Klagewurm

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Vera-Lena

Mitglied
Klagewurm

Wiesentlich steigt Klagewurm
auf des Maulwurfs Hügelturm
hoch hinauf, wird dort zum Späher,
ist nun einer Fernsicht näher,
stößt ins Horn bei Morgenröte,
tief versteinert lauscht die Kröte:

Welt, du bist und bleibst aus Erde,
wenn ich noch so traurig werde,
kann ich niemanden erschüttern,
wurmlich muss ich weiterzittern.

Denn, die noch viel höher schauen,
sich an große Werke trauen,
sind, wie ich, auch Erdenteilchen,
leugnen dies das kurze Weilchen,
wenn dein Gastrecht sie missbrauchen,
dich in ihre Gifte tauchen,
quälen dich gar wissentlich.
Doch, ich Wurm, ich liebe Dich.
 

george

Mitglied
Ein wunderschöner, witziger Text, Vera-Lena.
Nur an den ersten beiden Zeilen bleibe ich jedesmal hängen, weil der Nominativ und das Objekt nicht richtig hinhauen. Oder soll der "Maulwurfshügel" doch ein Genitiv sein?

Könnte es so heißen:

"Wiesentlich steigt Klagewurm
auf des Maulwurfs Hügelturm,
hoch hinauf wird er zum Späher,
ist nun einer Fernsicht näher,"


Am Besten gefällt mir deine Wortschöpfung "wiesentlich" und die versteinerte Kröte, die dem Schauspiel zusieht.

Grüße
Jürgen
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Jürgen,

Es stimmt schon so, wie es da steht: Klagewurm steigt den Aussichtsturm (des) Maulwurfshügels hoch hinauf.
Ich habe nur das "des" weggelassen.

Aber Deine Version der zweiten Zeile ist doch besser, weil das "auf" darin vorkommt.

Ich übernehme sie deshalb gerne.

Danke für den Tipp! Es freut mich, dass dir der Text gefällt.

Liebe Grüße :) von Vera-Lena
 

gareth

Mitglied
Ein echter Wurm, der Klagewurm heißt,

in der Morgenröte auf der Spitze eines Maulwurfshügels in ein Horn stößt und im Angesicht einer Kröte seine Erdenliebe verkündet. Mein lieber Mann :eek:)

Sehr hübsch, liebe Vera-Lena,

findet
gareth
 

Vera-Lena

Mitglied
Danke, lieber gareth,

vielleicht gibt es in Deinem Umkreis ja auch so einen.;)

Ein schönes Wochenende wünscht Dir Vera-Lena
 

fenestra

Mitglied
Hallo, Vera-Lena,

auch ich finde diese kleine Wiesenszene sehr amüsant und sprachlich gelungen! Zutreffend beschreibst du, wie ein "Wurm" sich müht, eine bessere Fernsicht zu bekommen und doch nur auf einem Maulwurfshügel zu einer Kröte (die immerhin eigentlich seine Feindin ist!) spricht.

Von daher ist es dann allerdings ein bisschen unlogisch (und der Wurm etwas überfordert), wenn er in der dritten Strophe mit sehr viel Weitblick die anderen beurteilt, die
dein Gastrecht ... missbrauchen,
dich in ihre Gifte tauchen,
quälen dich gar wissentlich.
Aber vielleicht meint er ja nur die Kühe, die die Wiese mit Fladen (=größere Taten) beschmutzen... ;)

Denn, die noch viel höher schauen,
sich an große Werke trauen,
sind, wie ich, ein Erdenteilchen,
Hier wechselst du vom Plural in den Singular: die noch viel höher schauen...sind...ein Erdenteilchen. Sind nur Erdenteilchen würd ich deshalb schreiben.


Viele Grüße
fenestra
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe fenestra,

interessant für mich, die Sache so ins Einzelne aufgedröselt zu sehen.:)

Ich hatte beim Schreiben eine andere Perspektive:

Auch wenn die Kröte seine Feindin ist, erstarrt sie vor den hehren mutigen Worten des Wurmes, den sie doch eigentlich verschlingen möchte.

Der Wurm meint durchaus die Menschen. Hier ist Logik nicht mehr angesagt, sondern das Tier wird benutzt als etwas Bildhaftes, meinetwegen ein mutiger Menschenwurm, der sich aufrafft endlich das auszusprechen, was er schon lange auf dem Herzen hat.

Dein Hinweis vom Wechsel Plural-Singular ist gerechtfertigt,
wenn man sich das nicht weiter übersetzen möchte, was aber auch möglich ist (sie sind wie ich=jeder von ihnen ist, wie ich, ein Erdenteilchen.

Aber es ist einfach, das zu ändern, nur möchte ich nicht das Wort "nur" benutzen. Das passt ja nicht zur "Erdenliebe".
Wenn man liebt und sich geliebt fühlt, fühlt man sich bereichert und nicht vermindert. Der Wurm wird bestimmt nicht sagen: Ich bin nur ein Erdenteilchen. Er ist ja stolz darauf, dass er der Erde so nahe verbunden ist.

Du siehst schon, ich verwende den Wurm immer doppelt: Einerseits ist er ein Tier, andererseits ein Bild, um eine Aussage über den Menschen zu transportieren.

Ich danke Dir für Deine Ausführungen.

Ganz liebe Grüße von Vera-Lena
 



 
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