(Kirscheis) Haiku

[ 4] . [ 8]..[ 4].[ 8].
[ 4] .[ 4]. [ 8] . [ 4] . .
Schelmisch summt das Volk[ 2].[ 4]
zwischen Kirscheis und Sahne.
Diebische Freude[ 2]
[ 4].[ 3].[ 8].[ 4][ 8]
[ 8].[ 4][ 8][ 8].

"Diebische Freude" ist nicht unmittelbar bildhaft, sondern eine emotionale Folge.
Da könnte man ja gleich schreiben: "Zunge paß auf!", aber auch das hätte nicht die koan-schlichte Unmittelbarkeit, die ein "richtiger" Haiku hat.

Warum will alle Welt Haikus schreiben? Lauter erleuchtete Zen-Meister? Im Bettlergewand verborgen wie Odysseus?

Wenns um kleine Formen ginge, läge doch ein gereimter Zweizeiler wie bei Angelus Silesius näher.
Dafür brauchts allerdings einen pointierten Gedanken, der knapp mit einer antithetischen, parallelistischen oder hyperbolisch vergleichenden Stilfigur gefaßt wird.

Hallo Phantologe,

ich bin seit etwas über zehn Jahren in der LL, und solange kenne ich auch die Auseinandersetzung darüber, was ein Haiku oder Senryu ist. Inzwischen habe ich mich dem Thema angenähert, bin mir aber oft auch noch unsicher, ob das, was ich geschrieben habe, wirklich ein Haiku/Senryu ist oder "nur" ein Dreizeiler. Mich reizt aber die Form und ich bleibe dran.

Ein Haiku ist auf jeden Fall mehr als ein Dreizeiler, in dem die einzelnen Zeilen eine bestimmte Silbenzahl haben (und selbst bei den Silbenzahlen geht die "Klopperei" oft schon los, da Vertreter der modernen Haikus hier etwas "großzügiger" sind, während die "Traditionalisten" auf die strikte Einhaltung der Silbenzahl pochen).

Bei einem Haiku handelt es sich um eine Naturbeobachtung (im Gegensatz zum Senryu, bei dem es eher um Alltagsbeobachtungen geht), die frei von Wertung, Beurteilung u.ä. wiedergegeben wird. Optimal ist, wenn man auch die Jahreszeit erkennen kann. Auf jeden Fall sollte die Beschreibung beim Leser auch weitere innere Bilder öffnen.

Soweit mein bisher erlangtes Verständnis zu dem Thema, das unser Haiku-Spezialisten aber gerne erweitern und korrigieren dürfen.

Begriffe wie "schelmisch" oder "Diebische Freude" haben aber etwas von Wertung/Beurteilung. Alleine dadurch ist Dein Dreizeiler aus meiner Sicht kein Haiku.

Dann die - von vielen Lesern vermutlich noch nicht entdeckten - kleinen Punkte, die Dein Werk umgeben und sicherlich das summende Volk symbolisieren sollen. Auch diese neckische Spielerei entspricht sicherlich nicht der eher nüchtern-sachlichen Form des Haikus. Wobei, wie ich erst kürzlich gelernt habe, auch Haikus humorvoll sein dürfen. Daher würde es mich schon interessieren, was die Haiku-Spezialisten zu dieser "graphischen Unterstützung" sagen.

Wie ich schon schrieb, finde ich die Form sehr spannend, aber auch höchst anspruchsvoll - auf jeden Fall anspruchsvoller, als es auf den ersten Blick scheint. Das sollte aber kein Grund sein, jetzt aufzugeben, finde ich jedenfalls .

Liebe Grüße

Andreas

kalligraphische Tricks

Das mit den Punkten ist wirklich witzig.
Richtige Haikus sind mit Tuschpinseln auf Papierbögen geschrieben, kalligraphisch geschickt aber locker und leicht hingezeichnet. Der Schreiber tut so, als ob er aus Versehen rumgespritzt hätte, damit es nicht erkennbar wird, daß er die Insekten hineingesprüht hat. Der erste, ders macht, ist originell.

lustig, die punkte.

allerdings kann man "dem volk" nicht ansehen, ob es schelmisch ist oder nicht. damit sind wir beim kommentieren und interpretieren, das eigentlich der leser tut. dies,

lb. anbas,

beendet die debatte über die haiku-eigenschaft, denn aus diesem grund ist der text keins.

das ändert nichts daran, daß das ein gelungener einfall für ein kurzgedicht ist. und das ist doch auch etwas, an dem sich leser und autor erfreuen können. es muß ja nicht darauf bestanden werden, daß dieser text ein haiku ist, nicht wahr?

wenn unser lieber Bernd - in abstimmung mit dem autor Phantologe den text nach "Ungereimtes" verschiebt, kann ich ihm auch die wertung geben, die er dann verdiente.

lieber gruß W.

Lieber Walther,

mir geht es hier nicht um eine Debatte, sondern darum, meine Meinung zu begründen. Ich will nicht einfach nur einen Kommentar "hinrotzen" wie "Das ist kein Haiku" o.ä.

Bei dem ersten Haiku, den Phantologe in die LL eingestellt hat, ist die Debatte leider ziemlich abgeglitten, wie ich finde. Ich will es einfach noch einmal versuchen ...

Allerdings behalte ich mir bei Texten wie diesem vor, das Werk entsprechend zu bewerten, wenn es nicht bearbeitet oder verschoben wird (als Dreizeiler würde es mir gefallen) - oder ich keine Antwort erhalte, die mich davon überzeugt, dass ich auf dem Holzweg bin.

Liebe Grüße

Andreas

Vielen Dank für eure konstruktive Kritik, die ich bei weiteren HAIKU-Versuchen gern annehmen/umsetzen werde. Es ist ja noch kein Meister vom Kirschbaum gefallen ;-) Primär der Begriff -schelmisch- erscheint mir selbst nun sehr fragwürdig. Über die Gewichtung des Textes (eher) in Richtung Naturbetrachtung oder (doch) Emotionalität lässt sich vermutlich aber noch streiten. Was mich irritiert ist der Punkt, dass vergleichbar unreine Kurztexte bei Anthos problemlos ins Haikuraster flutschen und veröffentlicht werden. Liegt das vielleicht daran, dass Verlage durch diese Textgattung viel Textmasse/Autorenmasse aufnehmen können, was die
Anzahl der potentiellen Käufer erhöht? Oder sind selbst Lektoren und Verleger nicht wasserfest, was die stilistischen Mittel betrifft?


Mit nachdenklichem Gruß

Thomas

lb. anbas,

es hat niemand irgendetwas gerotzt, hier wird alles erklärt (s.o.). was der autor daraus macht, ist eine andere sache. ich erkläre immer, warum etwas kein haiku ist. für andere kann ich nicht sprechen.

lieber gruß W.

Ich kann hier nur Anbas unterstützen. Ich finde, was er zum Thema Haiku und diesem Text sagt, hat Hand und Fuß. Insgesamt beinhaltet der Text für mich zu viel Spielerei für ein Haiku/Senryu.

Lass den Text verschieben ins Ungereimte (da stimme ich auch Walther zu), denn da gehört er hin. Dort wird er, so wie er ist, entsprechend Beachtung finden.

Allerdings gefällt mir die dritte Zeile nicht, auch nicht für das "Ungereimte". Mir gefiele z.B. besser:

Schelmisch summt das Volk
zwischen Kirscheis
und Sahne


Nur so als Idee und natürlich reine Geschmacksache. Aber bitte spar dir die Satzzeichen (Punkte) im Text (auch nur mein Geschmack!).