Markus Veith
Mitglied
Der junge Mann ließ noch eine geraume Zeit verstreichen, in der er einfach nur regungslos an seinem Tisch saß. Dann endlich erhob er sich, packte Papier und Kohlestifte in eine Mappe, zahlte und ging ebenfalls.
Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen. Dafür war nun ein kräftiger Wind aufgekommen, den der Westen über das Meer blies.
Seine Schritte führten ihn hinunter zum Strand. So nah an das Meer, daß es ihm beinahe die Schuhe umspülte. Die Hände tief in den Taschen vergraben, stand er wieder eine sehr lange Zeit da und blickte stumm auf das Wasser.
Irgendwann flüsterte er leise einen Namen.
"Suzanne ..."
Ihr richtiger Name war nicht Suzanne. Das wußte er. -- O ja, das wußte er.
'Nenn' mich nie bei meinem Namen, Konrad, hörst du? Nie.'
"Suzanne ..."
Er begann zu laufen. Den Strand entlang.
'Ich hasse dieses Leben. Es ist so schrecklich ordinär.
Findest du nicht auch?'
Zuerst lief er nur langsam.
"Suzanne ..."
Dann immer schneller.
'Ich möchte ein anderes Leben als die anderen alle, Konrad.'
So schnell er nur konnte. 'Verstehst du mich?'
"Suzanne ..."
'... ein anderes eben ... ein außergewöhnlicheres ... ein geheimnisvolleres ...'
'Eines, von dem nur ich weiß ...'
'Ich bin sehr krank, Konrad'
"Suzanne ..."
'Ich liebe die Nacht, doch ich hasse alles, was schwarz ist ...'
'Wirst du mir einen Gefallen tun, Konrad? - Ja? - Wirst du das?'
Schneller. Seine Rufe übertönte der Wind.
"Suzanne ... !"
'Bitte, Konrad, gebe mich meinem Wald zurück. Gib mich ihm wieder.'
'Du mußt das für mich tun, Konrad. Du mußt das für ihn tun ...'
( '... Wissen Sie, ich bin fremd hier und suche jemanden ...')
'Er wird mich suchen, Konrad. Laß ihn nicht weinen, ja?'
"Suzanne ... !"
'Du mußt das für mich tun, Konrad. Du bist doch mein kleiner Bruder.'
'Und trage bitte nie schwarz wegen mir.'
'Ich bin der glücklichste Mensch unter der Sonne.'
'Konrad, ich habe das Leben, das ich wollte, bekommen.'
"Suzanne ... !"
'Ich liebe den Westwind.'
'Wie er mit der Brandung naß gegen die Steine prescht,
mir salzig durch das Haar krault.'
('Können Sie sich das vorstellen?')
('Kastanienbraune Haare und meerblaue Augen ...')
'Ich liebe die Nacht, Konrad, aber ich hasse alles, was schwarz ist.'
"Suzanne ... !"
'Bitte, Konrad, du bist doch mein kleiner Bruder.'
'Gebe mich meinem Wald zurück.'
'Du mußt das für mich tun, mein Konrad.'
Erschöpft sank er vor dem noch recht frischen Grab in die Knie und rang nach Atem. Der Wind hatte ihm eine salzige Schicht ins Gesicht geweht. Die kahlen Kreuze um ihn herum haben ihn nur in der gestrigen Nacht schaudern lassen, als er sein Versprechen einlöste und seine liebe Schwester weit entfernt von hier ein zweites Mal beisetzte. Dort, wo sie sich hinhaben wollte und wo es niemand sonst, nur ihr jüngerer Bruder, wissen sollte.
Konrad öffnete seine Mappe und holte eine Graphitzeichnung heraus.
"Ich habe etwas für dich gemalt, Schwesterchen. Genau wie früher. Es ist das Haus. Schau. Hier. Und dies ist eure Buche. Ich habe sie gesehen. Gestern. Du warst doch dabei. Sie ist wirklich sehr schön. Wenn du mal hier bist ... vielleicht ... da dachte ich ... dann hast du dein Haus auch hier ..."
Seine folgenden Worte waren so leise und leicht, daß der salzige Westwind sie mit sich fortnahm.
Stell dir mal vor:
Weit von hier entfernt, an der Küste, dort, wo das Meer über die Kieselstrände leckt, dort steht auf einem kleinen Provinzfriedhof ein Grabstein auf einem leeren Grab. Niemand in der Umgebung kann etwas mit der Grabinschrift anfangen, da niemand weiß, wer denn mit diesem Namen dort liegen sollte.
Suzanne
Und unter diesem einzelnen Namenszug fliegt eine weiße Taube ...
Und stell dir mal vor:
Etwas weiter von dort entfernt, in einem Wäldchen, dort lebt bald ein alter Mann in einem kleinen Haus an einem See. Er ist sehr glücklich. Und es vergeht kein Tag, an dem er nicht ein paar Blumen pflückt - im Sommer sind es Seerosen, von denen fast der ganze Teich bedeckt ist - und sie unter einen jungen Kastanienbaum legt, der nicht weit vom Haus entfernt unter all den hohen Buchen in die Höhe sprießt.
Für Eva,
Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen. Dafür war nun ein kräftiger Wind aufgekommen, den der Westen über das Meer blies.
Seine Schritte führten ihn hinunter zum Strand. So nah an das Meer, daß es ihm beinahe die Schuhe umspülte. Die Hände tief in den Taschen vergraben, stand er wieder eine sehr lange Zeit da und blickte stumm auf das Wasser.
Irgendwann flüsterte er leise einen Namen.
"Suzanne ..."
Ihr richtiger Name war nicht Suzanne. Das wußte er. -- O ja, das wußte er.
'Nenn' mich nie bei meinem Namen, Konrad, hörst du? Nie.'
"Suzanne ..."
Er begann zu laufen. Den Strand entlang.
'Ich hasse dieses Leben. Es ist so schrecklich ordinär.
Findest du nicht auch?'
Zuerst lief er nur langsam.
"Suzanne ..."
Dann immer schneller.
'Ich möchte ein anderes Leben als die anderen alle, Konrad.'
So schnell er nur konnte. 'Verstehst du mich?'
"Suzanne ..."
'... ein anderes eben ... ein außergewöhnlicheres ... ein geheimnisvolleres ...'
'Eines, von dem nur ich weiß ...'
'Ich bin sehr krank, Konrad'
"Suzanne ..."
'Ich liebe die Nacht, doch ich hasse alles, was schwarz ist ...'
'Wirst du mir einen Gefallen tun, Konrad? - Ja? - Wirst du das?'
Schneller. Seine Rufe übertönte der Wind.
"Suzanne ... !"
'Bitte, Konrad, gebe mich meinem Wald zurück. Gib mich ihm wieder.'
'Du mußt das für mich tun, Konrad. Du mußt das für ihn tun ...'
( '... Wissen Sie, ich bin fremd hier und suche jemanden ...')
'Er wird mich suchen, Konrad. Laß ihn nicht weinen, ja?'
"Suzanne ... !"
'Du mußt das für mich tun, Konrad. Du bist doch mein kleiner Bruder.'
'Und trage bitte nie schwarz wegen mir.'
'Ich bin der glücklichste Mensch unter der Sonne.'
'Konrad, ich habe das Leben, das ich wollte, bekommen.'
"Suzanne ... !"
'Ich liebe den Westwind.'
'Wie er mit der Brandung naß gegen die Steine prescht,
mir salzig durch das Haar krault.'
('Können Sie sich das vorstellen?')
('Kastanienbraune Haare und meerblaue Augen ...')
'Ich liebe die Nacht, Konrad, aber ich hasse alles, was schwarz ist.'
"Suzanne ... !"
'Bitte, Konrad, du bist doch mein kleiner Bruder.'
'Gebe mich meinem Wald zurück.'
'Du mußt das für mich tun, mein Konrad.'
Erschöpft sank er vor dem noch recht frischen Grab in die Knie und rang nach Atem. Der Wind hatte ihm eine salzige Schicht ins Gesicht geweht. Die kahlen Kreuze um ihn herum haben ihn nur in der gestrigen Nacht schaudern lassen, als er sein Versprechen einlöste und seine liebe Schwester weit entfernt von hier ein zweites Mal beisetzte. Dort, wo sie sich hinhaben wollte und wo es niemand sonst, nur ihr jüngerer Bruder, wissen sollte.
Konrad öffnete seine Mappe und holte eine Graphitzeichnung heraus.
"Ich habe etwas für dich gemalt, Schwesterchen. Genau wie früher. Es ist das Haus. Schau. Hier. Und dies ist eure Buche. Ich habe sie gesehen. Gestern. Du warst doch dabei. Sie ist wirklich sehr schön. Wenn du mal hier bist ... vielleicht ... da dachte ich ... dann hast du dein Haus auch hier ..."
Seine folgenden Worte waren so leise und leicht, daß der salzige Westwind sie mit sich fortnahm.
Stell dir mal vor:
Weit von hier entfernt, an der Küste, dort, wo das Meer über die Kieselstrände leckt, dort steht auf einem kleinen Provinzfriedhof ein Grabstein auf einem leeren Grab. Niemand in der Umgebung kann etwas mit der Grabinschrift anfangen, da niemand weiß, wer denn mit diesem Namen dort liegen sollte.
Suzanne
Und unter diesem einzelnen Namenszug fliegt eine weiße Taube ...
Und stell dir mal vor:
Etwas weiter von dort entfernt, in einem Wäldchen, dort lebt bald ein alter Mann in einem kleinen Haus an einem See. Er ist sehr glücklich. Und es vergeht kein Tag, an dem er nicht ein paar Blumen pflückt - im Sommer sind es Seerosen, von denen fast der ganze Teich bedeckt ist - und sie unter einen jungen Kastanienbaum legt, der nicht weit vom Haus entfernt unter all den hohen Buchen in die Höhe sprießt.
Für Eva,