Jens Rohrer
Mitglied
Letztes Jahr haben wir uns einen Traum erfüllt. Meine Frau und ich verbringen schon seit Jahren unsere Ferien in dem kleinen Fischerdorf Agia Galini im Süden Kretas. Eines der Häuser stand seit längerem leer, und da haben wir gespart und es schließlich gekauft. So ein kleines, weißes. Mit blauer Tür und blauen Fensterläden. Ganz klassisch.
Ich bin ja Grieche. Also nicht richtig. Geboren bin ich in Deutschland. Meine Eltern hatten dreißig Jahre lang ein Restaurant. Kreta. Da kamen sie auch her. Als ich ein Kind war, sind wir da immer hin gefahren. Und jetzt fahre ich immer hin. Ist wohl noch der Zauber der Kindheit. Zusätzlich zum Zauber des Ortes. Ein bisschen Wehmut. Die Eltern gibt´s ja nicht mehr.In dem Ort gibt es noch keine Hotelplatten, wie andernorts auf der Insel. Ein paar Restaurants, gut. Mit übersetzten Speisekarten. Aber das kann man verschmerzen.
Da sind wir dann also. Steigen am Abend die Treppen hinunter. Zum Hafen. Das Dorf ist an einen Hügel hinauf gebaut. Steile Straßen. Zwischen den Häusern schmale Treppen. Anstrengend ist das schon. Sieht aber schön aus. Die kargen, braunen Hügel, und dazwischen so ein weißer. Blaue Türen. Blaue Fensterläden. Blaue Nächte.
Da unten steht so eine kleine Taverne. Mit kleinen runden Tischen bis hin zur Hafenmole. Direkt am Wasser kann man da sitzen und auf die kleine Bucht rauskucken. Am Ende von der Bucht schließt eine Mauer den Hafen ab. Geschützt schaukeln da die vielen kleinen Fischerboote verträumt herum. Müssen ja morgen früh raus. Genauso wie die Fischer, die an den anderen Tischen sitzen. Segeltuchhosen, Sandalen, offene Hemden, braune Haut. Bärte. Vor allem Bärte. Ich muss da immer an Alexis Sorbas denken. Die sehen irgendwie alle so aus. Wie der Alexis. Sie trinken Ouzo und Wein. Wir auch. Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde. Das hat der Udo Jürgens geschafft. Was bleibendes. Immer wenn griechisch und Wein kommt, muss man an sein Lied denken. Komm schenk mir ein.
Und da streicht dann immer so ein Kätzchen um uns herum. So eine schwarz-braun geschecktes. Ist noch jung. Und ziemlich unterernährt. Man kann die Rippen unter dem Fell sehen. Sie hofft wohl auf Futter. Vielleicht, weil wir nicht wie Alexis Sorbas aussehen. Die scheuchen sie nur weg. Die Sorbasse. Und meine Frau sagt natürlich. Komm. Lass uns die mitnehmen, die arme. Frauen und Katzen. Da kommt man nicht gegen an. Also die Katze untern Arm und mit zum Haus. Das arme Tier hochpäppeln. Gell, die behalten wir. Sagt sie. Wir geben ihr einen Namen. Katzanzakis sage ich. Wie der Autor von Alexis Sorbas. Findet sie blöd. Will sie Kleopatra nennen. Das wiederum finde ich blöd. Ist ja keine ägyptische Katze. Kann mich durchsetzen. Obwohl sie weiblich ist, die Katze.
Am nächsten Tag fahren wir nach Heraklion. Die große Stadt mit dem Flughafen. Katzenspreu besorgen. Gibt aber keines. Wir finden Sägemehl. Das geht auch. Wir kaufen noch eine flache Plastikwanne. Fertig.
Als wir am Abend zurückkommen, hat sich eine Menschentraube vor unserem Fenster gebildet. Was machen die da? Kucken alle auf unser Fenster. Sitzt aber nur die Katze drin. Ich frage die Nachbarin. Die steht auch dabei. Klein, schwarzes Kleid, Kopftuch. Ganz klassisch.
Eine Katze im Haus. Sachen gibt´s. Sagt die. Und schüttelt ungläubig den Kopf. Ja ja, auf der Straße. Fangen die Mäuse und die Ratten. Aber was soll so ein Tier im Haus? Ich erkläre ihr, das Katzen in Deutschland als Haustiere gehalten werden. So wie Hunde und Hamster. Ich sehe ihr an, dass das Konzept Katze und Haustier in Griechenland nicht nur unbekannt, sondern gänzlich unvorstellbar ist. Ein Affe im Fenster wäre nicht weniger ungewöhnlich.
Als wir abreisen, frage ich die Nachbarin, ob sie die Katze füttern kann. Die ist besorgt. Aber die macht doch überall hin. Sagt sie. Runzelt die Augenbrauen. Nein, nein, wir haben doch ein Katzenklo. Was? Die geht aufs Klo? Sie sieht aus, als hätten wir ihr gerade erzählt, das Tier könnte sprechen. Wir zeigen ihr die Wanne mit dem Sägemehl. Hat Katzanzakis schnell kapiert. Das mit dem Katzenklo. Ob sie die Katze mal streicheln will. Fragt meine Frau. Die Nachbarin geht in die Hocke, streckt die Hand aus, zieht sie kurz vor dem Ziel wieder zurück. Steht wieder auf. Lieber nicht.
Als wir wieder zu Hause sind kommt ein Anruf. Die Nachbarin klingt bestürzt. Sie müsse die Katze zum Tierarzt bringen, sagt sie. Die ist erkältet. Was? Erkältet? Im Sommer? In Griechenland? Wo sie nur im Haus ist. Ja, antwortet sie. Sie hat sie nach dem Füttern ein bisschen gekrault. Und da hat sie so geröchelt. So rrrrrrrrrrrrrrrr. Hat sie gemacht. Ich lache. Nein, nein, die schnurrt. Das machen die, wenn sie sich wohlfühlen. Und ich denke. Vielleicht gilt das ja mal als Kulturleistung. Die Domestizierung der Katze in Griechenland. Durch Kostas Mitroglou. Und dann bin ich ein bisschen stolz.
http://www.jens-rohrer.org
Ich bin ja Grieche. Also nicht richtig. Geboren bin ich in Deutschland. Meine Eltern hatten dreißig Jahre lang ein Restaurant. Kreta. Da kamen sie auch her. Als ich ein Kind war, sind wir da immer hin gefahren. Und jetzt fahre ich immer hin. Ist wohl noch der Zauber der Kindheit. Zusätzlich zum Zauber des Ortes. Ein bisschen Wehmut. Die Eltern gibt´s ja nicht mehr.In dem Ort gibt es noch keine Hotelplatten, wie andernorts auf der Insel. Ein paar Restaurants, gut. Mit übersetzten Speisekarten. Aber das kann man verschmerzen.
Da sind wir dann also. Steigen am Abend die Treppen hinunter. Zum Hafen. Das Dorf ist an einen Hügel hinauf gebaut. Steile Straßen. Zwischen den Häusern schmale Treppen. Anstrengend ist das schon. Sieht aber schön aus. Die kargen, braunen Hügel, und dazwischen so ein weißer. Blaue Türen. Blaue Fensterläden. Blaue Nächte.
Da unten steht so eine kleine Taverne. Mit kleinen runden Tischen bis hin zur Hafenmole. Direkt am Wasser kann man da sitzen und auf die kleine Bucht rauskucken. Am Ende von der Bucht schließt eine Mauer den Hafen ab. Geschützt schaukeln da die vielen kleinen Fischerboote verträumt herum. Müssen ja morgen früh raus. Genauso wie die Fischer, die an den anderen Tischen sitzen. Segeltuchhosen, Sandalen, offene Hemden, braune Haut. Bärte. Vor allem Bärte. Ich muss da immer an Alexis Sorbas denken. Die sehen irgendwie alle so aus. Wie der Alexis. Sie trinken Ouzo und Wein. Wir auch. Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde. Das hat der Udo Jürgens geschafft. Was bleibendes. Immer wenn griechisch und Wein kommt, muss man an sein Lied denken. Komm schenk mir ein.
Und da streicht dann immer so ein Kätzchen um uns herum. So eine schwarz-braun geschecktes. Ist noch jung. Und ziemlich unterernährt. Man kann die Rippen unter dem Fell sehen. Sie hofft wohl auf Futter. Vielleicht, weil wir nicht wie Alexis Sorbas aussehen. Die scheuchen sie nur weg. Die Sorbasse. Und meine Frau sagt natürlich. Komm. Lass uns die mitnehmen, die arme. Frauen und Katzen. Da kommt man nicht gegen an. Also die Katze untern Arm und mit zum Haus. Das arme Tier hochpäppeln. Gell, die behalten wir. Sagt sie. Wir geben ihr einen Namen. Katzanzakis sage ich. Wie der Autor von Alexis Sorbas. Findet sie blöd. Will sie Kleopatra nennen. Das wiederum finde ich blöd. Ist ja keine ägyptische Katze. Kann mich durchsetzen. Obwohl sie weiblich ist, die Katze.
Am nächsten Tag fahren wir nach Heraklion. Die große Stadt mit dem Flughafen. Katzenspreu besorgen. Gibt aber keines. Wir finden Sägemehl. Das geht auch. Wir kaufen noch eine flache Plastikwanne. Fertig.
Als wir am Abend zurückkommen, hat sich eine Menschentraube vor unserem Fenster gebildet. Was machen die da? Kucken alle auf unser Fenster. Sitzt aber nur die Katze drin. Ich frage die Nachbarin. Die steht auch dabei. Klein, schwarzes Kleid, Kopftuch. Ganz klassisch.
Eine Katze im Haus. Sachen gibt´s. Sagt die. Und schüttelt ungläubig den Kopf. Ja ja, auf der Straße. Fangen die Mäuse und die Ratten. Aber was soll so ein Tier im Haus? Ich erkläre ihr, das Katzen in Deutschland als Haustiere gehalten werden. So wie Hunde und Hamster. Ich sehe ihr an, dass das Konzept Katze und Haustier in Griechenland nicht nur unbekannt, sondern gänzlich unvorstellbar ist. Ein Affe im Fenster wäre nicht weniger ungewöhnlich.
Als wir abreisen, frage ich die Nachbarin, ob sie die Katze füttern kann. Die ist besorgt. Aber die macht doch überall hin. Sagt sie. Runzelt die Augenbrauen. Nein, nein, wir haben doch ein Katzenklo. Was? Die geht aufs Klo? Sie sieht aus, als hätten wir ihr gerade erzählt, das Tier könnte sprechen. Wir zeigen ihr die Wanne mit dem Sägemehl. Hat Katzanzakis schnell kapiert. Das mit dem Katzenklo. Ob sie die Katze mal streicheln will. Fragt meine Frau. Die Nachbarin geht in die Hocke, streckt die Hand aus, zieht sie kurz vor dem Ziel wieder zurück. Steht wieder auf. Lieber nicht.
Als wir wieder zu Hause sind kommt ein Anruf. Die Nachbarin klingt bestürzt. Sie müsse die Katze zum Tierarzt bringen, sagt sie. Die ist erkältet. Was? Erkältet? Im Sommer? In Griechenland? Wo sie nur im Haus ist. Ja, antwortet sie. Sie hat sie nach dem Füttern ein bisschen gekrault. Und da hat sie so geröchelt. So rrrrrrrrrrrrrrrr. Hat sie gemacht. Ich lache. Nein, nein, die schnurrt. Das machen die, wenn sie sich wohlfühlen. Und ich denke. Vielleicht gilt das ja mal als Kulturleistung. Die Domestizierung der Katze in Griechenland. Durch Kostas Mitroglou. Und dann bin ich ein bisschen stolz.
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