Kein Wort

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Monochrom

Mitglied
Hi Ralf,

endlich mal wieder was zu lesen von Dir. Freut mich.

Das Gedicht ist dem Dichten gewidmet. Ein beliebtes Thema.
Die beiden letzten Strophen sagen mir sehr zu.

Ich liste mal, was mich stört:

Erste Strophe:
Das Wörtchen „man“ ist mir zu unpersönlich.
Genauer betrachtet gefallen mir die ersten beiden Verse nicht so. Du hast sicher eine Einleitung gesucht, eine Vorbereitung auf die große Metapher des Texts. Die Worte und das Meer.
Ein Vorschlag, oder besser, eine Überlegung meinerseits wäre, die erste Strophe wegzulassen. Schade ist es dann allerdings um „wie es schon dämmert und nur die Zeit geschieht“.

Doch an sich könnte der Text gut mit „ringst du noch mit dem Wort“ beginnen.

Generell gefallen mir diese versteckten Äußerungen: „heißt Glück-;“, bei denen man sehr auf die Interpunktion achten muss, um sie richtig ablesen zu können.

Und die Kernaussage am Ende, in der letzten Strophe, die ich für mich ablesen kann, mag eine Lehrstunde sein für angehende Lyriker. Sehr gut.

Vielleicht ist es das, aus dem Schweigen, aus den Pausen, die Wörter als den Rahmen zu entdecken, heraus zu picken aus der Leere, eine bloße Form, und das Gedicht selbst ist dann das eingefangene Schweigen.

Könnte ich einen Abend lang bei einem Whiskey und Joint drüber reden,

Grüße,
Monochrom
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Monochrom,
Ja ich hab so meine strukturellen Probleme mit meiner Poesie. Habe den Eindruck für mich alles verwortet zu haben, und so übe ich mich im sprachlosen...

Hm, das mit 'man' hab ich vermutet.
Ich will meine Entscheidung zum unpersönlichen kurz erläutern
Naheliegend wäre:

Wenn du am Meer stehst
Und nur die Möwe siehst
Oder
Und nur die Möwe sieht
Ersteres bedeutete:
Lyrdu steht am Meer und nur die Möwe sieht (etwas)
Oder eben
Lyrdu steht am Meer und lyrdu sieht nur die Möwe

Ich wollte aber beides
Und so kam ich zu dem Kniff mit ' man '
In dieser Satzkonstruktionen sind aber beide Sichtungen durch die Form gegeben.
Das entsürach meiner Absicht:
Der Leser soll herausfinden ob für ihn nur die Möwe sieht
Oder ob er nur die Möwe sieht.
Das war mir wichtig.

Und ja es ist eine Lehrstunde _ zumindest für mich
(Über den Weg de Saucuere und seine Sprachanalyse habe ich es entdeckt)
Wie soll ich sagen:
Das Wort hat eben eine dienende Funktion in der Alltagssprache.Es existiert in einer Zwischenwelt von sinnlicher Wahrnehmung und Notwendigkeit.

Alle Dinge sind zuerst Wahrnehmung und Schweigen.Das Wort zumal das lyrische kommt erst danach ins Sein. Es ist ein Kind der Wahrnehmung aber nicht sie selbst.
Puh
Danke für deine Worte
Ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Kein Wort

Wenn man am Meer steht
und allein die Möwe sieht
wie es schon dämmert
und nur die Zeit geschieht

ringst du noch mit dem Wort
was nie gestrandet ist
heißt Glück-; es rauscht, es brandet
dir ein Lächeln ins Gesicht

nur was unsagbar : bleibt
türmt sich in Bildern auf
zu einem großen Schweigen

Kein Wort ist mehr Gedicht



(Ustronie Murski; Mai 2018)
 

Ralf Langer

Mitglied
Sorry,
Ich meinte in meiner eigenen Betrachtung

Wenn man am Meer steht
Und 'allein' die Möwe sieht

Statt: wie ich fälschlicher Weise schrieb
'Nur' die Möwe sieht

das allein hat mehr Bedeutung als das nur
Ralf
 

Tula

Mitglied
Hallo Ralf

Gefällt mir auch, ein schönes, nachdenklich stimmendes Gedicht. Ich habe aber auch Zweifel, was die Verwendung von 'man' angeht. Deine Erklärung leuchtet mir ein (hatte die zwei Varianten der Interpretation beim ersten Lesen gar nicht erkannt).
Das Problem ist das Verhältnis zwischen 'man' und 'du', jetzt eigentlich zwei verschiedene Personen. Wobei das 'du' in der Tat ein lyrisches 'ich' gewissermaßen fordert.

Wie dem auch sei, ich schaue ebenso gern aufs Meer :)

LG
Tula
 

Monochrom

Mitglied
Hi Ralf,

mir fällt gerade witzigerweise auf..

Du meinst, in der Bedeutung von "man" das Wort, das im Französischen durch "on", der dritten Person Singular, dass aber nicht "es" bedeutet. Im Deutschen gibt es für "on" nur die Näherung "man", es bedeutet aber mehr.

Meine Überlegung geht überdies in die Richtung, die Vorstellung, der Text könnte gut so beginnen,

"Am Meer, ... (in etwa: Am Meer, wo das Rauschen Schritte wiegt,
... alleine die Möwe sieht (in etwa: die Möwe, allein, die Weite sieht)"

Am Meer, wo das Rauschen Schritte wiegt.
Die Möwe, allein, die Weite sieht.

Ist nicht gerade besser, die Metapher der Schritte ist zu abstrakt, es sollte vielleicht doch eher bildhaft bleiben.

Grüße,
Monochrom
 
T

Trainee

Gast
Kein Wort

Wenn [blue]du[/blue] am Meer stehst
und allein die Möwe sieht
wie es schon dämmert
und nur die Zeit geschieht

[blue]gibt es dies Ringen um ein Wort[/blue]
[blue]das[/blue] nie gestrandet ist
heißt Glück-; es rauscht, es brandet
dir ein Lächeln ins Gesicht

nur was unsagbar : bleibt
türmt sich in Bildern auf
zu einem großen Schweigen

Kein Wort ist mehr Gedicht
Lieber Ralf,

schön, etwas von dir zu lesen.
Oben siehst du meine Idee zur Debatte um das "man", die sogar klanglich noch punktete. Jedenfalls aus meiner Sicht.
Übrigens ein sehr schönes melancholisches Gedicht um das Glück, das nur ein Wort lang, einen Augenblick dauert, dauern kann und trotzdem pures Glück ist.
Besonders am Meer.

Hervorzuheben sind die "geschehende Zeit" und der gelungene "Doppelpunkt." Die munden ... :)

Herzliche Grüße
Trainee
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Heidrun,
schön von dir zu hören, und dank an alle Bewerter.
‚Man o man‘: da ring ich mit dem einen Wort.

Hm, Heidrun: so sehr mir der Klang bei deinem Vorschlag gefällt. Ich verlöre
doch die doppelte Lesart, die mir so wichtig ist.

Ich werde noch ein wenig der sanften Brandung an der Ostseeküste lauschen.
Vielleicht sagt mir die Möwe ja noch das ‚Wort‘.
Lg
Ralf
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich weiß, Ralf,

man muß immer lieb sein zu den paar Dauergästen in der Lupa, dann hat man vielleicht die Chance auf einen Kommentar unter den eigenen Liedern.

Aber das bringts auch nicht, mein letztes dreckiges Dutzend bleibt totgeschwiegen, wenig gelesen, Gottseidank unbewertet (der Anonymus hatte keine Lust mehr, mir seine Zweien anzuhängen).

-

Ich decke jetzt einige Schwächen Deines Gedichts auf.
Wenn man am Meer steht
und allein die Möwe sieht
wie es schon dämmert
und nur die Zeit geschieht
Meer, Möwe, es dämmert, und dann achgott die Zeit, es ist schon schwer, allgemeinere Allgemeinplätze zu finden.
Natürlich ist das Meer phantastisch, der Wellenklänge und der Möwenschreie wegen, und Dämmerung ist auch was Feines; - originell? Nein. Dafür sollte man besser danebenzielen: den Schlick, das Grau, der Quallenmatsch, die Rippelmarken.
ringst du noch mit dem Wort
was nie gestrandet ist
heißt Glück-; es rauscht, es brandet
dir ein Lächeln ins Gesicht
Wieso soll das Wort nie gestrandet sein? Tuts doch andauernd, wenn man da hineinhört. Sagt mir meine Erinnerung, denn ich habe nun mal nicht das Glück, an der Küste zu wohnen.
Im Übrigen ist es nicht ungereimt, Du tust es Dir nur nicht an, im Gereimten unter die Kitschbrüder zu geraten. Recht hast Du, da hat man kein Glück mit der Dichtung, das sage ich Dir aus vier Jahren Erfahrung.
Aber Glück, Lächeln, Gesicht, das sind nicht gerade die kostbaren Seltsamkeiten, die ein Sätzegericht würzen. Aber sie haben auch nichts vom hanseatischen Understatement oder der Trockenheit der Friesen, nichts von den Billionen kleinen verschliffenen Kristallen des Sands oder dem fischigen Modergeruch des organischen Abfalls, oder von dem verliebten Koch, der das Meer so scheußlich versalzen hat. Man, muß der verknallt gewesen sein!
nur was unsagbar : bleibt
türmt sich in Bildern auf
zu einem großen Schweigen

Kein Wort ist mehr Gedicht
und Bilder ohne wirkliche Bilder, und am Ende der geschwätzig-armseligen Allgemeinheiten: das "große Schweigen" - Mann, geht es nicht kleiner, bescheidener, realistischer?
Es ist falsch. Am Meer findet nicht einmal der Taube "das große Schweigen", weils ihm von innen tönt.
Gewiß ist kein Wort mehr Gedicht als dieses Farbsnspektrum des Rauschens, nur ist es eben alles andere als ein "Schweigen".

Und ein "großes"? Oh!

mmmmh. mmmmmmmmh.

grusz, hansz
 

Ralf Langer

Mitglied
Danke erstmal
Vor allem Hansz, ich weiss deine Kritik zu schätzen. Mein heitiger Hochzeitstag in Personalunion mit Alkohol verbieten mir weietere Aussagen
Lg
Ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Mondnein,
Ja große Worte,ja das Meer,die Möwe,Dämmerungen( eines meiner geliebten Worte); also Allgemeinplätze dies alles,aber ich wollte auch kein Gedicht über den Schlick,das Grau und den Quallenmatsch schreiben,- oder besser noch, es ließ sich nicht schreiben.
Das Bild das ich sah war und ist ein Anderes.
Hier läuft deine Kritik meinem Empfinden nach ins Leere,der Schauplatz ist ein Anderer.
Es bleibt dir natürlich überlassen selber darüber ein Lied zu verfassen, was ich spannend fände.

Dann zu einer Interpretation deinerseits, die ich auch nicht unkommentiert lassen möchte:

ringst du noch mit dem Wort
was nie gestrandet ist
heißt Glück...

Du schreibst sinngemäß das doch das Wort stets strandet,aber
Nach einer möglichen Lesart geht es doch hier um das Glück,es strandet eben nicht.Täte es dieses könnte ich es aufheben,begreifen,mir einen Begriff machen.
Aber dieses Glück liegt im Rausch im Brandungston.
Es ist nicht fassbar, hinterlässt aber ein Lächeln, sinnlich aber nicht gehirnlich.

Im übrigen die klassischen Brandungswellen( keine Tsunamie)
erwecken ja nur den Eindruck das das Wasser sich nach vorn zum Strand bewege,tatsächlich ist es nur ein auf und , ein Amplitudenspiel:
ein auf und ab,kein vor und zurück. in diesem Sinne kommt auchvdie Welle nie ans Land
( Das hatte ich beim Schreiben im Hinterstübchen)

Und ach ja,das Ungereimte, ein Schelm wer böses dabei denkt.

Dir einen herzlichen Gruß

P.S.

Hm, das grosse Schweigen, das ist wirklich ne Nummer zu groß
 



 
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