Kentern

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JaneFond

Mitglied
Vielleicht kann man
Gedichte schreiben,
doch kann man sie
auch lesen?
In Hieroglyphen gesetzt,
die fremde Sprache
würgt man aus dem Hals -
die Taubstummenlaute,
doch werden sie gehört?
Ein grausames Lachen
übertönt die Blätter
voller Kritzekratzel,
abgepaust vom Relief
der frühen Menschheitsversuche,
dem Land einen Namen zu geben,
umspült vom Regen,
der in die Flüsse mündete.
Gedichte waren kein Anker,
nur schwebende Illusion
über dem Sand am Meer.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
ich wage zu fragen, wenns erlaubt ist:

Vielleicht kann man
Gedichte schreiben,
doch kann man sie
auch lesen?
hätte in sinnteilige strophen geglieder werden können.
In Hieroglyphen gesetzt,
die fremde Sprache
würgt man aus dem Hals -
die Taubstummenlaute,
doch werden sie gehört?
sind mit den gedichten, die geschrieben werden, dieselben gemeint, die man lesen kann (oder nicht kann)? ist der schreiber mit dem leser hier identisch? fragt sich der schreiber, ob man seine gedichte lesen kann? oder fragt er sich, ob er zum lesen anderer gedichte fähig ist, zumal er seine eigenen natürlich lesen kann?
wer also setzt nun die hieroglyphen, würgt taubstummenlaute aus seinem hals: der dichter gewiß, und nun fragt er sich, ob er gehört wird?
der fortgang widerspricht dem, denn nun heißt es "frühe menschheitsversuche", und ich verstehe (zunächst) die eben genannten hieroglyphen darunter, obwohl es eher nach altamira-höhlen klingt, die aber nicht schriftzeichen, sondern bilder enthalten, die nun eigentlich sehr gut zu erkennen sind.
Gedichte waren kein Anker
was für ein urteil! über welche gedichte, über wessen schriftzeichen? über alle prähistorischen zugleich? ich kenne ausgezeichnete anker, dreitausend jahre alt, und ainigmata, frischer und krafthungriger (sit venia verbo) als französische surrealismen oder amerikanische beatpoemata (z.b. die somahymnen des rgveda).

oder meinst du deine eigenen gedichte?
oder willst du dich in rätsel hüllen?
narkissou ainigmata?
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
lesenswert, deutungsschwanger

du könntest langsam mal antworten!

beim wiederreinschauen sehe ich deutlicher, daß eben halt ägyptische hieroglyphen gemeint zu sein scheinen, die man abpaust - sie sind ja reliefs. dazu paßt auch der küstensandstrand und der fluß, eben der nil mit seiner jahreszeitlichen felderüberflutung (vor dem bau des assuanstaudamms).

und doch: anker, das lebenszeichen z.b., dieses kreuz mit der kopfschleife. die harmonische deutlichkeit der zeichen.

ich vermute, es liegt ein reicher schatz in den versen dieses gedichts.
 

van Geoffrey

Mitglied
STARK!

Hallo, JaneFond!

Das sind traumhaft schöne Verse.
Schön, wie das eigene Schreiben in den Kontext der "Menschheitsversuche" stellst, und damit eine Fülle von Bildern heraufbeschwörst.
Nicht jedes Detail deiner Verse muß ich für mich klären, sondern lasse mir gefallen, ihren Reiz und Zauber auf mich wirken zu lassen.
Das ist - für mich persönlich - ganz große Lyrik. Ich bin kein Formalist, und urteile nach dem Maß, wie sehr mich Lyrik berührt und wie sehr sie mich zu fesseln vermag.
Von der ersten Zeile bis zur letzten nimmt mich das Gedicht gefangen.
Selten, dass man die Schwierigkeit des Schreibens, den Schaffensprozeß, der ja oft genug zum Thema gemacht wird, so originell in Verse faßt.
Bitte mehr davon. Bleibe ruhig deinem Stil treu. Menschen wie ich werden deine Gedichte immer lesen.

LG,

Roman
 

namibia

Mitglied
Hallo Janefond ,

besonders die letzten 3 Zeilen haben es mir angetan, denn genau so empfinde ich Lyrik... In meiner Lesart hast du sowohl die Schwierigkeit des Verwörterns als auch die des Lesens dargestellt.
Ich glaube, Sprache ist viel mehr als nur eine vermeintliche Bedeutung von Worten.Sie spielt sich auch in dem Ungesagten ab, in Ursprung und Wandlung von Begriffen und der großen Geschichte, die sie geprägt hat. Genau das lese ich in deinem Gedicht.

Berührte Grüße

Namibia
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
deine gezielte, bewußte, coole antwortlosigkeit ist, gelinde gesagt, eine frechheit.
 

JaneFond

Mitglied
Hallo Mondnein,
komme gerade vom Weihnachtsmarkt! Leider konnte ich mir noch nicht
genug Gedanken zu Deinem Kommentar machen. Dies werde ich demnächst nachholen!
Einen schönen 3. Advent wünsche ich Dir!

LG,

JaneFond
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
angenommen, dear janefond.

akzeptiert, entschuldigt.
mir war es vorgekommen, wie wenn man jemanden anspricht, interesse zeigt, eine hohe wertung einsetzt und einige verständnis-fragen hat, und dann kommen andere bekannte vorbei, die gefragte und hochgewertete person wendet sich ab, verschwindet mit den vorbeigekommenen lobhudlern, weg ist sie, die fragen bleiben offen.
aber so ist es ja nicht, denn du willst wiederkommen und überlegst (gewissermaßen im nachhinein, nach dem schreiben und veröffentlichen und lobeinsammeln), wie dein gedicht zu verstehen sei.
offensichtlich hast du dir selbst ein rätsel gestellt.
mache ich auch immer wieder.
letztens wurde ich gleich noch geprügelt, als ich einen gutverständlichen gereimten fünfzeiler in die lupa gestellt hatte, weil ich jetzt endlich einmal verständlich sei, und sonst immer so unverständlich. tja, die einen werden gelobt für ihre rätsel, die anderen nicht.
also, bin mir selbst ein rätsel.

bis demnächst, auch dir einen schönen dritten advent,
grusz, hansz
 

van Geoffrey

Mitglied
Prügel

Hallo, Mondnein!

Prügel würde ich nicht zu ernst nehmen. Sie eher als besonders hohes Interesse an dem werten, was du schreibst.
Ich lobhudle keinesfalls, wenn damit unterschieds- und anlasslos vergebenes Lob gemeint ist. Ich hätte auch nicht den geringsten Grund dazu.
Sondern ich lobe immer aus ehrlicher Überzeugung.
Die Neigung, lieber zu loben als zu tadeln lasse ich mir gerne vorwerfen.
Unverständliches - besser: FÜR MICH Unverständliches - lasse ich gerne als Eigenheiten des Autors gelten, ohne sie im Detail analysieren zu müssen. Dieses finde ich aber in dem in Rede stehenden Text nicht, sondern alles fügt sich für mich zu einem stimmigen Bild. Alle "Verallgemeinverständlichungen" meinerseits würden die starken Bilder des Textes schmälern, sodaß ich sie lieber kommentarlos und ohne zu hinterfragen glänzen lasse. Weil es mir nicht notwendig erscheint.

LG,

Roman
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
rettende insel

danke Roman, gewiß, aber ich habe meine fragen ganz schlicht und textimmanent, mit versuchen, zu zeigen, wie weit mein vor-verständnis reicht. ich finde, es ist ein gutes gedicht, aber ich wills in seiner hauptaussage genießen, deshalb meine fragen. sie sind weniger als kritische hinweise auf logische brüche gemeint (das ist sonst bei meinen fragen oft der fall) sondern als interesse und beschäftigung mit den textimmanenten aussagen. ich will auch gerne wissen, ob ich richtig eingestiegen bin oder an der rettenden insel vorbeischwimme.
 

van Geoffrey

Mitglied
Rettende Insel

An der rettenden Insel vorbeischwimmen finde ich gut gesagt.
Das war ja kein Kommentar zu deinen Fragen. Das ist ja ok.Sondern ich wollte nur klarstellen, dass ich persönlich ernsthaft lobe und nicht. Nein, nein - du sollst bei deiner persönlichen Arbeit am Verständnis für den Text bleiben. Jeder hat seine Methode, damit umzugehen. Da liegt der eine genauso richtig wie der andere.
 



 
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