffällig weg.
„Langweiliger Nachmittag, gell?“, suchte der Nachbar Zustimmung bei ihm.
„Mmh“, meinte Stefan.
„Als ich so jung war wie du, bin ich an einem solchen Nachmittag Rennen gefahren...“
„Rennen?“, fragte Stefan zweifelnd.
„Ach, nichts besonderes, Sportwagenrennen eben“, wiegelte Alwin ab.
„Sie sind wirklich Sportwagen gefahren?“, fragte Stefan erstaunt.
„Da hab ich schon das eine oder andere Rennen gewonnen, das ist wahr“, meinte der ehemalige Rennmeister zurückhaltend.
„Und haben Sie Preise gewonnen?“
„Naja, bei den Nationalmeisterschaften bin ich nur Zweiter geworden.“
„Nur zweiter...“, wiederholte Stefan leise, so als ob er erst die Worte begreifen müsste.
„Nichts Großes eben.“ Der Nachbar machte eine abwehrende Geste mit den Händen.
„Aber...?“
„Ja?“
„Wie, wie sind Sie Rennwagenfahrer geworden?“, wollte Stefan jetzt genau wissen. Er setzte sich auf und legte die Bravo weg.
„Ich war so in deinem Alter; da gab’s ’ne Gruppe von Jugendlichen, alle ziemlich technisch drauf, Bastler, Erfinder, Mechaniker. Wir hatten uns durch einen Verein kennen gelernt.
Und dann haben wir uns gesagt: ‚Bauen wir einen Rennwagen.’ Wenn du willst, vor 40 Jahren war das noch einfacher. Die Technik und das alles, keine Elektronik... Na klar, alle haben uns für bescheuert erklärt, weil schon damals...“
„Geil“, unterbrach ihn Stefan.
„Zuerst hatten wir Pech“, gab Alwin Müller zu, „der Motor, den wir gewählt hatten, war zu schwach. Unser Gefährt fuhr so schnell wie ein Rollstuhl.“
Stefan lachte.
„Komm doch mal rüber zu mir, dann kann ich dir alles erzählen.“, schlug Alwin Müller vor.
Einen Moment lang war Stefan unschlüssig, dann meinte er: „OK, warum nicht.“
Er öffnete das Gartentor und folgte seinem Nachbarn in dessen Garten. Dort schlief jetzt der Hooverwart-Hund Hasso auf der Terrasse und schlug noch nicht einmal an, als sein Herrchen mit Stefan hereintrat. Sie gingen an ihm vorbei ins Haus. Stefan versuchte lautlos an ihm vorbeizuschleichen, ohne ihn zu wecken.
Stefan betrat hinter Alwin Müller das Haus.
Es hingen Bilder von Autorennen an der Wand. Da waren Fotos von strahlenden Siegern.
Stefan war wie entgeistert. Er hätte sich nicht vorstellen können, dass in seiner langweiligen Nachbarschaft ein Rennfahrer wohnte.
„Sind Sie das?“
„Nicht auf allen Fotos, das sind auch Freunde.“
Wimpel, Tücher, ein alter Reifen, Autospiegel...
„Das ist super“, sagte Stefan. Es war wie ein Traum für ihn.
Es waren auch Bilder von Männern in Uniform und in Marschordnung. Stefan war etwas überrascht, aber Herr Müller hatte sicher auch seinen Militärdienst abgeleistet.
„Und wie ist das weiter gegangen?“, wollte Stefan wissen.
„Ich habe immer mehr Rennen gewonnen, es gab Freunde, die haben wir schon gesagt: ‚Alwin, eines Tages wirst du Weltmeister.’ Das bin ich leider nicht geworden.“
„Warum?“, fragte Stefan direkt.
„Ich hatte einen Unfall!“
„Einen Unfall?“
„Ich war eine halbes Jahr im Krankenhaus.“
„Oh Mann!“
„Das kann ich dir sagen. Da lernst du deine wirklichen Freunde kennen.“
„Echt?“
„Gottseidank waren wir ein eingeschworener Freundeskreis. Einer für alle. Alle für einen.“
„Das ist OK“, stimmte Stefan ihm zu.
„Du kannst sie hier sehen auf den Bildern.“
„Wo?“
„Hier in den schwarzen Uniformen, unser Verein.“, sagte Alwin und zeigte auf einige Fotos.
„Und wie hieß er, euer Verein mein ich?“, fragte Stefan, als er sich die alten Fotos von neuem anschaute.
„Ach, wie unsere Stadt Lappalia. Wir waren der lappalische Jungenbund.“
„Schade, dass es den heute nicht mehr gibt.“
„Aber sicher gibt es den noch“, entgegnete Alwin.
„Den würd ich gerne kennen lernen“, meinte Stefan interessiert.
„Ich kann dir sagen, wo die sich treffen, das sind noch wahre Kerle, ich kann dir auch Bücher über unsere Bewegung geben, das ist echt interessant, was Arnold Rosenberg oder andere über Lappalia, unsere kleine schöne Stadt, so schreiben“, erklärte der Alte.
„Aber ihr macht sicher keine Autorennen mehr“, klang Stefan schon weniger begeistert.
„Das nicht, aber man kann bei uns den Motorradführerschein machen, und gemeinsam nehmen die Jungen an Motorradrennen teil.“
„Spitze“, entflammte wieder Stefans Hoffnung. „Und wie heißt ihr? Und wann trifft sich die Motorradgruppe?“ Mit einem Mal hatte Stefan das Gefühl, als ob er den Turbo eingeschaltet hätte. Er musste diese Motorradfahrer einfach treffen, das war klar, er musste...
„Ach“, sagte Alwin, „wir haben mehrfach den Namen geändert, aber für uns ist unsere Stadt, unser Vaterland, die Herausforderung, die Kampfgemeinschaft und die Ehre das wichtigste.
Wir heißen heute einfach: die Sammelbewegung zum Wohle Lappaliens S – W – L.
Übrigens die Motorradgruppe trifft sich nächsten Mittwoch. Die suchen noch neue Fahrer für ihre zweite Fahrermannschaft.“