Kein Vergessen (gelöscht)

jon

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Teammitglied
Mag ich! Genau so ist es.

**** Sie sitzt zusammengesunken am Kopf des Tisches und hat zu kauen aufgehört. Stattdessen starrt sie auf das halbe Brathähnchen mit der großen Portion Pommes auf ihrem Teller.
+++ Das "stattdessen" stört. Schwer zu erklären, warum, aber es stört. Einfach streichen und den Satz mit "Sie starrt …" anfangen

Marcus bemerkt nichts und nagt weiter an seinem Hähnchenbein, seine Finger triefen vor Fett und draußen vor dem Fenster rauscht der Verkehr der Bundesstraße.

**** Er hält in der Bewegung inne und schaut sie an:
„Omama…“, sagt er vorsichtig.
+++ Kein Absatz / Leerzeichen vor den drei Punkten

***** Oma Salmbach schüttelt sich, so als würde ihr ein Schauer über den Rücken laufen: „Nu, nichts!“, antwortet sie.
+++ Das "!" ist nicht ganz stimmig

**** „Alt ist sie geworden“, denkt er, als sie in der viel zu großen, blauen Sportjacke vor ihm nach draußen geht.
+++ Ich weiß, dass Sportjacken nichts mit Sport zu tun haben, aber die Kombination mit der "uralten Oma" klingt trotzdem seltsam

*** … noch immer riecht es dumpf nach Abfall wegen der Kläranlage und noch immer säuselt der Main neben Ihnen.

„Weißt du eigentlich was Raku ist?“, fragt Marcus.
+++ Keine Leerzeile

***** Man bricht sie in Zwei und schlürft den Unterleib aus.“
+++ Man bricht sie entzwei und schlürft den Hinterleib aus.

**** Marcus holt sie mit großen Schritten ein und packt sie an der Schulter.
„Omama!“, ruft er so laut, dass sie leicht zusammenzuckt, aber dennoch unverdrossen weiter marschiert.
++++ Wenn er sie an den Schultern packt, kann sie nicht weitermarschieren – es sei denn er marschiert (bemüht, ihr nicht die Hacken zu treten) hinterher.

*****„Jetzt hör mir mal zu! Nach der ukrainischen Grenze, ja, in Russland, haben wir uns verfahren. Ein Familienvater hat uns weitergeholfen und uns zu sich eingeladen, ja. Als wir dann in Wolgograd waren, haben wir ihn angerufen. Du glaubst nicht was diese Familie alles für uns getan hat. Dabei müssten die doch nachtragend sein, ja. Das war in Wolgograd, verstehst du, damals Stalingrad? Und die haben sich extra für uns frei genommen, haben für uns gekocht, sind mit uns ins Banja gegangen, sogar ins Kriegsmuseum sind wir. Verstehst du Omama?“
+++ Die "ja"s hören sich für mich nicht richtig an. Ich kriege einfach keinen Tonfall hin, der sie erklärt.
+++ Komma nach "glaubst nicht" und nach "Verstehst du"

**** „Die Fersen haben sie uns abgeschnitten und uns über die Karlsbrücke gejagt, deine Russen.“, spuckt Oma Salmbach aus.
++++ kein Punkt nach "Russen"

**** „Aber Omama“, ruft Marcus neben ihr und beugt sich beim gehen vor, um ihr Gesicht zu sehen.
++++ beim Gehen

**** Marcus deckt mit klopfendem Herzen den Tisch, er schwitzt so sehr, dass ihm die blonden Haare an der breiten Stirn kleben.
+++ Warum schwitzt er?

***** „Omama!“, sagt Marcus und umfasst mit beiden Händen ihre knochige Hand, „was kann ich tun, damit du aufhörst die Russen zu hassen?“.
+++ Entweder nach "Omama" kein Ausrufezeichen (was ich wegen des Tonfalls empfehlen würde) oder den zweiten Teil der Rede als neuen Satz. Kein Punkt nach der zweiten Rede.
 

Retep

Mitglied
Morgen Lio,

ich finde, dass du gut beschrieben, viel gezeigt, alle Sinne angesprochen hast. Die Dialoge sind immer wieder durch Handlung unterbrochen.
Die Sprache ist einfach, entspricht dem Text.Der Titel passt.
Konnte mich in die Geschichte einfühlen. Die Oma erinnert mich ein wenig an meine Großmutter, die hatte es immer mit den "0llen Polen"! (Ich komme aus Pommern)
Zum Text hat Jon schon viel gesagt.

Gerne gelesen.

Gruß

Retep
 

Lio

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Lio

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Liebe Jon,

ich habe ´mal mit diesem Text angefangen. Insgesamt sind deine Ratschläge durchweg klug und hilfreich. Nur an einigen wenigen Stellen war ich anderer Meinung als du (siehe unten).

Noch einmal vielen Dank und viele Grüße!

Lio



**** Sie sitzt zusammengesunken am Kopf des Tisches und hat zu kauen aufgehört. Stattdessen starrt sie auf das halbe Brathähnchen mit der großen Portion Pommes auf ihrem Teller.
+++ Das "stattdessen" stört. Schwer zu erklären, warum, aber es stört. Einfach streichen und den Satz mit "Sie starrt …" anfangenSo sehr ich es auch drehe und wende, mich stört der Satz ohne das "stattdessen".


**** „Alt ist sie geworden“, denkt er, als sie in der viel zu großen, blauen Sportjacke vor ihm nach draußen geht.
+++ Ich weiß, dass Sportjacken nichts mit Sport zu tun haben, aber die Kombination mit der "uralten Oma" klingt trotzdem seltsamWenn ich mit dem Bus in die Stadt fahre, sind mir schon ein paar mal solche Omas in zu großen Sportjacken aufgefallen. Ich fand ihr Anblick schräg-amüsant.

„Jetzt hör mir mal zu! Nach der ukrainischen Grenze, ja, in Russland, haben wir uns verfahren. Ein Familienvater hat uns weitergeholfen und uns zu sich eingeladen, ja. Als wir dann in Wolgograd waren, haben wir ihn angerufen. Du glaubst nicht was diese Familie alles für uns getan hat. Dabei müssten die doch nachtragend sein, ja. Das war in Wolgograd, verstehst du, damals Stalingrad? Und die haben sich extra für uns frei genommen, haben für uns gekocht, sind mit uns ins Banja gegangen, sogar ins Kriegsmuseum sind wir. Verstehst du Omama?“
+++ Die "ja"s hören sich für mich nicht richtig an. Ich kriege einfach keinen Tonfall hin, der sie erklärt.
+++ Komma nach "glaubst nicht" und nach "Verstehst du"Ich wollte den Prot. charakteristisch sprechen lassen, aber du hast recht, die "ja´s" passen einfach nicht.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Oha! Kein Wunder, dass er schwitzt!

Wenn das mit der Sportjacke beabsichtigt war (dieses "seltsam"-Gefühl), dann ist es gelungen.
Das "verstehst du" in der Rede bekomme ich deutlich besser "vorgelesen".
Mit oder ohne "stattdessen" ist Geschmacksfrage – ohne kommt es "konzentrierter", weil der Inhalt an sich ja schon sagt "sie tut das nicht, sondern (stattdessen) das".

Ich hab noch ein Fehlerchen gefunden:

„Omama!“, ruft er so laut, dass sie leicht zusammenzuckt, aber dennoch unverdrossen weiter marschiert.
… heißt: "Er ruft so laut, dass sie … dennoch weitermarschiert."
PS: "weiter marschiert" ist was anderes als "weitermarschiert" – ich glaub, hier das zweite richtiger. (Der Offizier sagt "Ohne Tritt!", was Egon aber nicht hindert, weiter zu marschieren. – Der Offizier sagt "halt", was Egon aber nicht hindert, weiterzumarschieren.)
 

Lio

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Hallo Lio,

der Titel machte mich neugierig. Ich dachte es handelt sich vielleicht um Demenz - obwohl es dann ja eher Vergessen heißen würde. Rachegefühle? Liebeskukmmer? Verlust eines Menschen? Du siehst, die Auswahl deines Titels zog mich als Leser schon in seinen Bann. Um so erstaunter war ich, so eine lebensnahe Geschichte zu lesen. Ich bin sehr beeindruckt, von dem was und wie du geschrieben hast.

Lieben Pfingsmontaggruß,
Estrella
 

Mandelbaum

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Eine berührende Geschichte, die m.E. noch an Aussagekraft gewinnen würde, wenn du einige sprachliche Veränderungen vornehmen würdest.
Oma Salmbachs Gesicht ist gelb und faltig. Sie sitzt zusammengesunken am Kopf des Tisches und hat zu kauen aufgehört. [blue]Stattdessen starrt sie auf das halbe Brathähnchen mit der großen Portion Pommes auf ihrem Teller. [/blue][red]Das "Stattdessen" stört, ist Beamtensprache - Vorschlag: hat zu kauen aufgehört und starrt ...[/red]
[blue]und noch immer säuselt der Main neben Ihnen[/blue].[red]der Main säuselt?[/red]
Dann dreht sie sich abrupt um [blue]und tritt den Rückweg an.[/blue] [red]Vorschlag: und geht heim.[/red]
[blue]Sie passieren das Haus des Nachbarn.[/blue]
[red]Vorschlag: Sie gehen am Haus des Nachbars vorbei[/red]
Als seine Oma mit der Kaffeekanne kommt [blue]und auch sonst alles gedeckt ist[/blue] [red]Vorschlag: streichen[/red], setzten sie sich
.
LG, Mandelbaum
 

Lio

Mitglied
Lieber Mandelbaum,

vielen Dank für deine Kritik. Allerdings kann ich die meisten deiner Vorschläge nicht mittragen.

Die Diskussion über "stattdessen" hatte ich schon mit Jon. Beamtendeutsch wäre wohl eher "zugunsten für". Mir fehlt ohne das "stattdessen" einfach der Konnektor, deshalb lasse ich es stehen.

"Der Main säuselt" = Personifizierung

"geht heim" und "gehen am Haus des Nachbarn vorbei" ist mir zu umgangssprachlich.

Die Kürzung erscheint mir logisch. Wird ausgebessert!

Noch einen schönen Pfingstmontag!

Lio
 

Lio

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Lio

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Lesemaus

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Hallo Lio, auch mir hat dein Text gefallen, hätte wegen mir gern etwas länger sein können. Ich dachte immer, dass die Großmutter vielleicht eine der vielen hätte sein können, die in Berlin oder im Osten Deutschlands beim "Einzug" der Russen vergewaltigt wurde. Dass der Enkel vielleicht sogar einen russischen Großvater hätte. Wäre es meine Geschichte, hätte ich das sicher am Ende durchblicken lassen. Aber es ist deine und sie ist auch so gut.

LG Lesemaus
 

Lio

Mitglied
Hey Lesemaus,

auch ´ne gute Idee. Wäre mir aber, ehrlich gesagt, ein bisschen zu konstruiert.

Ich danke dir, und allen anderen sowieso, für die hilfreiche Kritik. Da kann ich den Text guten Gewissens vom Forum herunternehmen.


Viele Grüße!

Lio
 



 
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