Keltische Episode

Klaus K.

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Was war das? Der Wagen ruckelte, der Motor setzte aus, der Wagen ruckelte nochmals - Ende. Das hatte er nun davon. Er war auf dem Weg von Quimper in der Südbretagne nach Metz. Hätte er doch nur nicht auf seine Vermieter gehört!

“Sie brauchen doch nicht mit der Bahn zurück zu fahren! Hier, nehmen Sie unseren guten alten Renault und fahren sie ihn fast bis zur deutschen Grenze. In Metz geben Sie ihn dann bei meinem Bruder ab. Volltanken werden wir selbstverständlich auch. So haben wir doch alle was davon. Sie überführen unseren Wagen, das ist gut für uns. Sie kommen schneller nach Deutschland zurück und sparen Geld, das ist doch gut für Sie! Einverstanden?”

Ja, das hatte er nun davon, die Kiste gab keinen Mucks mehr von sich. Und das frühmorgens um fünf, auf einer kleinen “Route departementale”, die ihm als kürzeste Strecke nach Rennes, dem ersten Etappenziel, genannt worden war. Er war mitten in einem Waldstück stehen geblieben, hinter ihm lagen mindestens 14 km bis zur letzten, vor ihm etwa 13 km bis zur nächsten Ortschaft. Vive la France!

Er öffnete die Motorhaube. Es musste etwas mit der Zündung zu tun haben. Aber er verstand nichts von Autos. Auf den ersten Blick war im Motorraum nichts Ungewöhnliches zu sehen. Vielleicht der Zündverteiler? Aber der liess sich nur mit einem Schraubenzieher öffnen. Wo war Werkzeug? Er setzte sich wieder in den Wagen. Erst nachdenken, dann handeln. Das Handschuhfach! Er förderte lediglich ein vergilbtes Päckchen Zigarettentabak und das dazugehörige Zigarettenpapier zutage, sonst nichts. Egal. Zwar hatte er sich vor der Abfahrt keine Zigaretten mehr gekauft, um so seinen diesbezüglichen Konsum einzuschränken, aber jetzt drehte er sich eine, Papier, Tabak, zwischen Zeigefinger und Daumen. Sein Feuerzeug hatte er noch. So, und jetzt nachdenken. Zurück- oder Vorlaufen, beides idiotisch, beides mühsam. Das Beste war, einfach hier zu warten, bis ein anderes Fahrzeug vorbeikam. Hätte er doch nur die “Route Nationale” genommen, da wäre ihm bereits dreimal geholfen worden!

Er stieg aus. Da, links von ihm, im Wald. Ein riesiger Menhir, ein Relikt aus grauer Vorzeit. Ein keltischer Monolith, fast senkrecht im Boden stehend, beinahe zehn Meter hoch, bestimmt anderthalb Meter im Durchmesser. Unglaublich, und wenn man nur wüsste, von wem genau und warum genau diese monströsen Steine anscheinend so wahl- und planlos hier in der Bretagne aufgestellt worden waren. Aber was war das denn? Etwa einen Meter über dem Boden tanzte etwas um den Menhir herum. Kleine Wesen, die sich an den Händen hielten und dabei einen Kreis bildeten! “Elfen”, schoss es ihm durch den Kopf. Da tanzten Elfen, alle in ihren zart rosa schimmernden Kleidchen, die Füsschen wie Balletteusen bewegend…das gab es doch nicht! Er hörte ein Geräusch, ein Fahrzeug näherte sich. Glück gehabt! Auf sein Winken hielt der Fahrer an, das Problem war schnell erklärt, er wurde sofort mitgenommen. Von seinem Erlebnis berichtete er nichts, jetzt war erst einmal Pragmatismus angesagt, damit er weiterkam.

Julien, der Mechaniker im nächsten Ort, half sofort. Er packte eine gebrauchte Zündspule und Unterbrecherkontakte ein, die er aus einem schrottreifen Renault in seiner Garage schnell ausbaute. Dann fuhren sie gemeinsam in seinem Wagen zurück.

Julien ging sofort ans Werk und brachte die Leihgabe bereits nach einer Viertelstunde wieder zum Laufen. Alles klar, merci, 50 Euro, ein fairer Preis. Geschafft!

Er ging noch einmal zum Menhir zurück. Die Elfen waren verschwunden. Dann hielt er seine Hand an den Stein. “Tack-tack-tack-tacktack”…. Signale! Jetzt wusste er, wofür diese steinernen Monumente errichtet worden waren! Es waren Kommunikationsinstrumente, über die eine Art Morsezeichen übermittelt werden konnten. Aber auch noch nach Jahrtausenden? Altes Keltenland, Wunder über Wunder, aber anscheinend war an den Sagen doch etwas dran. Nur - darum musste er sich später kümmern, eine immense Strecke lag noch vor ihm, und in Deutschland warteten Termine. Also los! Er startete den Motor - wunderbar, alles in bester Ordnung. Was lag da auf dem Beifahrersitz? Ach so, die Packung mit dem Zigarettentabak. Aber was stand da drauf?

“Be careful - this is a mind-blowing mixture which may influence your brains”

Und in Abwandlung einer alten Alkoholiker-Weisheit weiter unten:

“If you smoke it, do not drive - if you drive, do not smoke it!”

Na, dann war ja alles klar. Die Elfen und den tackenden Megalith konnte er vergessen. Unten auf der Packung stand noch: Manufactured in Holland, gefolgt von einer Adresse in Hilversum. Entspannt fuhr er weiter. Vor ihm eine leichte Rechtskurve. Und hinter der Kurve, was war das, rechts am Strassenrand? Waren das Kinder? Zwei kleine Gestalten winkten mit den Händen und deuteten ihm an, anzuhalten. Er fuhr langsamer. Der Eine hatte eine außergewöhnlich dicke Nase, widerlich lange gelbe Zähne und grinste irgendwie hämisch. Und er hatte eine Glatze. Der Andere trug eine eigenartige rote Mütze und war erkennbar darunter ebenfalls kahl. Er hatte bösartig erscheinende Augen und grinste gleichfalls heimtückisch. Das waren keine Kinder! Er fuhr langsam auf sie zu. Beim Näherkommen erkannte er, dass beide nur knapp einen halben Meter gross waren…Mein Gott! Er schaltete den Motor einen Gang runter und trat das Gaspedal durch….
 



 
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