kathmandu

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nisavi

Mitglied
hoch über den dächern der stadt
gehst du leise zurück

in deine träume
klammern kleine frauen nachtschwarze raben
(und seidengelbe saris, leuchtende tücher)

im mauerwerk schlägt ein herz aus gletschereis

hoch über den dächern der stadt
gehst du leise zurück

in deine träume
treibt ein alter mann laute wut
(er winkt mit laken und bleicht verschlissene tauben)

in wasserleitungen schmilzt rostig der schnee

hoch über den dächern der stadt
gehst du leise zurück

in deine träume
spuckt ein müder babymund die guten geister des tals
(die mutter gießt weihnachtssterne in den restkaffee)

im schwarz deiner augen liegen berge
die sich nur zeigen, wenn du ihren anblick erträgst
 
Vier syntaktische Stilmittel halten dieses gelungene Gedicht zusammen:
1. Die Wiederholung der ersten Strophe und der ersten Zeile der zweiten.
2. Die sehr elegante* Apokoinu-Konstruktion. Selten gelesen. (Eigentlich überhaupt nicht in moderner Literatur.)

gehst du leise zurück

in deine träume
3. Die eingeklammerten Zeilen.
4. Die einzeln stehenden Zeilen, parallel konstruiert und als Trenner zwischen den Strophen fungierend.

Da du keine Interpunktion verwendest, hast du hier aus der "Not" eine Tugend gemacht.

Ich habe vorher dein Arabic Lullaby gelesen, bei dem du zwei der o.g. Stillmittel schon benutzt hast (Wiederholung und Klammer-Zeilen). Das gefällt mir inhaltlich auch gut aber dieses Gedicht ist formal viel ausgereifter.

lg

Serge

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*Apokoinu mit Strophen-Enjabment ,-)
 

Zittergras

Mitglied
hallo nisavi,

du schaffst eine stimmung, die unter die haut geht...jeder der verse ist es wert, länger darüber nachzudenken, es wirken zu lassen..und alles zusammen enführt mich dorthin, wo man leise zurück geht...

lg
zittergras
 



 
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