Kein Heim wars ihm, ein Tod im Rauhreif nur

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Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Er starb am Wegrand im Winter.
Hatte zuvor
im Wald sein Lager aufgeschlagen.
Bei Nagern, Fischen gewohnt.
Im kupfernen Steinkreis
mit den Hirschen gespeist.
Hinter ihm glühten die Horizonte -
der Herbst. -
So kamen härtere Tage -;
Nächte; über den Wald hin
lag ihr silbernes Haar - abweisend, stumm.
- überfroren ist er;
eine Zeile,
Die sich der Winter erfand.
Ich trug ihn, den Steifen, zum Boot.
flusswärts stieß ich's.
Bis ihn die Ferne verschlang,
hinwirft vielleicht
an andere Statt; - liedlos - stumm.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Patrick,

" eine Zeile, die sich der Winter erfand", was für eine gelungene Metapher.

Wie vielen Flüchtlingen droht dieses Schicksal.

Danke, dass Du dieses Thema uns allen ans Herz gelegt hast mit Worten, die einen ganzen Film in mir ablaufen lassen.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
T

Trainee

Gast
Lieber Patrick,
ein makellos schönes Gedicht mit ungewöhnlichen Umbrüchen.
Zunächst missfielen die mir, und ich begann in gewohnter Weise umzudröseln (ach, so ist nun mal meine Natur), um dann zu bemerken, dass alles genau richtig ist, wie es da steht.
Gerade die sprachliche "Härte" der Kurzverse erzwingt immer wieder ein Innehalten des Lesers, ein Zurückgehen, was ganz wunderbar zu einem Dasein passt, das zwar nicht ziellos ist, sich aber doch im Kreise dreht, oder besser, nicht vom Fleck kommt.
Ich denke dabei nicht in erster Linie an das Schicksal von Flüchtlingen (obwohl diese Assoziation durchaus berechtigt ist), sondern an eine Heimat- und Obdachlosigkeit anderer Art:

Kein Ort. Nirgends.
(Christa Wolf)
Beeindruckte Grüße
Trainee
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Trainee
Ja, das Flüchtlingsthema ließe sich hier recht passend herauslesen, ebenso wie deine Ideen. Ein Gedicht vermag, wenn es erst einmal veröffentlicht ist, ganz eigene Wege zu gehen.
Ich hatte beim Schreiben vor allem das Bild, eher ohne Interpretation vor Augen.

L.G und vielen Dank :)
Patrick
 

Tula

Mitglied
Hallo Patrick

Gefällt mir ebenfalls, obwohl ich hier in der Tat nicht gerade den Flüchtling sehe, eher den, der nicht teilhaben wollte am Leben mit den anderen, weitergreifend eine Metapher für Lyri's Gedanken- und Gefühlswelt (?)
Das Schöne daran sind einige sprachlichen Wendungen, neben der bereits genannten Stelle, hat es mir noch das Speisen im Steinkreis angetan.

LG
Tula
 



 
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