Kapitel 9

bieder

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Ondek verließ den Tunnel, dem er tagelang quer durch das Dundou Gebirge gefolgt war. Das grelle Licht der Sonne stach in seinen Augen. In den letzten Tagen mussten seine Augen außer der Dunkelheit des Tunnels nur den Schein der Fackel ertragen. Die hellen Strahlen der Wüstensonne ließen ihn für wenige Minuten fasst erblinden, bis er sich wieder an das Tageslicht gewöhnt hatte. Der Eingang zum Tunnel war gut versteckt. Verborgen von Felsen und einigen verdorrten Büschen, würde ihn ein unwissender nur durch puren Zufall entdecken können. Er versuchte sich die Stelle gut einzuprägen, denn er hatte nicht die geringste Lust, mit einem Ogerkopf in der Hand das Dundou Gebirge umrunden zu müssen. Die dort lebenden Menschen würden ihn wahrscheinlich für verrückt erklären, wenn er mit dieser Trophäe durch ihre Dörfer wandern würde.
Nun widmete sich Ondek allerdings erst einmal seinem größten Problem. Wo sollte er hier einen Oger finden? So weit das Auge reichte sah er nur Wüste und Sonne. Keinerlei Anhaltspunkte für irgend eine Art von Leben. Nach kurzem Überlegen entschloss er sich dazu einfach in südwestlicher Richtung zu laufen. Irgendwann würde er schon automatisch auf einen Oger treffen. Er betrachtete kurz den Stand der Sonne, dann lief er siegessicher los. Als es Abend wurde und den ganzen Tag über rein gar nichts passiert war, ließ sich Ondek, jetzt schon nicht mehr so gut gelaunt in den Sand fallen. Er nahm etwas zu Essen aus seinem Rucksack und schlug sein Nachtlager auf. Inständig hoffte er, nicht erst die ganze Wüste durchqueren zu müssen, bis er wieder irgendein Lebewesen sah. Im Moment war es ihm völlig egal, ob einem Oger oder ein anderes Lebewesen. Hauptsache wieder etwas lebendiges sehen. Schon jetzt vermisste Ondek die Gesellschaft anderer Zwerge. Aber es hat auch niemand gesagt, das die Mannwerdung einfach sein würde. Nach dem Essen legte er sich schlafen.
Am nächsten Morgen wachte der angehende Daresch´To mit dem Gefühl auf, er würde verglühen. Fluchend sprang er auf und wälzte sich im Sand. Obwohl es noch früh am Morgen war stand die Sonne schon hoch am Himmel. Sein Kettenhemd hatte sich bis zur Unerträglichkeit aufgehitzt. Ondek bereute in diesem Moment zum ersten Mal seinen Entschluss kein Metam Arep zu werden. Wie schön könnte es sein, einfach nur die Hitze einer Schmiede ertragen zu müssen. Aber er wollte ja unbedingt einen Beruf ergreifen, in dem er bei jeder Witterung sein Kettenhemd tragen musste. Es war ihm unbegreiflich, wie eine solche Tradition unter den Daresch´To entstehen konnte. Nachdem sich sein Kettenhemd im Sand einigermaßen abgekühlt hatte, suchte er seine Sachen zusammen und wanderte weiter nach Südwesten, auf seiner Suche nach einem Oger.
Drei heiße, einsame Tage später war in Ondeks Gedanken nichts heldenhaftes mehr zu finden. Er wollte nur noch einen blöden Oger finden, ihn kurz köpfen und endlich wieder nach Hause. Er hasste die Wüste mittlerweile mehr als irgend etwas anderes auf Deren. Sein wollenes Unterkleid klebte an seiner Haut, zumindest an den Stellen, wo noch kein Sand war. Die Streitaxt hinterließ schon Schwielen auf seiner Schulter und das Kettenhemd schien ihn immer weiter Richtung Boden zu ziehen. Das schlimmste war allerdings, das rings um ihn herum nichts weiter als immer nur neue Dünen zu sehen waren.
Dann sah er auf einmal etwas anderes. Da war irgend etwas im Sand. Ondek ging näher heran und erkannte eine Spur im lockeren Sand, die eine Düne hinaufführte. Es war zwar nicht zu erkennen, welches Lebewesen zu dieser Spur gehörte, aber es war doch sicherlich ein Oger. Neues Leben keimte in dem Zwergen auf. Der Tatendrang beflügelte ihn und gab ihm neue Hoffnung. Er zurrte die Riemen seines Rucksacks fest, setzte den Helm auf und nahm die schwere Axt vor die Brust um sich besser bewegen zu können.
So schnell wie es seine kurzen Beine zuließen rannte er die Düne hoch.
Oben angekommen stand der Verursacher der Spur keine drei Meter von ihm entfernt. Aber es war kein Oger. Es war ein Ork, der den Zwerg überrascht anschaute. Auch Ondek war für Bruchteile von Sekunden wie gelähmt. Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf. Das war kein Oger, so war das nicht gedacht. Aber er musste handeln. Ein Ork war ein nicht zu unterschätzender Gegner. Mit lautem Gebrüll sprang Ondek vor, die Streitaxt zum Hieb über den Kopf gerissen. Der Ork fasste mit der rechten an das Griffstück, des Säbels, der an seiner Seite hing, da war es aber auch schon zu spät. Die Schneide der riesigen Axt fuhr in die ungeschützte Brust des Orks und das Blut spritzte in riesigen Fontänen durch die Luft. Zusammen mit dem Ork fiel Ondek in den Sand. Sofort sprang Ondek wieder auf, riss den Rabenschnabel aus dem Wehrgehänge und wandte sich dem Ork zu. Doch dieser war bereits tot und lag in einer riesigen Lache voller Blut. Ondek viel auf die Knie und riss beide Arme in die Luft.
>>Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa.<<, schrie er, mit einem tiefen Basston, der Sonne entgegen. Er hatte einen Ork abgeschlachtet, ohne auch nur einen Kratzer abzubekommen. Er fühlte sich wie der größte Held der jemals das Licht der Welt erblickt hat.
Plötzlich erschien dreißig Schritt entfernt von ihm ein weiterer Ork auf der Düne. Er war mit einem Speer und einem Schild bewaffnet und lief auf Ondek zu. Schnell sprang der Zwergenkrieger wieder auf und riss die Axt aus der Brust des Orks. Die Streitaxt zum erneuten Schlag ausgeholt, wartete er ab. >>Komm nur, Bestie. Du kannst Deinem Bruder Gesellschaft leisten.<<
Hinter dem Feind tauchten auf einmal vier weitere bewaffnete Orks auf. Ondeks Augen weiteten sich, als er sich der Übermacht bewusst wurde. Da er sich noch ein wenig zu jung für den Tod fühlte, entschloss er sich zum Rückzug. Er machte auf der Stelle kehrt und rannte so schnell er konnte die Düne hinunter. Das Dumme war nur, das die Orks schneller rennen konnten als der Zwerg. Langsam aber sicher holten sie auf. Der Zwergenkrieger wählte möglichst verworrene Wege durch die Dünen, um eine möglichst schwere Jagdtrophäe darzustellen. Tatsächlich gelang es ihm den Abstand zu seinen Verfolgern zu vergrößern, aber abschütteln ließen sie sich nicht und er konnte nicht ewig weiter rennen. Irgendwann hielt er völlig außer Atem und kraftlos an. Wenn dies sein Ende sein sollte, gut. Aber er würde versuchen noch möglichst viele von ihnen mit in den Tod zu reißen. Erschöpft stützte er sich auf der Axt ab.
>>Es scheint mir, als könntest Du ein wenig Unterstützung gebrauchen.<<
Erschrocken wandte sich Ondek in die Richtung um, aus der die Stimme kam. Eine junge Menschenfrau kroch aus einem Gebüsch und sah ihn an.
Sie trug eine lange schwarze Kutte und hatte dunkles langes Haar. Ihre Lippen waren aufgeplatzt und ihr ganzes Gesicht machte de Eindruck, als würde sie dringend Flüssigkeit benötigen.
>>Wie.... wie könntest Du mir helfen? Versuch lieber zu fliehen. Wenn sie Dich erwischen, wirst Du mein Schicksal teilen.<<
>>Vertraue mir. Auf Deren gibt es mehr Dinge, als ein Zwerg sich vorstellen kann. Wenn Du mir hilfst, helfe ich Dir.<<
Verwundert sah Ondek die Frau an.
>>Was ist nun? Soll ich Dir helfen oder nicht. Entscheide Dich schnell. Deine Verfolger werden nicht ewig auf sich warten lassen.<<
Nach kurzem Überlegen sah Ondek die Aussichtslosigkeit seiner Situation ein.
>>Gut, wie kann ich Dir helfen?<<
>>Es geht doch kleiner Freund. Siehst Du die Stahlmanschette um meinen Hals? Befreie mich von ihr und ich befreie Dich von Deinen Jägern.<<
Ungläubig sah Ondek die Frau an. Aber eigentlich war es ihm egal, Hauptsache er würde noch einmal mit dem Leben davon kommen.
>>Leg dich seitlich auf den Boden.<<
Die Frau tat wie ihr geheißen. Wieder bereute Ondek kein Schmied geworden zu sein. Er hatte keinerlei Werkzeug bei sich. Also musste es halt auf die harte Tour funktionieren. Er hob die Axt über seinen Kopf.
>>Sag mal, wie viel halten eigentlich die Knochen im Hals eines Menschen aus?<<
Angstvoll blickte die Frau zu dem Zwerg auf. >>Wieso, was hast Du vor?<<, sagte sie fast kreischend.
>>Nur für den Fall, das ich daneben schlage.<<
>>Du...<< Weiter kam die Frau nicht. Ondeks Axt sauste schon ihrem Hals entgegen. Sie krachte auf die Halskrause und die junge Frau schrie entsetzt auf. Aber die Halskrause viel von ihrem Hals. Und es war keinen Moment zu früh. Schon tauchten die fünf Orks auf. Ondek fuhr herum und riss die Axt in die Luft und sah wie die Frau irgend etwas mit dem Finger in die Luft zeichnete. Da er nicht wusste, wie die Frau ihm helfen sollte machte er sich zum Kampf bereit. Doch auf einmal war alles ganz anders. Die Orks stoppten ihren Sturmlauf und ließen die Waffen fallen. Was dann geschah war noch viel unglaublicher. Ondek sah den Orks ungläubig zu, wie diese begannen zu tanzen. Seine Verfolger, die eben gerade noch nach seinem Blut dürsteten tanzten jetzt auf der Stelle und sahen auch recht verdutzt aus. Ondek wandte sich der Frau zu. >>Was geht hier vor? Was hast Du getan?<<
>>Ich habe mein Versprechen eingelöst, so wie es abgemacht war. Aber wahrscheinlich hattest Du etwas spektakuläreres im Sinn.<<
>>Wieso tanzen die Orks plötzlich herum? Willst Du damit sagen, es ist Dein Werk, das sie ihre Waffen wegwarfen?<<
>>Nichts von Bedeutung. Nur eine kleine magische Spielerei. Merke Dir meinen Namen Zwerg. Ich bin Chrystia, die Schwarze.<< Chrystia lächelte ihn siegessicher an. Sofort begriff Ondek die Worte der Frau und wich zurück. Die Axt zur Abwehr erhoben. >>Hexe. Wage es nicht mich zu verwandeln. Sonst bekommst Du meinen Stahl zu schmecken.<<
>>Ganz ruhig kleiner Hitzkopf. Ich verspüre überhaupt kein verlangen, Dich in eine Kröte zu verwandeln. Übrigens bevorzuge ich den Begriff Magierin.<< Amüsiert schaute Chrystia den Zwerg an. Ondek blickte sich vorsichtig zu den Orks um. >>Wie lange werden sie noch umhertanzen? Wie lange hält Deine widernatürliche Hexerei sie noch in ihrem Bann? Ich wäre gern darauf vorbereitet, wenn die Bestien wieder zu sich kommen.<<
>>Mach Dir keine Sorgen. Sie werden weitertanzen, bis sie vor Erschöpfung tot umfallen. Aber ich möchte Dir eine weitere kleine Spielerei zeigen. Sie wird Dir bestimmt gefallen.<< Chrystia fing erneut an, Symbole in die Luft zu zeichnen. Der Zwerg bereitete sich sofort auf einen Angriff vor. >>Du kannst Dich entspannen kleiner Freund, ich werde Dir nichts antun.<<
Ondek beobachtete die Magierin weiterhin genau und behielt seine Angriffsposition bei. Nachdem Chrystia ihre Zeichen beendet hatte, hielt sie dem Daresch´To ihre Handflächen entgegen. >>Nun lebe wohl Zwerg. Ich danke Dir für Deine Hilfe.<< Erstaunt sah Ondek wie schwarzer Rauch aus ihren Händen sprühte und ihn umhüllte. Mit einen Mal fühlte er sich unendlich Müde, als könne er sich kaum noch auf den Beinen halten.
 



 
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